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lapismont

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Karl Edward Wagner: Die Herrin der Schatten

Kane hinterlässt stets Chaos und Zerstörung. Seine von der normalen Zeit Sterblicher losgelöste Existenz ist manifestierte Anarchie. Er wird immer wieder getrieben, Macht zu erlangen, zu herrschen, Armeen zu frühren, zu siegen – doch all das erlaubt ihm der Autor nicht. Auch am Ende dieses Buches schlugen die Pläne Kanes fehl. Wie im Kreuzzug des Bösen gelingt es Wagner, das Scheitern seines Helden nicht durch dessen Fehler zu erklären, sondern vielmehr als Summe all der kleinen Unwägbarkeiten darzustellen, die in einem hochkomplexen System aus Intrigen, Leidenschaft und Zauberei unkontrollierbar geschehen.
Dabei spielt Schicksal keine Rolle. Die Figuren agieren frei in ihren Möglichkeiten, gezwungen durch das Wechselspiel untereinander.
So ist die große Böse, Efrel, durch den Wahnsinn ihrer Zeugung zwar zur Hexe geboren, aber erst die Verstümmelung durch ihren Ehemann macht sie zur rachsüchtigen Furie.
Kane, der eigentlich immer die Fäden fest in den Händen hält, kann daraus dennoch kein festes Netz spinnen; den entscheidenden Wendepunkt bringt die Liebe. Sie ist die einzige Macht, die es vermag diese unwahrscheinlich starken Gewalten zu brechen.
Dennoch erspart uns Wagner nicht den Horror hinter den verdorbenen Leben seiner Charaktere. Allein die Idee einer intimen Beziehung zwischen Kane und der zerfleischten Efrel bringt eine neue Fassette in die Gefühllosigkeit Kanes.
Die Erzählung bündelt die bisherigen Seiten dieser Gestalt zu einem großen Fazit.

Die beiden Seeschlachten sind ein Höhepunkt des Buches. Prächtig und genau beschreibt Wagner hier Kampf um Kampf; als Leser wird man gefesselt und mitgerissen.
Karl Edward Wagner führt hier U-Boote und moderne Technik ins Gefecht, lässt die Besiedlung der Welt durch Aliens anklingen und mischt das mit einem klassischen Fantasyumfeld, und das mit einer Leichtigkeit, die verblüfft und wirklich gut geschrieben ist.
 

lapismont

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Karl Edward Wagner: Der Blutstein.

Kane hat alle Zeit der Welt und sie ist sein härtester Gegner. Ihrem Griff zu entkommen zieht er durch die Welt, immer auf der Flucht vor der tiefen Langeweile, die seinen Wahnsinn nährt.
So ist die Verlockung groß, die uralte Macht Blutstein zu erwecken, eine Hinterlassenschaft einer uralten Rasse, kaum noch erwähnt in den Legenden und Mythen der Menschen.
Als Kane den Blutsteinring findet, die kleinere Hälfte der Wesenheit Blutstein, beginnt eine geradlinige Fantasygeschichte, die zwar nicht weniger dunkel daherkommt, wie andere Kane-Geschichten, aber die mit eindeutig positiven Gestalten erzählt wird.
So ist der Herrscher Dribeck ein kluger Statthalter und General, der das Böse bekämpft und selbst die ihm zur Verfügung stehenden Mittel kritisch hinterfragt. Eine Figur, die an Machiavelli erinnert.
Und da ist Teres, die Amazone. Fasziniert von der Stärke Kanes bleibt sie dennoch das moralische Gegenstück zur Machtgier des einsamen Kriegers.
Wie so oft steht Kane auch am Schluss dieser Geschichte am Ende seiner Pläne. Als er durch Teres erkennt, das er nicht Blutstein beherrscht, sondern dieser ihn, gelingt es ihm mit seiner unmenschlichen Kraft, die Fesseln abzustreifen und Blutstein zu zerstören.
Wagner lässt Kane ein Schlupfloch diese Niederlage zu überwinden in dem er ihn vermuten lässt, das selbst die Weltherrschaftspläne, die er so großspurig vorantrieb, auf Blutsteins Einflüsterungen zurückzuführen sind. Damit ist es das Scheitern Blutsteins und nicht Kanes.
Wagner besticht auch in diesen frühen Kane-Band durch seine psychologischen Charakterisierungen. Sorgfältig agieren die Figuren in ihrem detaillierten Hintergrund.
Die Wiedergeburt der Stadtmaschine Arellarti bringt einen starken Zauber mit sich, dieser spezielle Sense of Wonder, der so oft im Perry Rhodan Universum herbeigeschrieben wurde.
Blustein enthält einen großen Anteil Science Fiction, in der finalen Schlacht stehen sich sogar Magie und Technik direkt gegenüber. Die Magie obsiegt zwar, allerdings kompromittieren sich die ausübenden Priesterinnen durch die angewandten Menschenopfer, so dass den Sieg nur der Mann in den Händen hält, den Wagner hier in einem ganz besonderen Licht sieht, Dribeck, der fähige Führer, der seinem Volk dient und nicht der Gier nach Macht.
Eine Alternative, die Kane nie ausfüllen will.

