Der lange Abschied von uns selbst, oder wie wir wurden, was wir sind - Teil 7

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Der lange Abschied - Teil 6


3.15 Besuche und Gespräche 25.05.2019

Heute kamen Isabell und Max zusammen vorbei. Zu sagen, dass es sie überraschte, die Bardin bei mir zu treffen, wäre untertrieben.
Giulia und ich hatten gefrühstückt und ich verbrachte den Vormittag in den Beeten, seit Miriams Tod blieb trotz meiner exzessiven Gartenarbeit einiges Liegen. Der Garten lag ihr sehr am Herzen und ich möchte nicht, dass er vergammelt.
Giulias Ankunft hat mich wieder mehr ins Hier und Jetzt geholt, ein Gefühl, das mir in den letzten Monaten fast vollständig abhandenkam. Interessant, wie sich die Anwesenheit eines anderen menschlichen Wesens auf die eigene Psyche auswirkt.
Giulia ist beeindruckt von der Anlage des Grundstücks, auf dem das Haus steht, das schließt die neu angelegten Beeten und die Bewässerung mit ein.
Sie erkundigte sich, ob ich es mit den Gemüsebeeten nicht übertrieben hätte, damit könnte ich ja einen Clan ernähren.
Meine Antwort darauf lautete, dass ich es unter therapeutischen Gesichtspunkten betrachten würde nahm sie nickend zur Kenntnis.
Ihr Angebot mir zu helfen lehnte ich dankend ab, Gartenarbeit ist Trauerarbeit für mich, da möchte ich alleine sein. Sie hat es verstanden und sich mit einem Buch auf die Terrasse gesetzt. Nach einer Stunde fing sie an, Gitarre zu spielen und zu singen. Eine weitere, unwirkliche Situation in meinem Leben, aber zumindest eine Schöne.
Morgens haben wir die Nachrichten im Radio gehört, die Welt scheint kontinuierlich tiefer im Wahnsinn zu versinken. Es gibt Unruhen in Asien und Afrika in einem nie gesehenen Umfang. Mir fielen die Worte des Barons ein und die Vorbereitungen, die ich traf. Ein schlechtes Gefühl bleibt. Von unseren Komikern kein Kommentar zu der ganzen Geschichte.
Egal, während ich im Garten buddelte, klingelte es und Giulia öffnete die Türe, den Briefträger erwartend, Isabell und Max empfangend. Das Unwohlsein stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben, wie sie mit den beiden auf die Terrasse kam.
So, wie sie es mir abends erzählte, fiel die Begrüßung durch Isabell wohl relativ frostig aus.
Auch die Mimik von meinen Freunden drückte maximales Unverständnis aus. Nach zwei langen und sehr intensiven Umarmungen setzten wir uns an den Gartentisch und Giulia erklärte sich hastig bereit, den Kaffee zuzubereiten.
„WTF,“ lautete Isabells Reaktion. Aus ihrem Blick sprach mehr als nur ein kleiner Vorwurf. Von ihr und meinen Freunden zog ich mich zurück und eine schöne Unbekannte wohnt bei mir?
Die Situation zu erklären, ohne zu viel über die Hintergründe bekannt werden zu lassen, stellte eine beachtliche Hürde dar. Ich bin mir nicht sicher, dass ich sie vollständig und mit ausreichender Eleganz genommen habe.
Was sollte ich sagen? Giulia ist eine Sängerin, die ein international gesuchter Schwerverbrecher bezahlt hat, um für mich zu singen? Damit hätte ich weitere Fragen heraufbeschworen und meine Freunde zu Mitwissern gemacht. Das könnte durchaus zu Unannehmlichkeiten führen. Die Polizei hat sich zwar schon seit einiger Zeit nicht mehr bei mir gemeldet. Das bedeutet jedoch nicht, dass die engagierte Kommissarin nicht gerade dabei ist, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen (oh man, würde ich in der Scheiße sitzen).
Ich entschied mich, im Ungefähren zu bleiben, und hoffte, dass Giulia nicht erwähnte, wie viel der Baron ihr gezahlt hatte. Die Höhe der Gage dürfte definitiv zu zusätzlichen, bohrenden Fragen führen. Ich verwies darauf, dass mein Gast von einem Freund bezahlt worden wäre, um ein Küchenkonzert bei mir zu geben.
Max meinte nur, dass das ein großzügiger Freund sein müsse, was ich nicht verneinte.
Isabell bohrte weiter, wer der ominöse Gönner sei, und ich antwortete, wahrheitsgemäß, dass die beiden ihn nicht kennen.
Sie warf mir einen durchdringenden Blick zu. Mit einem unangenehm spitzen Ton in der Stimme stellte sie fest, dass es wohl eine äußerst intensive Freundschaft sein müsse, wenn die Beziehung in einem derartigen Geschenk ihren Ausdruck fände.
