wie affe wie schwein

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Spitze Feder

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@ Willibald

Du hast schön den einen möglichen Interpretationsstrang entfaltet, indem du die Leerstellen, die mein Gedicht lässt (durch die elliptische Ausdrucksweise), entsprechend ausgefüllt hast.

warum musse mensch ficke
isse geistige wese (obwohl er ein geistiges Wesen ist)
isse nicht affe nicht schwein

Hier wird also in der Tat vorausgesetzt, dass der Mensch – trotz Geist und Vernunft – triebhaft ficken muss, und nach dem Grund hierfür gefragt.

Das Gedicht könnte auf der Basis dieser möglichen Interpretation so paraphrasiert werden:

INTERPRETATION A

Warum muss der Mensch ficken,
obwohl er ein geistiges Wesen ist –
obwohl er weder Affe noch Schwein ist?

Geistige Wesen können
geistige Verbindungen schaffen.
Und der Mensch ist ein geistiges Wesen.

Warum muss er dennoch
ficken, wie es Affen und Schweine tun?

Das ist aber nur die eine mögliche Interpretation. Denn wie du die Leerstellen ausgefüllt hast, ist nicht zwingend – sie lassen sich auch anders ausfüllen.

So könnte man statt „obwohl“ im zweiten Vers „schließlich“ einsetzen. Damit verkehrt sich die Aussage ins Gegenteil.

Jetzt wird das „Müssen“ nicht mehr als gegeben vorausgesetzt, sondern in Abrede gestellt. Der zweite Vers gibt die Begründung dafür, warum das „Müssen“ in Zweifel gezogen wird. Also so:

INTERPRETATION B

Warum muss der Mensch denn ficken?
Schließlich ist er ein geistiges Wesen –
und weder Affe noch Schwein.

Geistige Wesen können
geistige Verbindungen schaffen.
Und der Mensch ist ein geistiges Wesen.

Warum also sollte der Mensch
ficken müssen, wie es Affen und Schweine tun?
 

Spitze Feder

Mitglied
Zitat Patrick Schuler:

„Ich glaube auch, dass die These, der Mensch schäme sich seines Sexualtriebes, weil ihn dieser an sein tiersein, tierisches Sein erinnere, nicht zu halten ist. Die extreme Leib und Sexualfeindlichkeit, die sich verwischt zu Scham udg. ist im großen und Ganzen eher Produkt religiöser (vorallem christlicher) Prägung. Bei vielen Naturvölkern, nicht stark religiös geprägten Gemeinschaften findet man sie nicht, bis kaum. Selbst in den islamischen Ländern war sie bis ins 19. Jahrhundert eher eine Seltenheit (bis zur Begegnung mit den christlichen Sittlichkeitspredigern). Kurzum, du nimmst hier eine zutiefst weltanschaulich bedingte Defintion, tranzendierst sie, bis sie zuletzt der ganzen Gattung anheften soll.“

Dass Scham bei „Naturvölkern“ nicht oder kaum zu finden sei, gehört zu Vorstellungen, die H. P. Duerr als „den Mythos des Zivilisationsprozesses“ bezeichnet hat.

Schon der Begriff „Naturvolk“ ist ein ideologischer Begriff: Er unterstellt, dass es Völker und Kulturen gibt, die irgendwie ursprünglicher, „näher an der Natur“ seien als die europäischen Kulturen.

H. P. Duerr hat aber gezeigt, dass dies idealisierende Projektionen sind – aus dem Blickwinkel der europäischen Zivilisation.

„Er begründet die Vermutung, daß es zumindest innerhalb der letzten vierzigtausend Jahre weder Wilde noch Naturvölker, weder Primitive noch unzivilisierte Völker gegeben hat.“

Beispielsweise glauben Europäer, dass hüllenlose ‚Buschmenschen‘ folglich weniger Scham besitzen würden. Dies ist aber offenbar eine Fehlinterpretation. Denn:

„So wird z.B. der nackte Leib - der, entgegen dem, was viele Wissenschaftler sagen, allemal sexuell wirkt - häufig mit einer Art "Phantomkleidung" bedeckt, indem man dazu erzogen wird, entweder von dem anderen den Blick abzuwenden oder durch ihn "hindurchzusehen".“

