Wo ist die Lyrik nur geblieben

3,80 Stern(e) 20 Bewertungen
Wo ist die Lyrik nur geblieben


Wo ist die Lyrik nur geblieben,
die einst die Großen für uns schrieben?
Es reimte sich aufs kranke Herz
natürlich stets der Liebeschmerz.

Doch heute muss man vielen Gaffern
nur alles schreiben in Metaphern.
Das Herz auf Schmerz, das ist verpönt.
Dafür wird man sehr oft verhöhnt.

Der Schiller und wohl auch der Goethe,
die hatten sehr oft Liebesnöte.
Und wovon schrieben sie mit Schmerz?
Natürlich vom erkrankten Herz.

Es kann doch wirklich gar nicht sein,
dass man nicht spürt die gleiche Pein.
Bei Liebe klopft das Herz ganz wild,
bis dass die Sehnsucht ist gestillt.

Doch will man up to date nun bleiben,
so muss man alles stets umschreiben.
Man kann sich nicht dagegen wehren,
man dichtet und muss es erklären,

weil niemand es so recht versteht,
nicht weiß, woher der Wind jetzt weht.
Bei Liebe schwillt mir stets das Herz.
Der einz'ge Reim darauf ist Schmerz
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Marie-Luise,

eine mutige Aussage in diesem Forum, die nicht allen gefallen wird. Ich hab's gern gelesen. ;)

Gruß Ciconia
 
A

Architheutis

Gast
Liebe Marie-Luise,

ich bin Goethe-Fan, aber wie damals zu schreiben, wirkte heute altbacken. Auch Goethe schrieb anders als seine Vorvorfahren. Sprache geht weiter und weiter.

Ich gebe Dir aber recht, dass unsere Sprache unter keinem guten Stern steht; Generation Facebook lässt grüßen. Insofern mahnt Dein Text, ich halte ihn daher für wichtig. Handwerklich gut gemacht, inhaltlich bemerkenswert.

Danke dafür und lieben Gruß,
Archi
 
G

Gelöschtes Mitglied 13779

Gast
Naja, die Wertungen geben es wieder, dass um den Scherz kaum einer einen Terz macht. Im März gab's zwar noch eine Diskussion darüber, aber was lehrt's uns ? Am Ende erfährt's ja doch keiner

Gern gelesen, aber ich denke doch, wer suchet der findet ^^ und die alten haben ihr Tagewerk doch gründlich verichtet.
 
Lieber Architheutis, lieber Retrophrenologe

Ich danke euch für die Kommentare und Bewertungen.
An den Klassikern hänge ich noch sehr.
Habe auch sehr gerne Theaterstücke von Goethe und Schiller gesehen, doch die Modernisierung geht mir auf den Keks.
Vor einiger Zeit ging ich ins Theater, um mir „Iphigenie auf Tauris (Goethe)“ anzusehen.
Als Schauspieler auf der einen Seite der Bühne in heutiger Straßenkleidung die Götter des Olymps anriefen und einige auf der anderen Seite Kisten mit Gerolsteiner Sprudel herein trugen, habe ich das Theater verlassen.
So geht es mir auch mit unverständlichen Gedichten, lese den Anfang und nicht weiter.

Viele Grüße
Marie-Luise
 

Label

Mitglied
Liebe Marie-Luise

auch die Sprache ist Moden unterworfen, der Drang zu Neuem Unverbrauchten, ist ein Symptom unserer Wegwerfgesellschaft.
Es gibt aber auch die Sehnsucht nach Nostalgie und Antiquitäten. Zwischen diesen beiden Polen schlängelt sich die Akzeptanz. Dann gibt es noch die Notwendigkeit einen Baum einen Baum nennen zu dürfen/sollen/können und die Aussage " es ist alles schon einmal gesagt worden, nur nicht von jedem".

All das steckt in deinem gut verreimten Gedicht und zeigt die Widersprüchlichkeiten auf.

hier ein Vorschlag, damit läse es sich aus meiner Sicht noch flüssiger:

Doch heute muss man vielen Gaffern
[blue]dies[/blue] alles schreiben in Metaphern.
[blue]Denn[/blue] Herz auf Schmerz, das ist verpönt.

ich habe mal, möglicherweise aus ähnlichen Gründen herzschmerz verreimt ;)

im
letzten märz
da
klopfte herz
und
machte terz
weil
der kommerz
von
einem nerz
das
drückt im sterz
und
das gab schmerz
ganz
ohne scherz

dir liebe Grüße
Label
 
Wo ist die Lyrik nur geblieben


Wo ist die Lyrik nur geblieben,
die einst die Großen für uns schrieben?
Es reimte sich aufs kranke Herz
natürlich stets der Liebeschmerz.

