Evas Puppe

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Evas Puppe
von Willi Corsten

Meine kleine Schwester hat vom Christkind eine große Puppe geschenkt bekommen. Sie hat lange, blonde Haare und blaue Schlafzimmeraugen, die immer auf und zu gehen, wenn Eva die Puppe schaukelt. Wie kann man sich nur so etwas Dummes zu Weihnachten wünschen? Aber Mädchen sind eben so!
Am zweiten Feiertag wollte ich die Puppe einmal auf den Arm nehmen, aber da fauchte meine Schwester mich an und schimpfte: „Kommt gar nicht in Frage, Benjamin! Das ist mein Kind! Außerdem dürfen Jungen nur mit Autos spielen.“
„Bäh, du Milchzahnbaby“, spottete ich und streckte ihr die Zunge heraus. Natürlich hat die Petzliese das gleich wieder Mami erzählt, obwohl sie genau weiß, dass Geschwister zusammenhalten müssen, und dass keiner dem anderen etwas Böses tun darf.

Gestern holte ich die Puppe dann aus dem Stubenwagen. Evchen war nämlich mit Papi Schlitten fahren und wollte ihr verwöhntes Kind nicht mit nach draußen in die Kälte nehmen. „Es kriegt sonst eine Bronchilitis“, sagte sie.
Ich untersuchte die Puppe und schraubte sie auseinander, weil ich wissen wollte, wie alles funktioniert. Das Zerlegen war piep einfach, das Zusammenbauen aber nicht. Zuerst blieb ein Bein übrig, aber an der Stelle, wo es hingehörte, baumelte schon ein Arm. Wurde aber schnell geändert. Als alle Teile montiert waren, hab ich gesehen, dass die Hände verkehrt herum hingen. Aber das gibt sich bestimmt wieder mit der Zeit.
Fast noch blöder stellten sich die Wimpern der Schlafzimmeraugen an. Sie sind nun an der total falschen Stelle, nämlich unten an den Augen. Zusätzlich verwechselt die Puppe jetzt Tag und Nacht. Wenn sie steht, gehen die Glupschaugen zu und wenn sie liegt, gehen die Dinger wieder auf. Muss gleich mal das Buch ‘Der gute Hausarzt‘ holen und nachsehen, welche Krankheit das ist.
Nun bin ich gespannt, was Eva sagt, wenn sie das Laufwerk der Puppe aufzieht. Ich hab doch die Mamastimme ausgebaut und stattdessen einen Lachsack montiert. Gefällt es ihr nicht, kann sie ja immer noch draußen im Schnee spielen, bis die Puppe wieder gesund ist. Frische Luft ist sowieso besser für kleine Mädchen.

O je, schon halb Vier. Jetzt muss ich aber schnell aufräumen, denn morgen feiern wir meinen achten Geburtstag. Wenn meine Schwester mich diesmal nicht verpetzt, bekommt sie auch ein Stückchen Kuchen ab. Vielleicht darf sie später sogar mit meinen Autos spielen, denn ich hab Eva doch lieb und bin auch nicht nachtragend. Muss ihr vorher aber unbedingt sagen, dass sie bloß nichts kaputt macht, denn das gehört sich ja nicht.
Und wenn Evchen mir verspricht, nicht mehr so zickig zu sein, holen wir auch Mamis Lockenwickler aus dem Badezimmer und machen der Puppe superschöne Dauerwellen. Das ist doch ein faires Angebot, oder finden Sie nicht?
 
R

Rote Socke

Gast
Ja Willi,

Dir sitzt auch im neuen Jahr der Schelm im Nacken. Lässt sich wieder prima lesen, die kleine Geschichte.

Aber "infrage" ist das Neudeutsch?

2002 Grüße
Volkmar
 
Lieber Volkmar,
forsche bitte ruhig im Text herum und suche nach möglichen Fehlern oder Schwachpunkten, denn die Geschichte ist noch frisch. Ich habe schon ein paar Stellen überarbeitet.
Ob das Wort "infrage" korrekt geschrieben ist, muss ich im Duden nachschlagen. Das Rechtschreibprogramm protestiert jedenfalls nicht.
Ein gutes Neues Jahr
und bis bald
Willi
 
R

Rote Socke

Gast
Willi,

was hälst Du davon diesen Satz: "...War piep einfach, das Zerlegen, das zusammenbauen aber nicht."

so zu formulieren: "Das Zerlegen war piep einfach, aber das Zusammenbauen nicht."

LG
Volkmar
 
Super Idee, Volkmar,
ist schon ausgeführt. Natürlich zusammen mit weiteren Änderungen.
Das "infrage" kann man übrigens auch so schreiben: in Frage.
Auch dafür habe ich mich entschieden.
Beste Grüße
Willi
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo Willi,

ist der Bengel denn schon so alt, dass er ein Buch lesen kann?
 