Wie Duerr nachgewiesen hat, ist es gerade nicht so, dass frühere (außereuropäische) Kulturen ein geringeres Bedürfnis nach schützender Intimität gehabt hätten als die moderne westlich-europäische Kultur, sondern im Gegenteil:

„Duerr vertritt die These, die soziale Verflechtung und damit die soziale Kontrolle sei in "traditionellen" Gesellschaften wesentlich größer und intensiver als in modernen, und entsprechend sei auch das Bedürfnis nach Initimität, nach einer Privatsphäre, größer.“

Quelle: https://www.suhrkamp.de/buecher/der_mythos_vom_zivilisationsprozess-hans_peter_duerr_2292.html
 

FrankK

Mitglied
Hallo Spitze Feder
Wenn aus einer primitiven Kraft schöpferische Kulturleistungen resultieren, dann bleibt diese Kraft dennoch primitiv.
Ja, da gehe ich mit dir noch einigermaßen konform.

Übrigens spiegelt sich dieses Spannungsverhältnis ja auch in meinem Gedicht wider:
Spannungsverhältnis? Was soll das bedeuten?

Es ist sprachlich primitiv – aber formal [blue]elaboriert[/blue].
elaborirt = differenziert ausgebildet, hoch entwickelt
Na ja ... ;)


Du hast schön den einen möglichen Interpretationsstrang entfaltet, indem du die Leerstellen, die mein Gedicht lässt (durch die [blue]elliptische[/blue] Ausdrucksweise), entsprechend ausgefüllt hast.
Dazu sagt Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Ellipse_(Linguistik) )
Als Ellipse (von altgriechisch: élleipsis; deutsch: Zurücklassen, Unterlassen, Auslassen) bezeichnet man in der Linguistik das Auslassen von Satzteilen, aber auch die Sätze mit diesen Auslassungen.
...
Eine strenge Definition verlangt für die Ellipse, dass sie wortgetreu aus dem sprachlichen Kontext rekonstruiert werden kann.
Das mit dem „sprachlichen Kontext“ wird bei deinem Werk sehr schwierig. Da ist für mein Empfinden einfach nicht genügend Material ...


Aber Okay – ich will deine Kommentare nicht weiter sezieren. Lass uns zu deinem Werk zurückkehren:
warum [blue]musse mensch ficke[/blue]
isse [blue]geistige wese[/blue]
isse nicht affe nicht schwein

geistige wese könne [blue]verbinde
geist to geist[/blue]
isse mensch geistige wese

warum musse ficke
wie affe wie schwein
Ich denke, wir brauchen mal ein paar klärende Definitionen von dir.
„[blue]musse[/blue]“ – im Sinne von „müssen“ (wie atmen, essen, trinken, eine existenzielle Notwendigkeit) oder als rhetorische Frage (in welcher der Sprecher indirekt seine Meinung bekräftigt) oder als hypothetische Frage (deren Inhalt einfach mal als Fakt angenommen wird)?
„[blue]mensch[/blue]“ – meinst du damit einen einzelnen Menschen (ein Individuum) oder einen bestimmten Geschlechterbezug (Mann / Frau) oder die Menschheit in ihrer Gesamtheit?
„[blue]ficke[/blue]“ – im Sinne der reinen Kopulation (Vereinigung) oder im Sinne der umfassenderen Sexualität?
„[blue]geistige wese[/blue]“ – im Sinne von Homo Sapiens (vernünftiger Mensch) oder eher im spirituellen (geistlichen, religiösen) Sinne?
„[blue]verbinde
geist to geist[/blue]“ – im Sinne von kommunikativem Austausch oder auf spiritueller Ebene oder schon fast auf mystischer parapsychischer Ebene (Empathie, Telepathie)?

Du siehst, alleine durch die Vielzahl der einzelnen Interpretationsmöglichkeiten der von dir verwendeten (unscharfen) Begriffe ergibt sich ein deutlich größerer Interpretationsspielraum für das ganze Werk.
Das Fehlen von Satzzeichen (Punkt, Komma, Fragezeichen) eröffnet weitere geistige Spielräume. Die ersten drei Zeilen jeweils als Fragen gelesen – ergibt einen anderen Sinn.