Auch das konnte ich bestätigen. Da ich erkennbar nicht auf weitere Aspekte dieser Verbindung einzugehen bereit schien, ließen die beiden es gut sein. Die Wachsamkeit wich allerdings nicht aus Isabells Blick.
Mit Giulias Rückkehr kamen Kaffee und Kekse, was die Spannung einwenig löste. Anerkennend bleibt mir festzustellen, dass Giulia exzellente kommunikative Fähigkeiten besitzt.
Sie verwickelte unseren Besuch in ein Gespräch über Sizilien und die dortige musikalische Kultur. Danach spielte sie einige traditionelle Stücke auf ihrer Klampfe und sang dazu. Zumindest den Teil, dass Giulia eine Sängerin und Musikerin ist, zweifelte nach zwei Stunden Kaffee und Gesang, niemand mehr an. Neben Gitarre beherrscht sie ebenfalls das Spiel auf der Querflöte und gab auch da eine Kostprobe ihres Könnens.
Ich mag die Flauto traverso, die Töne dieses Instruments haben für mich eine Intensität, die sie über der Landschaft schweben lässt, ohne aufdringlich zu sein.
Gegen Abend neigte sich der Besuch seinem Ende entgegen, da Isabell ins Kino wollte und Max zum Bowling.
Zum Abschied fragte Isabell, ob Giulia sich uns am Himmelfahrtswochenende anschließen wird.
Giulia warf mir einen fragenden Blick zu, und meinte nur, dass sie bislang nichts anderes vorhätte.
Über das verlängerte Wochenende mit meinen Freunden hatte ich bisher nicht mit ihr gesprochen. Soweit hatte ich mich gedanklich bis jetzt nicht bewegt. Die Sache mit Giulia ist eher gegenwartsbezogen. Ich erwiderte, dass ich es schön fände, wenn sie sich dazugesellen würde. Den Hinweis, dass es dann im Haus ziemlich kuschlig wird, quittierte sie lächelnd mit einem Verweis auf ihre sizilianischen Wurzeln und dass sie auf Großfamilie steht. Mit dieser reichlich unkomplizierten Aussage punktete sie sichtlich bei Max und sogar bei Isabell.
Bei ihr zu punkten, wenn ihr Frühwarnradar wie verrückt piept, ist kommunikativ gesehen, eine Art Ritterschlag in der Gesprächsführung.
Giulia verfügt da wohl gleichfalls über extrem filigrane Antennen, denn der Argwohn von Isabell blieb ihr nicht verborgen. Max hingegen schätzt sie wesentlich unkomplizierter ein, was den Tatsachen entspricht. Ich nehme nicht an, dass es seiner Aufmerksamkeit entging, dass es Sachen gab, die ich nicht ansprach.
Max vertritt meist die Anschauung, dass es für alles eine Zeit gibt, eine Zeit zu reden und eine Zeit zu schweigen, und Letzteres ist eher sein Ding. Wenn die Zeit reif ist, wird man es erfahren, bis dahin macht es keinen Sinn darüber zu spekulieren.
Nach dem Abschied von den beiden wandte sich Giulia mir mit der Frage zu, ob mir der Besuch unangenehm gewesen wäre. Der Verdacht, dass zwischen uns etwas lief, sprang einen förmlich an.
Ich verneinte, natürlich war die Situation ungewöhnlich, aber, soweit es mich betraf kein Drama. Ich hatte vor allem Isabell klar gemacht, dass Giulia ein Gast in meinem Haus ist und nicht mehr. Miriam ist seit knapp fünf Monaten tot. Auch wenn ich die letzten Tage mit Giulia genossen habe, bin ich ständig mit den Gedanken bei Miriam. Ich sitze an ihrem Grab, erzähle ihr was geschehen ist und wie sehr ich sie vermisse. In einer derartigen Konstellation ist kein Platz für eine neue Liebe. In freundlichen Worten verpackt, übermittelte ich diesen Sachverhalt an Giulia, die darüber nicht enttäuscht zu sein schien.
Sie hörte sich meine Erklärung an und meinte anschließend nur, dass es vorkommt, dass der Trost von Fremden hilfreicher sein kann, als die Anteilnahme von Menschen die einem nahe stehen.
Auch sie hat verloren, nicht nur ein Leben wie ich, sondern gleich zwei. Ihre Familie, die ihr ihren Eigensinn nicht verzeiht und die Existenz, welche sie sich mit ihrem Freund aufzubauen bereit war. Zumindest bis zu dem Augenblick in dem sie ihn mit heruntergelassenen Hosen erwischte – wer die höheren Verluste erlitt, sie oder ich? Ich glaube, dass diese Frage in die Irre führt, beide Leben liegen in Trümmern, das ist es, was zählt und uns verbindet. Während wir sprachen, lagen wir auf zwei Liegestühlen im Garten, unsere Blicke gingen in den dunklen werdenden Abendhimmel.
Es fühlte sich, wenn ich so sagen darf, an, wie ein sehr intimer Moment zwischen Fremden.


