Flucht über die Nordsee 18: Entführt!

van Geoffrey

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Die da?

„Ist es DIE DA, die da, die da oder ist es DIE DA?“ singen die Fantastischen Vier.

Ich fasse an meine Brust, um rechtzeitig an mir selber Verweiblichungstrends wahrzunehmen. Hach, nein – so weit bin ich noch nicht. Alles flach so weit.

Torben macht weitere Schritte auf dem Weg in das Mädchentum. Er scheint sich auch nicht dagegen zu wehren und scheint mit einer gewissen Lust Dinge zu tun, die in das Feld weiblicher Tätigkeiten passen.
So versucht er sich als Kuchenbäckerin, flicht Alina kunstvoll einen Dutt, und selbst in ein Dirndl gehüllt sehnt er sich nach einem flotten Minirock.
Bei all dem muss ich meine Fantasie zwingen, mir einen Jungen vorzustellen, der sofort wie ein Mädchen aussieht, wenn er sich wie ein solches kleidet.
Die neuen Kapitel zeigen eigentlich, dass das Äußere noch lange nicht die Frau zu definieren vermag.
Torben zeigt in einzelnen Szenen, wie sehr er noch immer männlich ist, während er andererseits doch zu einfühlsamen Handlungsweisen fähig ist, die er früher nicht geschafft hätte.
Wir sind endgültig bei Torbens Psyche angelangt. Da werden mitmenschliche Aspekte angeschnitten, ohne dabei allzu tief zu schürfen.
Die äußerliche Verwandlung zur Frau erscheint nun weit weniger dramatisch als die seelische Wandlung. Was muss in der Seele eines jungen Mannes vor sich gehen, der in einer angeheiterten Runde von Frauen seine schockierenden Toilettenerlebnisse zum Besten gibt.

Wie wird es mit Torben weitergehen, fragt man sich als Leser.
Wird er schließlich vollends zur Frau? Oder entdeckt er seine sensiblen, bisher verschütteten Eigenschaften und wendet sich zuletzt wieder dem Mannsein zu – aber bereichert um einige Eigenschaften, die von der Männerwelt nicht immer die verdiente Würdigung erfahren.

Daneben meine ich, dass der Leser, in sich hineinhörend, einen zutiefst beglückenden Gedanken darin entdecken wird können, in einer neuen Weise – gewissermaßen geschwisterlich vertraut durch die gleiche Geschlechterrolle – kommunizieren zu können.
Aber das Miteinander der Geschlechter hat seinen Reiz und seine Dynamik im Grunde gerade wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Vertreter.
Die Gemeinsamkeit bis zu einem Grad zu suchen, dass eine Frau sich jederzeit mal rasch einen BH vom männlichen Nachbarn leihen kann - - - tötet im Grunde die Dynamik des Miteinander.
(Das ist ein Gedanke, den ich früher schon auf Nationen und deren zum Teil multikulturelle Bevölkerung angewandt habe. Diktaturen bzw. autoritäre Regierungen, sagte ich mir, können offensichtlich nicht mit der Vielfalt leben.)


Ein nicht geringes Problem für Torben kommt mir eben in den Sinn: er hat sich Tanjas angeheirateter Verwandtschaft gegenüber für alle Zeit darauf festgelegt, Tanjas Tochter zu sein. Er kann aus der Rolle eigentlich nie mehr wieder ausbrechen, ohne alles zu verraten.
Deshalb prognostiziere ich, dass es irgendwann zu Torbens großem Outing kommen wird.

Ab Kapitel 13 betreten wir das bayrische Biotop und lernen Tanjas neue Verwandtschaft kennen. Das stellt wieder einige Ansprüche an unsere Merkfähigkeit.
Man fühlt sich durch den bayrischen Dialekt ein wenig an die „Rosenheim Cops“ erinnert.
Man tastet sich vorwärts, und versucht sich zu merken, wer mit wem verwandt ist.
Zwischendurch fällt mir auf, was für eine merkwürdige Persönlichkeit Tanja doch ist:
Schläft sich irgendwie durch alle möglichen Betten, spielt die energische Frau, obwohl sie sich von diesem trantütigen Onkel Karl an der Nase herumführen lässt. Daneben hat sie ein merkwürdig intimes Verhältnis zu ihrem Bruder, den sie unter anderem auf den Mund küsst. Das und verschiedene andere Verhaltensweisen sind, meine ich, für Geschwister absolut untypisch und schwer vorstellbar.
Tanja wird uns immer als „die Schwester“ vorgestellt, und sie schwebt ein wenig schwerelos durch Raum und Zeit.
Arbeitet sie? Das wollen wir annehmen, jedenfalls verfügt sie über ausreichend Geld. Wenn sie arbeitet wäre interessant, zu wissen, in welcher Branche sie tätig ist.
Tanja bleibt merkwürdig zweidimensional.
Dagegen wirkt Matthias in seiner Zwiespältigkeit eigentlich weit sympathischer und konkreter. (Also nicht seine Ideologie ist sympathisch – aber dieser Zerrissene als Person.) Ein Rechtsextremer, der weint und ein Kaninchen streichelt.
Damit hat er sich für mich zu meinem Lieblingscharakter entwickelt. Wirklich eine schöne, in ihrer Widersprüchlichkeit anziehende literarische Figur.
Derzeit gehe ich davon aus, dass Matthias eine Nebenfigur bleiben wird. Ich KÖNNTE mir vorstellen, dass er etwas erlebt, das ihn zum Umdenken bewegt. In dieser Figur steckt eine Menge Entwicklungsmöglichkeiten.

Alina ist ein Glückswurf und das Auftreten dieses jungenhaften Mädchens neben dem mädchenhaften Jungen einer der klügsten Schachzüge bisher.

Das Liebeskarussel Stephan, Tanja, Aishe (Amisha?), Janette ist wirklich zutiefst rätselhaft. Jeder scheint auf seine Weise die anderen auszunützen. Und jeder scheint die anderen bis zu einem gewissen Grad zu manipulieren.


Stilfragen und Ausdrucksweise

- Zum Stil folgende Bemerkung: Es scheint mir nicht notwendig, bei jedem Satz auszuführen, ob er laut oder leise gesprochen, gezischt oder gegurgelt wird und von welchen Gesten dieser Satz begleitet wird.



