Aber mit philosophioschen Spielereien auf Sprachebene kommt man bei diesem Thema wohl nicht weiter.
Unser einziges Mittel, diese Oberfläche zu durchdringen und etwas aus der Tiefe an den Tag zu fördern, ist die Sprache – neben den reinen Ausdrucksformen Musik und Kunst, die aber nur katalytisch wirken. Sprache ist das einzige Medium, das durch sein notwendiges Verfehlen Tiefe erzeugt.
Was ist die Skyline einer Stadt anderes als die geronnene Oberfläche einer Gesellschaft? Sie geht emergent aus aus ihr hervor, ist aber normierbar, formbar, angleichbar – wie die Persona einer Stadt.
Ob diese so ununterscheidbar ist, kann ich nicht beurteilen – dafür bin ich zu wenig Kosmopolit.
Du schreibst: „Nimm alleine die Architektur als Beispiel. (Weiß man noch, wenn man in einem Hotel in einer City aufwacht und auf die Skyline schaut, in welcher Stadt oder welchem Land man sich befindet?)“
Dass man „nicht mehr weiß, wo man ist“, sagt wohl mehr über den Beobachter als über die Stadt selbst.
Die wenigen deutschen Städte, die ich kenne, sind unverwechselbar.
Man findet Homogenität da, wo man sie sucht: funktionale Räume wie Einkaufszentren, Flughäfen, Ferienresorts etc. Dort ist Homogenität die Funktion. Es handelt sich um eine selektive Wahrnehmung, die Substanz nicht erkennen kann – daraus den Rückschluss einer Translationsinvarianz zu ziehen, halte ich für unzulässig.
Den Begriff musste ich nachschauen und finde ihn etwas unglücklich gewählt, da nicht die Städte, sondern Ideen räumlich und zeitlich verschoben werden. Der Begriff entspräche im übertragenen Sinn eher der Vorstellung einer Identität, der Beständigkeit des Ichs durch Raum und Zeit, welches dasselbe bleibt.
Da würde ich mich sogar bestätigt sehen: Die Fassade wird angeglichen, die Substanz bleibt unangleichbar.
Dass „der Indigene“ anders denkt als vor 100 Jahren, scheint mir folgerichtig und allgemeingültig. Dass alle Afrikaner denken wie Europäer oder Chinesen, halte ich für eine gewagte und spekulative These.
Vielleicht ist der online- oder mediale „Standard“ genau diese ausgelagerte Identität, die als universelle Norm zum Maßstab erhoben wird, ohne die Substanz der Menschen zu berühren.
Es ist immer zum Scheitern verurteilt, das Bekannte seiner Welt als Maßstab für unbekannte Welten zu nehmen.
Wenn alle Menschen zu einem homogenen Brei verrührt wären, gäbe es doch keine kulturellen Integrationsprobleme. Selbst unterschiedliche Sprachen derselben Familie produzieren unterschiedliche Perspektiven und Arten zu denken.
Dass Tiefe nicht mehr wahrgenommen wird, sagt zunächst nichts über ihr Verschwinden aus – sondern über den Modus, in dem wir der Welt begegnen.
Abwesenheit von Beweisen ist kein Beweis für die Abwesenheit.