3.16 Lieferungen 27.05.2019

Unangenehmerweise musste ich wieder arbeiten, ein Umstand, der den heutigen Tag unnötig verkomplizierte.
Ab Morgen genieße ich drei Wochen Urlaub. Mir fehlen noch ein Paar Sendungen, mal sehen, wann die ankommen. Heute erreichte mich eine Anlieferung, mit der ich zu diesem Zeitpunkt nicht rechnete. Ich im Büro, Giulia zuhause – sie ahnen es, werden Güter geliefert, die sich außerhalb des Normbereichs bewegen, provoziert das Fragen, vor allem wenn die Annehmende nicht dumm ist.
Eigentlich hätte die Spedition den Liefertermin mit mir abstimmen müssen, hat sie aber nicht. Interessanterweise haben beide Lieferanten dasselbe Unternehmen beauftragt. Ein Umstand, den ich so nicht miteinberechnete. Die Verkäufer schöpften vielleicht keinen Verdacht, dafür der Spediteur. Es ist unfassbar, worauf man achten muss, wenn man unter dem Radar durchfliegen will.
Wie dem auch sei, gegen 11.00 Uhr klingelte ein LKW-Fahrer und verlangte von Giulia Anweisungen, wo er die beiden Transportpaletten hinstellen solle. Da ich gerade in einer Besprechung saß und das Telefon nicht beantwortete, entschied sie eigenständig, dass die Waren in die Garage zu bringen seien.
Sie öffnete das Tor, ließ die beiden Paletten mit der Ameise reinfahren und quittierte die Trinkwasserfilteranlage sowie zwei faltbare Trinkwassertanks für knappe 4.000.- €.
Die Tatsache, dass der Spediteur auf Barzahlung der Sendung bestand, überraschte sie und führte dazu, dass sie anschließend noch ganze fünf Euro übrig hatte. Das Geld erstatte ich mittlerweile wieder zurück. Natürlich sah sie, was ich in den letzten Wochen in der Garage verstaute. Das Salz, den Zucker, die Konserven, mein Bierlager, das Mineralwasser den nagelneuen Nissan eEvalia, die Ladesäule für die eAutos.
Giulia ist ein cleveres Mädchen, und selbstverständlich tauchten gewisse Fragen an mich auf. Zum Beispiel, warum da ein Tonne jodiertes Kochsalz (ohne Rieselhilfe) in der Garage lagert, oder ein Tonne Rohrohrzucker, nicht raffiniert. Wofür ich eine Filteranlage für Trinkwasser brauche, von den faltbaren Trinkwassertanks ganz zu schweigen. Und dann kam die wirklich unangenehme Anfrage, wo ihr Platz in dieser Angelegenheit ist und ob der Mann, der sie bezahlt hatte, ebenfalls in der Erzählung auftaucht.
Dabei hat nicht einmal die Dachkammer gesehen, wo ich die Waffen lagere. Dass ich morgen nochmals loswill, um einen zweiten Elektrowagen zu kaufen, traute ich mich nicht, zu thematisieren. Andererseits, bewusst die Unwahrheit zu sagen, ist immer der Anfang vom Ende. Mir ist nicht bekannt, dass eine Lüge je zu etwas Gutem geführt hätte. Bestimmte Sachverhalte nicht zu erwähnen oder im Ungefähren zu bleiben, ist im Allgemeinen schon schlimm genug. Zumindest kann man darauf verweisen, dass man nicht gelogen hat.
Also versuchte ich, Giulia nicht anzulügen, sie aber auch nicht in Panik zu versetzen. Beziehungsweise mich zum Vollhonk zu machen, falls an der Warnung des Barons nichts dran ist. Ich legte mit der politischen Großwetterlage los. Thematisierte das Flugverbot, die Einschränkungen beim Schiffsverkehr, die Internetabschaltung in China, dem Zusammenbruch der Kommunikationsinfrastruktur in weiten Teilen Ostasiens und Afrikas. Unauffällig flocht ich ein, dass mir die Warnung eines Bekannten vorlag. Dass es sich dabei um denselben handelte, der sie zu mir gebracht hatte, thematisierte ich nicht weiter. Von den Vorkehrungen, die ich traf, berichtete ich relativ umfassend, ebenso von meiner Unsicherheit bezüglich dieser Schutzmaßnahme und der Untergangsskepsis, die ja durchaus real ist.