Was heißt eigentlich Interpretation?
Dazu sagt Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation#Interpretation_in_der_Kunst )
Interpretation in der Kunst
Interpretation im Sinne der Kunsttheorie und Kulturwissenschaften ist der Vorgang, in dem ein [blue]literarisches[/blue], musikalisches oder bildnerisches [blue]Kunstwerk[/blue] ausgelegt oder gedeutet wird. Interpretation umfasst neben der [blue]Formanalyse[/blue] auch die [blue]Untersuchung des Subtextes[/blue].
Formanalyse: Primitiv (von dir bestätigt ;) )
Subtext: Subtext? Alles mögliche, siehe oben (klärende Definition).

Lass mich mal deine Eingangsthese paraphrasieren:
warum musse mensch ficke
Der Mensch ist doch so intelligent (geistige Wese), kann er sich da nicht was anderes ausdenken, als dieses armselige rein-und-raus-gehoppel?

warum musse mensch ficke
Der Mensch ist nach Gottes Abbild geschaffen, er steht über den Tieren. Warum benimmt er sich aber wie die Affen und die Schweine?

warum musse mensch ficke
Der Mensch ist die Krone der Schöpfung, warum imitiert er die primitiven Verhaltensweisen von Affen und Schweinen (Hund, Katze, Pferd ...)? Kann er den Akt der Reproduktion (Fortpflanzung) nicht anders gestalten?


In deinen acht Zeilen ist so vieles möglich, so viel unterschiedlicher Inhalt interpretierbar ... ein sehr unscharfes Bild einer Meinung. Und leider – so mein persönliches Empfinden – nicht sehr poetisch oder gar lyrisch.


Zu H. P. Duerr:
Abgesehen von der Tatsache, dass du dich damit sehr weit von deinem Text entfernst, sind die zitierten Aussagen über Duerrs Werk recht schwammig:
- „Er begründet die [blue]Vermutung[/blue] ...“
- „Wie Duerr [blue]nachgewiesen[/blue] hat ...“
- „Duerr vertritt die [blue]These[/blue] ...“
Nicht sehr deutlich in der Aussage und damit auch nicht sehr überzeugend.

Interessant fand ich unter deinen Querverweis:
„Um dies zu belegen, unternimmt der Autor eine [blue]Neubewertung (die bei ihm zu einem Neu-Erzählen wird) der Quellen[/blue], auf denen die gängig Zivilisationstheorie basiert.“
Heißt wohl so viel wie: Er unterwirft die vorliegenden Quellen einer eigenen Interpretation.

Wie und wo hat er dies alles gelernt?
Dazu sagt Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Peter_Duerr )
Werdegang
Duerr studierte Ethnologie an den Universitäten in Wien und Heidelberg. Er wurde 1971 an der Universität Heidelberg über Bewußtseinstheorie in Philosophie promoviert. Von 1975 bis 1980 war er Lehrbeauftragter und Gastprofessor für Ethnologie und Kulturgeschichte in Zürich, Kassel und Bern. 1981 habilitierte er sich an der Gesamthochschule Kassel. Von 1992 bis 1999 lehrte er als Professor für Ethnologie und Kulturgeschichte an der Universität Bremen. Seither lebt er wieder in Heidelberg. 1989/1990 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und 1995/1996 an der Europäischen Universität Florenz.

Wissenschaftliche Arbeit
Regionale Schwerpunkte in Duerrs Arbeiten sind das indigene Nordamerika, Ostindonesien und [blue]Nordfriesland[/blue].
Der Band „Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation“ erschien 1978 und wurde zu einem viel gelesenen Buch an deutschen Universitäten. Duerr beschreibt darin naturreligiöse Traditionen. Sein Thema sind Schamanen, Hexen, Astrologen. Er beschäftigt sich mit der Frage, was ein Mensch der westlichen Zivilisation von alten Traditionen lernen kann. Insbesondere verarbeitet er Erfahrungen, die er beim Umgang mit fremden Kulturen sammeln konnte.

In seinem fünfbändigen Hauptwerk „Der Mythos vom Zivilisationsprozess“ geht es Duerr um eine Widerlegung der Zivilisationstheorie von Norbert Elias, die dieser 1939 in seinem Hauptwerk „Über den Prozeß der Zivilisation“ aufstellte.
Nordfriesland – bestimmt eine unerschöpfliche Quelle für Schamanen, Hexen und Astrologen. ;)
Schamgrenzen in der „zivilisierten Welt“ hätte er auch in den FKK-Ostseebädern untersuchen können.