Tanjas Fingernägel schwebten über Aishes Taille »Und du hast es niemanden erzählt?«, fragte Tanja und legte ihre Hand auf die Schulter der Lächelnden.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Niemanden«, hauchte sie.
Die Lider halb geschlossen spielte sie mit Aishes Perlenkette. »Du hast es mir versprochen!«, beschwor sie.
»Ich halte meine Versprechen«, gab sie mit durchdringenden Blick zurück. »Solange du deins hältst!«
Tanja legte ihre Finger auf den Mund und ihre rechte Hand, spreizte wortlos Zeige- und Mittelfinger. »Als ich erfahren habe, dass du den Langweiler geheiratet hast«, gluckste sie. »Habe ich mir vor lachen in die Hose gemacht!«
Aishe rieb ihr Becken an ihr und steckte ihre Hand in Tanjas Gesäßtasche. »Woher weißt du, dass er ein Langweiler ist?«, lachte sie und grub ihre blau lackierten Fingernägel in das Hinterteil. »Ihr kennt euch erst eine Woche!« , grinste sie.
Tanja stupste sie mit der Nase an. »Hast du mir erzählt!«, gurgelte sie und blinzelte ihr zu, leckte über ihre himbeerrot bemalten Lippen, bis ihre Zungen sich trafen.
Aishes schokoladenbraune Iris fixierten Tanjas Augen »Du und Stephen?«, zischte sie.


Ich verändere diesen Absatz in meinem Sinn. (Ohne eine Empfehlung daraus zu machen. Ich will nur exemplarische etwas aufzeigen).

Tanjas Fingernägel schwebten über Aishes Taille »Und du hast es niemanden erzählt?«, fragte Tanja.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Niemandem.«
Die Lider halb geschlossen spielte sie mit Aishes Perlenkette. »Du hast es mir versprochen!«
»Ich halte meine Versprechen«, gab sie zurück. »Solange du deins hältst!«
»Als ich erfahren habe, dass du den Langweiler geheiratet hast«, meinte Tanja sarkastisch, »habe ich mir vor Lachen in die Hose gemacht!«
Aishe rieb ihr Becken an ihr und steckte ihre Hand in Tanjas Gesäßtasche. »Woher weißt du, dass er ein Langweiler ist?«, lachte sie und grub ihre blau lackierten Fingernägel in das Hinterteil. »Ihr kennt euch erst eine Woche!«
Tanja stupste sie mit der Nase an. »Hast du mir erzählt!« Damit leckte sie über ihre himbeerrot bemalten Lippen, bis ihre Zungen sich trafen.
Aishes schokoladenbraune Iris fixierten Tanjas Augen »Du und Stephen?«

Ich habe hier die erotischen Gesten überwiegend beibehalten, weil sie eine Bedeutung haben und der Text einen Mangel leiden würde, der vom Autor so nicht gewollt gewesen wäre, wenn ich das wegließe. Sonst würde ich versuchen, das deutlich zu reduzieren, dass nach jedem Satz persönlicher Rede die sie begleitende Geste, der Gesichtsausdruck, etc. beschrieben wird. Das kann man ruhig der Fantasie des Lesers überlassen. Sonst, meine ich, ist das fast wie der Versuch, Gedanken und Blickrichtung des Lesers zu kontrollieren. Das beschneidet aber die Freiheit, die ich mit dem Lesen verbinde – die freie Assoziation.
„Gluckste sie“ habe ich in einem Fall gestrichen, weil der Satz keine wirkliche Heiterkeit ausdrückt, sondern eine milde Verachtung.
Den Satz
Tanja legte ihre Finger auf den Mund und ihre rechte Hand, spreizte wortlos Zeige- und Mittelfinger.
habe ich weggelassen, weil er rätselhaft ist. Legt Tanja ihre Finger auf den eigenen Mund, als Zeichen, dass sie verschwiegen ist oder auf Aishes Mund, um sie am Reden über Dinge zu hindern, die Tanja nicht hören will, oder die im gegenwärtigen Moment besser ungesagt bleiben? Wenn sie Mittel- und Zeigefinger spreizt, wird ja wohl das Victory-Zeichen gebildet. In diesem Kontest werde ich leider nicht schlau aus dieser Geste.
Aber lies dir die beiden Absätze mal durch. Ich denke, dass dein Stil durch massvolles reduzieren unnötig langatmig beschriebener Gesten gewinnen würde. Auch WIE etwas gesagt wird, ob gezischt, gehaucht, etc – ist zu beschreiben nicht immer notwendig.
Das kann man der Fantasie der Leser überlassen.
Es ist gut, Szenen so lebendig zu beschreiben, dass man sie sich gut vorstellen kann. Aber man muss das Bild nicht Pinselstrich für Pinselstrich wie ein Maler nachmalen. Das Mikroskop für sollte man nicht auf seine Mitmenschen und deren Verhalten anwenden.

Aber ich gebe zu, dass das Geschmackssache ist. Die beiden Versionen des gleichen Abschnitts nebeneinander gestellt zeigen aber ganz gut auf, wie es gemeint ist.

- Ausdrucksweise
Es ist ein kleiner, verzeihlicher Fehler, aber du schwankst bei Torben zwischen „sie“ und „er“.
Als Erzähler, denke ich, solltest du eine einheitliche Ausdrucksweise für Torben finden. Oder du unterscheidest an ihm eine weibliche und eine männliche „Rolle“ bzw. Identität und wahrst für jede der Identitäten exklusiv das „er“ oder „sie“.

Onkel Karl finde ich in seiner widerlichen Scheinheiligkeit und in seinem wirklich grotesken Aberglauben geradezu brillant erfunden. Man muss den Mann mit einer gewissen Lust verachten.
Wie er Tanja auffordert, sie solle sich die Schuhe ausziehen, damit er die Ruhe genießen kann. Das ist geradezu menschenverachtend. „Wenn das Volk kein Brot hat soll es eben Kuchen essen.“
Er ist in diesem Sinn ähnlich wie Benjamin Linus aus „Lost“. Man kann ihn nicht für einen vollkommenen Bösewicht halten. Er ist böse und dennoch auf eine seltsame Weise sympathisch.

Der Autor ist offensichtlich bemüht, mehrere falsche Fährten aufzuzeigen, WER die Attentatsversuche auf Torben verübt haben hätte können. War es Stephen? Oder Karl?
Geldgier scheint eine treibende Kraft in diesem Krimi zu sein.
Dass es bei Tanjas Herkunft noch etliche Rätsel im Zusammenhang mit ihrer Mutter zu lösen gibt, wird im Gespräch mit Karl deutlich.
Sehr wahrscheinlich, dass auch Torben als ihr Bruder in die angedeuteten Rätsel verwickelt ist.
Das Torben-Universum jedenfalls ist um etliche Mitwirkende reicher geworden.
Manche Personen bleiben ein wenig blass und man macht sich keine konkreten Vorstellungen von ihnen – wie etwa Aishes Mann Fridolin.

So nebenbei fällt mir auf, dass Tanja und Torben kleine Ticks entwickelt haben. Während Torben immer wieder verlegen seine Ohrläppchen reibt, dreht Tanja gerne Locken in ihr Haar. Das sind stereotype Handlungen bzw. Gesten, die meiner Meinung nach keine große Bedeutung haben. Man könnte sie gefahrlos weglassen.
Allerdings haben diese Gesten einen wirklich hohen Wiedererkennungswert – ein wenig wie running Gags. Mann könnte sie auch im karikaturhaften Stil verwenden und beim Leser ein wenig Schmunzeln ernten.

