Blitzschutzversicherung
Die Lichtschiene habe ich zwar versetzt, aber mir dadurch den Birkenkranz zerbröselt und habe sie mittlerweile in den Composter entsorgt, meine Blitzschutzversicherung.
Ich kann mich ohnehin nicht mehr erinnern, welcher Heilige dafür zuständig ist, aber wie sie ins Haus kam, das werde ich wohl nie vergessen.
Da war ich im Garten und sah nebenan im Pfarrhof ungewöhnlich viel Geschäftigkeit. Die schienen mich auch bemerkt zu haben, denn einer im Blaumann, ausgebeulter Strickjacke und Filzhut kam herüber zu meiner Gartentür.
Er streckte nur seinen Kopf um den Pfosten, hielt seinen Hut vor den Bauch und fragte „brachats Birkala?“ Ein wenig verblüfft war ich schon und fragte wozu ich denn Birken bräuchte. „S’Haus scheana mocha“ antwortete er und ich ihm leicht schelmisch „das Haus schöner machen, damit man die Putzschäden nicht so sieht?“
„D’gonz Schtrouß schmicka earana Heisa“ kam ganz ernsthaft. „Aha, warum?“
„Fronleichnam is!“
„Fronleichnam! Ach so, wann denn?“ „Moang“
Da hatten offenbar einige auf eine günstige Gelegenheit gelauert, jetzt da sich wieder jemand um das alte Gemäuer kümmert, dass sich dieser zentrale Fleck ins örtliche Brauchtum einfügt.
Herr Haberl, dessen Namen ich später erfuhr, taxierte mit fachmännischem Blick meinen Birkenbedarf, riet mir darüber hinaus auch noch wie alles befestigt werden kann, brachte die Birken mit einem Bulldog, wollte gar nichts dafür haben - nicht einmal einen Schnaps - Hauptsache geschmückt.
Das habe ich dann auch, mit ein paar zusätzlichen gelben Seidenbändern, die recht schmuck im Winde flatterten. Ein vorbeifahrender Bulldogfahrer, schien das auch zu finden. Seine Augen fixierten die Birken und mich, während er langsam weiter fuhr. Dann lachte er von Ohr zu Ohr und streckte seine Hand mit Daumen nach oben aus.
Tags darauf, am Fronleichnamstag wand sich der fromme Zug hörbar durch die Straßen, bis er zuletzt zu einer Andacht am Altar vor dem Pfarrhof kam. Die herausgeputzte Menschenmenge passte nicht ganz auf den Platz, so dass die Feuerwehr mit Blaskapelle vor meinem Wohnzimmerfenster stand und blies. Die Katzen fanden das höchst interessant und hätten das eigentlich gerne inspiziert, darum bemühten sie sich irgendwie doch durchs Fenster zu kommen.
Das fiel natürlich auch ein paar weniger auf die Andacht konzentrierten auf. Lachen, Fingerzeigen, mit dem Ellbogen stoßen und ein paar schiefe Noten, war das Ergebnis.
Nach der Zeremonie zerstreuten sich die Leute, viele rissen sich aber noch ein paar Zweige von den Birken ab, so viele, dass alle in der Nähe des Altares, ganz gerupft und kahl aussahen. Eine Nachzüglerin inspizierte die Bäume um auch noch einen Zweig abzubekommen.
Ich war inzwischen nach draussen gegangen, um mir dieses unverständliche Birkenrupfen näher zu betrachten.
Just als die Nachzüglerin entschieden hatte, dass die Birken an meinem Haus erntefähig waren, fragte ich „was machen Sie denn da?“. Sie verwandelte sich von pirschender Jägerin zu schuldbewusster, ließ die Schultern hängen, zog den Kopf ein und antwortete kleinlaut „ I dad mer a boar Zweigerl brecha“ und ich „ das sehe ich schon, aber warum?“
„Jessasmariaundjosef“ entfuhr es ihr und verwandelte sich wieder in ein Gegenüber, betrachtete mich neugierung und klärte mich auf „ de san fird Blitz Unweeder und Haglsturm“.
„Aha, Birken sind gut gegen Blitze?“ erkundigte ich mich. „Naa, nur die gweichten“. „Also alle an denen die Prozession vorbeigekommen ist?“ fragte ich weiter. „Naa, am bessern san die am Altar, aba da san koa mer droo an die i hiekimm!“
Ich überlegte und sagte „wissen Sie was, ich habe eine Astschere mit der kommen sie bestimmt an die vom Altar noch dran“ und drehte mich, um sie schnell zu holen.
Sie wartete noch, sah mich mit leuchtenden dankbaren Augen an, und ging dann entschlossen zu Werke.
Währenddessen erklärte sie mir, dass man daraus einen Kranz binden müsse, der dann im Haus gegenüber der Haustür aufzuhängen sei, weil da der heilige ich-weiß-seinen-Namen-nicht-mehr, den geweihten Kranz sehe und seinen Schutz über das Haus breite.
Dann händigte sie mir auch einen Zweig aus, den sie mit ein paar Bewegungen zu einem Kranz gewunden hatte „den kennas bschtimmt bracha“.
Den hab ich mir dann tatsächlich aufgehängt, so als augenzwinkernde Blitzschutzversicherung.
Der Kirchturm nebenan, der alle Blitze in der Nähe auffangen wird, hat zwar einen „normalen“ Blitzableiter, aber geschadet hat es nicht.