Es ist eine spannende Erfahrung, ein Fantasy-Werk unter dem Gesichtspunkt der Figurenanalyse zu lesen. Ich glaube, das man einige interessante Dinge bemerkt, die dem einfachen Konsum verlorengehen. Es ist aber auch ein Lesen, daß sich weniger am Spannungsbogen orientiert.
Auf jeden Fall entwickelt sich das Schreiben des Kane-Artikels zur SONO harten Arbeit!
 

lapismont

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William S. Burroughs: Junkie

In der Vielzahl Realitäten, die die Wirklichkeit bereit hält, ist die Existenz eines Süchtigen die mir Entfernteste. Der Trainspotting-Schock war tief.
Anders ist Junkie.
Glasklar wird hier diese Welt offenbart. Der Ich-Erzähler beschreibt, völlig wertungsfrei, was er tut, wie er lebt, wie er fixt. Eine Zeitreise, nicht nur ins ferne 20. Jahrhundert, in die 40er Jahre der USA, es ist eine selbstverständlich normale Realität, so durch und durch glaubwürdig, dass ich kalt und unberührt bleibe. Ein Sachbuch.
Aber ein Leseerlebnis, denn es zieht keine Dekadenz durch die Zeilen, sondern Leben. So unverständlich es scheint, so deutlich wird es erklärt, fern aber nachvollziehbar. Ein kaltes Stück Stahl - kein Buch.
 

lapismont

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Harald Evers: Leandras Schwur. Höhlenwelt 2.

Konsequent baut Harald Evers seine Geschichte um die junge Magierin Leandra aus.. Es tut dieser Figur gut, das sie nun in der Lage ist, viele erstaunliche Zauber zu wirken. Da der begrenzende Codex durch das Verbot der Cambrischen Magiergilde nichts mehr gilt, kann sie ihre Experimente mit anderen Magieformen weiterführen und erfährt zudem im Verlauf der Handlung, wie unwichtig das ganze Regelwerk eigentlich ist, denn zu sehr hängt es von der Ethik des Magiers ab, wie die verwendete Magie sich auswirkt.
Wieder werden Gut und Böse gemischt. Das dadurch der böse Gegenspieler Chast, gerade im ersten Teil, bemitleidenswert positiv dargestellt wird, ist ein echtes Manko. Diese Gestalt verliert stark an Glaubwürdigkeit.
Der desolate Zustand der Bruderschaft von Yoor ist ebenfalls etwas dünn hergeleitet. Nach 2000 Jahren Existenz gibt es einfach eine logistische und verwaltende Apparatur, denn anders kann eine derartige Organisation nicht im Geheimen überleben.
Ansonsten ist der Roman ein gut geschriebenes Fantasy-Abenteuer, mit erstaunlichen Wundern und einer gehörigen Menge an Sex.
Es macht einfach Spaß, das Buch zu lesen und die begonnenen Handlungsfäden, besonders die Bedrohung durch die Drakken, lassen mich erwartungsvoll nach dem nächsten Band rufen.
 

lapismont

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Doranna Durgin: Dunkle Schuld - Mage Knight 2 von

Kerraii ist eine junge Wylden-Elfin, die von Nekromanten entführt wird und dazu gezwungen wird, als Assasine für einen mächtigen Nekromanten zu dienen. Als das nekromantische Reich mit Überfällen versucht, das benachbarte Land zu erobern, gerät sie in Gefangenschaft. Doch weder Sklavenarbeit noch Gefängnis kann die junge Elfin brechen. Sie kommt hinter die Umstände ihrer Entführung und findet ihren eigenen Weg.
Das Buch ist eine nette Sammlung tiefblickender Einzelheiten aus der Mage Knight-Welt. Das ausgefeilte Regelsystem des Miniaturenspieles wird besonders in den Kämpfen sichtbar.
Durch Warhammer geschult, fällt eine genaue Zauberspruchbeschreibung und Stufen bei den Magiern sofort ins Auge.
Neben einer recht unspektakulären Handlung ohne Überraschungen und Höhepunkten, erlangen die Figuren keine wirkliche Tiefe. Alles wirkt gediegen. Warum der böse Sarnen der erpressten Loyalität Kerraiis vertraut, wodurch diese überhaupt acht Jahre Dressur abschütteln konnte, wird nicht klar.
Die Dunkle Schuld ist ein einfaches Fantasy-Abenteuer, das einen Preis von 9 Euro nicht wert ist.
 

lapismont

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Vernor Vinge: Ein Feuer auf der Tiefe