Ebenfalls bei Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Über_den_Prozeß_der_Zivilisation#Kontroverse_mit_Hans_Peter_Duerr )
Kontroverse mit Hans Peter Duerr
Der Ethnologe Hans Peter Duerr bemühte sich in einem monumentalen fünfbändigen Hauptwerk unter dem Titel „Der Mythos vom Zivilisationsprozess“ auf mehr als 3500 Seiten, Norbert Elias empirisch zu widerlegen. Duerr zufolge hat Elias die Quellen zu positivistisch ausgewertet. Das Mittelalter kannte Duerr zufolge starke Peinlichkeits- und Schamschwellen. Insbesondere verkenne Elias die Kultur von Naturvölkern, die selbst auch starke kulturelle Grenzen kennen. Indigene Völker würden zudem von Elias so indirekt als unzivilisiert dargestellt.

Unter dem Titel Elias-Duerr-Kontroverse gab die Kontroverse Anlass zu wissenschaftssoziologischen Untersuchungen. Duerr wurde vorgeworfen, mit Feindseligkeit, Hass und Vernichtungswillen gegen Elias vorzugehen. Elias habe sehr wohl die Position vertreten, dass jede menschliche Gesellschaft auf Kooperation beruhe und daher Selbstkontrolle von ihren Angehörigen verlange. Was sich im Lauf der Entwicklung von Gesellschaften ändere, sei das Ausmaß und die Form der Selbstkontrolle. Umgekehrt hielt der Spiegel anhand von Briefen Elias, der Duerr persönlich anerkennend anschrieb und gleichzeitig sich beim Suhrkamp Verlag beschwerte, dass dessen Propaganda im selben Verlag wie seine Werke erschienen, selbst den einen oder anderen Mangel an zivilisiertem Verhalten vor.

Betrachte ich das Schamempfinden und kehre wieder zu deinem Text zurück, stimmt deine These immer noch nicht:
warum musse ficke
wie affe wie schwein
Tiere kennen kein Schamgefühl, sie „machen es“ wenn ihnen danach ist (obgleich – Beutetiere – Säuger – verstecken sich ebenfalls „dabei“).
Der Mensch zieht sich dafür in ein stilles Kämmerlein zurück, macht möglichst noch das Licht aus.

Herr Duerr hat anscheinend nie FKK-Camping-Urlaub gemacht. Ich glaube, seine Thesen würden anders aussehen.


Ich weiß nicht, welche Intention dich beim Verfassen diese Stückes begleitete. Sollte es darum gegangen sein, mit möglichst wenigen Worten möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen – alleine mit dem Wörtchen „ficken“ ist dir dies schon gelungen. Ich habe „ficken“ noch nie so oft in legitimer Form in einem Kommentar verwendet. :)


Das war es damit von mir.
Noch viel Spaß beim weiteren debattieren, aber ich glaube, aus dem Werk ist nicht mehr herauszuholen.


Es grüßt
Frank
 

Spitze Feder

Mitglied
@ FrankK:

"Du siehst, alleine durch die Vielzahl der einzelnen Interpretationsmöglichkeiten der von dir verwendeten (unscharfen) Begriffe ergibt sich ein deutlich größerer Interpretationsspielraum für das ganze Werk.
Das Fehlen von Satzzeichen (Punkt, Komma, Fragezeichen) eröffnet weitere geistige Spielräume. Die ersten drei Zeilen jeweils als Fragen gelesen – ergibt einen anderen Sinn."

Die Offenheit für verschiedene Interpretationsmöglichkeiten ist gerade eine Stärke meines Gedichts.

„Das war es damit von mir.
Noch viel Spaß beim weiteren debattieren, aber ich glaube, aus dem Werk ist nicht mehr herauszuholen. Das war es damit von mir.“

Du hast ja eine ganze Menge aus meinem Gedicht herausgeholt, indem du verschiedene Bedeutungsebenen aufgezeigt hast. Zum Beispiel die religiöse Konnotation von „geistige Wese“: Man denke hier etwa an Aussagen von Paulus über den Widerstreit zwischen Geist und Fleisch:

