Ratte auf Reise (Ballade)
Die Ratte Alma lebt in Kiel
wo sie der Depression verfiel.
Sie hat es wirklich schwer auf Erden,
und möchte nur gestreichelt werden.
Man weiß ja: Ratten sind verhasst.
Für Alma ist dies eine Last.
Kein Leid ist ihr erspart geblieben,
man hat sie immer nur vertrieben.
Sie wünscht sich aber Liebe, Glück –
und sei es nur ein kleines Stück.
Doch bleibt ihr Leben weiter trist,
so dass sie am Verzweifeln ist.
Die Sehnsucht wächst und tut sehr weh,
dann kommt ihr endlich die Idee:
Sie hörte mal von einem Platz,
wo man liebkost wird wie ein Schatz.
Wenn's klappt, dann wird sie nie mehr leiden,
doch vorher muss sie sich verkleiden.
Der Plan erscheint ihr bombensicher.
Schon fährt sie los mit viel Gekicher,
maskiert und ganz inkognito,
als Meerschweinchen zum Streichelzoo.
Ja, Alma fühlt sich wunderbar.
Ihr größter Traum wird jetzt bald wahr.
Von Kiel fährt sie mit Affenzahn
gen Süden auf der Autobahn,
um einen Streichelzoo zu suchen.
Doch bald schon hört man sie laut fluchen:
"Ich kenn gar keinen Streichelzoo
und fahr nur blöd ins Nirgendwo!
In Zukunft muss ich besser planen,
anstatt dem ersten ganz spontanen
Gedanken blindlings nachzujagen.
Was soll's, jetzt hilft mir auch kein Klagen!
Von nun an glaub' ich unbeirrt
daran, dass alles besser wird.
Die Hoffnung lass ich mir nicht nehmen!" –
Schon steckt sie in 'nem Stau bei Bremen.
Sie gibt nicht auf und kehrt gleich um,
doch leider ist das ziemlich dumm.
Die and'ren Fahrer sind verwirrt,
als sie zum Geisterfahrer wird.
Mit wilden Gesten und Geschrei –
ihr Leben zieht an ihr vorbei –
schafft sie's, natürlich ohne Plan,
herunter von der Autobahn.
Auf Bundesstraßen geht es weiter,
das findet sie nun doch gescheiter.
Noch immer fährt sie Richtung Süden,
doch dann beginnt sie zu ermüden,
und nickt beim Fahren kurz mal ein,
fährt fast in einen Laster rein,
bleibt letztlich auf 'nem Feldweg stehen,
ihr Magen fängt sich an zu drehen.
Dann bricht das Elend auch schon raus,
und sie will einfach nur nach Haus.
Doch wenig später streikt der Wagen.
Sie kann ihr Pech kaum noch ertragen.
Den ganzen Weg zum nächsten Ort,
klagt Alma nur in einem fort,
das Leben sei so ungerecht.
Es geht ihr wirklich furchtbar schlecht.
In einer Rattenkneipe dann
säuft sie sich einen Filmriss an.
Am nächsten Morgen: Katzenjammer!
In ihrem Schädel tanzt ein Hammer.
Doch in der wirklich harten Nacht
hat sie auch etwas nachgedacht,
und der Gedanke ist erschienen:
Das Glück muss man sich erst verdienen!
Denn sind es nicht die Schwierigkeiten,
die einen erst zum Glück hin leiten?
Der Wagen ist schnell repariert.
Und so, als wäre nichts passiert,
setzt Alma ihre Suche fort
nach diesem einen Sehnsuchtsort.
Die Weiterfahrt ist, wie man ahnt,
natürlich auch nicht durchgeplant.
Erneut versäumt sie es komplett
mit ein paar Klicks im Internet
nach Streichelzoos zu recherchieren.
Nein, sie ist nur am Spekulieren
und jagt durch Deutschland kreuz und quer
dem Traum der Träume hinterher.
Zum Abschluss fährt sie dann gen Osten.
Aufgrund der hohen Reisekosten,
ist dies für sie die letzte Chance –
inzwischen fährt sie, wie in Trance.
In Sachsen-Anhalt angekommen,
ist sie auf einmal ganz benommen.
Da steht ein Bild von Rattenmann,
wie ihn kein Künstler malen kann.
"Boah, ist der scharf!" durchfährt es sie,
"So einen Typ sah ich noch nie!
Den kann kein Rattenweib verschmähen".
Es ist komplett um sie geschehen.
Die Welt erstrahlt in rosa Licht –
nur er beachtet Alma nicht.
Doch diese wird nun immer kesser
(ein Kerl – statt Streichelzoo – ist besser).
Sie spürt, jetzt muss sie alles geben,
und flirtet so, wie nie im Leben.
Der Rattenmann jedoch bleibt cool.
Und sie durchfährt's: "Der Typ ist schwul!".
