anbas
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Des Königs fiese Tochter
Version vom 19.12.2013
In einem fernen Lande lebte bis vor kurzem ein König. Dieser war alleinerziehender Vater einer total verwöhnten Tochter namens Rapunzel. Das Kind – es befand sich im besten Teenager-Alter – ging nicht nur ihm, sondern dem gesamten Hofstaat, regelmäßig auf die Nerven. Alle Bewohner des Schlosses konnten die Königin gut verstehen, dass sie eines Nachts heimlich den Besen der Haushexe bestiegen und das Weite gesucht hatte. Selbst der König musste eingestehen, dass seine Ex-Frau das Klügste getan hatte, was man in solch einer Situation hätte tun können. Er selber hatte ähnliche Pläne gehabt, doch die erfolglose Suche nach dem Hausflaschengeist hatte ihn nur in ein tiefes, lang anhaltendes Delirium fallen lassen. Als er schwer verkatert davon aufwachte, war die Frau Königin schon längst verschwunden gewesen. Nun wohnte er also mit seiner Tochter in einem Schloss, das gar nicht groß genug sein konnte, um ihr erfolgreich aus dem Weg gehen zu können. Damit er wenigstens ab und zu seine Ruhe hatte, ermunterte er sie regelmäßig dazu, in den Schlosspark spielen zu gehen.
Weil Rapunzel nun wirklich ein sehr verwöhntes, gemeines und arrogantes Einzelkind war – wobei hier nicht grundsätzlich etwas gegen Einzelkinder gesagt werden soll – hatte sie nur einen einzigen Freund. Der hieß Hänsel und war sehr hässlich. Er hatte einen Buckel und arbeitete als Glöckner in der Schlosskapelle. Wann immer er Zeit hatte, traf er sich mit Prinzessin Rapunzel. Sie war die Einzige, die sich mit ihm abgab. Dafür ertrug er auch ihre üblen Launen und manchmal wirklich garstigen Bemerkungen.
Eines Tages spielten die Prinzessin und Hänsel im Schlossgarten. Sie warfen sich gegenseitig Rapunzels goldene Lieblingskugel zu. Da die Prinzessin schielte – ein genetischer Fehler väterlicherseits – hatte sie große Probleme beim Fangen. Als sie nun zum wiederholten Male danebengriff, erbebte sie vor Zorn.
"Du bist schuld!", brüllte sie und schleuderte die Kugel mit aller Kraft in Hänsels Richtung.
Diesem blieb gar nichts anderes übrig, als beherzt zur Seite zu springen. Und so kam es, dass die goldene Kugel in den Brunnen fiel, der sich nur wenige Meter hinter Hänsel befand. Für einen Moment war es still, totenstill. Doch dann zeterte Rapunzel erst richtig los. Hänsel befürchtete daraufhin sogar Handgreiflichkeiten und zog sich fluchtartig in den Glockenturm der Schlosskapelle zurück.
Nun war die Prinzesin also allein auf weiter Flur. Wütend stapfte sie zum Brunnen. Als sie ihn erreicht hatte, drang lautes Fluchen aus der Tiefe seines Schachtes zu ihr empor. Neugierig beugte sie sich über den Brunnenrand.
"Hallo? Ist da jemand?", rief sie in den Schacht hinunter – eine ziemlich blöde Frage, wie sie später selber zugeben musste, war doch die fluchende Stimme deutlich zu hören gewesen.
"Welch blöde Frage!", schallte es aus der Tiefe hinauf. "Natürlich ist hier jemand, du blöde Göre!"
Bevor Rapunzel empört wegen dieser Worte antworten konnte, entdeckte sie eine Leiter, die in die Tiefe des Schachtes führte, auf der eine Gestalt aus der Dunkelheit des Brunnens nach oben stieg. Es war ein Frosch – ein Breitmaulfrosch, um es genau zu sagen. In seinem Maul hielt er die goldene Kugel der Prinzessin.
"Zum Glück ist es ein Breitmaulfrosch. Sonst hätte er mir die Kugel nicht mitbringen können", dachte Rapunzel.
Als der Frosch vor Anstrengung keuchend den Brunnenrand erreicht hatte, nahm er die goldene Kugel aus dem Maul und legte sie neben sich. Auf seinem Kopf prangte eine große Beule, die sich leuchtend rot von der ansonsten graugrünen Haut des Frosches abhob.
"Oh Mann, seit ich nicht mehr als Wetterfrosch irgendwelche Leitern hoch- und runterklettern muss, habe ich keine Kondition mehr", japste er. Dann wandte er sich Rapunzel zu. Grimmig schaute er sie an und strich sich über die Beule, die immer noch ein wenig zu wachsen schien. Doch da er ein gut erzogener Frosch war, stellte er sich ihr zunächst einmal vor.