Die Freundschaft zwischen Alina und Torben entwickelt sich wirklich sehr schön. Das hast du wirklich sauber hinbekommen. Schon die erste Begegnung, als Alina das Pseudo-Mädchen in ihrem Bett liegend vorfindet ist ein guter Einstieg.

Die gutmütige Franziska muss man mögen, oder man ist kein Mensch.

Großartig, wie für Torben das Bayrische mal von Franziska und mal von Alina übersetzt wird.

Valentin, Alinas Vater, bleibt vorerst eine relativ blasse Figur.

Im Kapitel „Er ist wieder da!“ gibt es die seltsame Szene mit den Sachen, die Tanja für Alina gekauft hatte, und die nun in Torbens Rucksack sind. Eigentlich sind die Rucksäcke samt Inhalt vertauscht worden. Und Tanja reagiert so, dass man denkt: „Auweia, gar nicht stressresistent.“

Der unbekannte Attentäter in der dunklen Limousine scheint Tanja bekannt zu sein. Und er scheint schon früher anderen nach dem Leben getrachtet zu haben, was Tanjas Worte auszudrücken scheinen:
»Ich glaube, er hat es dieses Mal auf Toni abgesehen. Ein Auto hätte das arme Kind fast überfahren!«, stammelte Tanja.

Große Klasse finde ich die Szene in der Matthias Torben / Antonia die Tiere zeigt.
Eine der natürlichsten, glaubwürdigsten und nettesten Szenen.
Sie zeigt auch Torbens innere Wandlung, die sich darin äußert, den weinenden Matthias zu ertragen – was er in seiner Rolle als Junge wohl nicht geschafft hätte.
Heißt es nicht „Kleider machen Leute“?

In „Machtspiele“ erfahren wir, dass Alina einen Lesbenroman liest, und Torben zeigt ihr vor, wie man einen „Spagat“ macht. Um Himmels Willen – Torben scheint es mit dem Mädchentum übertreiben zu wollen!

Aus dem im Kapitel „Machtspiele“ gesagten muss man annehmen, dass Herr und Frau Deniz die Eltern von Tanja sind, da Franziska die Bemerkung macht: . »Wir haben uns ungemeine Sorgen um sie gemacht. Kurz vor der Hochzeit ihrer Tochter!«
Beim neuerlichen Überlesen sehe ich aber, dass es die Eltern von Aishe sind.

In Entführt finde ich die folgende Szene einfach großartig und lebendig geschrieben:

Ein Mädchen schlug mit ihren Fäusten auf ein rosa geblümtes weißes Kleid. »Nein! Nein! Ich ziehe das nicht an«, schrie sie.
Die Frau im roten Minikleid strauchelte, fing sich, hielt erneut dem Kind das Kleidchen entgegen und streifte ihr schwarzes Haar über ein Ohr. Unbeachtet des Lächelns der Schwarzhaarigen, stampfte das Mädchen mit ihrem Fuß auf den Bodenbelag. »Ihr habt gesagt, wir gehen Eis essen«, brüllte sie.

Das ist der energische Protest eines jungenhaften Mädchens gegen „die rosa Welle“.
Und es zeigt, dass Alina noch ein großes Kind ist.

Die folgende Passage, in der sich Alina und Torben aus den Augen verlieren, finde ich wirklich gut gemeistert. Ich denke, dass das schwer zu schreiben war. Da ist alles rund und die Szene fördert eine mysteriöse Stimmung. Ähnlich wie bei Horrorfilmen, wo eine Tür aufgeht und man etwas Schreckliches dahinter vorzufinden fürchtet – und es ist nur die Katze.

Im letzten Absatz von „Entführt!“ heißt es:

„Ein dämonisches Lächeln verzierte sein Gesicht. Er rieb sich die Hände, schlug im Geiste einen Purzelbaum.“
Beide Sätze finde ich ein wenig plump. Und ein dämonisches Lächeln bei einem 13jährigen will ich mir auch nicht vorstellen.
Weil „dämonisch“ als Eigenschaftswort eigentlich nur zu Erwachsenen passt.

Allgemein muss ich sagen, dass mir Tanja zu blass erscheint.
Irgendwie passen Torben und Tanja ohnehin als Geschwister gut zusammen.
Ein Junge in Mädchenkleidern ist ein schräger Vogel und eine Schwester, die ihren Bruder zum Mädchentum erziehen will ist das nicht minder.

Zur Erotik, die in deinem Roman nicht zu kurz kommt, sage ich folgendes: das ist wahrscheinlich Geschmackssache.
Aber ich rate – wie bei den Gewürzen – zu Vorsicht.
Klar gibt es Autoren und Autorinnen, die mit der Erotikmasche viel Geld verdienen.
Aber ich finde – wie bei den Gewürzen – dass die Suppe, die du bereitest, schnell unheilbar überwürzt sein kann, wenn du dich nicht vorsiehst. Zu viel Salz macht es uns unmöglich, den feineren Eigengeschmack einer Speise wahrzunehmen. (Deshalb auch ist einer der beliebtesten Tricks, um minderwertige Speisen aufzupeppen, einfach stark zu würzen oder mit viel Zucker zu versetzen. Senf – nebenbei gesagt – verwendet man auch nie zu erstklassigem Fleisch.)

Und dieser kleine kulinarische Hinweis soll meine abschließende Bemerkung für diesmal sein.
Damit wenden wir uns dem zweiten Akt zu.
 

ahorn

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zurück zum 17. Kapitel Machtspiele

18. Entführt!?

Wie oft hatte sie sich diesen Moment vorgestellt. Getrieben von Furcht und Sehnsucht sich zurückgezogen, fest entschlossen, alles abzublasen. Die Angst vor ihren Gefühlen standen im Wettstreit mir ihren Plan. Lagen ihr im Wege, wie die Untiefe vorm rettenden Ufer. Die Jahre der Partnerschaft klopften an ihre Seele. Die Zeit der Trennung schnurrte zu einen Wimpernschlag zusammen.

