Das Fest (gelöscht)

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rogathe

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Hallo Doc,
sie bringen alles in Ordnung, formulieren ihre Abschiedsworte, erschießen sich. Es "knallt erneut": draußen knallen gleichzeitig die Raketen.
Vielen Dank für deine Kommentare.

LG rogathe
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo rogathe,

so könnte man sagen: Durch die ganz besondere Situation, die du hier als Autorin fiktional herauf beschwörst, gelingt es dir, das Thema auf "ungelöste" Art und Weise in den Raum zu stellen (denn selbst, wer sich ein persönliches Recht auf Suizid einräumt, wird den Suizid im Regelfalle nicht in der Art einer Inszenierung ausgestalten - soll heißen: das Element der Inszenierung verstärkt hier das "Ungelöste", das dem Thema Suizid anhaftet und diese Verstärkung provoziert - zumindest bei mir -, dass man hinguckt, dass man um eine persönliche Standortbestimmung ringt nach dem Motto: "Ist das noch tolerierbar, was die da tun - oder ist es verwerflich?").

Deine Story führt den Leser nicht mir erhobenem Zeigefinger zum Thema hin, sondern lenkt ihn auf mehr subtile Weise dahin, dass Auseinandersetzung stattfinden kann, dass ein Tabu-Thema "geöffnet" werden kann.
Deshalb: für mich eine gelungene und mutige Geschichte, die mich ganz schön umtreibt!

lg wüstenrose
 
Das Fest

Hallo Rogathe,
nun habe ich Deinen Text mehrfach gelesen und die Kommentare aufmerksam verfolgt. Ich fasse ihn nicht als Satire auf, sondern nehme ihn, der Thematik entsprechend, sehr ernst. Für mich ist er eine gelungene Kurzgeschichte, die den Leser anlockt, mitnimmt und dann abrupt mit seinen Fragen ratlos zurücklässt.
Das Recht auf ein selbst bestimmtes Lebensende wäre auch für mich ein wichtiges Grundrecht; leider ist die Gesellschaft (noch) nicht bereit dazu. Allerdings wäre es einfacher, diesen Entschluss bei Vorliegen schwerer Gebrechen zu akzeptieren. Einfach zu gehen aus Dankbarkeit auf ein erfülltes Leben und um vielleicht ein langes Leiden zu verhindern, das ist schon gewöhnungsbedürftig.
Übrigens habe ich fast zeitgleich, ohne Deine Kurzgeschichte zu kennen, eine Erzählung eingestellt (Das Wagenseil), die sich mit dem gleichen Thema befasst, allerdings mit anderem Ausgang. Zufall?

LG Bertl
 

Val Sidal

Mitglied
@rogathe

da ich gerade in Spanien bin und mir Umlaute über Kopieren/Einfügen zusammenkratzen muss, kann ich auf den Text nicht ausführlich eingehen -- werde es aber tun, weil die Geschichte es "in sich" hat.
 

Val Sidal

Mitglied
rogathe,

Dir ist ein großartiger Text gelungen, dessen Facetten und Tiefen ich mir nach und nach erschlossen habe – nachdem ich zu dem Schluss gelangt war, dass der plausible Plot zwar gekonnt umgesetzt wird, aber die Geschichte dennoch banal wirkt; der dramatische Höhepunkt zwar möglicherweise einen moralischen Konflikt thematisiert, aber er ist kein Konflikt der Protagonisten – sie scheinen sich einig zu sein –, sie lösen ihn nur aus. Wie kommt es, hatte ich mich also gefragt, dass mich der Text nicht los lässt?
Worum geht es in der Geschichte eigentlich?