"Guten Tag! Ich heiße Rumpelstilzchen und bin ein verzauberter Kachelmann!"
"Ist mir egal", antwortete Rapunzel. "Jetzt wisch gefälligst deinen Sabber von meiner Kugel und gib sie mir!"
"Nicht so hastig, du blöde Göre!" erwiderte der Frosch. "Immerhin ist dies hier so etwas wie ein Märchen. Deshalb musst du zunächst drei Prüfungen bestehen, bevor du die Kugel wiederbekommst."
"Du hast ja wohl ein Rad ab!", fauchte die Prinzessin. "Entweder du gibst mir meine Kugel sofort zurück, oder du machst Bekanntschaft mit unserem französischen Koch!"
Der Frosch grinste breit.
"Ach ja? Dann muss er mich aber erst mal finden!". Sprach's, warf die Kugel in den Brunnen zurück und sprang hinterher.
"Scheiße, kein Wasser!" hörte man ihn noch brüllen, bevor er seinen letzten "Platsch" machte.
Mies gelaunt kehrte die Prinzessin in das Schloss zurück. Dort studierte der König gerade einen Info-Flyer des Vereins "Alleinerziehende Königinnen und Könige e.V.". Er wusste bezüglich seiner Tochter einfach nicht mehr weiter. Was hatte er nicht alles getan, um sie in den Griff zu bekommen. Doch alle seine Versuche waren ins Leere gelaufen. Selbst die Verbannung in den höchsten Schlossturm hatte zu nichts geführt. Rapunzel war sofort in einen Streik getreten. In dessen Verlauf hatte sie sich weder gewaschen noch sonst irgendwie gepflegt. So wuchsen auch ihre Haare immer weiter. Eines Tages reichten sie dann bis auf den Boden des Turmes hinunter. Dies nutze wiederum der Lehrling eines stadtbekannten Friseurs dazu, Rapunzel regelmäßig zu besuchen, in dem er mit Hilfe ihrer Haare den Turm erklomm. Aus diesen Besuchen entwickelte sich eine Affäre, die den König beinahe in Verruf gebracht hätte. In letzter Minute beendete er daher die Verbannung.
Ratlos hatte er sich dann an eine Erziehungsberatungsstelle gewandt. Doch die zuständige Psychologin, eine Frau Holle, konnte ihm auch nicht helfen. Selbst das Jugendamt hatte kein passendes Hilfeangebot für den König parat und schickte ihn mit der Begründung, das Schloss läge außerhalb des Zuständigkeitsbereiches, wieder zurück. In seiner Not versuchte der König sogar, seine Tochter auf sehr fragwürdige Art und Weise loszuwerden. So hatte er sie zusammen mit Hänsel in den königlichen Wald geschickt. Doch musste er feststellen, dass in Zeiten von gekennzeichneten Wanderwegen die Wälder von heute auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Als Hänsel und Rapunzel dann doch irgendwann die im Wald lebende Hexe fanden, stellte diese sich schon nach kurzer Zeit den strafverfolgenden Behörden und gestand alle ihre Untaten aus den letzten dreihundertachtundvierzig Jahren.
Auch der Versuch, Rapunzel im Rahmen von Sozialauflagen zu erziehen, misslang. So hatte der König sie für mehrere Wochen in eine weit außerhalb des Königreiches liegende siebenköpfige Männer-WG geschickt. Deren Bewohner waren allesamt kleinwüchsig und es hieß, dass sie mit ihren täglichen Aufgaben in ihrer Wohnung überfordert wären. Aber bereits nach wenigen Tagen brachten die Bewohner sie zurück. Man wäre jetzt in der Lage, sich selber um den Haushalt zu kümmern, war die sehr knapp gefasste Begründung.
Nun war der Verein "Alleinerziehende Königinnen und Könige e.V." seine letzte Hoffnung. Doch gerade als er sich den Flyer des Vereins genauer ansehen wollte, platzte Rapunzel maulend in sein Zimmer.
"Du musst mir sofort eine neue goldene Kugel besorgen!", herrschte sie an. "Wenn nicht, rede ich nie wieder mit dir!"
"Okay, der Deal gilt", sagte der König und grinste fast so breit, wie vor wenigen Minuten der Breitmaulfrosch gegrinst hatte.
