Hallo Spitze Feder
Wenn aus einer primitiven Kraft schöpferische Kulturleistungen resultieren, dann bleibt diese Kraft dennoch primitiv.
Ja, da gehe ich mit dir noch einigermaßen konform.
Übrigens spiegelt sich dieses Spannungsverhältnis ja auch in meinem Gedicht wider:
Spannungsverhältnis? Was soll das bedeuten?
Es ist sprachlich primitiv – aber formal [blue]elaboriert[/blue].
elaborirt = differenziert ausgebildet, hoch entwickelt
Na ja ...
Du hast schön den einen möglichen Interpretationsstrang entfaltet, indem du die Leerstellen, die mein Gedicht lässt (durch die [blue]elliptische[/blue] Ausdrucksweise), entsprechend ausgefüllt hast.
Dazu sagt Wikipedia (
https://de.wikipedia.org/wiki/Ellipse_(Linguistik) )
Als Ellipse (von altgriechisch: élleipsis; deutsch: Zurücklassen, Unterlassen, Auslassen) bezeichnet man in der Linguistik das Auslassen von Satzteilen, aber auch die Sätze mit diesen Auslassungen.
...
Eine strenge Definition verlangt für die Ellipse, dass sie wortgetreu aus dem sprachlichen Kontext rekonstruiert werden kann.
Das mit dem „sprachlichen Kontext“ wird bei deinem Werk sehr schwierig. Da ist für mein Empfinden einfach nicht genügend Material ...
Aber Okay – ich will deine Kommentare nicht weiter sezieren. Lass uns zu deinem Werk zurückkehren:
warum [blue]musse mensch ficke[/blue]
isse [blue]geistige wese[/blue]
isse nicht affe nicht schwein
geistige wese könne [blue]verbinde
geist to geist[/blue]
isse mensch geistige wese
warum musse ficke
wie affe wie schwein
Ich denke, wir brauchen mal ein paar klärende Definitionen von dir.
„[blue]musse[/blue]“ – im Sinne von „müssen“ (wie atmen, essen, trinken, eine existenzielle Notwendigkeit) oder als rhetorische Frage (in welcher der Sprecher indirekt seine Meinung bekräftigt) oder als hypothetische Frage (deren Inhalt einfach mal als Fakt angenommen wird)?
„[blue]mensch[/blue]“ – meinst du damit einen einzelnen Menschen (ein Individuum) oder einen bestimmten Geschlechterbezug (Mann / Frau) oder die Menschheit in ihrer Gesamtheit?
„[blue]ficke[/blue]“ – im Sinne der reinen Kopulation (Vereinigung) oder im Sinne der umfassenderen Sexualität?
„[blue]geistige wese[/blue]“ – im Sinne von Homo Sapiens (vernünftiger Mensch) oder eher im spirituellen (geistlichen, religiösen) Sinne?
„[blue]verbinde
geist to geist[/blue]“ – im Sinne von kommunikativem Austausch oder auf spiritueller Ebene oder schon fast auf mystischer parapsychischer Ebene (Empathie, Telepathie)?
Du siehst, alleine durch die Vielzahl der einzelnen Interpretationsmöglichkeiten der von dir verwendeten (unscharfen) Begriffe ergibt sich ein deutlich größerer Interpretationsspielraum für das ganze Werk.
Das Fehlen von Satzzeichen (Punkt, Komma, Fragezeichen) eröffnet weitere geistige Spielräume. Die ersten drei Zeilen jeweils als Fragen gelesen – ergibt einen anderen Sinn.
Was heißt eigentlich Interpretation?
Dazu sagt Wikipedia (
https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation#Interpretation_in_der_Kunst )
Interpretation in der Kunst
Interpretation im Sinne der Kunsttheorie und Kulturwissenschaften ist der Vorgang, in dem ein [blue]literarisches[/blue], musikalisches oder bildnerisches [blue]Kunstwerk[/blue] ausgelegt oder gedeutet wird. Interpretation umfasst neben der [blue]Formanalyse[/blue] auch die [blue]Untersuchung des Subtextes[/blue].
Formanalyse: Primitiv (von dir bestätigt

)
Subtext: Subtext? Alles mögliche, siehe oben (klärende Definition).
Lass mich mal deine Eingangsthese paraphrasieren:
Der Mensch ist doch so intelligent (geistige Wese), kann er sich da nicht was anderes ausdenken, als dieses armselige rein-und-raus-gehoppel?
Der Mensch ist nach Gottes Abbild geschaffen, er steht über den Tieren. Warum benimmt er sich aber wie die Affen und die Schweine?
Der Mensch ist die Krone der Schöpfung, warum imitiert er die primitiven Verhaltensweisen von Affen und Schweinen (Hund, Katze, Pferd ...)? Kann er den Akt der Reproduktion (Fortpflanzung) nicht anders gestalten?
In deinen acht Zeilen ist so vieles möglich, so viel unterschiedlicher Inhalt interpretierbar ... ein sehr unscharfes Bild einer Meinung. Und leider – so mein persönliches Empfinden – nicht sehr poetisch oder gar lyrisch.
Zu H. P. Duerr:
Abgesehen von der Tatsache, dass du dich damit sehr weit von deinem Text entfernst, sind die zitierten Aussagen über Duerrs Werk recht schwammig:
- „Er begründet die [blue]Vermutung[/blue] ...“
- „Wie Duerr [blue]nachgewiesen[/blue] hat ...“
- „Duerr vertritt die [blue]These[/blue] ...“
Nicht sehr deutlich in der Aussage und damit auch nicht sehr überzeugend.
