Flucht über die Nordsee 85. Kiddusch – Der Bluff

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ahorn

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Kiddusch

Einerseits war er erschrocken, anderseits erleichtert. Erleichtert darüber, dass die Kinder in Sicherheit waren, obgleich es ihn weniger schockte. Die Verwunderung, sie am Tische seines Vaters zu erblicken, schockierte ihn. Angst hatte er um die Frauen, denn wäre es nur ein Spiel von ihnen, dann hätte er den Kindern nicht ins Anglist sehen können. Befremdet war er davon die beiden im Esszimmer zu begrüßen.
Klara musste mir ihren Mann gesprochen haben, den Stephen kannte die sichere Zuflucht. Zumindest hatte er für sich das Rätsel gelöst. Wie bei den meisten Rätseln einfach, wenn man die Lösung erkannte, welche ihm sein Vater präsentierte. Den Wein zum Kiddusch gehoben, freute er sich, alle drei monotheistischen Weltreligionen am Tisch versammelt zu sehen. Er stellte ihm das Mädchen als Svenja, ferner den Jungen als Antonia vor, welcher in der Dschilbab, wie eine Muslima daherkam. Im roten Kleid mit schwarzem Kopftuch, sodass einzig das Gesicht von ihm zu sehen war. Sie waren Freunde, Freundinnen, Schwester wie sie sich bezeichneten.
Nachdem sein Vater das Esszimmer verlassen hatte, vertrauten sie sich ihm an. Sie beichteten ihm, Aaron ein wenig beschwindelt zu haben. Den Svenja wäre faktisch Antonia, obwohl sie nicht derart hieß. Stephen glaubte es, da ihre Schwester sie bei der Hochzeit, als ihre Tochter Antonia vorgestellt hatte. Ihr Freimut imponierte ihm, denn sie ahnte nicht, was die Frauen vorhatten. Seine durch die Blume dargestellte Annahme, Antonia sei eher ein Anton, quittierten sie mit einem mädchenhaften Kichern. Sie kannten sich, wie Svenja sagte, vom Ballett. Ihre Tante Bärbel sowie Antons Mutter Olga hatten sich angefreundet.
Seitdem verbrachten sie viel Zeit miteinander. Erst der Nachname von Anton, unterstrich das Geschlecht in dem orientalischen Klang des Namens, welcher ihn stutze. Olga, Olga Hashemi war seine Mutter, ihr Ehemann stammte aus dem Iran oder einem arabischen Land. Anton sagte nichts, aber sein Outfit spiegelte den strikten Glauben seines Vaters wider. Joos hatte kein Problem damit, dass ein Transgender Junge, sogar seine Glauben als Frau lebte, nur weil er, Joos Probleme mit der Verschleierung hatte. Hieß Maria nicht seit ihrer Hochzeit Hashemi. Der Name prangte an ihrem Briefkasten. Unterumständen von vielen Familien getragenen, ein Allerweltsname, gängig in der Region. Olga? Eher sklavisch! Olga! Marias Nachbarin hörte auf diesen Namen. Zufall? Es gab Millionen Olgas auf der Welt.
Bärbel war, wie er von seinem Bruder erfahren hatte, ein herzensguter Mensch. Eins und eins blieben zwei. Das Zimmer, dass er, Joos in Bärbel Tütkens Wohnung für Klaras gehalten hatte, war das von Svenja, das andere eher jungenhaft, jenes von Anton. Denn abseits ihres Elternhauses konnte er, durfte er sein, wie er sich fühlte. Sogar das Färben der Haare gaben sie preis. Zum Unmut der Mutter wie Anton bestätigte. Obendrein war sein gewählter Vorname Plausible, den allein ein »i« sowie ein »a« war ein von Nöten.
Eins wurmte ihn. Warum war Anton als Antonia bei Bärbel gemeldet und warum hatte sein Gehilfe ihm nicht gesagt, dass Svenja dort wohnte - Fehler oder Absicht? Es gab eine logische Lösung. Wenn Svenja ebenfalls Antonia hieß, dann hatten die Mädchen ihn angelogen. Nein! Er hieß ja Anton, obwohl er dieses nicht preisgab.
Sein Vater erschien wieder und er, Joos gab den Kindern den Rat Aaron reinen Wein einzuschenken, denn es begann der Sabbat.