Ich gab ihr den Brief, den mir der Baron durch sie hatte überbringen lassen. Viel steht ja nicht drin, sie las ihn und blickte mich ratlos an. Der Name sagte ihr nichts, was den Druck deutlich reduzierte, ihr mehr zu meinem Gönner zu sagen.
Von mir wollte sie wissen, ob ich es für möglich halte, dass die Seuchenwelle tatsächlich nach Europa kommt und ob ich davon ausgehe, dass es sich hierbei um eine Konspiration handelte.
Die meisten Verschwörungstheoretiker behaupten ja, keine zu sein. Es stellt einen vor deutliche Probleme, den Sachverhalt so darzustellen, dass man anschließend nicht noch wirrer wirkt. Zunächst wies ich darauf hin, dass ich nicht an Chemtrails glaube und auch nicht davon ausgehe, dass die Rothschilds die Welt regieren.
Was mich hier stutzig macht, sind die Dinge, die man nicht im Radio oder Fernsehen hört. Die Evakuierung von Helgoland, die Quarantäne, die U-Bootjagd in der Nordsee im Februar. Da werfen deutsche und französische Marineverbände Wasserbomben vor unserer Küste ab und drei Tage später ist das kein Thema mehr in den Medien. Die Probleme in Afrika werden mittels Verlautbarungen des US-Africa-Commands kommentiert. Man schaltet Kommunikationsverbindungen ab, Aufstände brechen aus und niemand spricht darüber. Eine kurze Meldung, schon beschäftigt man sich mit irgendeiner Nebensächlichkeit. Erst mit dem Flugverbot und den Einschränkungen beim Schiffsverkehr änderte sich etwas, wurden mehr Informationen bekannt gemacht, umfassende Aufklärung sieht jedoch anders aus.
Es sind einzelne Ereignisse, die, jedes für sich, merkwürdig sind, zusammen aber ein beängstigendes Bild ergeben. Eingehend wies ich darauf hin, dass auch die Sache mit der Vogelgrippe nicht zu den wenigen Meldungen aus dem Rest der Welt passt. Die Informationen lassen nicht auf eine Grippewelle schließen. Zwei derartige Vorkommnisse unterschiedlicher Art in so kurzer Zeit sind möglich, jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Ob und wie sie zusammenhängen, konnte ich aber nicht aufzeigen.
Sie hörte meine Ausführungen schweigend an, auf eine Erwiderung wartete ich lange. Trotz der Erklärungen, die ich offerierte, fand sie ihren Platz in dieser Geschichte nicht. Da konnte ich wahrheitsgemäß antworten, dass ich das nicht weiß, was ja durchaus den Tatsachen entspricht. Ich habe keine Ahnung, worauf der Baron damit hinauswollte, oder ob er überhaupt etwas mit dem Auftrag an Giulia bezweckte. Wie sagte Sigmund Freud einmal so schön? „Und gelegentlich ist eine Zigarre auch nur eine Zigarre.“
Sie nickte, forderte, mehr über den Baron zu erfahren.
Hier zog ich die Notbremse, erwiderte, dass sie da nicht tiefer einsteigen sollte. Manche Fragen stellte man besser nicht.
Sie erkundigte sich, ob sie in Schwierigkeiten stecken würde, was ich verneinte, vorausgesetzt die Zivilisation bricht tatsächlich in absehbarer Zeit zusammen.
Rückblickend betrachtet, räume ich ein, dass diese Antwort nicht zur Beruhigung der Lage beitrug. Der Rest des Abends verlief schweigsam. Wie sich Giulia ins Bett verabschiedete erkundigte ich mich, ob sie an Himmelfahrt noch da wäre. Eine verbindliche Aussage darauf habe ich nicht erhalten. Eine Lüge führt vielleicht nie zu etwas Gutem, Ehrlichkeit tut das aber auch nicht automatisch.
Wie sagt der Volksmund so treffend? „Wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd.“ Ich fände es sehr schade, wenn Giulia wieder geht.