Tanjas Fingernägel schwebten über Aishes Taille »Und du hast es niemanden erzählt?«, fragte Tanja.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Niemandem.«
Die Lider halb geschlossen spielte sie mit Aishes Perlenkette. »Du hast es mir versprochen!«
»Ich halte meine Versprechen«, gab sie zurück. »Solange du deins hältst!«
»Als ich erfahren habe, dass du den Langweiler geheiratet hast«, meinte Tanja sarkastisch, »habe ich mir vor Lachen in die Hose gemacht!«
Aishe rieb ihr Becken an ihr und steckte ihre Hand in Tanjas Gesäßtasche. »Woher weißt du, dass er ein Langweiler ist?«, lachte sie und grub ihre blau lackierten Fingernägel in das Hinterteil. »Ihr kennt euch erst einige Woche!«
Tanja stupste sie mit der Nase an. »Hast du mir erzählt!« Damit leckte sie über ihre himbeerrot bemalten Lippen, bis ihre Zungen sich trafen.
Aishes schokoladenbraune Iris fixierten Tanjas Augen »Du und Stephen?«

Tanja riss die Hand aus der Hosentasche, griff in ihr Haar, drehte eine Strähne zu einer Locke. »Das hat andere Gründe, die kennst du«. Sie senkte den Kopf. »Nichts mit mir oder dir zu tun.«
Aishe legte ihre Stirn in Falten »Dabei bist du, wie du mir geschrieben hast, mit Jannette zusammen«, wisperte sie, »Oder habt ihr euch getrennt?«, erkundigte sie sich, verschränkte die Arme, griff an ihr Kinn und schmunzelte.

Sie betastete Aishes Busen. »Gut«, hauchte sie. »Sie ist erst einmal in den Staaten.«
Ihre Freundin schlang ihre Arme um Tanjas Hals. »Das du den Stephen heiratest«, stöhnte sie.
»Hey sehe ich da ein Leuchten in deinen Augen«. Tanja zwinkerte ihr zu. »Kannst ihn gerne haben.«
Die Wangen gespannt presste Aishe ihre Stirn an Tanjas. »Für ein Mannsbild ist er echt süß«, flüsterte sie, drückte ihr einen Kuss auf den Mund. »Besser als Friedl, der Macho.«
»Für mich ist der nichts. Entweder ein richtiger Kerl oder ...« Tanja liebkoste den Busen der Freundin.»Eine süße Puppe!«
Sie umfasste ihre zarte Taille, zog sie eng an ihren Körper. Ihre bebenden Lippen berührten ihren erregten Mund.
Aishe trennte sich von ihr, zog ihre Zunge aus Tanjas Mundhöhle.»Sehnsucht?«, wisperte sie,
Sie schmatzte ihr einen Kuss auf den Hals, schloss die Augen und lies, die Finger über ihr Dekolleté gleiten. »Ein wenig!«, murmelte sie.

Aishe nahm sie bei der Hand. »Dich bedrückt irgendetwas?«
Tanja sah zur Seite. Ihre sonst vollen Lippen verformten sich zu schmalen Bändern. »Er ist wieder da!«, flüsterte sie kaum hörbar.
Die Stirn gefaltet, die Augenbrauen zusammengezogen schaute Aishe auf ihren bebenden Mund. »Das Monster ist doch ...« , raunte sie.
Tanja presste ihre Fingerspitzen auf ihre Schläfen. »Ja! Nein!«, stotterte sie. »Warum jetzt? Warum hier?« Sie legte ihre rechte Hand auf Aishes Schulter, starrte ihr in die Augen. »Er wusste damals so viel.«, zischelte sie.
Aishes Mundwinkel erschlafften. »Ich verstehe dich nicht?«
Sie berührte ihren Brustkorb. »Rechne einmal nach?«, sprach sie mehr zu sich selbst. »Ich habe eine fürchterliche Vermutung!«
Den Kopf schwingend nahm ihre Freundin sie in die Arme. »Ach. Alles Phantome!«, wisperte sie ihr ins Ohr.

Tanja löste die Umarmung, tupfte sich ein paar Tränen von der Wange und sah durch den Türspalt.
»Die Mädchen kommen!«.
»Die Mädchen«, gluckste Aishe, ergriff ihre Hand und zog sie aus dem Zimmer.

Ein Mädchen schlug mit ihren Fäusten auf ein rosa geblümtes weißes Kleid. »Nein! Nein! Ich ziehe das nicht an«, schrie sie.
Die Frau im roten Minikleid strauchelte, fing sich, hielt erneut dem Kind das Kleidchen entgegen und streifte ihr schwarzes Haar über ein Ohr. Unbeachtet des Lächelns der Schwarzhaarigen, stampfte das Mädchen mit ihrem Fuß auf den Bodenbelag. »Ihr habt gesagt, wir gehen Eis essen«, brüllte sie.

Aishe faste Alina an der Schulter. »Gehen wir, versprochen. Deine Mutter möchte, dass du morgen was Anständiges trägst«, redete sie beschwichtigend auf sie ein.

Seit fast einer Stunde immer wieder das gleiche Ritual. Torben war genervt, wie Alina sich anstellte. Warum entschied sie sich nicht für ein Outfit. Sagte ja? Und, wenn es nur ihre Schwägerin beglückte.

Aishe, das hatte er herausgefunden, war die Ehefrau von Valentins Sohn aus erster Ehe. Sie war nett, scherzhaft und bildhübsch, mit ihren honigfarbenen Teint, ihren weiblichen Kurven sowie der Stupsnase, die ihr ein schelmisches mädchenhaften Aussehen verlieh. Er verdrehte die Augen. Hätte ihr keine Bitte ausgeschlagen, jedes Verlangen von ihr ohne Zögern erfüllt. Alina bockte, trotze. Warum?

Er selbst war vor einer Woche in fast derselben Situation gewesen, stur und ablehnend. Dann, hatte er sich treiben lassen, wie eine Planke, die eine stürmische Nacht von einem Boot gerissen hatte. Zum Lohn hatte er ein Gefühl von Glück empfangen, tief im Herzen. Es waren nicht die Kleider, die er von der Schwester über seinen Körper gestreift, bekommen hatte, sondern, dass er im Mittelpunkt gestanden hatte. Keine Randfigur, die mitgeschleppt wurde.

Dabei hatte alles harmonisch angefangen, vor fast einer Stunde. Wie bei Damen üblich, waren Aishe und seine Schwester, nach ihrer Ankunft in Passau, in ein Schuh- und Handtaschengeschäft gestürmt. Die beiden Damen stürzten sich kreischend auf exotisches Schuhwerk. Alina hatte ihn an die Hand genommen, um Taschen in Augenschein zu nehmen. Sie hatte sofort was gefunden, einen zierlichen ledernen Rucksack, derweil er einen Ständer mit Umhängetaschen inspizierte. Bei dem Anblick von Alinas Beute fiel ihm wieder das Mysterium seines Gepäcks ein. Mit einer mintgrünen Handtasche, die er nur genommen hatte, weil sie von ihrer Farbe zum Rock passte, war er zu Tanja spaziert, um ihr die Frage zu stellen.