Das Universum besteht aus drei Bereichen. Das Langsam ist der Bereich, in dem die normalen Naturgesetze gelten, Computer nicht besonders intelligent sein können und die Lichtgeschwindigkeit die Grenzen der Raumfahrt festlegt. Darüber liegt das Jenseits. Vielfache Lichtgeschwindigkeit, riesige Datennetze und intelligente Computer sind hier anzutreffen. Die oberste Schicht stellt das Transenz dar, Aufenthaltsort höherer, transzendierter Mächte und unverstellbarer technischer Möglichkeiten.
Die Menschheit hat das Langsam schon vor Äonen verlassen und zahlreiche Kolonien im Jenseits gegründet. Eine davon findet ein altes Datenarchiv aus dem Transenz und experimentiert damit herum. Dabei wird eine alte Macht wiederbelebt, die sofort beginnt sich auszubreiten und sich mit nichts weniger zufrieden zu geben scheint, als dem Untergang der bisherigen Ordnung.
Das Archiv beherbergte allerdings auch das Gegenmittel gegen diese Pest. Knapp gelingt es der Forschungsgruppe mit diesem Mittel zu fliehen und unbemerkt in den untersten Winkel des Jenseits zu flüchten. Auf einem Planeten gestrandet, dessen Bewohner nur in Rudeln bis maximal Acht Gliedern intelligent sind, beginnt ein für die zwei überlebenden Kinder ein beschwerlicher Überlebenskampf.
Gleichzeitig startet eine Rettungsaktion zum Grund des Jenseits um das Gegenmittel zu bergen und den Kampf gegen die Pest aufzunehmen.

Vernor Vinge hat mit dem Konzept der Zonen des Denkens eine ebenso erstaunliche wie phantastische Idee für die Konstruktion des Kosmos entwickelt. Die Aufteilung in verschiedene Erreichbarkeitsstufen der technischen und intellektuellen Entwicklung ermöglicht eine spannende Space-Opera, die durch ihre so geschaffenen Gesetze aus einer recht einfachen Rettungsaktion eine epische Odyssee macht. Die Figuren agieren zwischen der Enge gesellschaftlicher Strukturen und individueller Selbstbestimmung.
So lernt gerade der kleine Menschenjunge Jefri in einer Umwelt aus Lüge und Täuschung, die Bedeutung von Freundschaft und nähert sich so wesentlich gründlicher einem symbiotischen Verständnis zu den Rudelwesen, als es seiner älteren Schwester Johanna möglich ist, die mit dem Verstand erkennen muss, wie die fremdartige Gesellschaft funktioniert.
Die Rettungsmission selbst, die Crew des Raumschiffes Außer der Reihe 2, findet sich und zerbricht, liebt und hasst sich, eine Schlacht in der Schlacht wird an Bord geschlagen.
Die Figuren sind zu jeder Zeit authentisch, selbst wenn sie Topfpflanzen auf Rädern darstellen. Dazu kommt noch eine plastische Akzentuierung des gewaltigen Hintergrundes durch lesenswerte Emails, die das Buch mit klugen und verwirrenden Meinungen begleiten und der Handlung immer wieder entscheidende Aspekte aufwerfen, die sich der Leser aber selbst erarbeiten muss.
Vinge hat seine Charaktere und die Story jederzeit fest im Griff. Seine Sprache ist vielseitig und stets dem Umfeld angepasst. Eine gelungene Zugabe zur Neuausgabe ist das Nachwort des Autors. Es rundet die Lektüre auf eine charmante und interessante Weise ab, als Leser erhält man einen genaueren Einblick in die Intentionen Vinges und der Hinweis, das er an eine Einteilung des Kosmos in Zonen des Denkens dann aber doch nicht glaubt, macht den Autor sehr sympathisch.
Heyne hat dem Buch ein neutrales und kühles Design gegönnt, das den Anspruch des Werbetextes, es handle sich um eines der einflussreichsten SF-Bücher der letzten Jahre, gerecht wird und das zu einem fairen Preis von 14 €.

Was kann man mehr von ein er Space-Opera erwarten, als sich am Ende des Buches zu wünschen, es gäbe eine Fortsetzung? Ein Feuer auf der Tiefe ist gerade erst entfacht worden und es brennt wohl noch lange...
 

lapismont

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Armin Rößler: Das vergessene Portal

