Christa Paulsen - Der letzte Fall 33. Oh Günter - Aufgewischt

ahorn

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Oh Günter
Aufgewischt


Christa schloss die Tür zu Werners Saustall, holte ihr Smartphone hervor und rief Wilfried an.
Wilfried war Leiter der Mordkommission in Hamburg. Sie hatte nach ihrem letzten Besuch bei ihm etwas gut. Christa gab ihm die Daten des Bonzen durch, wie ihn Lutz tituliert hatte, und verlangte von Wilfried, diesem auf den Zahn zu fühlen. Dann schwang sie sich auf ihr Rad.

Das Wort Kurzschlusshandlung von Lutz verbannt sich mit dem Mieder, das Wanja getragen hatte, zu einem Tathergang.
Wanja hatte Sex mit ihm gehabt. Danach schnappte sie sich ihre Sachen, um sich zu duschen. Er war allein im Zelt und fand die Dokumente, welche ihn belasteten. Aufgebracht stürmte er zu den Sanitärräumen. Wanja hatte sich geduscht, der Boden war feucht. Es kam erst zu einem Wortgefecht, anschließend zu einem Handgemenge. Die Hautspuren unter Wanjas Fingernägel bewiesen dieses. Auf dem nassen Boden verlor sie den Halt und stürzte mit dem Genick gegen die Kante eines Waschbeckens und mit dem Hinterkopf gegen den Wasserhahn.
In Panik zog er sie an, dieses erklärte die Unversehrtheit ihrer Kleidung und das Mieder. Es war nicht das Ihrige, es lag herum und was wusste er als Mann, was sie trug.

Christa blieb stehen. Wanja hatte sich nicht geduscht. Sie wollte es. Ihr Slip war mit Urin, Kot und Sperma befleckt. Jenes Detail spielte aber für Christa im weiteren Verlauf keine Rolle. Er trug sie in ihr Zelt, legte sie ab und verschwand.
Dann erschienen Kalina und Theo auf der Bildfläche. Christa nahm an, dass Wanja Kalina erzählt hatte, wo sie kampierte. Um ihrem Treiben nachzugehen, öffnete Kalina das Zelt und erblickten die Tote. Zu schreien, der Welt kundzugeben, dass Wanja tot war, keine Option für sie. Zu immens war die Gefahr, dass Lutz von ihrem Verhältnis erführe. Sie liegenzulassen, warten bis sie stank, ebenfalls für Kalina, davon war Christa überzeugt, keine Lösung.

Christa trat wieder in die Pedale. Einzig einen Haken hatte ihre Theorie. Wer hatte Wanja abgelegt? Dass es eine Frau gewesen war, konnte Christa nicht ausschließen. Es war aber nicht Kalina. Ihre gesäßlangen Haare hätten sie enttarnt.
Ganz gleich wie Kalina sie trug, offen oder hochgesteckt, dieses wäre ihr, Christa aufgefallen. Theo strich sie gleichfalls. Er hatte eine kräftige Statur, war hoch hinausgeschossen. Lutz? Nein! Seine Reaktion hatte ihn als Unwissenden enttarnt. Günter hätte sie erkannt und Benno war zugekifft. Tim hatte sie belogen.
Tim hatte ihr gesagt, dass er Lutz Wagen auf dem Hof abgestellt hätte, was nicht der Wahrheit entsprach. Jedoch er war es nicht.
Blieben Ben und Marilyn übrig. Ben hatte ein Alibi. Sein SUV stand am Campingplatz und zu Fuß zurück? Warum?
Christa stellte ihr Fahrrad bei den Damentoiletten ab. Marilyn? Er hatte kein Motiv. Weshalb sollte er Theo und Kalina helfen, eine Leiche zu verbringen.