Sie beantwortete sogar das Anliegen, aber erst, nachdem sie Torbens Geschmack gelobt hatte, ihm das lütte mintgrünen Objekt, in dem kaum eine Geldbörse Platz fand, sowie Alinas Fang erworben hatte. Tanja besann sich nicht, wo sie ihren Harry-Potter-Rucksack zuletzt gesehen hatte. Mehr vermochte er aus ihr nicht herauszulocken.

Aishe drückte die Arme an ihren Körper, presste ihre Lippen. »Alina es reicht. Wir nehmen dieses Kleid, damit basta und wenn es dir nicht steht, dein Pech!«, haderte sie, obwohl ihr Grollen eher dem Gesang einer Meise glich.
Es hätte nicht viel gefehlt, Alina wäre kreischend zu Boden gegangen. Tanja rettete die Situation, sie brachte dem Kind einen Hosenanzug. Die Freude der Beglückten hielt sich anfangs in Grenzen, da soweit hatte sie dann nicht mitgedacht, besagter Anzug in Rosa gehalten war. Nachdem sie nochmals verschwunden war, um eine Kombination in Grau zu holen, formte sich ein Lächeln in Alinas Gesicht.

Torben war kein Mensch, der gesteckte Ziele außer Sichtweite verschwinden ließ. Seine meist wirren Gedanken, entpuppten sich im Nachhinein vom Ergebnis ausgesehen, überlegt und zielstrebig. Wenn er Memory spielte, dann deckte er nicht die Paare, die zusammen gehörten auf. Nein! Das unternahm er nie. Er berechnete, dass der letzte Schlag, der entscheidende bei diesem Spiel war. Somit merkte er sich alle Karten. Erst in dem Augenblick, wenn seine Mitspieler sich in Sicherheit wiegten, zockte er sie ab.

Diesmal schlug sein Matsch fehl. Anstatt, dass sie gemeinsam die Genüsse italienischer Spezialitäten genossen, verabschiedeten sich Tanja und Aishe, ließen die Mädchen vorm Eiscafé zurück. Alina und Torben setzten sich an einen Tisch. Die Frauen überquerten die Straße, an dem sie die Kinder zurückgelassen hatten.

Aishe marschierte voraus, Tanja folgte mit Abstand, da ein Schuhgeschäft sie kurz ablenkte. Eine schwarze Limousine fuhr vor, hielt an einer Bushaltestelle mehrere Schritte von dem Laden entfernt. Der Fahrer öffnete das Beifahrerfenster, warf einen Gegenstand in einen Mülleimer. Er setzte seine Fahrt fort, nachdem ein Bus ihn mit Lichthupe verscheuchte. Parkte dann ein paar Meter weiter, gegenüber des Cafés ohne aus dem Wagen auszusteigen. Tanja kam hinter dem Bus hervor, schloss zu Aishe auf, harkte sich bei ihr unter und schlenderte davon.

Alina irgendetwas Brauchbares zu entlocken, unmöglich. Sie war weiterhin lausig gelaunt. Schnatterte ohne Pause. Torben überschlug die Beine, verschränkte die Arme und betrachtete die Schaumbläschen seiner Erdbeermilch, die im Takt ihrer Worte, zerplatzten. Nach ihrer Ansicht hatte die ganze Welt sich gegen sie verschworen. Alle behandelten sie wie ein kleines Kind, obwohl sie fast Erwachsen war. Eine Aussage, die ihn zum Schmunzeln anregte, da Alina nur ein paar Tage älter war. Eine Tirade, ließ ihn aufhören, dass Stephen in einer Art mit ihr umging, wie ein Vater zu seiner bösen Tochter. Einen Umstand, den er nachfühlte.

Alina schaute auf die andere Straßenseite, meinte, eine Schulfreundin gesehen zu haben. Sie gab ihm Bescheid, dass sie kurz zu ihr wolle. Er solle ihr eine zweite Bananenmilch bestellen. Sie stand auf, trottete zu dem Überweg, über den Tanja und Aishe gegangen waren, überschritt die Straße. Sie kam an der schwarzen Limousine vorbei, deren Fahrer Zeitung lass, blieb an dem Wagen stehen, schaute durch das geöffnete Beifahrerfenster ins Innere. Ein Laster hielt auf der Linksabbiegerspur an der Ampel vom Fußüberweg, sodass dieser vor dem finsteren Gefährt zum Halten kam. Die Kraftfahrzeuge, die bei Rot gehalten hatten, fuhren, nachdem sie grünes Licht bekamen, an. Die schwarze Limousine war verschwunden.


Alinas Getränk stand unangetastet auf dem Tisch, der Schaum hatte sich aufgelöst und das Glas, aus dem Torbens den Erdbeershake getrunken hatte, ruhte mit einem letzten rosa Schleier daneben. Er rutschte nervös auf dem Stuhl. Kurzzeitig kam er auf die Idee, sie anzurufen, aber wie? Er kannte ihre Nummer nicht, außerdem lag sein Handy bei den Obermeier. Liegengelassen hatte er es. Ohne Taschen? Seine Finger tasteten über die Handtasche. Hätte er sich nur eine von der Schwester geliehen. Er zuckte mit den Schultern. Dann, er sah auf das Glas mit der Bananenmilch, bestand zumindest die Chance sie anzurufen. Er erhob sich, tänzelte zum Kellner, die Speisen bezahlen, denn Geld hatte er. Tanja hatte es ihm zugesteckt, er es in sein neues Assessor verwahrt.

Torben rannte über den Überweg, die Straße hoch und herunter. Schaute in die Seitenstraßen, drückte die Schulter an den Hals. Die Stadt war ihm unbekannt und sein Orientierungssinn war! Er presste die Lippen aufeinander. Sein Mund entspannte sich kurz, er grinste, obwohl die Situation ihn auf keinen Fall amüsierte. War mädchenhaft. Um der Gefahr zu entgehen, dass er sich verlief, rannte er zurück zum Eiscafé. Von Alina fehlte jede Spur. Der Tisch, an dem sie gesessen hatten, abgeräumt. Er setzte sich auf den Rand eines Blumenkübels, erfasste die Tasche, quetschte sie, die Knie zusammen gepresst, zwischen seine Oberschenkel. Die Ellen eng am Oberkörper, den Blick ausweichend, den ihm die Passanten zuwarfen, wartete er auf ihre Rückkehr oder zumindest auf die Ankunft der Schwester.