Gegen den Trend einer Flut mehrbändiger und tausendseitiger Fantasy-Epen, erscheint im Wurdack Verlag diese Geschichte aus dem Demonwright Universum.
In ihr geht es um eine Gemeinschaft von vier jungen Menschen, die aus einer faszinierenden Kultur stammen. Bereits in jungen Jahren werden die Aronnd zu einer Quad genannten Vierer-Gruppe zusammengeschlossen, die ein einer eheähnlichen Verbindung aufwächst und so bis zum Tod eines ihrer Mitglieder bestehen bleibt. Die Aufgabe der vier Aronnd ist es, dem Verbannten Ricourd einen Auftrag der weisen Männer ihres Volkes zu überbringen. Gemeinsam mit ihm machen sie sich auf, eine unbekannte Mission zu erfüllen, denn ihr neuer Führer, schweigt beharrlich auf alle Fragen der Vier zum Ziel ihrer Reise.
Dort werden sie nicht nur ihr eigenes Schicksal verändert vorfinden, auch Ricourd muss sich einer unvergessenen Vergangenheit stellen und seine Pläne für die Zukunft zerbrochen sehen.
Eine große Rolle spielt auch der junge Lehrling Ricourds, Kordan. Ihn wird das Abenteuer zwingen, erwachsen zu werden.
Ansonsten enthält die Geschichte alle wichtigen Elemente einer zünftigen Fantasy-Erzählung. Magie, Monster, Piraten, alte Geheimnisse, Liebe und Verrat, Heldentum und Tod.
Das alles wird geradlinig dargeboten. Die Handlung bleibt stets überschaubar, geht zügig voran und weist keinerlei Stellen der Langeweile auf.
Besonders in der Charakterisierung der Handlungsträger offenbart sich eine ungewohnte Stilsicherheit. Keine der Figuren erscheint plakativ oder austauschbar, innerhalb ihrer eigenen Persönlichkeit sind sie passend beschrieben und bleiben in sich schlüssig. Dadurch hat man auch keine Schwierigkeit zu verstehen, warum und wie sie handeln.

Für die Rezension lagen mir nur die Druckfahnen vor, aber das Aussehen wird einem Fantasy-Buch gerecht. Die graphisch aufwendigen Kapitälchen zu Kapitelbeginn sind nicht nur etwas für Liebhaber, sie offenbaren auch eine Begeisterung des Verlegers für eine genregerechte Präsentation. Die Coverszene konnte ich jedoch keinem Teil des Buches zuordnen, es gäbe einiges, das ich als Gemälde gerne auf der Front des Buches gesehen hätte.

Gerade die Kultur der Aronnds hat mir sehr gefallen. Da der Rest der Geschichte eine normale Fantasy-Geschichte darstellt, ist die Quad das Besondere an ihr und man wünscht sich noch mehr über diese erstaunliche Lebensweise zu erfahren.
Von Armin Rößler stammt auch die meiner Meinung nach beste Geschichte aus der Anthologie Future World - Menschenjäger.
Eine spannende und kurzweilige Lektüre für Fans von Liebhabern gemacht.
 

lapismont

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John Kovalics: Dork Tower - Ein Herz für Rollenspieler. Dork Tower Sammelband IV.

Es könnte so einfach sein. Eltern verstünden ihre Kinder, Partner könnten Beziehungskrisen überwinden und die Weltwirtschaft böte den Anblick immer blühender Landschaften.

Wenn Dork Tower endlich anerkannte Therapie werden würde.

Der Typ kennt mich gar nicht, oder? Aber warum schreibt er über mich?

Zugegeben, die Strips in diesem Sammelband sind zum größten Teil nur dann wirklich lustig, wenn man INsider ist.

Ob Star Wars, Herr der Ringe, oder D20 - ohne Hintergrundwissen verschließen sich die meisten Pointen.

Um dem etwas entgegen zu wirken, beginnt der Sammelband mit „Understanding Gamers“, einem mehr als nur lehrreichen Einblick in die Tiefenpsyche von Freaks und Fans.

Wer diese ersten zwanzig Seiten studiert hat, dem sind die schwersten Hürden für die restlichen 70 Seiten genommen. Da die deutsche Übersetzung eine dezente Lokalisierung beinhaltet, muss man sich auch nicht mit amerikanischen Insider-Gags in unüberschaubarer Menge herumschlagen. So wird der Nachrichtensender zu n-tv und neben Nasdaq gibt es den Dax. Für wen Vanessa Dreckmann steht? Egal!

Die Schwarz-Weiß Versionen der Stripes werden nur da schlecht, wo Fotos enthalten sind, vielleicht hätte man sich doch für einen kleinen Farbteil entscheiden sollen, um zumindest Whil Wheaton nicht noch mehr zu entstellen.

Neben Rollenspielen, Tabletop, DVDs und Kinofilmen erzählen die Comics vom Leben. Soweit es ein solches jenseits von „Mordcon“ und „Spongebob Schwammkopf“ überhaupt gibt. Der kleine Fanboy lebt in einer surrealen Welt, Prügelknabe der Nation, verarmt, gesellig und modern. Eine Identifikationsfigur, jenseits der selbstzweifelnden Superhelden, die wenn sie überhaupt etwas sammeln, dann Niederlagen anhäufen, quasi in der Collectors Edition.