Mit einem wütenden Aufschrei drehte sich Rapunzel um und verließ die königlichen Gemächer. Da sie seit ihrer Zeit in dem Turm unter Höhenangst litt – das behauptete sie zumindest – befanden sich ihre Zimmer im Keller des Schlosses, direkt neben der Folterkammer. Sie liebte die Geräusche, die von dort aus hin und wieder an ihr Ohr drangen und ihre Phantasie beflügelten.
In ihrem Wohngemach angekommen ging sie einige Zeit ziellos auf und ab. Noch bebte sie vor Zorn. An diesem Tag war wirklich alles schiefgelaufen. Es dauerte einige Zeit, bis sie wenigstens etwas zur Ruhe kam. Dann fiel ihr ein, dass Hänsel bald Geburtstag hatte und ihr Geschenk für ihn noch nicht fertig war. Es sollte ein Buckelwärmer werden, den sie eigens für ihn nähen wollte. So nahm sie sich ihr Nähzeug und begann mit der Arbeit. Da ihr Ärger aber noch nicht ganz verraucht war und sie sich deshalb nicht so gut konzentrieren konnte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger. Nun war es so, dass die Prinzessin kein Blut sehen konnte. Daher fiel sie sofort in Ohnmacht. Es war eine tiefe Ohnmacht, sehr tief, beinahe schon komatös.
Als der König davon erfuhr, frohlockte er. In aller Eile packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg nach Nimmerland. Zuvor aber ließ er noch eine dichte Dornenhecke um das gesamte Schloss herum pflanzen.
Die Ruhe, die der König in Nimmerland fand, währte jedoch nicht lange. Nachdem nämlich das "Nimmerländische Tageblatt" des Verlages Grimm & Co von der Geschichte erfuhr und sie groß herausbrachte, wurde der König wegen Gefährdung des Kindeswohls vor Gericht gestellt. Er erhielt aber aufgrund der Begleitumstände eine milde Bewährungsstrafe. Seit dem lebt er unter einem anderen Namen in einer Seniorenwohnanlage des Roten Kreuzes.
Die Mitarbeiter des Jugendamtes dagegen wurden dazu verurteilt, Rapunzel wieder wachzuküssen. Diese kam dann in ein Heim und machte später bei der Sendung "Dumm Sein und Dumm Singen" Karriere. Sie heiratete Hänsel einmal mehr als sie sich von ihm scheiden ließ. Und wenn sie nicht gerade in einer Drogenklinik ist, dann singt sie auch noch heute.
Version vom 19.12.2013
In einem fernen Lande lebte bis vor kurzem ein König. Dieser war alleinerziehender Vater einer total verwöhnten Tochter namens Rapunzel. Das Kind – es befand sich im besten Teenager-Alter – ging nicht nur ihm, sondern dem gesamten Hofstaat, regelmäßig auf die Nerven. Alle Bewohner des Schlosses konnten die Königin gut verstehen, dass sie eines Nachts heimlich den Besen der Haushexe bestiegen und das Weite gesucht hatte. Selbst der König musste eingestehen, dass seine Ex-Frau das Klügste getan hatte, was man in solch einer Situation hätte tun können. Er selber hatte ähnliche Pläne gehabt, doch die erfolglose Suche nach dem Hausflaschengeist hatte ihn nur in ein tiefes, lang anhaltendes Delirium fallen lassen. Als er schwer verkatert davon aufwachte, war die Frau Königin schon längst verschwunden gewesen. Nun wohnte er also mit seiner Tochter in einem Schloss, das gar nicht groß genug sein konnte, um ihr erfolgreich aus dem Weg gehen zu können. Damit er wenigstens ab und zu seine Ruhe hatte, ermunterte er sie regelmäßig dazu, in den Schlosspark spielen zu gehen.
Weil Rapunzel nun wirklich ein sehr verwöhntes, gemeines und arrogantes Einzelkind war – wobei hier nicht grundsätzlich etwas gegen Einzelkinder gesagt werden soll – hatte sie nur einen einzigen Freund. Der hieß Hänsel und war sehr hässlich. Er hatte einen Buckel und arbeitete als Glöckner in der Schlosskapelle. Wann immer er Zeit hatte, traf er sich mit Prinzessin Rapunzel. Sie war die Einzige, die sich mit ihm abgab. Dafür ertrug er auch ihre üblen Launen und manchmal wirklich garstigen Bemerkungen.
Eines Tages spielten die Prinzessin und Hänsel im Schlossgarten. Sie warfen sich gegenseitig Rapunzels goldene Lieblingskugel zu. Da die Prinzessin schielte – ein genetischer Fehler väterlicherseits – hatte sie große Probleme beim Fangen. Als sie nun zum wiederholten Male danebengriff, erbebte sie vor Zorn.