3.17 Einkäufe 28.05.2019

Beim Aufstehen heute Morgen gegen 08.00 Uhr, war mein Gast bereits unterwegs. Immerhin standen ihre Sachen nach wie vor im Gästezimmer. Den Impuls sie anzurufen unterdrückte ich den ganzen Tag erfolgreich, ich hatte ja ebenfalls ausreichend Arbeit vor mir.
Mein erster Weg führte mich zu dem Nissanhändler in Berlin, um den Nissan Leaf einzusammeln. Einen Teil zahlte ich bar, den Rest finanzierte ich über einen Kreditvertrag, um keinen Verdacht zu erregen. Der Wagen ist auf das Autohaus zugelassen. Da es sich um eine Tageszulassung handelt, ist es erforderlich, dass das Fahrzeug für weitere drei Wochen auf den Händler angemeldet bleibt. Der Verkäufer und ich schlossen einen Überlassungsvertrag und ich sicherte ihm zu, dass ich das Auto mit Ablauf des Vertrages auf mich ummelden würde. Gedanklich setzte ich hinzu, falls zu dem Zeitpunkt noch ein Landratsamt existiert. Aus verständlichen Gründen thematisierte ich diesen Sachverhalt im Abschlussgespräch jedoch nicht weiter.
Von Ricardo hatte ich mir wieder seine Großhandelsausweise geliehen und kaufte großzügig in einem Großmarkt ein, in dem ich noch nicht war, lud den Leaf voll mit Konserven, Nudeln und anderen, haltbaren Waren. Bei der Gelegenheit ließ ich mir die mittlerweile gelieferten Router aushändigen. Nach einem Blick in das Handbuch hoffe ich, dass Tom oder Michaela zugegen sind, wenn die Dinger in Betrieb gehen. Falls ich die Konfiguration durchführen muss, sollte ich die Anschaffung von Brieftauben in Betracht ziehen.
Nachdem die meisten Einkäufe in der Garage ihren Platz gefunden hatten, fuhr ich zu einer Apotheke. Dort ergänzte ich meine Medizinvorräte, vor allem antiseptische Lösungen, Elektrolyt-Konzentrate und Wundheilcremes. Frei verkäufliche Schmerzmittel standen ebenfalls weit oben auf der aktuellen To-do-Liste.
Anschließend erledigte ich noch unverfängliche Besorgungen für das Wochenende mit den Freunden. Nachmittags begab ich mich, mit zwei Kaffee, auf den Friedhof, pflanzte das Grab neu ein, harkte Laub und trank Kaffee mit ihr. Den Inhalt des zweiten Bechers habe ich, wie üblich, schluckweise auf die Erde, ungefähr da, wo ich Miriams Mund vermute, gegossen. Ich synchronisiere das immer so, dass wir beide gleichzeitig fertig sind.
Bei meiner Rückkehr stand Giulias Auto in der Auffahrt. Ein richtiges Gespräch entwickelte sich nicht.
Sie antwortete einsilbig und verabschiedete sich früh zu Bett.
Ich blieb im Garten sitzen, hatte die Feuerschale an und dachte an Miriam. Was sie zu der ganzen Geschichte sagen würde? Wäre sie noch bei mir, wir hätten dort gemeinsam gesessen, mit unseren Blicken im Feuer versunken, in freudiger Erwartung auf das kommende Wochenende. Da der Baron und ich uns vermutlich nie über den Weg gelaufen wären, gäbe es in der Garage keine Vorräte und im Dachboden keine Waffen. Bin ich paranoid, schizophren oder einfach nur durchgedreht?
Seit Miriams Tod fällt es mir schwer, mir eine Zukunft vorzustellen, es ist alles schwarz. Die Tage mit Giulia wirkten, wie ein brennendes Zündholz in absoluter Finsternis. Jetzt, wo diese Zeit vorbei zu sein scheint, kommt mir die Aussicht noch dunkler vor.


Weiter bei Teil 8
 
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