Ein spaßiger Sammelband für all jene, die über sich selbst lachen können und es mit Lust tun.



Ach ja: Vanessa Dreckmann moderiert seit Januar 2004 Gute Reise TV auf DW-TV.

Hossa!
 

lapismont

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Harald Evers: Der dunkle Pakt. Höhlenwelt 3.

Und immer noch zieht Leandra auf Drachenschwingen durch die bedrohte Höhlenwelt um aller Leben zu retten.
Band 3 der Höhlenweltsaga ist der bisher komplexeste. Der Hintergrund ist wunderbar weit gefasst und wird in verschiedenen Handlungsfäden zu einem engmaschigen Netz verwoben. Die Figuren erhalten deutlich mehr Leben als in den Vorbänden, was vor allem daran liegt, dass sie nun eine Historie haben, durch die sie sich auch dem Leser gegenüber deutlicher identifizieren. Die noch in Teil 2 eher dünne Erklärung für Chast’s Handeln erfährt nun eine Relativierung, da im Dunklen Pakt klargestellt wird, wie gering seine Rolle im seit Unzeiten tobenden Ringen mit den Drakken eigentlich ist.
Die Handlung läuft durch die vielen, aber überschaubaren Haupt- und Nebenfiguren mit genau jener würzigen Prise an Überraschungen, die es zu einer Freude machen, die 700 Seiten zu verschlingen.
Da Teil 3 immer noch kein Ende bringt, wird die Bestellung des Nachfolgers nur eine Frage der Zeit sein.
 

lapismont

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Alan Dean Foster: Die Außenseiter. Der frühe Homanx-Zyklus.

Es gibt Bücher, deren Ausliegen im Buchladen kaum fassbar scheinen. Plötzlich fällt der Blick auf ein Cover. Die Worte Foster und Homanx sowie ein unbekannter Titel sorgten für ausreichende Überraschung und Vorfreude.
Das der Altmeister ins Homanx-Universum zurückkehrt ist wirklich sehr erfreulich, zählen die darin bisher veröffentlichten Geschichten für mich doch zu den spannendsten Science Fiction Werken. Die denkenden Wälder gehört sogar zu meinen Lieblingsbüchern.
Foster beschreibt eine Erstkontaktsituation auf privater Ebene. Der Dichter und der Mörder treffen aufeinander und lernen über Faszination und Abscheu hinaus, den Anderen als Persönlichkeit zu begreifen, wie groß diese Andersartigkeit auch ist.
Dabei folgt Foster den beiden Protagonisten eine ganze Weile durch ihr Leben, bevor er sie aufeinandertreffen lässt. Dadurch erreicht er eine immer stärke Bindung des Lesers an seine Figuren. Die Innensicht wechselt häufig mitten im Satz, fast symbiotisch, wenn die beiden erst einmal zusammen durch den Regenwald ziehen.
Das Buch fügt sich leicht in den Gesamtzyklus ein, erklärt vieles und macht jede Menge Spaß beim Lesen. Gedichte werden zum entscheidenden Werkzeug der Freundschaft – welch schöne Vision.
Nicht zu vergessen natürlich die Momente der Rührung, die einen echt amerikanischen Schluss begleiten.
Eine wirklich angenehme Sommerüberraschung!
 

lapismont

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Jules Verne: Die Kinder des Kapitän Grant.

