Zusammenschweigen

4,80 Stern(e) 4 Bewertungen

sufnus

Mitglied
Zusammenschweigen

Wie sich dein Mund mit schöner Stille schmückt,
ein Schweigeschrein, höchstwohlbestückt!
Der ganze Lärm der Welt,

der alles, was unsäglich ist, befällt,
bleibt heut im Stummsein gut verstaut.
Was zählt, ist gar nicht laut.

Die Sinne reichen lange nicht zum Sinn,
denn der läuft quer zum Reden hin
und über Freud und Leid

von mir zu Dir durch die geteilte Zeit.
Durchs hier und jetzt. Zusammensein.
Wir sind allein (zu zwein).
 
G

Gelöschtes Mitglied 24675

Gast
He, Dichter der Stille,
das ist dir gelungen! Kleine Anmerkung: Hier und Jetzt, wenn ich nicht blind bin, werden substantivisch verwendet, also großschreiben. Und das geklammerte (zu zwein) ergibt sich beim Leser von selbst, könntest du streichen. Alles in allem: Ich staune!
lp
 

sufnus

Mitglied
Hey lp!
Das freut mich sehr, dass Dir dieses Schweiglichkeitsduett gefällt! :) Vielen Dank auch fürs Richtigstellen vom fehlverkleinertem hier mit seinem Leidensgefährten dem jetzt. Über die Klammer denk ich nochmal nach... man braucht sie natürlich nicht - also form-follows-function-mäßig argumentiert ist die keine Kunst und kann weg... ich find halt nur, dass die Klammer die lyrischen Zwei so schön gemütlich einhegt. Also. Ich gehe nochmal in mich. :)
LG!
S.
 

Sidgrani

Mitglied
Hei sufnus,

ein schönes Bekenntnis zum gemeinsamen Schweigen. LyrikPower liegt richtig mit dem Hinweis auf "zu zwein", wobei es richtigerweise zu zweit oder zu zweien heißen müsste. Vielleicht ginge es so oder so ähnlich:

Durchs hier und jetzt. Zusammensein.
Wir sind zu zweit allein.

LG Sid
 

sufnus

Mitglied
Hi Sid!

Dir auch lieben Dank fürs Kommentieren und Gefallenfinden! :)
"zu zwein" ist natürlich eine sprachliche Grenzlastigkeit (wobei als Verkürzung von zweien m. E. noch nicht außerhalb des Regelsprachlichen angesiedelt).

Tatsächlich habe ich bei der Stelle an eine ganz kurze, ja minimalistische, Liebeserklärung von Hofmannsthal gedacht, mit dem Reich-Ranicki seine Autobiographie schließt und auf dieses ungenannte Zitat habe ich einen Reim gesucht und bin beim "zwein" gelandet.
Hier also das Zitat zum Reim-Zwein:

"Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein,
dass wir zwei beieinander sein."

Ein Deutschlehrer würde in einem Schülerreim, der so lautete, zwei Dinge steng beanmerken: Erstens, dass eine Wortwiederholung kein gültiger Endreim ist und zweitens, dass es natürlich "sind" und nicht "sein" heißen müsste.
Ich denke tatsächlich häufig darüber nach, unter welchen Umständen in einem Gedicht eine "falsche" Formulierung doch einmal "richtig" sein kann. Die respektlose Antwort lautete vermutlich: "Wenn ein berühmter Name druntersteht... ". Aber ich glaube, da gibt es noch mehr...

Clemens J. Setz hat in einem äußerst vergnüglichen und anregenden Nachwort zu einem (sehr schönen!) Bändchen mit Gedichten von H. C. Artmann ein Twitter- bzw. Extwitter bzw. X-Gedicht von einer/einem gewissen Chaosfux ausgebuddelt (und wenn das kein literarischer Insiderwitz war, dürfte es sich hier um ein völlig unbekanntes Lyrikgenie handeln) und ich finde, dieses Gedicht passt sehr gut zum Veranschaulichen von "Fehlern" und poetischem Mehrwert.

Leider ist das Gedicht viel zu kurz, um es Auszugsweise zu zitieren und vermutlich wäre das Urheberrecht gegen ein Vollzitat, also wer sich dafür interessiert, muss Chaosfux und herbts googeln (nicht zu herbst autokorrigieren lassen!).

Alle anderen mögen mir glauben, dass dieses Gedicht total fehlerhaft ist und... eines der schönsten Herbstgedichte, das ich kenne. Es ist einfach wunderbar.

LG!

S.
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Danke Scal!!! :) Zwein erhalte ich mir auf alle Fälle. Und bei der Klammer hilfst Du mir womöglich auch beim Stehenbleibenlassenbeschluss... ich wäge noch ab... da ist jeder Input hilfreich (natürlich auch allfälligenfalls klammerkritische Statements) :)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Ja, genauso wars gedacht. :) In einer Urversion gabs noch keine Klammer, aber ich hatte das Gefühl, das besungene Pärchen bräuchte ein kleines Séparée.
LG!
S.
 



 
Oben Unten