Begreifen (gelöscht)

B

bluefin

Gast
lieber @gernot,

da der text hier in die kurzprosa und nicht ins "tagebuch" gepinnt ist, darf ich davon ausgehen, es handele sich um einen literarischen versuch und nicht um eine lebensbeichte.

ein bisschen liest sich's wie der abstrakt einer selbsterfahrungsgruppe aus den späten siebzigern des vorigen jahrhunderts.

leider begreift der prot bis ganz zum schluss nicht, warum's so in den graben gehen musste: er war kein kerl, an dem eine frau irgendwas hätte finden können, sondern ein waschlappen - ohne selbstbewusstsein, ohne ecken und kanten. ein mann ohne eigenschaften.

wer wie ein schluck wasser in der kurve hängt und es nicht mal mehr bis zum angelteich schafft, hat - zu recht - schon verloren; der ist und bleibt nur requisite, egal, wo.

tipp: lass den typen am ende in den spiegel blicken, nichts sehen und daraus erkennen, dass er das mädel mitsamt deren anhängseln eigentlich nie verdient hatte.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
Hallo bluefin

tipp: lass den typen am ende in den spiegel blicken, nichts sehen und daraus erkennen, dass er das mädel mitsamt deren anhängseln eigentlich nie verdient hatte.
Das ist es ja gerade- er hats kapiert nach seinem vielen Einstecken. Und als er das endlich erkannt hatte, jagte er sie fort. Vielleicht wurde er selbstbewusster durch das viele Hinnehmen, erst durch diese Erfahrungen zu einem Mann. Manche brauchen halt etwas länger, um zu wissen, was Sache ist.

Gruß Gernot
 
B

bluefin

Gast
leider, lieber @gernot, findet sich dieser weg der selbsterkenntnis aber nicht in dem text, sondern nur fortgesetztes selbstmitleid.

hier wird das falsche aus (dem haus) getrieben: das mädel hat's doch von anfang an richtig drauf gehabt, aber der typ nicht - und der kanns immer noch nicht: statt in den park zu laufen und tauben zu vergiften, sitzt er allein daheim und weint, von sich selbst ergriffen, leise in sein taschentuch, offenbar immer noch blind.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

FrankK

Mitglied
Hallo Gernot

Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich Personen dieser Art.
Tragische Figuren.

In der sehnsuchtsvollen Hoffnung, endlich die "große Liebe" gefunden zu haben, geben sie alles auf.
Vor allem sich selbst.
Der dargestellte Weg von der Hingabe über die Selbstaufgabe bis hin zur Selbstopferung im Einklang mit dem viel zu oft dazu missbrauchten Alkohol kommt bei mir an.
Ohne überflüssige Gefühlsduselei, in fragmentarischen Bildern, die stark eine solche Lebenssituation prägen, ist Dir diese Darstellung gelungen.

Mehrfach habe ich über den Stilbruch am schluss nachgegrübelt.
Ja, dort ist wirklich ein Stilbruch. Im Grunde hättest Du abschließen müssen mit den Worten:
"Ich jagte sie zum Teufel."

Jede vorhergehende prägnante Satzaussage begann mit diesem "Ich", der über weite Strecken fast wie ein Selbstvorwurf klang.

Nein, dieser "Stilwechsel" ist so in Ordnung. Er stellt einen Wechsel in der Selbstanschauung dar, eine Veränderung in der Empfindung für ihn selbst.

Für mich: gelungen

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Und während ich diese Zeilen schrieb, hast Du Deinen Text geändert, hast den Schluß geändert. Schade.
Ich lasse meinen ursprünglichen Kommentar bestehen, auch wenn er jetzt nicht mehr ganz dazu passt.
Das ist nicht mehr der gleiche Mann. Das ist jetzt ein Zyniker. Ein gehässiges Monster, der Regenwürmer zerreisst, weil er sich selbst nicht leiden kann.
Der gefällt mir nicht mehr so gut.

Warum musste er so werden?
Warum musstest Du uns ein solches Ende präsentieren?
Hätte er sich nicht auch fangen können?