Dann fällt ihr ein, dass sie – welch Mist –
als Meerschweinchen verkleidet ist.
Und so beendet sie noch grade
zur rechten Zeit die Maskerade.
Nun staunt der Rattenmann nicht schlecht,
ist er doch selber auch nicht echt.
Er ist ein Meerschwein und verkleidet,
da er aufgrund der Ratten leidet.
Denn stets trifft er auf Menschenfrauen,
die voller Ekel ihn beschauen,
weil diese dummen Weibsgestalten
ihn immer für 'ne Ratte halten.
Und weil er deshalb Ratten hasst,
hat er für sich den Plan gefasst:
"Anstatt mich lauthals zu beklagen,
werd' ich die blöden Viecher jagen."
Seit dem tut er dies mit Bravur
in seiner Rattengarnitur.
Eh Alma diesen Trick versteht,
da ist es leider schon zu spät.
Sie denkt grad noch: "Das kann nicht sein!"
Da fängt er sie schon locker ein.
So landet sie ganz nah bei Halle
in Meerschweinmännchens Rattenfalle.
Doch hält er sie nur kurz gefangen,
dann wird sie auf 'ner Farm für Schlangen
und ein paar anderen Exoten
als Lebendfutter angeboten.
Es endet also Almas Reise
wie's scheint auf nicht so schöne Weise.
Der Tag vergeht, und in der Nacht
hört man ein Meerschwein, das laut lacht.
Tags drauf geht's weiter mit Gebimmel
am Hauptportal vom Rattenhimmel.
Man öffnet und Sekunden später
hört man statt Harfen nur Gezeter.
Als wär' vom Wahnsinn sie besessen,
tobt Alma, sichtlich angefressen,
hinein ins Rattenparadies
und brüllt dort weiter, wie am Spieß.
Sie flucht und pöbelt volle Röhre,
man hört nicht mehr die Himmels-Chöre,
und manchem Engel bleibt vor Schrecken
das Manna glatt im Halse stecken.
Ihr Leben, so hört man sie schreien,
bestand doch nur aus Plagereien.
Sogar ihr Tod wär noch misslungen!
Denn jenes Vieh, das sie verschlungen,
mit Haut und Haaren und den Knochen,
hätt furchtbar aus dem Hals gerochen!
Doch ab sofort wird sie sich wehren
und gleich beim großen Chef beschweren.
Dem will sie es nun aber zeigen,
ihm deutlich mal die Meinung geigen.
Nach weit'rem Fluchen und Gequengel,
führt sie ein kleiner Rattenengel
zu einem wunderschönen Garten.
Dort bittet er sie, kurz zu warten.
Und Alma wartet – Ewigkeiten!
Der Chef kommt nicht – will wohl nicht streiten.
Doch Alma will das, absolut!
Ihr schwillt erneut der Hals vor Wut.
Man möchte sie hier wohl brüskieren,
sie ist ganz kurz vorm Explodieren.
Da hört sie plötzlich sanfte Töne
und ganz genussvolles Gestöhne.
Dies ruft bei ihr dann ganz spontan
den Hauch von Neugier auf den Plan.
Erregt folgt sie dem Hörspiel gleich
zu einem hinteren Bereich
des Gartens, den paar dichte Hecken
vor Almas Blicken gut verdecken.
Sie denkt: "Da sind wohl paar am Poppen!"
und ist sofort nicht mehr zu stoppen.
So zwängt sie sich dann auf der Stelle
durchs Strauchwerk hin zur Stöhnungsquelle.
Als sie dort ankommt, bleibt sie stehen,
wird starr, kann nicht mehr weitergehen.
Denn vor ihr, auf bequemen Matten,
da liegen ein paar tausend Ratten,
die dort von ganzen Meerschwein-Herden
umsorgt und sanft gestreichelt werden.
Gebannt folgt sie dem ganzen Treiben –
hier möchte sie für immer bleiben.
Erst zaghaft streckt sie ihre Glieder,
sinkt dann auf eine Matte nieder
und räkelt sich mit viel Genuss.
Sie weiß, es ist jetzt endlich Schluss;
das Schicksal nimmt nun eine Wende,
der ganze Wahnsinn hat ein Ende.
Dann spürt sie plötzlich, wie zwei Pfoten
am Rücken ihre Muskelknoten
ganz sanft und vorsichtig massieren.
Erregt beginnt sie zu vibrieren.
Sie schaut kurz auf und sieht sodann
den ihr bekannten Meerschweinmann.
Der sollte in der Hölle braten
aufgrund von seinen Missetaten.
Doch landete er ziemlich schnelle
in jener Höllen-Außenstelle.
Dort muss er Alma nun verwöhnen,
und die hört man bald leise stöhnen:
"Ich hab das Paradies gefunden
und mich nicht ganz umsonst geschunden."
Das Meerschwein aber denkt im Stillen:
"Wär ich nicht tot, würd' ich mich killen!"