Interessant fand ich unter deinen Querverweis:
„Um dies zu belegen, unternimmt der Autor eine [blue]Neubewertung (die bei ihm zu einem Neu-Erzählen wird) der Quellen[/blue], auf denen die gängig Zivilisationstheorie basiert.“
Heißt wohl so viel wie: Er unterwirft die vorliegenden Quellen einer eigenen Interpretation.
Wie und wo hat er dies alles gelernt?
Dazu sagt Wikipedia (
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Peter_Duerr )
Werdegang
Duerr studierte Ethnologie an den Universitäten in Wien und Heidelberg. Er wurde 1971 an der Universität Heidelberg über Bewußtseinstheorie in Philosophie promoviert. Von 1975 bis 1980 war er Lehrbeauftragter und Gastprofessor für Ethnologie und Kulturgeschichte in Zürich, Kassel und Bern. 1981 habilitierte er sich an der Gesamthochschule Kassel. Von 1992 bis 1999 lehrte er als Professor für Ethnologie und Kulturgeschichte an der Universität Bremen. Seither lebt er wieder in Heidelberg. 1989/1990 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und 1995/1996 an der Europäischen Universität Florenz.
Wissenschaftliche Arbeit
Regionale Schwerpunkte in Duerrs Arbeiten sind das indigene Nordamerika, Ostindonesien und [blue]Nordfriesland[/blue].
Der Band „Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation“ erschien 1978 und wurde zu einem viel gelesenen Buch an deutschen Universitäten. Duerr beschreibt darin naturreligiöse Traditionen. Sein Thema sind Schamanen, Hexen, Astrologen. Er beschäftigt sich mit der Frage, was ein Mensch der westlichen Zivilisation von alten Traditionen lernen kann. Insbesondere verarbeitet er Erfahrungen, die er beim Umgang mit fremden Kulturen sammeln konnte.
In seinem fünfbändigen Hauptwerk „Der Mythos vom Zivilisationsprozess“ geht es Duerr um eine Widerlegung der Zivilisationstheorie von Norbert Elias, die dieser 1939 in seinem Hauptwerk „Über den Prozeß der Zivilisation“ aufstellte.
Nordfriesland – bestimmt eine unerschöpfliche Quelle für Schamanen, Hexen und Astrologen.

Schamgrenzen in der „zivilisierten Welt“ hätte er auch in den FKK-Ostseebädern untersuchen können.
Ebenfalls bei Wikipedia (
https://de.wikipedia.org/wiki/Über_den_Prozeß_der_Zivilisation#Kontroverse_mit_Hans_Peter_Duerr )
Kontroverse mit Hans Peter Duerr
Der Ethnologe Hans Peter Duerr bemühte sich in einem monumentalen fünfbändigen Hauptwerk unter dem Titel „Der Mythos vom Zivilisationsprozess“ auf mehr als 3500 Seiten, Norbert Elias empirisch zu widerlegen. Duerr zufolge hat Elias die Quellen zu positivistisch ausgewertet. Das Mittelalter kannte Duerr zufolge starke Peinlichkeits- und Schamschwellen. Insbesondere verkenne Elias die Kultur von Naturvölkern, die selbst auch starke kulturelle Grenzen kennen. Indigene Völker würden zudem von Elias so indirekt als unzivilisiert dargestellt.
Unter dem Titel Elias-Duerr-Kontroverse gab die Kontroverse Anlass zu wissenschaftssoziologischen Untersuchungen. Duerr wurde vorgeworfen, mit Feindseligkeit, Hass und Vernichtungswillen gegen Elias vorzugehen. Elias habe sehr wohl die Position vertreten, dass jede menschliche Gesellschaft auf Kooperation beruhe und daher Selbstkontrolle von ihren Angehörigen verlange. Was sich im Lauf der Entwicklung von Gesellschaften ändere, sei das Ausmaß und die Form der Selbstkontrolle. Umgekehrt hielt der Spiegel anhand von Briefen Elias, der Duerr persönlich anerkennend anschrieb und gleichzeitig sich beim Suhrkamp Verlag beschwerte, dass dessen Propaganda im selben Verlag wie seine Werke erschienen, selbst den einen oder anderen Mangel an zivilisiertem Verhalten vor.
Betrachte ich das Schamempfinden und kehre wieder zu deinem Text zurück, stimmt deine These immer noch nicht:
warum musse ficke
wie affe wie schwein
Tiere kennen kein Schamgefühl, sie „machen es“ wenn ihnen danach ist (obgleich – Beutetiere – Säuger – verstecken sich ebenfalls „dabei“).
Der Mensch zieht sich dafür in ein stilles Kämmerlein zurück, macht möglichst noch das Licht aus.
Herr Duerr hat anscheinend nie FKK-Camping-Urlaub gemacht. Ich glaube, seine Thesen würden anders aussehen.
Ich weiß nicht, welche Intention dich beim Verfassen diese Stückes begleitete. Sollte es darum gegangen sein, mit möglichst wenigen Worten möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen – alleine mit dem Wörtchen „ficken“ ist dir dies schon gelungen. Ich habe „ficken“ noch nie so oft in legitimer Form in einem Kommentar verwendet.
Das war es damit von mir.
Noch viel Spaß beim weiteren debattieren, aber ich glaube, aus dem Werk ist nicht mehr herauszuholen.
Es grüßt
Frank