Ein schelmisches Lächeln verzierte sein Gesicht. Er rieb sich die Hände und schlug im Geiste einen Purzelbaum. Geschafft hatte er es. Seine Genialität, die Dominanz hatten gesiegt. Wie doof und naive Mädchen waren. Erst Recht, wenn sie sich als Erwachsende aufspielten. Er brauchte sie nicht, diese dummen, einfältigen Frauen, stand über ihnen. Denn er war ein Kind, das wusste, was es war. Ein Junge aber nicht dusslig und plump, wie die Knaben in seiner Klassen. Mit festem Ziel am Horizont steuerte er das Piratenschiff, machte keine Gefangenen. Er war der schlitzohrige Kapitän Torben Raubein, schrecken der sieben Weltmeere.
Ohne ein tropfen Blut hatte er die Sophia geentert. Blutvergießen, mit Gewalt ein Schiff zu übernehmen, eine Sache für Anfänger. Der geniale Pirat arbeitete mit dem Verstand, überließ es den Feinden mit Freude, die Beute auszuhändigen. Als wäre es ihr Bestreben gewesen und er der Verlierer. Er stand über dem Geschehen. Das Wochenende als brave Tochter würde er auf einer Backe absitzen. Ihnen einen winzigen Gefallen entgegenbringen.

weiter zum nächsten Teil 19. Stephen
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

ahorn

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van Geoffrey seit langen habe ich mich nicht mehr so sehr über eine Anmerkung amüsiert, gelacht, das ist wahrlich nicht negativ, sonder positiv gemeint. ;)

Bis jetzt widerstehst du den Verlockungen in ein Altwasser zu steuern, obwohl die Verlockungen der Schmetterlingswiesen reizvoll. Dennoch achte mehr auf die Lage des Kanus, wenn du dich an den Uferästen verfängst.

Das Liebeskarussel Stephan, Tanja, Aishe (Amisha?), Janette ist wirklich zutiefst rätselhaft. Jeder scheint auf seine Weise die anderen auszunützen. Und jeder scheint die anderen bis zu einem gewissen Grad zu manipulieren.
Ich sehe, du bist voll auf Kurs. Aber wieleicht ist ein Seitenkanal sicherer als der Wasserfall des Hauptstromes.

Es ist ein kleiner, verzeihlicher Fehler, aber du schwankst bei Torben zwischen „sie“ und „er“.
Danke für den Hinweis. Sollte eigentlich immer klar sein. Da ich aber beim Überarbeiten des Textes in den Kapiteln springe, kann es zu einer leichten Kontamination kommen.
Stellen kurz melden wird bereinigt! :)

Ach ja. Die Sache mit den Ticks! Werden noch benötigt!
Erotik? Der Roman ist weder ein Liebes- geschweige Erotikroman. Es ist ein Krimi ein Triller in gewissen Szene nicht Jugendschutzgesetz konform. Aber ohne diese Szenen, des Inhalt wegen, nicht denkbar.
Dann bleibt, sagte, grummelte, schniefte sie. Ich arbeit nach der Formel: Streichen geht immer (ein Tipp, ich denke – entscheide), ergänzen nimmer!


Liebe Grüße
Ahorn
 

van Geoffrey

Mitglied
Sympathieträger gesucht

Freut mich echt, dass du über meine Kommentare lachen kannst. Ich bemühe mich, die humorvollen Seiten am Roman nicht zu kurz kommen zu lassen, und versuche auch mit Humor zu kritisieren.

Ich lese die Kapitel immer zwei mal, weil ich derzeit echt Mühe habe, mir die Verwandtschaftsbeziehungen zu merken.
Sympathisch finde ich derzeit keinen der Charaktere.
Irgend eine dunkle Seite hat jeder.
Und Torben, obwohl nicht durchtrieben, lässt sich - leider ohne Steuermannsqualität, was sein eigenes Leben angeht - weiter ins Fahrwasser des Mädchentums locken.

Werde mal sehen, ob mir extreme Schwankungen zwischen "er" und "sie" auffallen.
Bei welcher Version willst du denn bleiben? Torben darf doch wohl ein "er" bleiben?
Oder willst du zwischen Torben und Antonia schwanken und einmal er und dann wieder sie schreiben?

Torbens Fantasien - als überzeichnete romanhafte Einschübe ins Werk gesetzt - sind wohl absichtlich überzeichnet, was den kindlichen Charakter Torbens demonstrieren soll?

Tanja schwankt Torben gegenüber immer zwischen dominant und kameradschaftlich.
Immer mehr empfinde ich, dass sie eine wirklich zutiefst dubiose Gestalt ist - mit seltsamen Anfällen von (scheinbarer?) Naivität.

Dass es sich hier nicht um einen Erotikroman handelt, ist mir natürlich vollkommen klar.

Dass auch Franzi ihre dunkle Seite der Macht hat, erschüttert und enttäuscht mich ein wenig. Aber das ist dir als Autor wohl bewusst.

Matthias und Alina bleiben mir als Leser die einzigen, die ich als ehrlich, authentisch und sympathisch empfinde.

Die Frauen sind im Roman weit stärker gezeichnet als die Männer, von denen viele bisher echt farblos geblieben sind.

Karl, in seiner unfassbaren Scheinheiligkeit und Durchtriebenheit, ist allerdings wirklich gut erfunden. Man kann ihn nur ehrlich verachten - aber auch Hass stellt eine emotionale Bindung an einen Roman her.
(Oh, da hab ich nun schon fast wieder einen Aphorismus für meinen Aphorismus-Thread.)
 

ahorn

Mitglied
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18. Entführt!?

Wie oft hatte sie sich diesen Moment vorgestellt. Getrieben von Furcht und Sehnsucht sich zurückgezogen, fest entschlossen, alles abzublasen. Die Angst vor ihren Gefühlen standen im Wettstreit mir ihren Plan. Lagen ihr im Wege, wie die Untiefe vorm rettenden Ufer. Die Jahre der Partnerschaft klopften an ihre Seele. Die Zeit der Trennung schnurrte zu einen Wimpernschlag zusammen.

Tanjas Fingernägel schwebten über Aishes Taille »Und du hast es niemanden erzählt?«, fragte Tanja.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Niemandem.«
Die Lider halb geschlossen spielte sie mit Aishes Perlenkette. »Du hast es mir versprochen!«
»Ich halte meine Versprechen«, gab sie zurück. »Solange du deins hältst!«
»Als ich erfahren habe, dass du den Langweiler geheiratet hast«, meinte Tanja sarkastisch, »habe ich mir vor Lachen in die Hose gemacht!«
Aishe rieb ihr Becken an ihr und steckte ihre Hand in Tanjas Gesäßtasche. »Woher weißt du, dass er ein Langweiler ist?«, lachte sie und grub ihre blau lackierten Fingernägel in das Hinterteil. »Ihr kennt euch erst einige Woche!«
Tanja stupste sie mit der Nase an. »Hast du mir erzählt!« Damit leckte sie über ihre himbeerrot bemalten Lippen, bis ihre Zungen sich trafen.
Aishes schokoladenbraune Iris fixierten Tanjas Augen »Du und Stephen?«

Tanja riss die Hand aus der Hosentasche, griff in ihr Haar, drehte eine Strähne zu einer Locke. »Das hat andere Gründe, die kennst du«. Sie senkte den Kopf. »Nichts mit mir oder dir zu tun.«
Aishe legte ihre Stirn in Falten »Dabei bist du, wie du mir geschrieben hast, mit Jannette zusammen«, wisperte sie, »Oder habt ihr euch getrennt?«, erkundigte sie sich, verschränkte die Arme, griff an ihr Kinn und schmunzelte.