Viele Grüße
Frank
 
S

suzah

Gast
Begreifen

hallo gernot,

ich finde auch den neuen schluß schlechter, lass es wieder enden mit:
"und jagte sie zum Teufel."

was mir auffiel: "Sie hat mir soviel gelernt."

das klingt in meinen ohren grammatikalisch falsch. (mich gelehrt) da es bei "gelernt" eigentlich bleiben muss, sollte der satz umgestellt werden bzw er könnte ja auch ganz entfallen, die nachfolgenden sätze erklären doch alles.

gruß suzah
 
B

bluefin

Gast
lieber @gernot,

die regenwürmer sind megageil!!

das mit dem "zum teufel jagen" ist zu martialisch. prots wie der beschriebene werden entweder verlassen (wenn die fremden töchter groß genug sind) oder sie gehen selber. das erschießen ist ein bisschen übertrieben, das steckt in so einem prot nicht drin.

lass das einfach alles weg. nimm nur die regenwürmer und gut ist!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
Hallo Suzah, Frank und bluefin

Jetzt bin ich irgendwie hin- und hergerissen. Für euere Analysen bin ich sehr dankbar, und jetzt nach langem abwägen, habe ich mich entschlossen, die Geschichte in die ursprüngliche Form zurückzusetzten, als dass, was ich eigentlich aussagen wollte. @Suzah, du hast recht, das mit dem "gelernt" stimmt nicht, änder ich.
Vielen Dank euch
Gruß Gernot
 

unica

Mitglied
hallo gernot,

es ist komisch, es gibt texte, die mag ich obwohl oder gerade weil sie offen und unverständlich sind... dieser text ist geradezu zu verständlich auch irgendwie moralisch und dennoch mag ich ihn von der form, diese konsequente litanei einer demütigung und ja auch den schluss.

liebe grüsse u.
 
B

bluefin

Gast
der schluss passt zu dem vorangestellten wehgeleide wie ein krokodilschädel auf dem leib einer kohlweißlingraupe: ein schlappes lyrich am ende wähnend, es wäre wirklich erstarkt, dem leser aber nicht zu vermitteln imstand, wie.

nicht holzfäller, auf einmal, sondern immer noch kleiner, einsamer scheißer im dunklen walde: das wär nachvollziehbar; die plötzliche martialik aber nimmt man dem lurch nicht ab.

lg

bluefin
 

unica

Mitglied
ach walischer, lass doch den helden auch mal eine erkenntnis. so was gibt es im leben. ob es passt oder nicht. :)
 
B

bluefin

Gast
von einer "erkenntis" ist nicht die rede, sondern von der surrealen szene, der klägliche rest eines völlig wurmzernagten, von haus aus mehligen apfels beförderte seine peiniger höchstselbst aus seinen faul gewordenen überbleibseln.

das funzt nicht, denn wir wissen alle, dass aus den räupchen stets bunte schmetterlinge werden, die von selbst davon fliegen.

natürlich kann man ein märchen schreiben, wo's anders verläuft. das würde sich dann aber anders lesen lassen müssen als ein gruppentherapie-protokoll.

lg

bluefin
 

unica

Mitglied
ich versteh was du meinst, ausser was daran eine surreale szene sein soll, dennoch der text ist gerade in seiner naiven litaneiform in sich schlüssig und gut. der schluss einer demütigung ist geschmackssache. ich plädiere für erkenntnis und veränderung....nicht um des effektes wegen.
gruss u.
 
Hallo

@unica, freut mich, dass es gefällt.
@bluefin, Menschen lernen aus Erfahrungen, manche werden so lange gedemütigt, bis ihnen der Kragen platzt. Ich bin überzeugt davon, dass auch aus einem Waschlappen (wenn man ihn nur lange genug quält) ein Mann werden kann. Es sind halt nicht alle so wie die Haifische, die sich schon im Mutterleib gegenseitig auffressen. Mann sein, ist nicht angeboren sondern wird erlernt.
Gruß Gernot
 
B

bluefin

Gast
lieber @gernot,

ich habe deinen text mehrmals aufmerksam gelesen: der prot wurde nicht gedemütigt, sondern demütigte sich selbst.

dass er das am ende (am ende!) erkennen kann oder muss, ist nicht zu bestreiten. nur das finale furioso, das wirkt halt lächerlich: wer nie ein rückgrat und damit auch keinen hals hatte, dem kann am ende der kragen nicht platzen. aus welchem nichts käm denn der plötzlich her?

wein und öl sind vergeudet und kommen nie wieder zurück. die kunst bestünde, mit dem verlust fertig zu werden. ihn einfach aus dem hause zu kehren, wie dein prot vorgibt, ist surreal und wär nicht mal ein therapeutischer ansatz.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
@bluefin

Hm, was wäre, wenn der Prot da vielleicht dachte, dass es sich in einer Beziehung so gehörte, und darum alles zurücksteckte.
Ist ja so, dass er sich ja dann am Ende der Geschichte auch irgendwie selber fragt, und eine neue Erkenntnis gewinnt, eben welche, die in zum Manne macht. Was nützt es ihm noch die Würmer zu zerreißen, das bringt ihm garnichts mehr, aber die Würmer warten und bald wird jemand vorbeikommen, der das noch erledigen wird.

Gruß Gernot
 



 
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