eingeständnis

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mondnein

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eingeständnis


musikbesoffene die in den straszen segeln
des süszen reimes trunkene die durch die gassen grölen
wir kinder die den hall der gossenhöhlen
nur ausprobieren – hundsgemeine blechgelächterseelen –
sind komponisten die mit leeren dosen kegeln
kometenabschaumrosenstrudel über allen pegeln

dass einst die letzte atemfrischesucht
euch in die tiefen ihrer seufzer saufe!
die stille voller frühling überlaufe
das letzte husten eurer menschenflucht
 

mondnein

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danke, Tula!

Ich habe es als Beitrag zur Diskussion über die "Nominal-Komposita" hier eingebracht, siehe oben unter "Feste Formen" bezüglich "Marmorknochen": https://www.leselupe.de/beitrag/urlaubsbekanntschaft-sonett-148686/#google_vignette
sobald die komponierten Nomina (das sind nicht nur Substantive, sondern auch Adjektive) sinnlich "volle" und imaginativ gesättigte Wortstämme enthalten, können sie eine poetische Verfugung der Wortbedeutungen ins Spiel bringen
Noch ein Nachtrag zu diesem alten Hündchen:

Die beiden Strophen haben verschiedene Lyris bzw. einen Personenwechsel: das "wir" der ersten Strophe wird zum "ihr" (=>"euch") der zweiten Strophe.

Ich überlege, die zweite Strophe zu streichen, dieser padagogische Gegenwurf mit seiner selbstgerechten Besserwisser-Attitude, als ob der Sprecher (ja, sogar identische Autor beider Strophen!) mit den "leeren dosen" seiner "Wünsche" nicht selbst unter die reimtrunkenen "komponisten" zählte.
Mich stört ein wenig auch die Wiederholung des "letzte".

Hat ein mitfühlender Leser einen Verbesserungs-Vorschlag?

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

Ubertas

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musikbesoffne
die in straßen segelnd
des süßen reims betrunkne
kinder wir
durch gassen grölend
den hall der gossenhöhlen ausprobierend
blechgelächterseelen
sind
komponiert aus leeren dosenkegelnd
kometenabgeschäumt

(Spielerei)

Nur ein Versuch, geht zwar in eine eventuell andere Richtung. Ich habe keine große Ahnung, aber ich würde, mit Beibehalt der ersten Strophe deines Originals, Strophe zwei entweder umändern oder zumindest

ihrer seufzer saufe!
die stille voller frühling überlaufe
beibehalten und so im Zusammenhang verwandeln, dass es nicht mehr von letzter atemfrischesucht abhängig ist.

Mit mitfühlendem Gruß, ubertas.
 

mondnein

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Dankeschön, Ubertas!

Ein mitfühlender Versuch, der eine Beschäftigung mit meinem Gedicht zeigt.
Ich würde es anders machen, d.h. ich würde es eben so machen, wie es oben gemacht worden ist:
1. Ich vermeide das Partizip Präsens Aktiv, denn im Deutschen ist es geradezu eine syntaktische Katastrophe.
2. Wir "Kinder" sind nicht "komponiert" - wie sollte das auch möglich sein? - sondern "wir" Dichter sind immerhin selbst die "Komponisten" solch spröder Konsonanten, die an den Silbenanfängen explodieren oder blechern scheppern wie "komponisten ... kegeln" usw.
3. Die schönen Rosenstrudel ästhetisieren den angeblichen Abschaum in der selbstgefälligen Weise dieser Hall-Ausprobierer, die sich mit diesem Beispiel selbstabbildend feiern.

Noch einmal dankeschön,
grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

Ubertas

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Lieber Hansz,
danke für deine schöne Ausführung:)
Wie gesagt, Partizipien, mit denen ich gerne segelnd untergehe, finde ich beizeiten sogar schick-end, allerdings und damit hast du vollkommen Recht, können sie auch desaströsen Charakter ferens überbringen.
Hiermit blase ich nun zum Halali! Tula hat es wesentlich früher erkannt:cool::cool::cool:
Falls das Sonnenbrillensmiley fehlt, egal, jedenfalls gefällt mir nun die Atemfrischesucht dank deines Beitrags in Gänze! Jeder, der komponiert, probiert auch den Hall aus;-)
Liebe Grüße, ubertas
 

James Blond

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Hallo mondnein,
hier mein Leseeindruck:

Die Worte, zunächst zum Transport und zur Verdeutlichung einer Absicht gewählt, gewinnen die Oberhand, ein Eigenleben, besiegen und zerstreuen die Deutung in alle Winde. Der Dichter, vom eigenen Sprachduktus überwältigt, gibt sich geschlagen: "kometenabschaumrosenstrudel über allen pegeln".
Erschlagen bleibt der Leser zurück.

Liebe Grüße
JB
 

mondnein

Mitglied
Die Worte, zunächst zum Transport und zur Verdeutlichung einer Absicht gewählt, gewinnen die Oberhand, ein Eigenleben, besiegen und zerstreuen die Deutung in alle Winde.
Herzlichen Dank, James,

für die genaue Beobachtung der Entwicklung der "Worte" in diesem Gedicht. Du hast eine sehr fruchtbare Art des Lesens.

Besser vielleicht als meine: Ich lese es so, daß schon der erste Vers, ja das erste Wort schon, eine den Sänger überwältigende "Oberhand" gewinnt;
er ist offensichtlich - selbst im weiteren Verlauf es beschreibend - musikbesoffen,
verlästert sich selbst, indem Form, Wortwahl und zuletzt auch noch eine scherzhaft übertriebene Nominalkomposition, also das Gedicht selbst, ihn überwältigt, aber im Grunde genommen geschieht das schon von Anfang an.