Der Bluff

Er dachte kurz an seinen Vater geschmückt mit Kippa sowie Tefillin, an Karel in Mönchskutte, der meist auf den Stuhl saß, auf dem Svenja gesessen hatte. Er sah seine Mutter auf dem Platz von Anton, wie dieser in Dschilbab ihm gegenüber saß. Das Foto von Seraphine stand an Antons Seite und ihm war klar, weshalb sein Vater ihn, Joos zum Kiddusch geladen hatte.

»Joos was störst du mich in meinem Gebet.«
»Ich dachte eher, ich störe dich bei deiner Nachtruhe.«
Karl hob die Arme gen Gewölbedecke, wobei die erdbraunen Ärmel seiner Kutte abwärts schnurrten. »Da ich mit dem Herrn genügen mir kurze Phasen der Ruhe.«
Am liebsten hätte er ihn aus der Kute gezogen und in den Schwitzkasten gezwängt, bis er die Taten zugab. Genau wie er es früher getan hatte, als sie Kinder waren. Wut keimte in ihm auf.
»Gib es zu, dass unter deiner Soutane kein Heiliger steckt«, schrie Joos.
Karl senkte die Arme. »Bruder! Wir haben kein Schweigegelübde, dennoch bitte ich dich, in diesen heiligen Gängen deine Stimme zu bändigen.«
Joos beugte das Haupt. »Pardon«, flüsterte er.
»Also, welcher Schandtat bezichtigst du mich?«
»Mit welcher der Frauen hast du alles Kinder: Maria, Bärbel, Sophia oder Lisselotte«, fragte Joos, wobei er Lisselotto der Vollständigkeit halber mit anführte.
»Komm!«

Sie schritten Seite an Seite den Kreuzgang entlang.
»Ja, ich habe ein leibliches Kind – einen Jungen.«
Joos öffnete den Mund.
Karl blieb stehen, streckte ihm seine Hand entgegen. »Schweig! Las mich erzählen.« Er setzte den Gang fort. »Hättest du mich darauf angesprochen, gefragt, dann hätte ich nie geleugnet.« Er steckte die Hände in die Ärmel der Mönchskutte. »Es war in einem Seminar, ein paar Monate vor meiner Weihe. Sie war wie ich entbrannt vom Heiligen Geist. Wir diskutierten Tage, Nächte lang.« Er schmunzelte. »Ein exzellenter Wein. Du kennst mich. Ein Kuss und dann ... Am nächsten Morgen bereute ich. Der Teufel wäre in mich gefahren. Dabei war es eine Probe meines Glaubens. Die Nacht war nicht ohne Konsequenz, du verstehst. Sie war eine Novizin.« Karl hob Haupt und Arme. »Bruder Vincent stand uns bei. Er hatte die gleiche Prüfung absolviert. Bei ihm ohne Folgen, dennoch einschneidend für ihn.«
»Das Kind?«
»Hat gottesfürchtige Eltern.«
»Weggeben!«
»Kennst du die größte Prüfung für einen Vater? Abraham Isaak! Hat der Herr nicht befohlen, seinen Sohn zu opfern.«
»Sie hat abgetrieben!«
»Hörst du nicht zu. Gute Eltern hat er. Lebte Isaak weiter.«
»Wie ein Stück Vieh ausgesetzt?«, donnerte Joos.
»Wir sind alle Kinder des Herrn, egal, bei welchen Eltern wir aufwachsen. Hat nicht Josef Gottes Sohn behütet, beschützt wie sein eigen Fleisch und Blut. War er sein leiblicher Vater?«
»Wer ist das Kind, wer die Mutter?«
Karl schüttelte mit dem Kopf, legte den rechten Zeigefinger auf seine Lippen.
Joos war es bewusst. Sein Bruder gab ihm die Namen nie preis. Er musste es ohne seine Hilfe herausfinden, oder war er bereits auf dem Weg?

