John Wein
Mitglied
- Alles in Fluss -
Nacht auf Intensiv
Hartmut Fröhlich*, war auf der Kirmes gestürzt und hatte sich einen Wirbel gebrochen. Über zwei Meter lang, döste der 55-jähriger IT-Spezialist nun im Streckbett neben mir. Im allgemeinen Durcheinander hatte man zunächst nur die schwere Sturzverletzung bemerkt, dass dieser Sturz aber die Ursache eines Schlaganfalls war, hatte der Notarzt erst später im Rettungsfahrzeug festgestellt. Nun lag der Arme gefesselt hinter dem Vorhang neben mir und hustete sich die Selle aus dem Leib.
Nachtschwester Agnes hatte heute Nachtschicht. 35 Jahre schon arbeitete die Gute in der Krankenpflege und davon konnte man jedes einzelne in ihren Gesichtszügen ablesen. Um all die Herausforderungen auszuhalten, braucht es neben dem medizinischen Wissen, Menschenkenntnis, Einfühlsamkeit und eine gute Portion Robustheit im Umgang mit den Patienten. Schwester Agnes hatte alles, sie war heute unser Gutenachtengel.
„Sollten sie heute später noch etwas benötigen, dann drücken sie die Klingel, ich bin im Dienstzimmer. Gute Nacht Herr Fröhlich und gute Nacht Herr Wein, ich werde später noch den ein oder andere Kontrollgang machen!“
Sie löschte das Licht und mit dem Schließen der Tür ergraute das blaue Pferd an der Wand.
Ich fühlte mich traut umsorgt und wie ein Kind zu Bett gebracht. Um ein Haar hätte ich sie zu einem Gutenachtkuss überredet. Für eine hinreichend guten Schlaf aber waren die Umstände unerfreulich. Alle Überwachungs-Monitore arbeiteten unüberhörbar und gewissenhaft an ihren Kurven und Signalen, Herr Fröhlich hustete und schnarchte und die Blutdruckmanschette schnitt mir alle halbe Stunde in den Oberarm.
Zu allem Überfluss meldete sich gegen 2 Uhr die Blase. Wie ich mich unbemerkt würde entleeren können, hatte ich mir am Abend zurechtgelegt…
…und klingelte diesmal nicht!
„Was machen sie denn da!?“
„Sch….!“
Das mit Gänsefüßchen gestammelte Wort verstummte im Lichtkegel der Taschenlampe. Ich kam mir vor wie ein Klaustrophobiker im vollbesetzten Aufzug. Wieso um alles in der Welt, hatte die Nachtschwester bemerkt, dass ich heimlich aus dem Bett gekrochen war? Die Schläuche über der Schulter und die Pinkelflasche in der Hand, drehte ich mich um und blinzelte, in voller Blüte versteinert, ins blendende Licht. Das Gefühl nichts als Oberfläche zu sein, die Empfindung nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich bloßgestellt gestellt worden zu sein, erfasste mich schlagartig, presste mir die Luft aus den Lungen und das Blut aus dem Kopf. Mich stammelnd in etwas hinein zu phantasieren, wischte sie mit einem:
„Sagen sie das nächste Mal lieber Bescheid, Herr Wein!“
Das Fundament einer genuinen Persönlichkeit war krachend gescheitert.
„Tschuldigung“, zu mehr reichte es nicht.
Während im Bett nebenan Hartmut fröhlich eine Serenade nach der anderen bot, lötete ich weiter am halbstunden Takt der Blutdruckmessung und quälte mich duselnd über die Klippen einer schlaflosen Nacht.
Es war wohl gegen Fünf, als eine allgemeine Erschöpfung mir das Geschenk eines dürren Nickerchens bot.
*Namen geändert
-Alles in Fluss-
Nacht auf Intensiv
Hartmut Fröhlich*, war auf der Kirmes gestürzt und hatte sich einen Wirbel gebrochen. Über zwei Meter lang, döste der 55-jähriger IT-Spezialist nun im Streckbett neben mir. Im allgemeinen Durcheinander hatte man zunächst nur die schwere Sturzverletzung bemerkt, dass dieser Sturz aber die Ursache eines Schlaganfalls war, hatte der Notarzt erst später im Rettungsfahrzeug festgestellt. Nun lag der Arme gefesselt hinter dem Vorhang neben mir und hustete sich die Selle aus dem Leib.
Nachtschwester Agnes hatte heute Nachtschicht. 35 Jahre schon arbeitete die Gute in der Krankenpflege und davon konnte man jedes einzelne in ihren Gesichtszügen ablesen. Um all die Herausforderungen auszuhalten, braucht es neben dem medizinischen Wissen, Menschenkenntnis, Einfühlsamkeit und eine gute Portion Robustheit im Umgang mit den Patienten. Schwester Agnes hatte alles, sie war heute unser Gutenachtengel.
„Sollten sie heute später noch etwas benötigen, dann drücken sie die Klingel, ich bin im Dienstzimmer. Gute Nacht Herr Fröhlich und gute Nacht Herr Wein, ich werde später noch den ein oder andere Kontrollgang machen!“
Sie löschte das Licht und mit dem Schließen der Tür ergraute das blaue Pferd an der Wand.
Ich fühlte mich traut umsorgt und wie ein Kind zu Bett gebracht. Um ein Haar hätte ich sie zu einem Gutenachtkuss überredet. Für eine hinreichend guten Schlaf aber waren die Umstände unerfreulich. Alle Überwachungs-Monitore arbeiteten unüberhörbar und gewissenhaft an ihren Kurven und Signalen, Herr Fröhlich hustete und schnarchte und die Blutdruckmanschette schnitt mir alle halbe Stunde in den Oberarm.
Zu allem Überfluss meldete sich gegen 2 Uhr die Blase. Wie ich mich unbemerkt würde entleeren können, hatte ich mir am Abend zurechtgelegt…
…und klingelte diesmal nicht!
„Was machen sie denn da!?“
„Sch….!“
Das mit Gänsefüßchen gestammelte Wort verstummte im Lichtkegel der Taschenlampe. Ich kam mir vor wie ein Klaustrophobiker im vollbesetzten Aufzug. Wieso um alles in der Welt, hatte die Nachtschwester bemerkt, dass ich heimlich aus dem Bett gekrochen war? Die Schläuche über der Schulter und die Pinkelflasche in der Hand, drehte ich mich um und blinzelte, in voller Blüte versteinert, ins blendende Licht. Das Gefühl nichts als Oberfläche zu sein, die Empfindung nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich bloßgestellt gestellt worden zu sein, erfasste mich schlagartig, presste mir die Luft aus den Lungen und das Blut aus dem Kopf. Mich stammelnd in etwas hinein zu phantasieren, wischte sie mit einem:
„Sagen sie das nächste Mal lieber Bescheid, Herr Wein!“
Das Fundament einer genuinen Persönlichkeit war krachend gescheitert.
„Tschuldigung“, zu mehr reichte es nicht.
Während im Bett nebenan Hartmut fröhlich eine Serenade nach der anderen bot, lötete ich weiter am halbstunden Takt der Blutdruckmessung und quälte mich duselnd über die Klippen einer schlaflosen Nacht.
Es war wohl gegen Fünf, als eine allgemeine Erschöpfung mir das Geschenk eines dürren Nickerchens bot.
*Namen geändert
-Alles in Fluss-