Hallo Volkmar,
ich habe noch ein paar kleine Änderungen vorgenommen und vor Allem den Schluss etwas "lieber" gestaltet.
Gefällt er Dir so besser?
Liebe Grüße
Willi
 
R

Rote Socke

Gast
Ja Willi,

ich bin absolut einverstanden. Die Geschichte liest sich viel gefälliger und die Pointen treten stärker hervor. Mir gefällt sie so.

LG
Volkmar
 

Brigitte

Mitglied
Lieber Willi,
köstlich deine Geschichte, und diese Logik des grossen Bruders zum Schluss: Dass man ja nichts kaputt machen darf.
Ist dir wieder gut gelungen;)

Mit lieben Grüssen
Brigitte
 
Liebe Brigitte,
freut mich sehr, dass dir die kleine Erzählung gefällt.
Ich habe vor, in loser Folge von Eva und Benjamin weitere Erlebnisse zu schildern.
Soll ich das machen, oder mir lieber ein anderes Thema suchen? Was hältst du von der Idee?
Es grüßt dich ganz lieb
Willi
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Willi!

Da soll mal einer sagen, Jungs interessieren sich nicht für Puppen.
Das mit dem eingebautem Lachsack gefällt mir am Besten.

Ach ja, sind die Beine tatsächlich angeschraubt? Oder kommt das nur bei mir so rüber?

Du solltest wirklich noch mehr Geschichten von Benjamin schreiben. Meinen Kindern und mir gefallen sie prima. Wir lauern schon immer auf neue. Sie gelingen dir durchweg super gut.

Tschüssie, hera
 
Liebe hera,
ein herzliches Dankeschön für dein Lob und für die ermutigenden Worte.
Ja, dass mit dem auseinander schrauben stimmt nicht ganz, doch für den achtjährigen Schlingel darf dieser Begriff gelten, einverstanden?
(Ist lange her, die Zeit, als ich die Puppen meiner Schwester reparierte - und nebenher Kleidchen für sie strickte)
Es grüßt dich lieb
Willi
 
Hallo Willi, hallo Volkmar

mit 8 Jahren kann der Bengel natürlich schon ein Buch lesen. Sollte er jedenfalls können.

Willi, da ist Dir wieder ein gute Geschichte gelungen, aber Kira fand die Geschichte absolut nicht lustig. Sie hat sich
mächtig aufgeregt. Sie meint, sie wäre froh, keinen Bruder zu haben. Jungs seien doof.
Sie ist zwar noch 5, aber Unrecht hat sie nicht. Zumindest in diesem Punkt.

Alles Liebe
Uschi
 
Liebe Uschi,
bin hoch erfreut, dass dir die Geschichte gefällt - und tieftraurig, weil Kira „enttäuscht“ davon war. (Ist natürlich verständlich, denn als fünfjähriges Kind versteht sie den versteckten Humor noch nicht und nimmt das Geschehen für bare Münze)
Bestelle ihr aber einen lieben Gruß von mir, verbunden mit dem festen Versprechen, den „Schaden“ wieder gut zu machen.
Es grüßt euch beide ganz lieb
Willi
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo Uschi!

Leider ist es schon zu lange her als ich 8 war. Ob ich da schon fleißig am Lesen war? Bestimmt! Bei meinen Kids war das etwas anders gelaufen. In diesem Alter werden in Afrika keine Bücher gelesen. Schade eigentlich. Aber gut ist, dass sie auch kein Fernsehen sehen, zumindest nicht oft.

Schöne Grüße
Volkmar
 

Brigitte

Mitglied
Lieber Willi,

Ich fände es super, noch mehr so lustige Geschichten von Eva und Benjamin zu lesen - und ich glaube, die Anderen bestimmt auch?

Ein schönes Wochenende
und liebe Grüsse
Brigitte
 
L

leonie

Gast
hallo willi

wieder eine tolle Lausergeschichte. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern was mein Sohn mit acht alles angestellt hat. lesen gehörte allerdings nicht dazu. Er hat auch nie diverse Puppen repariert, denn das übernahm meine Tochter selber. er hat papas Auto repariert, und ist dann auch noch eine Proberunde gefahren.Es ist zwar mittlerweile drei jahre her, aber bei dem gedanken alleine rutscht mir wieder das herz Richtung Boden. es gibt nichts was ein achtjähriger nicht kann. Ich warte gespannt auf die nächsten Streiche von Benjamin.
ganz liebe grüße leonie
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
lieber willi,

zuerst habe ich mich über deine geschichte geärgert. mit welcher dreistigkeit da auf den gefühlen der kleinen schwester herumgetrampelt wird! aber dann dachte ich: nee, so meint der willi das doch nicht! jetzt liest sie sich tatsächlich gefälliger. ich würde sogar noch eins drauf setzen und der puppe die haare schneiden, damit sie dichter wachsen. ganz lieb grüßt
 



 
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