Sie betastete Aishes Busen. »Gut«, hauchte sie. »Sie ist erst einmal in den Staaten.«
Ihre Freundin schlang ihre Arme um Tanjas Hals. »Das du den Stephen heiratest«, stöhnte sie.
»Hey sehe ich da ein Leuchten in deinen Augen«. Tanja zwinkerte ihr zu. »Kannst ihn gerne haben.«
Die Wangen gespannt presste Aishe ihre Stirn an Tanjas. »Für ein Mannsbild ist er echt süß«, flüsterte sie, drückte ihr einen Kuss auf den Mund. »Besser als Friedl, der Macho.«
»Für mich ist der nichts. Entweder ein richtiger Kerl oder ...« Tanja liebkoste den Busen der Freundin.»Eine süße Puppe!«
Sie umfasste ihre zarte Taille, zog sie eng an ihren Körper. Ihre bebenden Lippen berührten ihren erregten Mund.
Aishe trennte sich von ihr, zog ihre Zunge aus Tanjas Mundhöhle.»Sehnsucht?«, wisperte sie,
Sie schmatzte ihr einen Kuss auf den Hals, schloss die Augen und lies, die Finger über ihr Dekolleté gleiten. »Ein wenig!«, murmelte sie.

Aishe nahm sie bei der Hand. »Dich bedrückt irgendetwas?«
Tanja sah zur Seite. Ihre sonst vollen Lippen verformten sich zu schmalen Bändern. »Er ist wieder da!«, flüsterte sie kaum hörbar.
Die Stirn gefaltet, die Augenbrauen zusammengezogen schaute Aishe auf ihren bebenden Mund. »Das Monster ist doch ...« , raunte sie.
Tanja presste ihre Fingerspitzen auf ihre Schläfen. »Ja! Nein!«, stotterte sie. »Warum jetzt? Warum hier?« Sie legte ihre rechte Hand auf Aishes Schulter, starrte ihr in die Augen. »Er wusste damals so viel.«, zischelte sie.
Aishes Mundwinkel erschlafften. »Ich verstehe dich nicht?«
Sie berührte ihren Brustkorb. »Rechne einmal nach?«, sprach sie mehr zu sich selbst. »Ich habe eine fürchterliche Vermutung!«
Den Kopf schwingend nahm ihre Freundin sie in die Arme. »Ach. Alles Phantome!«, wisperte sie ihr ins Ohr.

Tanja löste die Umarmung, tupfte sich ein paar Tränen von der Wange und sah durch den Türspalt.
»Die Mädchen kommen!«.
»Die Mädchen«, gluckste Aishe, ergriff ihre Hand und zog sie aus dem Zimmer.

Ein Mädchen schlug mit ihren Fäusten auf ein rosa geblümtes weißes Kleid. »Nein! Nein! Ich ziehe das nicht an«, schrie sie.
Die Frau im roten Minikleid strauchelte, fing sich, hielt erneut dem Kind das Kleidchen entgegen und streifte ihr schwarzes Haar über ein Ohr. Unbeachtet des Lächelns der Schwarzhaarigen, stampfte das Mädchen mit ihrem Fuß auf den Bodenbelag. »Ihr habt gesagt, wir gehen Eis essen«, brüllte sie.

Aishe faste Alina an der Schulter. »Gehen wir, versprochen. Deine Mutter möchte, dass du morgen was Anständiges trägst«, redete sie beschwichtigend auf sie ein.

Seit fast einer Stunde immer wieder das gleiche Ritual. Torben war genervt, wie Alina sich anstellte. Warum entschied sie sich nicht für ein Outfit. Sagte ja? Und, wenn es nur ihre Schwägerin beglückte.

Aishe, das hatte er herausgefunden, war die Ehefrau von Valentins Sohn aus erster Ehe. Sie war nett, scherzhaft und bildhübsch, mit ihren honigfarbenen Teint, ihren weiblichen Kurven sowie der Stupsnase, die ihr ein schelmisches mädchenhaften Aussehen verlieh. Er verdrehte die Augen. Hätte ihr keine Bitte ausgeschlagen, jedes Verlangen von ihr ohne Zögern erfüllt. Alina bockte, trotze. Warum?

Er selbst war vor einer Woche in fast derselben Situation gewesen, stur und ablehnend. Dann, hatte er sich treiben lassen, wie eine Planke, die eine stürmische Nacht von einem Boot gerissen hatte. Zum Lohn hatte er ein Gefühl von Glück empfangen, tief im Herzen. Es waren nicht die Kleider, die er von der Schwester über seinen Körper gestreift, bekommen hatte, sondern, dass er im Mittelpunkt gestanden hatte. Keine Randfigur, die mitgeschleppt wurde.

Dabei hatte alles harmonisch angefangen, vor fast einer Stunde. Wie bei Damen üblich, waren Aishe und seine Schwester, nach ihrer Ankunft in Passau, in ein Schuh- und Handtaschengeschäft gestürmt. Die beiden Damen stürzten sich kreischend auf exotisches Schuhwerk. Alina hatte ihn an die Hand genommen, um Taschen in Augenschein zu nehmen. Sie hatte sofort was gefunden, einen zierlichen ledernen Rucksack, derweil er einen Ständer mit Umhängetaschen inspizierte. Bei dem Anblick von Alinas Beute fiel ihm wieder das Mysterium seines Gepäcks ein. Mit einer mintgrünen Handtasche, die er nur genommen hatte, weil sie von ihrer Farbe zum Rock passte, war er zu Tanja spaziert, um ihr die Frage zu stellen.

Sie beantwortete sogar das Anliegen, aber erst, nachdem sie Torbens Geschmack gelobt hatte, ihm das lütte mintgrünen Objekt, in dem kaum eine Geldbörse Platz fand, sowie Alinas Fang erworben hatte. Tanja besann sich nicht, wo sie ihren Harry-Potter-Rucksack zuletzt gesehen hatte. Mehr vermochte er aus ihr nicht herauszulocken.

Aishe drückte die Arme an ihren Körper, presste ihre Lippen. »Alina es reicht. Wir nehmen dieses Kleid, damit basta und wenn es dir nicht steht, dein Pech!«, haderte sie, obwohl ihr Grollen eher dem Gesang einer Meise glich.
Es hätte nicht viel gefehlt, Alina wäre kreischend zu Boden gegangen. Tanja rettete die Situation, sie brachte dem Kind einen Hosenanzug. Die Freude der Beglückten hielt sich anfangs in Grenzen, da soweit hatte sie dann nicht mitgedacht, besagter Anzug in Rosa gehalten war. Nachdem sie nochmals verschwunden war, um eine Kombination in Grau zu holen, formte sich ein Lächeln in Alinas Gesicht.