Eine Reise um die Erde ist vollendet, der verschollene Vater konnte seine Kinder in die Arme schließen, die ihm aller Widrigkeiten zum Trotz, bis auf die einsame Insel Tabor folgten.
Diese Kinder sind Robert und Mary. Als der Vater aufbrach, mit seinem Schiff einen geeigneten Ort für eine schottische Kolonie zu suchen, musste die Tochter die Erziehung des Bruders übernehmen, eine Mutterrolle ausfüllen, die ihre Jugend abrupt beendete, was aber durchaus von einem Mädchen im 19. Jh.(1) erwartet und von Verne als löbliche Pflicht beschrieben wird.
„Er musste erzogen werden, musste lernen. Mit Hilfe einiger Ersparnisse, durch ihre Fürsorge und Klugheit und dadurch, dass sie Tag und Nacht arbeitete, dem Bruder alles gab und sich selbst alles versagte, gelang es ihr, seine Erziehung zu vollenden und weiter tapfer ihre Pflichten zu erfüllen.(..) Mary dachte nur an ihren Bruder und erträumte für ihn eine glückliche Zukunft.“ (2)
So vollendet sich ihr Schicksal im Buch auch in einer mustergültigen Weise. Zur Freundin einer Adligen und zur Frau eines Kapitäns erkoren, wird Mary zur Frau.
„Du wirst auf Schloss Malcolm bleiben und wie Lady Helenas eigene Tochter gehalten werden! (...) Du wirst dort ein Heim haben, du wirst mit Lady Helena von unserem Vater sprechen können und wirst abwarten, bis wir, John und ich, eines Tages mit unserem Vater zu dir heimkehren werden!“ (3)
Auch wenn in Vernes Frauenbild die Verehrung des Kavaliers ein wesentlicher Aspekt ist, so haben diese vergötterten Wesen immer nur eine Statistenrolle. Sie erhöhen den Mut der sie begleitenden Männer und geben selbst im australischen Busch ein Zeichen der zivilisatorischen Qualität, wenn sie ihre Begleiter zu ernsthaften Gesprächen in der Kabine ihres Ochsenkarrens empfangen. Eine Vorstellung, die uns heute skurril erscheint, da es uns an Romanen mit weiblichen Kämpfern nicht mangelt.
So ganz anders darf der Junge Robert seine Kindheit verbringen. In darf das Abenteuer verlocken. Er rettet der Gesellschaft mehrmals das Leben, lernt reiten, trägt durch erfolgreiche Jagdbeteiligung zur Verköstigung bei und schließlich darf er seinen Beruf frei wählen: Seemann wie sein Vater.
Hier kommt natürlich der Kindheitstraum Jules Vernes durch, dessen Biographie zu entnehmen ist, wie gern er selbst in seiner Jugend zur See gefahren wäre, es aber nicht durfte.
Somit wird Robert mit all jenen Dingen konfrontiert, von denen ein Junge nur träumen kann. Sein Leben ist um vieles freier, er trifft Entscheidungen und sein Handeln ist selbstverantwortet.
Trotz bürgerlicher Herkunft gibt Verne seinem Jungen einen adligen Mentor. Die von ihm als ehrenhaft empfundene Grundhaltung, die bürgerlichen Ideale, scheinen ihm hinter den Türen von Schlössern und Burgen wohlbehütet. Hier steckt der ethische Kern der Erziehung der ergänzt wird durch einen unbedingten Fortschrittsdrang. Der immens gebildete Geograph Paganel, natürlich Franzose, der zum wissenschaftlichen Führer durch die Welt des Romans wird, vermittelt eine umfassende Gebildetheit, von deren Nützlichkeit die Reisegruppe stark profitiert.
Das etwa die Frauen, oder die beiden einfachen Matrosen der Duncan an Roberts Erziehung während der Reise teilhaben, wird nicht erwähnt.
Die Kinder des Kapitän Grant sind ein Paradebeispiel für ein spannendes Abenteuerbuch, das sich in seiner Zeit bewegt, aber auch heute noch vergnügliche Stunden beschert.

.........................
(1) Eine ebenfalls sehr interessante Romangestalt, die das englische Mädchenbild beschreibt ist „Klein Dorrit“ von Charles Dickens
(2) Jules Verne: Die Kinder des Kapitän Grant. Verlag Neues Leben, 7., unveränderte Auflage, 1963, S.24.
(3) Verne - Kinder a.a.O., S.503f
 

Montgelas

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Re: Jules Verne: Die Kinder des Kapitän Grant.

lieber lap,

"die kinder des kapitän grant", sehr zerlesen, stehen bei mir im regal seit meinem 9. lebensjahr. und ab und an schaue ich wieder hinein.
ein wunderbares buch !

meint
montgelas
 

lapismont

Foren-Redakteur
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Jo, Lutz,

ich werde noch einige weitere Verne-Bücher unter dem Aspekt der Kinder bei Verne lesen. Soll dann zu einem Artikel für SONO verschmelzen.

Dankeschön sagt
lap
 

lapismont

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George Orwell: Im Innern des Wals