Das Ehepaar plant eine Feier und eine Überraschung:
„Fertig!“ Caroline klebt die letzte Briefmarke auf das Kuvert und blickt erleichtert auf. Verschmitzt lächelt sie ihrem Ehemann zu. „Na, die werden staunen!“ „Ganz bestimmt!“
Eine anscheinend glückliche Ehe:
Constantin beugt sich über sie und haucht ihr ...
Sie gehen strukturiert, systematisch, sorgfältig, fast pedantisch vor:
Er sortiert die fünfzig Einladungen zu ihrer goldenen Hochzeit in alphabetischer Reihenfolge und vergleicht sie zum letzten Mal mit der Gästeliste ...
Am Checkpoint stellen sie fest: es funktioniert! Die Reaktionen entsprechen ihren Erwartungen:
„Habt ihr etwa im Lotto gewonnen?“ „Vornehm, vornehm!“ ...
Der Meilenstein zeigt, dass der Plan aufgeht:
Überaus zufrieden konstatieren die Jubilare in der darauffolgenden Woche, dass niemand abgesagt hat
Jetzt kann die Umsetzung des Plans im Detail erfolgen:
Kurz darauf treffen sie beim Catering Service die Auswahl der Köstlichkeiten (…) Als Mitglieder des Hubertus-Jagdvereins vereinbaren sie (…) mit Den befreundeten Pyrotechniker beauftragen sie ...
Jetzt kann es losgehen:
„Es prickelt!“ Constantin, der Astrophysiker und Caroline, die Archäologin schmusen innig verliebt am späten Abend ...
Und dann dieser Satz, auf den ich noch zurückkommen werde:
„Wir hatten viel Glück“, sinniert sie leise ...
Aha! Der Aufmarsch der Protagonisten:
Sie, Akademikerin, als Archäologin sucht sie den Grund("Woher kommen wir?") erd- und todesnah:
„Klar, um ein Haar wärst du für immer bei deinen Skeletten und Mumien im Schacht geblieben“, nickt er und bekommt wieder eine Gänsehaut, wie damals, als er vom Unfall seiner Frau bei Grabungsarbeiten ...
Er, Akademiker, als Astrophysiker sucht er das Ziel ("Wohin gehen wir?") himmels- und unendlichweit:
… du sagtest immerhin, wir würden uns später dort treffen, gemeinsam in ein schwarzes Loch stürzen ...
Dann fällt das Schlüsselwort:
„Aber auch jede Menge Spaß"
Spaß – jetzt wird klar, das „viele Glück“, das vorhin erwähnt wurde, hat viel mit Kopf, mit „Sich-nicht-in-die-Quere-kommen“ – mit „Spaß-an-der-Freud’“ zu tun. Mit Selbstverwirklichung und Erfolg. Und Egoismus? Ein Glück, dass alle Pläne funktioniert haben ...!?

Ja! Jetzt sehe ich sie vor mir:
„Sogar deine Runzeln schmunzeln“, säuselt sie ihm ins Ohr. „Ich liebe jede einzelne von ihnen.“
[ 4]„Das will ich hoffen, sie haben mir ziemlich viel Mühe gemacht“, grinst er ...
... mild, sanft, wortverspielt

Der Satz
Die Zeit bis zum Fest verbringen sie mit entrümpeln, ordnen und putzen. Zuletzt schmücken sie mit Tannengirlanden das Treppengeländer und den ...
trommelt wie im Zirkus, währenddessen der Akrobat zum „Salto Mortale“ hochklettert:
Constantin und Caroline sind bereit.
Die Spannung steigt: Die Clowns marschieren ein, die Kapelle spielt – alles ist gerichtet, in der Manege:
Alsbald duften bunte Wiesensträuße und Orchideengebinde, Rosengestecke und Margaritenkränze, von den Gästen überreicht, im Haus und die Blasmusik tönt in das fröhliche Schwatzen und ...
Alles läuft wie am Schnürchen – kein Wunder, hier waren Profis am Werk:
Nachdem alle launigen Reden gehalten sind, bitten die Jubilare die Gesellschaft hinaus ...
Dann der Abschlussbericht:
Gut ging es – schön war es – Danke
… ich musste plötzlich an Kevin Spacey in dem Film „Das Glücksprinzip“ denken, und an seine Antwort auf die Frage, ob er denn glücklich sei: „Es ist ein machbares Leben“