Torben war kein Mensch, der gesteckte Ziele außer Sichtweite verschwinden ließ. Seine meist wirren Gedanken, entpuppten sich im Nachhinein vom Ergebnis ausgesehen, überlegt und zielstrebig. Wenn er Memory spielte, dann deckte er nicht die Paare, die zusammen gehörten auf. Nein! Das unternahm er nie. Er berechnete, dass der letzte Schlag, der entscheidende bei diesem Spiel war. Somit merkte er sich alle Karten. Erst in dem Augenblick, wenn seine Mitspieler sich in Sicherheit wiegten, zockte er sie ab.

Diesmal schlug sein Matsch fehl. Anstatt, dass sie gemeinsam die Genüsse italienischer Spezialitäten genossen, verabschiedeten sich Tanja und Aishe, ließen die Mädchen vorm Eiscafé zurück. Alina und Torben setzten sich an einen Tisch. Die Frauen überquerten die Straße, an dem sie die Kinder zurückgelassen hatten.

Aishe marschierte voraus, Tanja folgte mit Abstand, da ein Schuhgeschäft sie kurz ablenkte. Eine schwarze Limousine fuhr vor, hielt an einer Bushaltestelle mehrere Schritte von dem Laden entfernt. Der Fahrer öffnete das Beifahrerfenster, warf einen Gegenstand in einen Mülleimer. Er setzte seine Fahrt fort, nachdem ein Bus ihn mit Lichthupe verscheuchte. Parkte dann ein paar Meter weiter, gegenüber des Cafés ohne aus dem Wagen auszusteigen. Tanja kam hinter dem Bus hervor, schloss zu Aishe auf, harkte sich bei ihr unter und schlenderte davon.

Alina irgendetwas Brauchbares zu entlocken, unmöglich. Sie war weiterhin lausig gelaunt. Schnatterte ohne Pause. Torben überschlug die Beine, verschränkte die Arme und betrachtete die Schaumbläschen seiner Erdbeermilch, die im Takt ihrer Worte, zerplatzten. Nach ihrer Ansicht hatte die ganze Welt sich gegen sie verschworen. Alle behandelten sie wie ein kleines Kind, obwohl sie fast Erwachsen war. Eine Aussage, die ihn zum Schmunzeln anregte, da Alina nur ein paar Tage älter war. Eine Tirade, ließ ihn aufhören, dass Stephen in einer Art mit ihr umging, wie ein Vater zu seiner bösen Tochter. Einen Umstand, den er nachfühlte.

Alina schaute auf die andere Straßenseite, meinte, eine Schulfreundin gesehen zu haben. Sie gab ihm Bescheid, dass sie kurz zu ihr wolle. Er solle ihr eine zweite Bananenmilch bestellen. Sie stand auf, trottete zu dem Überweg, über den Tanja und Aishe gegangen waren, überschritt die Straße. Sie kam an der schwarzen Limousine vorbei, deren Fahrer Zeitung lass, blieb an dem Wagen stehen, schaute durch das geöffnete Beifahrerfenster ins Innere. Ein Laster hielt auf der Linksabbiegerspur an der Ampel vom Fußüberweg, sodass dieser vor dem finsteren Gefährt zum Halten kam. Die Kraftfahrzeuge, die bei Rot gehalten hatten, fuhren, nachdem sie grünes Licht bekamen, an. Die schwarze Limousine war verschwunden.


Alinas Getränk stand unangetastet auf dem Tisch, der Schaum hatte sich aufgelöst und das Glas, aus dem Torbens den Erdbeershake getrunken hatte, ruhte mit einem letzten rosa Schleier daneben. Er rutschte nervös auf dem Stuhl. Kurzzeitig kam er auf die Idee, sie anzurufen, aber wie? Er kannte ihre Nummer nicht, außerdem lag sein Handy bei den Obermeier. Liegengelassen hatte er es. Ohne Taschen? Seine Finger tasteten über die Handtasche. Hätte er sich nur eine von der Schwester geliehen. Er zuckte mit den Schultern. Dann, er sah auf das Glas mit der Bananenmilch, bestand zumindest die Chance sie anzurufen. Er erhob sich, tänzelte zum Kellner, die Speisen bezahlen, denn Geld hatte er. Tanja hatte es ihm zugesteckt, er es in sein neues Assessor verwahrt.

Torben rannte über den Überweg, die Straße hoch und herunter. Schaute in die Seitenstraßen, drückte die Schulter an den Hals. Die Stadt war ihm unbekannt und sein Orientierungssinn war! Er presste die Lippen aufeinander. Sein Mund entspannte sich kurz, er grinste, obwohl die Situation ihn auf keinen Fall amüsierte. War mädchenhaft. Um der Gefahr zu entgehen, dass er sich verlief, rannte er zurück zum Eiscafé. Von Alina fehlte jede Spur. Der Tisch, an dem sie gesessen hatten, abgeräumt. Er setzte sich auf den Rand eines Blumenkübels, erfasste die Tasche, quetschte sie, die Knie zusammen gepresst, zwischen seine Oberschenkel. Die Ellen eng am Oberkörper, den Blick ausweichend, den ihm die Passanten zuwarfen, wartete er auf ihre Rückkehr oder zumindest auf die Ankunft der Schwester.

Ein schelmisches Lächeln verzierte sein Gesicht. Er rieb sich die Hände und schlug im Geiste einen Purzelbaum. Geschafft hatte er es. Seine Genialität, die Dominanz hatten gesiegt. Wie doof und naive Mädchen waren. Erst Recht, wenn sie sich als Erwachsende aufspielten. Er brauchte sie nicht, diese dummen, einfältigen Frauen, stand über ihnen. Denn er war ein Kind, das wusste, was es war. Ein Junge aber nicht dusslig und plump, wie die Knaben in seiner Klassen. Mit festem Ziel am Horizont steuerte er das Piratenschiff, machte keine Gefangenen. Er war der schlitzohrige Kapitän Torben Raubein, schrecken der sieben Weltmeere.
Ohne ein tropfen Blut hatte er die Sophia geentert. Blutvergießen, mit Gewalt ein Schiff zu übernehmen, eine Sache für Anfänger. Der geniale Pirat arbeitete mit dem Verstand, überließ es den Feinden mit Freude, die Beute auszuhändigen. Als wäre es ihr Bestreben gewesen und er der Verlierer. Er stand über dem Geschehen. Das Wochenende als brave Tochter würde er auf einer Backe absitzen. Ihnen einen winzigen Gefallen entgegenbringen.

weiter zu 19. Stephen
 



 
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