Zeitraffer

4,00 Stern(e) 3 Bewertungen
Hi Tula,

vielen Dank für Deine Beschäftigung mit dem Text. Im Folgenden ein paar Gedanken zu Deinem sehr lesenswerten und profunden Kommentar:

Andere wirken auf mich allerdings etwas "theatralisch" bzw. überzogen.
Das stimmt. Ich mag das theatralische, überzeichnete, exotische in Geschriebenem und es kommt auch bei mir immer wieder zu Übertreibungen.

dann stört sich auch niemand am Metrum.
Das ist ganz sicher richtig. Im Prinzip ist das Metrum ja nichts anderes als das Versmaß eines Gedichts, also eine festgelegte Reihenfolge von betonten und unbetonten Silben im Vers. Durch diese Abfolge erhält das Gedicht ganz unbestreitbar Struktur und Rhythmus, den ich eben sehr gerne dehne, durchbreche, verwerfe. Das sich daran der ein oder andere "lyrische Heimwerker" stört ist völlig nachvollziehbar und ich habe dem nichts entgegenzusetzen. Wer mir diesbezüglich "schlechtes Handwerk" vorwirft, dem will ich nichts entgegnen und stattdessen seinen/ihren Vorschlag/Verbesserung im Sinne des Textes für mich gewissenhaft überdenken.

Ansonsten muss Lyrik nichts "erklären" und noch weniger "direkt benennen", sondern wird "empfunden" und kann in dieser Hinsicht von verschiedenen Lesern auch unterschiedlich aufgenommen bzw. verarbeitet werden.
Das sehe ich ganz genauso wie Du. Dafür ist es eben zuvorderst Kunstwerk, im Sinne eines Erzeugnis künstlerischen Schaffens und damit ist eine eindimensionale Annäherung meist kein befriedigender Weg.

Auch der Widerspruch zwischen gestaucht und gedehnt will mir persönlich nicht so recht gefallen
Welchen Widerspruch meinst Du ? Die erste Strophe soll vor allem mit "Punktbildern" spielen, also Bewegungen auf einen Punkt hin: Raffen, stauchen, springt in alle Stunden etc.

ch denke an einige Ecken meiner heimatlichen Kleinstadt, an denen ich nach vielen Jahren unverhofft vorbeilaufe und plötzlich erscheint mir alles viel kleiner als in der Erinnerung.
Eine schöne Assoziation an der ich mich auch sehr erfreuen kann. Nicht nur weil ich selber mal aus einer Kleinstadt losgezogen bin..

mes compliments

Dio
 

Tula

Mitglied
Hallo Dio
Sorry, spät dran heute. Eine kurze Antwort zur Frage bzgl. der Stelle:

Die Wege sind gestaucht, sie reißen
Vorgärten wie überdehnte Wunden auf


Mein Problem ist wohl, dass ich mir hier weder bildlich noch assoziativ das Ganze vor Augen führen kann. Das Gestauchte reißt überdehnte Wunden auf ... Hm. Der wie-Bezug ist zumindest grammatisch doppeldeutig.

Im Sinne meiner praktischen Erfahrung kommt noch hinzu, dass aus unserer Straße voller Gärten eine immer weniger grüne Eigenheim-Siedlung geworden ist. Siehe mein Rasenmäher-Gedicht vom letzten Sommer.

Vielleicht so, als kleiner Spaß :)

Alle Wege sind gestaucht. In den Vorgärten
knistern Betonbeulen und Kieselschorf.


LG
Tula
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mensch, JoteS - was ne bescheuerte Kritik :D

Da absolut kein Mensch auf dieser Erde so ganz genau weiß, was lyrisch oder unlyrisch ist, sondern jeder nur seine ganz eigene und persönliche Vorstellung davon im Kopf hat, ist die Kritik so wertvoll wie die Behauptung, das Gedicht wäre zu nass oder zu grün.

Ich empfinde es als lyrisch, auch laut gelesen.
Hallo Patrick,

als Lyrik (altgriechisch λυρική (ποίησις) lyrike (poiesis), deutsch ‚die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung ‘) bezeichnet man die Dichtung in Versform, welche die dritte literarische Gattung neben der Epik und der Dramatik darstellt. Lyrische Texte werden Gedichte genannt.

Lyrisch ist somit, was man flüssig und rhythmisch (!) "herunterleiern" kann. Das finde ich hier nicht vor. Es ist durchaus NICHT so, dass jeder jeden Begriff so verstehen darf, wie er gerade möchte, denn das wäre das Ende jeder Kommunikation.

Bemühe Deine Phantasie und spiel dazu die Laute.... klingt beschissen, oder?!

Ich gebe zu, gerne mal wenig formvollendete Geschmacksurteile abzugeben. Und ich gebe zusätzlich zu, dass Lyrik nicht zuletzt im Leser entsteht.

Insofern schlage ich vor, wir lassen die Standpunkte einfach mal sein, was sie sind.

Beste Grüße

Jürgen
 



 
Oben Unten