»Denk an die Geschichten von Nahne, die er uns erzählt hat, als wir noch klein waren. Denk an Bernadette, Thorben, Shila und Fiete. Denk an unsere Schatztruhe.«
»Die du immer versteckt hast und mir dann Briefe gesandt, damit ich sie bei dir finde.«
Karl blieb stehen. »Briefe? Du hast mir immer Nachrichten zugesandt!«
»Nein!«
Er bekreuzigte sich. »Das sehe als Zeichen des Herrn.«

»Eins, dann las ich dich, wieder in dein Gebet versinken.«
»Bitte! Frage! Entlaste dein Herz aber« – »erwarte nicht eine Antwort.«
»Was hältst du als gläubiger Christ von dem Jungen bei Bärbel?«
Seine Frage, war mit Absicht unscharf gestellt, um Karl nicht Ausflüchte ins Detail zu ermöglichen.
Karl bekreuzigte sich und fiel ins Gebet. »Ich höre, du hast dich informiert, vorbereitet auf was weiß ich nicht, vielleicht meiner letzten Mahnung dir gegenüber geschuldet. Ich werde Antwort geben, denn über dies, was ich sehe, mit meinen eigenen Augen wahrnehme und mir niemand erzählt, darf ich frei sprechen. Aber gewähre vorab mir eine Frage.«
Er musste mit Vorsicht vorgehen, sonst tapte er wieder in eine von Karels Fallen. »Gern.«
»Soll ich dir als zukünftiger Amtsträger oder als Bruder antworten.«
»Was für eine Frage, raus mit der Sprache.«
»Es spielt keine Rolle wer oder was und wo der Mensch ist, ob er unter den Lebenden oder aufgefahren. Das Einzige was für den Herrn entscheidend ist, ist Barmherzigkeit.«
Genau diese Art von Antwort hasste er, nichts sagend, leere Hülle. Konnte dieser Mensch nicht einmal präzise sein. Der nächste Satz kam ihm eher aus Zorn über die Lippe.
»Am besten ich fahre zu Bärbel und nehm sie ins Verhör.«
»Du wirst einen weiten Weg auf dich nehmen müssen!«
»Ist sie verreist?«
»Ja.«
»Wohin?«
Karl sah auf zur Gewölbedecke und bekreuzigte sich. »Sie hat ihre letzte Reise angetreten. Ist dort wo es kein Leid, kein Schmerz herrscht, sondern nur Liebe.«
»Aufrichtiges Beileid!«

Das Klingeln des Telefons schreckte ihn aus den Gedanken. »Van Düwen«, brummelte er in den Hörer. »Frank was gibt es?«
Dubois hatte bestimmt wie oft an seinem Erlenmeyerkolben genippt. Leicht beschwipst, lobte er sich selbst, was für ein Freund er sei, tagelang hätte er für ihn geschuftet, obwohl er nicht einmal die Muße hatte ihn zurückzurufen. Er wusste von keinen Rückruf, saß knapp eine halbe Stunde erst an seinem Schreibtisch. Obendrein, wie kam er auf die Idee, zu einer Zeit im Dezernat anzurufen, zu welcher er nicht davon ausgehen konnte jemanden zu erreichen.
Es sei den. »de Vries«, schrie Joos und wandte sich erneut Frank Dubois zu.
»Wie neue Erkenntnisse?«

weiter zum nächsten Teil 86. Seemannsgarn im Märchenland
 



 
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