Jetzt begriff ich endlich: Deine Geschichte steckt gar nicht im Text! Er dient als Reiseführer, setzt Zeichen, winkt den Leser in die richtige Richtung, beschildert Vorfahrten, Kreuzungen, schaltet die Ampel von „Grün“ auf „Gelb“ und … hätte er jetzt mit dem moralisierenden Fingerzeig auch noch plump auf „Rot“ geschaltet ... – aber da patzt eine Autorin wie Du natürlich nicht!

Die eigentliche Geschichte zeigt einen Lebensentwurf, der mit den Leitsätzen skizziert werden kann:
„Sei fleißig und brav!“, „Lerne und passe dich an!“, „Studiere was du willst – nach dem Abi!“, „Lebe deinen Traum!“, „Mach was aus dir!“, „Mach was aus deinem Leben!“
Glück, als gemachtes Leben … Und auch noch Spaß dazu – was will man mehr.

Jetzt überrascht es nicht mehr, wenn auch das Ende „gemacht“ werden soll, im Gegenteil:
Dann nimmt er seine Frau an die Hand. Stufe um Stufe steigen sie, gelegentlich innehaltend, in die erste Etage hinauf und schließen die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich.
[ 4]„Willst du wirklich?“, fragt er ernst, während er nach seinem Revolver greift.
[ 4]
[ 4]„Ich will es“, antwortet sie mit fester Stimme.
… und weil ich den Text so gelesen habe, bin ich mit dem Schluss unglücklich.

Constantins Frage wird zwar gesetzt, aber dramaturgisch nicht verwertet. Klingt, als würde er sich der Entschlossenheit seiner Frau versichern wollen – eine mögliche, aber aus der Figur nicht zwingend folgende Haltung; das Gegenteil ist wahrscheinlicher: er der (beruflich) sein Leben lang mit dem Unbegrenzten zu tun hatte, wird das erste Mal mit dem Endgültigen konfrontiert – und er ist emotional kaum gerüstet. Caroline, die immer schon mit Skeletten und Mumien zu tun hatte, wird vom Gedanken an den Tod nicht erschüttert – das Ende hat für sie nichts Erschreckendes.
Wenn also Constantin fragt, dann vermute ich, dass er sich nicht mehr ganz sicher ist – zumindest nicht stark genug, um damit wortlos-innerlich fertig zu werden.
Ein Schluss wie:
[blue]
„Willst du wirklich?“, fragt er ernst, während er nach seinem Revolver greift.
[ 4]
[ 4]„Hab keine Angst …“, flüstert sie und drückt seine Hand fester.
[/blue]
... hätte mich glücklich gemacht.

Der letzte Satz ist nicht „short-story-like“ – könnte verlustfrei und gewinnbringend gestrichen werden.

Ich danke Dir für das Leseerlebnis.

Wenn meine Lesart die erzählerische Intention nicht trifft, dann – Pardon.
 

rogathe

Mitglied
Hallo Val,
herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Wow!
Lediglich die "Angst" am Ende passt nicht. Er fürchtet den Tod ebensowenig wie sie, es geht ihm darum, ob sie am vereinbarten Zeitpunkt festhalten wollen. Okay, den letzten Satz streiche ich.

LG rogathe
 

Val Sidal

Mitglied
rogathe,

vielleicht bin ich bei der Ausdeutung der Figur Constantin zu sehr von mir als Mann ausgegangen: schnell zusagen und dann, wenn es darauf ankommt -- na ja ...

Deine Lösung hat den Vorteil, dass der Dialog nach Eheschließungsprotokoll klingt ("Willst du, Caroline ...?" "Ja, ich will ..."), damit eine feine Facette des gemeinsamen Abgangs beleuchtet und die vermeitliche Düsternis des Ereignisses aufgebt.
 
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