Der stechende Geruch von Chlor drang Christa in die Nase, nachdem sie die Tür zu den Sanitärräumen geöffnet hatte. Dann erspähte sie einen wackelnden Hintern, der in einer Kittelschürze steckte, jener durch die eine Türöffnung wedelte. Ein Oberkörper sowie bestrumpfte Beine folgten. Füße in geblümten Badelatschen glitten über die Fliesen. Den Abschluss bildete ein Kopf, um den ein Kopftuch gewickelt war, als wäre die Dame eine Trümmerfrau.
»Sabine, was treibst du da?«
Sabine stützte sich auf ihren Wischmopp ab. »Sauber machen oder wie sieht es aus.«
»Das ist ein Tatort.«
»Was?«
»Hast du die Waschbecken gesäubert?«
Sabine stampfte ihren Mopp auf. »Hör mal! Ich weiß nicht, wie du sauber machst. Ich wische zum Schluss. Jetzt geh mir aus dem Weg«, erboste sie sich.
Christa trat auf sie zu.
»Warst du gestern in Günters Kaschemme?«
»Was fragst du? Bin fast jeden Abend dort.«
»Wer war da?«
»Wie immer!«
»Wie, wie immer?«
Sabine hob ihre Schultern. »Max, Ben, Günter.«
»Wer noch?«
»Gäste vom Platz.«
»Die wir kennen?«
»Benno.«
»Wann ist Benno gekommen?«
»Er saß irgendwann da und hat in die Glotze geschaut.«
»War Theo da?«
»Ja! Mit einem Fremden. Sind dann aber weg.«
»Wann?«
»Was weiß ich«, wetterte Sabine und sah nach oben. »Erst ist der Fremde weg.«
»Das weißt du?«
»Ich geh davon aus. Er hat bezahlt und Theo hat sich noch eine Cola geholt. Diese am Tresen getrunken und dabei telefoniert.«
»Wie sah er aus?«
Sabine kniff ihr linkes Auge zu. „Du kennst ihn doch.“
»Nicht Theo. Der Fremde?«
»Schmächtig, schwarze Haare, nicht sehr groß.«
»Wie schmächtig, wie groß?«
»Kürzer als Theo eben. Lutz und Tim waren auch da.«
»Tim?«
»Ja! Er hat sich die Dartpfeile geholt.«
»Lutz?«
»War da, dann weg, dann wieder da.«
»Das hast du mitbekommen?«
»Geh von aus.«
»Wie?«
»Hab dir doch gesagt, Theo hat telefoniert.« Sabine schmunzelte. »Aber bestimmt nicht mit seiner Frau.«
»Woher weißt du das?«
»Süßholz hat er geraspelt.« Sabine zog ihren rechten Tränensack herab. »Der hat bestimmt eine Geliebte. Mich geh es ja nichts an.«
»Daraus schließt du, dass Lutz gegangen war.«
»Quatsch! Theo hat mir gesagt, dass ich Lutz sagen soll, dass er los ist, und sie sich später noch treffen, oder sehen, oder so ähnlich.«
Christa kratzte sich am Genick. Im Groben deckten sich die Aussagen.
»Wie bereitest du das Kaninchen zu?«
»Welches Kaninchen?«
»Das von Lutz.«
»Ich lege es in Rotwein ein.«
»Der Lutz ist ein Netter. Ist extra für dich los und hat es geholt.«
»Wie kommst du darauf? Er hatte es mitgehabt.«

Lutz hatte sie angelogen. Weshalb? Es gab für Christa nur einen triftigen Grund. Lutz war mit Wanja im Zelt. Keine Dokumente waren der Auslöser des Streites. Dieser sogenannte Bonze hatte die beiden erwischt. Er Wanja dann zur Rede gestellt. Der Zeitablauf passte nicht. Lutz schlief mit Wanja. Er verließ das Zelt, Wanja blieb zurück. Lutz sah, dass sein Nebenbuhler auf den Campingplatz fuhr und hörte, was sie trieben. Deswegen hatte er sich die Kante gegeben. Erst betrog er Kalina, dann Wanja ihn.
Max. Motiv! Er wollte zur Kripo. Max war der Mittelsmann. Er sollte die Dokumente übernehmen, die Bombe platzen lassen. Kalina war seine Verabredung. Wanja kannte er nicht. Deswegen waren er und Ben gleich am Fundort. Er konnte nicht ahnen, dass sie, Christa, länger als gewohnt im Revier war.

»Dann steh ich dir nicht weiter im Wege, aber mit dem Wischen ist jetzt Schluss. Schließ ab und gut.«
»Warum und wo sollen die Frauen aufs Klo?«
»Sabine. Du hast vielleicht mitbekommen, dass die Tote hier auf dem Platz genächtigt hat. Spurensicherung.« Christa verdrehte die Augen. »Soweit etwas übrig ist.«
»Auf‘m Klo?«
»Überall! Das ist Polizeiarbeit und die Frauen können aufs Männerklo.«
»Wenn sie da auch war?«
Christa erhob ihre Arme, schnaufte. »Dann, dann«
»Wenn du meinst, dann mache ich Feierabend. Weshalb hast du mich ausgefragt?«
»Um herauszubekommen, ob jemand sie gesehen hat.«
»Wen?«
»Die Tote, als sie lebte. Hast du sie gesehen?«
»Wen?«
Christa verdrehte die Augen. »Vergiss es!«