Beim Wühlen im Krabbeltisch lag dieses Buch plötzlich in meiner Hand. Als Autor der gruseligen Totalitarismusvision „1984“ und der nicht minder erschreckenden Fabel „Farm der Tiere“ war er mir bekannt und so dachte ich für 2,95 € nichts falsch machen zu können.
Das Buch von Diogenes lebt von einem grandiosen Trick der Herausgeber. Nach einem einleitenden Essay „Warum ich schreibe“ beginnt es mit Erzählungen, die genau jene Beispiele liefern, die in den nachfolgenden Essays benötigt werden, um Orwells Argumentation verstehen zu können.
„Einen Mann hängen“ scheint autobiographisch zu sein. Orwell war selbst Polizist in Burma. Er reflektiert zwar das Sinnentstellte der Hinrichtung, bleibt aber in jeder Hinsicht textlich neutral, sie wird beschrieben, als Zeugnis festgehalten. Orwell verurteilt nicht, dennoch weiß man nach dem Lesen, das er die Zerstörung von Leben und die Art der Gerichtsbarkeit, wie sie in Burma praktiziert wurde, ablehnt. In „Warum schreibe ich“ stellt er seine Ansicht heraus, wonach jeder Autor politisch ist, seine Texte können es nie verleugnen. In Henry Millers „Wendekreis des Krebses“ sieht Orwell denn auch nicht hauptsächlich eine politische Stellungnahme, sondern das Darlegen politischer Symptome. Das gesamte Essay „Im Innern des Wals“ ist überaus interessant. Man erfährt unendlich viel über die literarische Szene der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. T.S.Elliot, Huxley, Joyce – sie werden in einen literarischen und geschichtlichen Kontext gebracht, der gerade deshalb so spannend ist, weil hier ein Autor und kein Historiker oder Anglist redet. Orwell verliert nie die textliche Seite der betrachteten Autoren aus den Augen, er beweist seine Ansichten sehr oft am Werk.
Seine Lyriksicht ist inspirierend. Tatsächlich hat er recht mit seiner These der guten schlechten Gedichte. Mag ein Gedicht vielleicht auch ein grässliches Machwerk sein, so kann es doch eine einzigartige Sicht auf die Welt enthalten und damit wichtig sein.
Dieser Auftrag, Leben und Zeit aufzubewahren, durchzieht die hier versammelten Erzählungen.
„Einen Elefanten erschießen“ beschreibt britisches Kolonialleben in Burma mit der Erkenntnis, dass die Kolonialmacht gar nicht herrscht. So wenig wie Orwell, auch hier ist der Text wohl autobiographisch, vor der in Erwartung des Schusses versammelten Bevölkerung, den inzwischen friedlichen Elefanten verschonen kann, genau so wenig kann sich die britische Verwaltung einer wirklichen Kontrolle rühmen. Ähnliche Gedanken kommen in „Marakesch“ vor. Das die schwarze Armee, von wenigen weißen Offizieren angeführt, die Kanonen nicht einfach umdreht, wird als Geheimnis der Weißen offenbart. Da sie es nicht ewig bewahren werden können, erkennt Orwell auch hier die eigentliche Macht in den Händen der Bevölkerung. Der expansive Imperialismus ist für Orwell bereits gescheitert. Im Angesicht der Entwicklung in Deutschland in Italien macht er sich sogar Gedanken um eine Literatur in totalitären Systemen. „1984“ scheint schon in ihm zu arbeiten.
Der Blick auf die deutsche und russische Geschichte ist derartig abgeklärt und informativ, dass ich mich schon frage, wie wahr die Vision der Geschichtsfälschung aus „1984“ in der DDR tatsächlich geworden war. Seine Analyse von Spanienkrieg und englischem Kommunismus ist in ihrer Neuheit erschreckend, aber dann doch in Summe mit dem heutigen Wissen glaubwürdig.
Ähnlich verhält es sich bei seiner schonungslosen Beschäftigung mit Mark Twain („Mark Twain – Der amtliche Hofnarr“), Rudyard Kipling und H.G.Wells („Wels, Hitler und der Weltstaat“). Auch hier ohne eine Verurteilung, wirft er für mich völlig neue Fakten und Sichtweisen auf, die mein Bild besonders Twains, verändert haben.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die beiden anderen Erzählungen „Hopfenpflücken“ und „In einem Bergwerk“ eine faszinierende Lektüre darstellen.
Ich habe Orwell als einen erstklassigen Beobachter und Analysten kennen gelernt, welch Schatz aus der Krabbelbox!
 

lapismont

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Angela & Karlheinz Steinmüller: Andymon