„Gal 5,16-26:16 Ich aber sage [dies]: Wandelt im Geist und ihr werdet [das] Begehren des Fleisches nicht ausführen. 17 Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist auf, der Geist gegen das Fleisch; denn sie liegen miteinander im Streit, sodass ihr nicht das tut, was ihr [eigentlich] wollt. 18 Wenn ihr euch vom Geist leiten lasst, seid ihr nicht unter dem Gesetz. 19 Offenkundig sind aber die Werke des Fleisches, als da sind: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, 20 Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifer, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwietracht, Parteiungen, 21 Neid, Trunkenheit und Schwelgereien und dergleichen, wovon ich euch voraussage, wie ich [schon] vorausgesagt habe: Die solches tun, werden [das] Gottesreich nicht erben.“

Mein Gedicht funktioniert ähnlich wie der Rorschachtest: Der Rezipient erschafft erst die Bedeutung, kann sich dessen aber auch bewusst werden.

Beispiel: Ist hier ein Gesicht oder zwei Menschen zu sehen? Diese Entscheidung liegt beim Rezipienten.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rorschach_blot_02.jpg

Die Tatsache, dass der Rezipient entscheidet, welche Bedeutung er den Tintenklecksen verleiht, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke: Der Rezipient wird in eine aktive Rolle versetzt. Er kann sich aber auch seiner aktiven Rolle bewusst werden, indem er zum Beispiel feststellt: Hoppla, ich kann das Bild ja auch anders deuten.

Analog dazu ist der Rezipient auch bei meinem Gedicht herausgefordert, den sprachlichen „Tintenklecksen“ eine Bedeutung zu verleihen. Er aktiviert damit seine eigenen Positionen zur Sexualität, kann diese aber auch hinterfragen, wenn er feststellt, dass auch andere Deutungen möglich sind.
 

FrankK

Mitglied
Ach je, ein Rorschach-Text?
Der Vergleich hinkt und passt zugleich.
Ein Rorschach-Bild wird von mir interpretiert. Ein Psychiater (oder Psychologe) interpretiert meine Interpretation. Dies erscheint mir so Aussagekräftig wie ein Horoskop - wie das Lesen einer Glaskugel, wie das Lesen von Kaffeesatz: Sinnfrei.

Bei deinem Text muss der Leser zunächst den Sinn der Worte und der (wahrscheinlichen) Satzkonstruktionen interpretieren. Anschließend interpretiert er den (möglichen) Sinn deines Textes. Also auch hier die Interpretation einer Interpretation.

Ist hier ein Gesicht oder zwei Menschen zu sehen?
Spontan habe ich zwei tanzende Elefanten gesehen, mit roten Spitzhüten und jeweils einer roten Socke. Ist das eine politische Anspielung (rote Socke) oder dachte ich zu viel an Harry Potter (Spitzhüte)?
Wenn ich mir mühe gebe, sehe ich vielleicht auch einen zermatschten Nachtfalter. Ist das nun ein Ausdruck meiner latenten, unterdrückten Gewaltfantasie? Oder fühlte ich mich letzte Nacht tatsächlich von so einem Nachtfalter, der dauernd vor die Fensterscheibe brummte, genervt?

Interpretations[blue]frei[/blue] kann mich ein Text in alle möglichen Richtungen führen. Der Text funktioniert dann nicht.
Interpretations[blue]offen[/blue] gibt der Text eine bestimmte Richtung vor, lenkt und führt meine Gedanken, überlässt das abschließende Fazit aber mir.

Kennst du noch:
"Pünktchen, Pünktchen, Komma Strich -
Fertig ist das Mondgesicht."

Interpretationsfrei.
Ist es das laszive Lächeln einer junge Frau, die dich nur all zu bereitwillig empfangen möchte?
Oder ist es das schmierige Grinsen des Bankdirektors, der dir (und deinem hoffnungslos überzogenen Dispokredit) die Monatsabrechnung überreicht?
Auch da kann man vieles hineindeuten. Zu viel, für mein Empfinden.


Einen schönen Sonntag noch
Frank
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo spitze Feder

Das Scham nicht bei Naturvölkern zu finden sei, habe ich nie behauptet! Das es unzivilisierte Völker gibt ist Fakt und die Gegenteilige Behauptung viel eher eine Projektion, aufgrund gewisser moralischer Das-sagt-man-nicht-Schuld-Komplexe in die Welt gesetzt. Das wir gerade so kommunizieren können, viele andere Teile der Welt nicht, ist Beweis genug. Natürlich hat nie jm. bezweifelt, dass auch Naturvölker (einen Begriff den ich nutze, weil jeder weiß was gemeint ist) Zivisilation besitzen, das tuen nebenbei auch Schimpansen...aber die Grade zivilisatorischer Errungenschaften, also der Art und Weise des Zusammenlebens unterscheiden sich gravierend.