Langnase Günter

Christa klappte den Ständer ein, setzte sich auf ihr Rad und trat in die Pedale. Auf der Höhe von seinen Bürowagen, erblickte sie Günter, der seinen Kopf herausstreckte.
»Christa!«
Sie blieb stehen.
Günter winkte ihr zu. »Komm rein!«
»Was gibt es?«
»Komm!«, wiederholte er.
Christa stellte ihr Fahrrad ab und kletterte in den Wohnwagen.

Sie hatte gerade die Tür hinter sich geschlossen, da umfasste Günter eine Schnapsflasche, die auf seinem Klapptisch stand und bat ihr einen Kurzen an. Es war wahrlich für sie nicht die Zeit, in gemütlicher Zweisamkeit mit Günter in seinem Wagen zu sitzen, damit er nicht allein sich die Kante gab. Der Füllstand der Flache, sowie Günters Atem verrieten ihr, dass er sich mehr als einen bereits gegönnt hatte.
»Dafür habe ich keine Zeit. Außerdem ist es vorm Mittag«, gab sie ihm zu verstehen.
Er schenkte sich ein. »Ich muss dir etwas gestehen. Setz dich!«
Sie kam seiner Aufforderung nach, nachdem sie ein hellbau-weißes Seidenkleid von dem Campingerhocker genommen hatte.
»Stehst du neuerdings auf Eiskönigin?«
Günter zuckte. »Wie?«
Sie hielt ihm das Kleid entgegen, wobei sie grinste. »Na Eiskönigin, Disney, Olaf.«
Christa liebte die Verfilmungen von Walt Disney seid ihrer Kindheit. Ohne jemanden irgendetwas davon zu erzählen, schlich sie sich in die Kinoaufführung und heulte Rotz und Wasser.
»Hat Max aufgerissen.«
»Max?«
»Für ein Weihnachtsmusical.«
»Musical?«
»Mit Tinas Truppe will er eins aufführen. Wirf das Ding zu den anderen Klamotten!«
Günter wies über seine Schulter, woraufhin sie das Kostüm auf eine Liege warf und dieses sich mit seinesgleichen vereinte.
Günters Blick folgte dem Flug. »Das ist hier kein Büro mehr, das ist ein Theaterfundus. Hab ihm dees gestern grad an den Kopf geworfen. Sein Gesang geh mir langsam auf die Nerven. Kreischte mir etwas von Tabaluga oder wie der Drache heißt entgegen. Der vergrault mir meine ganzen Gäste. Habe ihm gesagt, er könne bei Trude üben, dann sind zwei Durchgeknallte zusammen.«
In einer gewissen Art durchgedreht war Trude. Sie liebte ihre Kostümierungen. Seitdem sie selbst nicht mehr auf der Bühne stand, lebte sie ihre Leidenschaft in ihrer Kneipe aus. Zurzeit war sie Punk. Die Haare blau gefärbt, posierte sie in kaputter Strumpfhose sowie Minirock vor ihren Gästen, zupfte an ihrer Lederjacke und pöbelte alle an. Dabei kaute sie wie eine Kuh auf einem Kaugummi. Dies in ihrem Alter.