Doch heute muss man vielen Gaffern
dies alles schreiben in Metaphern,
denn Herz auf Schmerz, das ist verpönt.
Dafür wird man sehr oft verhöhnt.

Der Schiller und wohl auch der Goethe,
die hatten sehr oft Liebesnöte.
Und wovon schrieben sie mit Schmerz?
Natürlich vom erkrankten Herz.

Es kann doch wirklich gar nicht sein,
dass man nicht spürt die gleiche Pein.
Bei Liebe klopft das Herz ganz wild,
bis dass die Sehnsucht ist gestillt.

Doch will man up to date nun bleiben,
so muss man alles stets umschreiben.
Man kann sich nicht dagegen wehren,
man dichtet und muss es erklären,

weil niemand es so recht versteht,
nicht weiß, woher der Wind jetzt weht.
Bei Liebe schwillt mir stets das Herz.
Der einz'ge Reim darauf ist Schmerz
 

Raina

Mitglied
Hallo Marie-Luise,
mir geht es da ganz ähnlich wie Dir und ich glaube, dass Gedichte vielleicht auch das Herz erreichen sollten. Ja, die Sprache entwickelt sich weiter, aber werden wir deshalb andere Menschen? Ich finde, auch "albacken" geschriebene Gedichte haben ihre Daseinsberechtigung, das ist ähnlich wie im Literaturbereich. Da gibt es die kritischen und zeitbezogenen Romane, die wirklich große Kunst, aber daneben lebt auch der Liebesroman und wird, so wie schon seit vielen Jahren gern gelesen. Leider wird das gar zu oft vergessen.

Liebe Grüße
Raina
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Na wo isse denn?

Wie die Reaktionen zeigen, hast Du einen Nerv getroffen und ausgesprochen, was viele denken. Auch ich bin nicht glücklich mit der lyrischen Subkultur der heutigen Zeit. Goethe und Schiller haben literarische Bilder gemalt und feinste Stimmungen beim Leser erzeugt.

Manche selbsternannten Lyriker der heutigen Zeit erfinden nur noch neue Worthülsen, spielen mit geometrischen Mustern, verstümmeln und sinnentfremden ganze Sätze und knallen dann alles dem Leser vor den Latz. Dieser muss dann nach Mustern und Botschaften in dem Stück suchen und findet sie meistens auch. Er glaubt es zumindest.

Dann ist er überglücklich, dass er einer von den wenigen ist, die das Werk verstanden haben und findet den Autor einfach geil, wie das heute so heißt. Das ist genau der Typus, der auch die versteckten Botschaften unserer Werbebranche gleich versteht und dem Konsumterror kritiklos gegenübersteht. Parallelen dazu finde ich auch immer wieder in der modernen Malerei, die mich manchmal nur schaudern lässt. Vielleicht bin ich auch schon zu alt für die Experimente des 21. Jahrhunderts.

Natürlich gibt es auch die anderen, die die Sprache noch hochhalten und es verstehen, den Geist des Lesers zu beflügeln. Aber die fristen eher ein bescheidenes Dasein und ernten selten die Anerkennung, die ihnen zustehen würde.

Ich gönne dir den Erfolg deines kleinen Ausflugs mit erhobenem Zeigefinger in die Tiefen der alten Meister.

Grüße vom Ironbiber
 
Danke, lieber Ironbiber, für die Wertung und die Worte, die du mir aus dem Herzen gesprochen hast.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit der Reaktion nicht gerechnet, eher mit "Schimpfe".

Viele Grüße von
Marie-Luise
 
A

Architheutis

Gast
Ihr Lieben,

ich wünschte mir einen Schulterschluß:

Avantgarde auf dem Boden unserer Dichter und Denker.

@Marie-Luise: Volltreffer. ;-)

Gruß,
Archi
 
K

kal

Gast
hallo marie-luise,
danke für dieses offene, ehrliche und wahre gedicht.

ich finde es auch doof, jedesmal über meinen gedichten zu sitzen und zu grübeln, ob es sich ja abhebt, damit mann/frau nicht zuhören bekommt: zu schmalzig, zu betroffenheitslyrik, gab es schon 1 million x, usw.....

dabei mag auch ich die "alte lyrik" mit ihren ganzen schnörkeln.
am liebsten wäre ich in dieser zeit geboren, wo die menschen wirklich noch einen sinn für das schöne, romantische, herzergreifende hatten ... seufz!

jedenfalls ich freue mich für dich .. soviel fürsprache und dann auch noch in "das beste" ... herzlichen glückwunsch :)


sehr gern gelesen
und liebe grüße

andrea
 



 
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