Die Scham allerdings, die sehr häufig mit dem Sexualtrieb und/oder der Nacktheit einhergeht wurde von dir als quälend beschrieben, weil sie uns an unsere tierische "Vergangenheit" erinnern solle.
Das wiederum ist ein Punkt der in deiner Antwort nirgendwo auftaucht, schon das Verlangen des Menschen seinen Partner zu einem Besitztum zu objektivieren, in vielen Völkern (leider) die Frau dem Manne, könnte das Phänomen der Scham bei Nacktheit erklären, ohne das auf das Tierische zurückgegriffen werden müsste. Wäre die Scham direkt mit der Nacktheit unzertrennlich verbunden, hätte es nie "Nacktvölker" gegeben! Ich meine der Gedanke sich ein Fell umzuhängen ist nicht so abstrakt, das nur einige wenige ihn denken könnten...
Dann ist die Quelle auf die du dich beziehst völlig schwammig...viele Behauptung, sehr umstrittene nebenbei, deine Wortwahl zeigt auch, dass du dir dessen bewusst bist.

Auch lässt du die Menschlichen Höhepunkte der Verehrung sexuellen Geschehens gänzlich außer acht...Adonis Kulte etc.
Nicht umsonst spielt die Sexualität in vielen Mythen bei den Göttern (als begründung ihrer Göttlichkeit) eine Rolle. Ich wiederhole mich noch einmal, das Christentum erst hat die Leibverachtung in ihren unergründlich düsteren Welterlösungsnihilismus aufgenommen, weil erst hier, im frühen Christentum, das angeblich geistige (seelische) Leben des Menschen so in den Vordergrund gerückt wurde, dass der Ursprung der körperlichen Existenz, die Sexualität, zeitweilig das Übel aller Über war.

Weiter krankt dein Text daran, dass die Bezeichnung "geistiges Wesen" in Abgrenzung zu "dem Tier" heute keinen Sinn mehr macht. Der Mensch wird zoologisch korrekt in die Gattung der großen Menschenaffen eingeordnet, ein Trockennasenaffe...und viele Menschen sind sich heute bewusst, dass die Seelen Mythologie nur noch poetisch nett klingt, wir aber im Grunde auch in unserer geistigen Existenz so weit determiniert sind, dass die bewusste Abgrenzung zur Instinkdetermination des Tieres keinen Sinn macht. Warum wir ficken müssen wie Affen? Na, weil wir welche sind, ohne dass das ein ernstzunehmendes Problem darstellt, geschweige denn den schlimmen Teil unserer Existenz!

Zuletzt ist dein Gedicht immer noch schlecht, selbst wenn "es" zu Diskussionen anregt - warum?...weil seine Fehler korrigiert werden. Wenn du schlecht Schach spielst und dir wird Wochenlang erklärt wie du es besser machen kannst, heißt das im umkehrschluss nicht das du eigentlich immer ein guter Spieler warst, ok? Dein Gedicht ist schlecht...von vorne bis hinten...es ist nicht genial, es ist nicht durch " Dialektische Spannung" interessant...es ist so schlecht, dass man sich bemüßigt fühlt dich darauf hinzuweisen. Das ist alles.

Sorry für die schroffe Wortwahl, ich verstehe bloß nicht warum du das Teil hier so verteidigst. Setz dich hin, schreib ein neues Gedicht, dann ist dieses eh nicht mehr wichtig.

Dennoch L.G
Patrick
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich möchte im Nachhinein noch anmerken, dass ich die Punkte die ich abgehandelt habe, aus deinem Gedicht herauslese. Fallen diese als These weg, fällt jegliche mögliche Deutung des Textes weg. Ich gehe (bewusst) nicht auf deine Interpretationsangebote ein, da sie mir nicht schlüssig erscheinen. Das nur kurz hinzugefügt, damit du dich nicht fragst, warum ich deine Konversation mit Frank stark außer acht lasse.
 



 
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