»Setz dich endlich. Ich muss dir was gestehen.«
»Hast du Steuern hinterzogen?«, fragte sie, wobei sie schmunzelte.
»Schlimmer.« Er leerte sein Glas. »Ich war es.«
»Was?«
Günter tippte mit dem Zeigefinger auf seine Brust. »Ich habe mit ihr, na ja, du weißt schon.«
»Gott. Günter red‘ Klartext!«
Er setzte sich ihr gegenüber hin. »Ich habe mit Wanja im Zelt.«
Christa schlug auf den Klapptisch, der sie trennte. »Was?«
»Was Männer und Frauen so tun.«
Christa grinste und wandte ihren Kopf. »In einem Wohnwagen sitzen und Schnaps trinken?«
»Das andere.«
»Fernseh glotzen?«
»Christa im Bett.«
»Schlafen.«
»Vögeln!«
Christa verdeckte ihren Mund und lachte. »Du und eine Frau.«
»Wer nicht das erste Mal«, er wandte seinen Kopf von links nach rechts, »außerdem war sie nicht immer eine Wanja.«
Sie zeigte ihm einen Vogel. »Wanja?«
»Ich kenne sie oder besser gesagt ihn von früher.«
»Von früher?«
»Habe ihn im Urlaub in Bulgarien kennengelernt, da war er noch ein süßer Boy.« Er senkte den Blick. »Du weißt, auf was ich steh.«
»Um euren Kontakt neu zu entflammen, bist du in ihr«, sie griente, »in sein Zelt.«
»Ich habe ihn zuerst nicht erkannt. Erst gestern Abend. Er hat mich gebeten, ihm zu helfen, sein Zelt abzubauen.«
»Da du gerade so hilfsbereit warst …«
»Nein!«, druckste Günter. »Max musste aufs Klo und ich verspürte gleichfalls einen Drang. Da kam ich an seinem Zelt vorbei. Er sprach mich an und zog mich in sein Zelt.«
»Solltest du es nicht abbauen?«
»Seine Sachen zusammenräumen.«
»Ihr wart in ihrem, entschuldige in«, sie schmunzelte, »seinem Zelt. Er spreizte seine Beine, damit du dein Vergnügen hast.«
»Er wollte nicht.« Günter kaute auf seinen Fingernägeln. »Ich hatte lange keinen Sex mehr. Habe ihm den Slip ausgezogen, seinen Rock hochgeschoben und bin dann …«
»Welchen Rock?«
»Denselben, den er heute Morgen trug.«
Christa strich über Günters Wange. »Wen schütz du?«
»Niemanden. Ich kann es beweisen.« Er zog sich sein T-Shirt aus. »Siehst, gekratzt hat er mich.«
Sie berührte die Wunden. »Tut es weh?«
»Ja!«
»Wen schützt du?«
»Niemanden«, schrie er, dabei schlug er mit der Faust auf den Tisch, sodass die Gläser wackelten.
»Günter, zu der Zeit, zu der du behauptest, mir ihr geschlafen zu haben, trug Wanja keinen Rock, sondern eine Hotpants.« Christa nickte. »Ich habe Zeugenaussagen. Außerdem ist sie eine Frau. Glaub mir! Also was hast du gesehen?«

Von wem er die Geschichte mit der Transsexuellen erfahren hatte, war ihr klar, aber wen gab er Schutz? Einzig zwei Personen fielen ihr ein: Lutz ferner Max.
Günter wusste von der Beziehung zwischen Kalina und Lutz und er hatte ein Interesse, dass sie zusammenblieben. Denn er hatte ihnen sein Haus vermietet. Günter ahnte nicht, was Kalina und Theo trieben, aber dieses spielte für Christa keine Rolle. Er war ein Geschäftsmann. Mit keinem Wort hatte er erwähnt, dass er Wanja umgebracht, oder verbracht hatte, und einvernehmlicher Sex war unter Erwachsenden kein Verbrechen. Zumindest ging ihre Ermittlung in eine andere Richtung.
Max und Günter waren Freunde. Christa schmunzelte. Vielleicht waren sie sogar mehr. Eifersucht? Sie schüttelte den Kopf. Günter krümmte keiner Fliege ein Haar. Außerdem hatte Max oder Ben ihr erzählt, dass Max gehört hatte, wie es zwei in diesem Zelt trieben. Sie kratzte sich am Genick. Was war, wenn Günter nichts davon mitbekommen, dafür Max beobachtete, wie dieser Wanja in den Toyota verladen hatte. Sie zog ihre Augenbrauen zusammen. Wenn sie bloß Lutz Karre hätte, dann könnte die Spurensicherung feststellen, wer alles in dem Wagen gesessen hatte. Christa kniff ihre Augen zu. Blödsinn! Max hatte zugegeben, dass er mit dem Wagen gefahren war.

»Nimmst du mich fest?«
»Wieso? Weil du Sex hattest. Dies ist kein Verbrechen.«
»Also glaubst du mir?«
»Nein! Aber apropos Glauben. Wo sind die Speicherkarten?«
»Die was?«
Christa schlug an ihre Stirn. »Die Wildkameras! Werner! Karnickel!«
»Ist das jetzt wichtig?«
»Nein. Mein Job! Also wo sind sie?«
Günter drehte sich um, zog eine Schublade auf, griff hinein und legte Christa die Kameras vor die Nase. »Hier!«
»Danke.«
Sie steckte die Kameras in ihre Handtasche, stand auf und drohte. »Günter trink nicht so viel!«


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