"Du bist schuld!", brüllte sie und schleuderte die Kugel mit aller Kraft in Hänsels Richtung.
Diesem blieb gar nichts anderes übrig, als beherzt zur Seite zu springen. Und so kam es, dass die goldene Kugel in den Brunnen fiel, der sich nur wenige Meter hinter Hänsel befand. Für einen Moment war es still, totenstill. Doch dann zeterte Rapunzel erst richtig los. Hänsel befürchtete daraufhin sogar Handgreiflichkeiten und zog sich fluchtartig in den Glockenturm der Schlosskapelle zurück.
Nun war die Prinzesin also allein auf weiter Flur. Wütend stapfte sie zum Brunnen. Als sie ihn erreicht hatte, drang lautes Fluchen aus der Tiefe seines Schachtes zu ihr empor. Neugierig beugte sie sich über den Brunnenrand.
"Hallo? Ist da jemand?", rief sie in den Schacht hinunter – eine ziemlich blöde Frage, wie sie später selber zugeben musste, war doch die fluchende Stimme deutlich zu hören gewesen.
"Welch blöde Frage!", schallte es aus der Tiefe hinauf. "Natürlich ist hier jemand, du blöde Göre!"
Bevor Rapunzel empört wegen dieser Worte antworten konnte, entdeckte sie eine Leiter, die in die Tiefe des Schachtes führte, auf der eine Gestalt aus der Dunkelheit des Brunnens nach oben stieg. Es war ein Frosch – ein Breitmaulfrosch, um es genau zu sagen. In seinem Maul hielt er die goldene Kugel der Prinzessin.
"Zum Glück ist es ein Breitmaulfrosch. Sonst hätte er mir die Kugel nicht mitbringen können", dachte Rapunzel.
Als der Frosch vor Anstrengung keuchend den Brunnenrand erreicht hatte, nahm er die goldene Kugel aus dem Maul und legte sie neben sich. Auf seinem Kopf prangte eine große Beule, die sich leuchtend rot von der ansonsten graugrünen Haut des Frosches abhob.
"Oh Mann, seit ich nicht mehr als Wetterfrosch irgendwelche Leitern hoch- und runterklettern muss, habe ich keine Kondition mehr", japste er. Dann wandte er sich Rapunzel zu. Grimmig schaute er sie an und strich sich über die Beule, die immer noch ein wenig zu wachsen schien. Doch da er ein gut erzogener Frosch war, stellte er sich ihr zunächst einmal vor.
"Guten Tag! Ich heiße Rumpelstilzchen und bin ein verzauberter Kachelmann!"
"Ist mir egal", antwortete Rapunzel. "Jetzt wisch gefälligst deinen Sabber von meiner Kugel und gib sie mir!"
"Nicht so hastig, du blöde Göre!" erwiderte der Frosch. "Immerhin ist dies hier so etwas wie ein Märchen. Deshalb musst du zunächst drei Prüfungen bestehen, bevor du die Kugel wiederbekommst."
"Du hast ja wohl ein Rad ab!", fauchte die Prinzessin. "Entweder du gibst mir meine Kugel sofort zurück, oder du machst Bekanntschaft mit unserem französischen Koch!"
Der Frosch grinste breit.
"Ach ja? Dann muss er mich aber erst mal finden!". Sprach's, warf die Kugel in den Brunnen zurück und sprang hinterher.
"Scheiße, kein Wasser!" hörte man ihn noch brüllen, bevor er seinen letzten "Platsch" machte.
Mies gelaunt kehrte die Prinzessin in das Schloss zurück. Dort studierte der König gerade einen Info-Flyer des Vereins "Alleinerziehende Königinnen und Könige e.V.". Er wusste bezüglich seiner Tochter einfach nicht mehr weiter. Was hatte er nicht alles getan, um sie in den Griff zu bekommen. Doch alle seine Versuche waren ins Leere gelaufen. Selbst die Verbannung in den höchsten Schlossturm hatte zu nichts geführt. Rapunzel war sofort in einen Streik getreten. In dessen Verlauf hatte sie sich weder gewaschen noch sonst irgendwie gepflegt. So wuchsen auch ihre Haare immer weiter. Eines Tages reichten sie dann bis auf den Boden des Turmes hinunter. Dies nutze wiederum der Lehrling eines stadtbekannten Friseurs dazu, Rapunzel regelmäßig zu besuchen, in dem er mit Hilfe ihrer Haare den Turm erklomm. Aus diesen Besuchen entwickelte sich eine Affäre, die den König beinahe in Verruf gebracht hätte. In letzter Minute beendete er daher die Verbannung.