Eine selbstironische Bloßlegung der dichterischen Inspiration, so lese ich es, aber vielleicht lege ich zuviel in das erste Wort, das so vorurteilslastig das Thema verrät.

Nehmen wir mal an, der Dichter provoziert die Muse, schreit "Wo bist du denn endlich?" und wird erst am Ende von ihr überwältigt, mit einem Biß in seine Zunge, statt eines Kusses. In dem Fall könntest Du die fruchtbarere Lesart bieten.

grusz, hansz
 

James Blond

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Lieber mondnein,

danke für deine konstruktive Aufnahme meiner eher kritischen Anmerkung!

Nur um diese noch etwas zu verdeutlichen, möchte ich folgendes hinzufügen:

Das Bild der "musikbesoffenen", gröhlenden Gassenhorde ist trefflich beschrieben. Dass sich hier ein Sänger damit selbst aufs Korn nimmt, ist - trotz des Titels - aber noch nicht ersichtlich. Die Fortsetzung "wir kinder" erschließt eine übergreifende Betrachtung mehrerer Individuen; alles gut und nachvollziehbar. "gossenhöhlen, blechgelächterseelen" sind dazu passende und verständliche Kompositabildungen.

Ab dem letzten Vers in Strophe 1 scheint das Thema zu entgleiten:

Was "kometenabschaumrosenstrudel" damit zu tun haben soll, bleibt mir schleierhaft. Schmeckt der? Ein spaßiges Wortungetüm, aber ohne Wirkung (auf mich), weil ich keinen Bezug sehe. Der Gegenstand des "Eingeständnisses" wird nun nicht mehr weiter erleuchtet, der Dichter gleitet nun in Sphären ab, die sich (mir) nicht weiter erschließen. Am Ende ersticke ich im Wortsalat und weiß überhaupt nicht mehr, worum es eigentlich ging. Eine selbstironische Dichterbetrachtung wird hier (für mich) nicht offensichtlich. Dass der Leser von deinen Musen nicht nur gebissen - sondern geradezu ins Gesicht geschissen wird - scheint dich aber nicht weiter zu stören: Hauptsache du folgst deinem inneren Musenbiss. Ist das nicht etwas rücksichtslos?

Der Dichter mag in Worten baden - dem Leser bleibt ein Wasserschaden ;)

Gern geantwortet.

Grüße
JB
 

mondnein

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Was "kometenabschaumrosenstrudel" damit zu tun haben soll, bleibt mir schleierhaft
der Dichter gleitet nun in Sphären ab, die sich (mir) nicht weiter erschließen
Das glaube ich Dir, James, nicht.

Die Sphäre ist die der Sprache, und die ist Dir nicht so fremd, wie Du tust.
Und bei Kunstwerken kommen noch einige Sphären hinzu,
durch die auch Du vom sich selbst setzenden Ich
bis hinab zur sprachlich vermittelten intersubjektiven Kommunikation
und auch bis zur sinnlich vermittelten Dinge-Basis der Außenbezüge
hinabsteigst,
falls die nicht schon den Bewußtseinsstrukturen immanent ist (wie es im "Transzendentalen Idealismus" von Kants "urspünglicher Einheit der Apperzeption" bis zu Hegels "Phänomenologie des Geistes" durchgeführt wurde - oder meinetwegen auch bis heute offen geblieben ist)

Also die Sphäre, die man "Phantasie" nennt und auf der alle künstlerische Freiheit beruht, ist, vermute ich, Dir so wenig fremd wie das informativ-Neue jeder Mitteilung, sei es Bestätigung des längst Bessergewußten oder fragwürdige Verblüffung. In Kommunikation eingebettet sind die sprachlichen Kunstwerke, auch die sprachspielenden, dekonstruktivistischen, dadaistischen, surrealistischen, psychoanalytischen und assoziationen-verknüpfenden Einfälle.

Kometen, "Schweifsterne", haben Schweife, die in der Imagination vieler Menschen so etwas wie hinter dem Kometen her gezogene Spuren sind, und die Reste des Kometen, die hinter ihm als "Schweif" zurückbleiben, die er gewissermaßen hinter sich läßt wie Abfall, können drastisch als "Abschaum" verlästert werden, als trieben die zurückbleibenden Partikelwolken hinter dem Kometen auf einem verseiften Abwasserkanal "über alle Pegel".

Die imaginative Phantasie, besonders eine mit eidetischer Projektion begabte, die etwas sinnensatt in "abstrakte" Strukuren und Muster hinein-sehen kann, kann Rosenstrudel in der Wirbelstraße des Schweifes finden, des vorgestellten, imaginativen, sprachlich formulierten.
Mit ein bißchen poetischer Phantasie jedenfalls.

grusz, hansz
 

James Blond

Mitglied
Lieber mondnein,
ich bin ein kreativer Mensch, habe Phantasie, dichte und musiziere in den Tag hinein und doch stoßen mich deine überladenen Texte vor den Kopf!

Das kannst du natürlich ignorieren oder ungläubig zurückweisen - ändern wird sich daran jedoch nichts. Es ist die Sprunghaftigkeit deiner Assoziationen, die für einen Leser wie mich nur schwer nachvollziehbar ist. Man versucht noch zu ergründen, worum es eigentlich geht und ist bereits in deinen nächsten Wortstrudel geraten. Ich erkenne darin keinen gestaltenden Geist, sondern Chaos. Das mögen manche bewundern, ich empfinde es als die Rücksichtslosigkeit eines expandierenden Ego. ;)

Also bitte nicht wundern, wenn ich mich mit Kommentaren zurückhalte.

Grüße
JB
 



 
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