Selbstrezension
In der Überschrift zu seinem Gedicht "Wovon Frauen heimlich träumen" attestiert der Verfasser dem weiblichen Geschlecht en bloc eine gewisse Scheelsucht. Sie speist sich aus dem Umstand der Natur gegebenen unterschiedlichen Ausgestaltung des jeweiligen Urogenitalbereiches. Gott hat Frau benachteiligt, so die These des Autors, der sich damit hinter den Penisneid Begriff von Sigmund Freud einreiht. Auch SIE würde gerne mal ihren Namen in den frisch gefallenen Schnee pinkeln, doch ist ihr dieses nicht vergönnt. Frau ist für immer von der Kunstform "Schiff-Art" ausgeschlossen und auch ein jahreszeitlich unabhängiges spielerisches Wasserlassen in entsprechend ausgestatteten Gaststätten Pissoirs kann sie nicht umsetzen.
Anders Karl-Heinz, der der (unwiderstehlichen) Aufforderung, sich beim Urinieren eben auf diesen Vorgang zu konzentrieren und seinen Harn nicht zum Ärger der Reinigungskraft an den Wandfliesen zu hinterlassen, gerne und wie selbstverständlich nachkommt. Die Rede ist von einem Karl-Heinz, der dem Leser/der Leserin unterprivilegiert erscheint (Bier, Fußball) und der wahrscheinlich schon als kleines Kind nichts zu spielen gehabt hätte, wenn er nicht als Junge auf die Welt gekommen wäre. Doch auch wenn K.-H. sich in diesem Gedicht nach dem Wasserabschlagen die Hände gewaschen hätte: Er ist nicht der Mann, von dem Frau heimlich träumt.
Damit ist das Anliegen des Verfassers gründlich in die Hose gegangen. Ein männlicher Zeitgenosse, der sich sitzend auf der Toilette seines Harndrangs entledigt (und nach der Verrichtung mit einem frischen Läppchen eventuelle Restspuren aus der Keramik wischt), wäre allemal geeigneter gewesen, IHR einen Zugang zu ihren unbewussten Anteilen zu ermöglichen und ergebnisoffen der Frage nachzugehen: Bin ich ganz Frau oder bin ich doch nur ein halber Mann.
Wer den Autor G.G. kennt, weiß, dass dieser meist mit einem satirischen Anspruch unterwegs ist. Getreu der Maxime: Kunst muss sitzen! (auch wenn sie hier im Stehen stattfindet) ist er auf der Suche nach dem was Sinn macht. Hierbei begegnet ihm zumeist der Unsinn, den er umzingelt und mittels Humor zu überwältigen sucht. Er zeigt Verständnis dafür, dass dies so machem an die Nieren geht, denn was Humor ist liegt immer im Auge des Betrachters.