Ratlos hatte er sich dann an eine Erziehungsberatungsstelle gewandt. Doch die zuständige Psychologin, eine Frau Holle, konnte ihm auch nicht helfen. Selbst das Jugendamt hatte kein passendes Hilfeangebot für den König parat und schickte ihn mit der Begründung, das Schloss läge außerhalb des Zuständigkeitsbereiches, wieder zurück. In seiner Not versuchte der König sogar, seine Tochter auf sehr fragwürdige Art und Weise loszuwerden. So hatte er sie zusammen mit Hänsel in den königlichen Wald geschickt. Doch musste er feststellen, dass in Zeiten von gekennzeichneten Wanderwegen die Wälder von heute auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Als Hänsel und Rapunzel dann doch irgendwann die im Wald lebende Hexe fanden, stellte diese sich schon nach kurzer Zeit den strafverfolgenden Behörden und gestand alle ihre Untaten aus den letzten dreihundertachtundvierzig Jahren.
Auch der Versuch, Rapunzel im Rahmen von Sozialauflagen zu erziehen, misslang. So hatte der König sie für mehrere Wochen in eine weit außerhalb des Königreiches liegende siebenköpfige Männer-WG geschickt. Deren Bewohner waren allesamt kleinwüchsig und es hieß, dass sie mit ihren täglichen Aufgaben in ihrer Wohnung überfordert wären. Aber bereits nach wenigen Tagen brachten die Bewohner sie zurück. Man wäre jetzt in der Lage, sich selber um den Haushalt zu kümmern, war die sehr knapp gefasste Begründung.
Nun war der Verein "Alleinerziehende Königinnen und Könige e.V." seine letzte Hoffnung. Doch gerade als er sich den Flyer des Vereins genauer ansehen wollte, platzte Rapunzel maulend in sein Zimmer.
"Du musst mir sofort eine neue goldene Kugel besorgen!", herrschte sie an. "Wenn nicht, rede ich nie wieder mit dir!"
"Okay, der Deal gilt", sagte der König und grinste fast so breit, wie vor wenigen Minuten der Breitmaulfrosch gegrinst hatte.
Mit einem wütenden Aufschrei drehte sich Rapunzel um und verließ die königlichen Gemächer. Da sie seit ihrer Zeit in dem Turm unter Höhenangst litt – das behauptete sie zumindest – befanden sich ihre Zimmer im Keller des Schlosses, direkt neben der Folterkammer. Sie liebte die Geräusche, die von dort aus hin und wieder an ihr Ohr drangen und ihre Phantasie beflügelten.
In ihrem Wohngemach angekommen ging sie einige Zeit ziellos auf und ab. Noch bebte sie vor Zorn. An diesem Tag war wirklich alles schiefgelaufen. Es dauerte einige Zeit, bis sie wenigstens etwas zur Ruhe kam. Dann fiel ihr ein, dass Hänsel bald Geburtstag hatte und ihr Geschenk für ihn noch nicht fertig war. Es sollte ein Buckelwärmer werden, den sie eigens für ihn nähen wollte. So nahm sie sich ihr Nähzeug und begann mit der Arbeit. Da ihr Ärger aber noch nicht ganz verraucht war und sie sich deshalb nicht so gut konzentrieren konnte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger. Nun war es so, dass die Prinzessin kein Blut sehen konnte. Daher fiel sie sofort in Ohnmacht. Es war eine tiefe Ohnmacht, sehr tief, beinahe schon komatös.
Als der König davon erfuhr, frohlockte er. In aller Eile packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg nach Nimmerland. Zuvor aber ließ er noch eine dichte Dornenhecke um das gesamte Schloss herum pflanzen.
Die Ruhe, die der König in Nimmerland fand, währte jedoch nicht lange. Nachdem nämlich das "Nimmerländische Tageblatt" des Verlages Grimm & Co von der Geschichte erfuhr und sie groß herausbrachte, wurde der König wegen Gefährdung des Kindeswohls vor Gericht gestellt. Er erhielt aber aufgrund der Begleitumstände eine milde Bewährungsstrafe. Seit dem lebt er unter einem anderen Namen in einer Seniorenwohnanlage des Roten Kreuzes.
Die Mitarbeiter des Jugendamtes dagegen wurden dazu verurteilt, Rapunzel wieder wachzuküssen. Diese kam dann in ein Heim und machte später bei der Sendung "Dumm Sein und Dumm Singen" Karriere. Sie heiratete Hänsel einmal mehr als sie sich von ihm scheiden ließ. Und wenn sie nicht gerade in einer Drogenklinik ist, dann singt sie auch noch heute.
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