Der Roman enthält die Geschichte um das Entstehen von Menschen auf einem Raumschiff, ohne Eltern, nur von Maschinen ausgebildet, getröstet, belehrt, die sich aufmachen den von unbekannten Erbauern des Schiffes ausgewählten Planeten Andymon zu besiedeln. Eine Gemeinschaft von Geschwistern, immer in Achtergruppen, mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansichten, bilden den Grundstock einer utopischen Gemeinschaft, die nur vielleicht funktioniert, aber in erster Linie dabei sein lässt.
Der Shayol-Verlag gibt die Werke der Steinmüllers in Einzelausgaben heraus. Andymon ist Band 2. Schade, dass es nicht zu einer gebundenen Ausgabe gereicht hat, verdient wäre es gewesen, zumal der Preis des Taschenbuches mit 14,90 € sehr hoch ist. Meine holzpapierne Erstausgabe von 1982 kostete 5,80 M (der DDR).
Diese hat auch das schönere Cover, die Silhouette eines männlichen Kopfes, in dem ein Planet schwebt, ist wohl das erste „moderne“ Kunstwerk, das ich mir genauer ansah. Damit kann das Cover der Neu-Ausgabe nicht mithalten. Das Bild einer Materiewolke auf Wolkenhintergrund erinnert an eine Stern-Reportage und ist leider kein Blickfang.
Andymon - welch bedeutungsvoller Name. Ein Hauch von Pathos und Liebe umweht ihn.
Ein Roman, der meine Jugend bewohnt. Der Science-Fiction Roman überhaupt, damals.
Ich war verliebt in Gamma und wollte jahrelang meine Tochter nach ihr benennen. Mein Selbstbild ist vielleicht sogar heute noch von Beth geprägt. Dieser Roman bedeutete für mich Träumen und Lieben und vor allem Gewissheit, dass es eine gute Zukunft gibt. Da kannte ich „1984“ und „Brazil“ noch nicht.
Zum wiederholten Male reparierte ich schamvoll Guro, landete mit Alfa auf der Insel, trauerte ich um Delth, überraschte mich die 4. Gruppe, wurden meine Pläne vom Schiffbau sabotiert und natürlich ist immer wieder Gamma dabei.
Sogar mehr als früher, denn der Roman wurde sorgfältig überarbeitet. So kann Gamma an Beth angelehnt nach den gelöschten Daten forschen, wird das Luftpolster zum Airbag und erst beim gezielten Nachlesen erkennt man die feinen Änderungen. Dadurch bleibt der Roman auch heute lebendig, frisch und visionär ohne mit Fernsehkameras und Schaltungen altmodisch zu wirken. Aber die Steinmüllers haben den Roman trotzdem ein Kind seiner Zeit sein lassen. Die Anführer sind Männer, gleichgeschlechtliche Beziehungen kommen nicht vor und auch die Rollen der Frauen sind gesellschaftliche Zeugnisse der Entstehungszeit des Buches.
Heute lese ich die Szenen mit Resth anders. Bespitzelung und Diktatur waren mir als Jugendlicher fremd, ich lebte ja nicht im Westen, sondern in der DDR. Dass einige Dinge andersherum liefen, zeigte Andymon nicht, aber es ist enthalten. „Wir bauen Dir später mal ein Mausoleum“ stand 1982 schon drin und der Anhang zeigt auf, warum es dort stehen konnte.
Als ich las, das dem Werk ein Nachwort angefügt wurde, stieg in mir die Erwartung, natürlich wollte ich wissen, wie dieses Buch in der DDR erscheinen konnte, das doch so anders war, als Tuschel, Kröger und Frühauf. Meine Neugierde wurde befriedigt, zum Teil Bekanntes aus ihrem Buch „Vorgriff auf das Lichte Morgen“ aufgegriffen, aber es rundet diese Werkausgabe mehr als würdig ab.

Andymon bleibt eines meiner Lieblingsbücher. Und von einem Jugendabenteuer wird es zu einer Lebensbegleitung, auch wenn keiner meiner Söhne nach einem griechischen Buchstaben benannt wurde.
Vivat Andymon!
 

lapismont

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Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre

Das Familie Next ihre Tochter Thursday nennt, mag befremden. Aber dieses wohlige Befremden hält den Leser bis zum Schluss gefangen. Für alternative Welten gibt es viele Möglichkeiten, ja selbst die Reise in ein Buch war schon da, aber der Walise Fforde zückt mit seinem Roman gleich mehrere Tricks aus der Westentasche um es gehörig knallen zu lassen.
Die Geschichte handelt von der jungen Agentin Thursday Next, die bei einer Spezialabteilung der Polizei arbeitet und sich intensiv mit Literaturfälschungen beschäftigt, denn Next lebt in einer Welt, in der Literatur wirklich wichtig ist.
Die Leute lesen und kaufen, was das Zeug hält und so ist es nicht verwunderlich, dass fiese Schurken zu rabiaten Mitteln greifen. So nutzt der Drittübelste von allen eine nette Gelegenheit und entführt erst das Manuskript von „Martin Chuzzlewit“ und dann natürlich auch das titelbestimmende „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë.
Next ist die Nächstbeste dieses böse Spiel zu beenden. Und so erfahren wir vom Krimkrieg, von einer deutschen Besetzung Englands, von der walisischen Volksrepublik und natürlich die abschließende Antwort auf die Frage nach der Urheberschaft shakespearescher Werke.
Wie Terry Pratchett in seinen besten Scheibenwelt-Romanen, ist es kaum möglich alle Pointen und Albernheiten zu inhalieren oder nachzuerzählen. Selbst wenn man nur rudimentäre Ahnungen von britischer Literatur besitzt, wird man nicht allein gelassen mit den vielen Anspielungen auf die großen Werke, deren Essenz durch den Roman wogt. Selbstironisch wird sogar die offensichtliche Parallelität zwischen Jane Eyre und ihrem Fall dem bereits nachdenklichen Leser offenbart. Die Sprache ist klar und effektvoll, jeder Figur angepasst, eine Reporterin redet BBC-like und der Schurke gibt das intelligente Genie im Stile Sherlock Holmes.
Jasper Ffordes Erstling erschien 2001 und in Großbritannien ist „The Eyre Affair“ ein Riesenerfolg. Erstaunlich, wie lange eine deutsche Veröffentlichung dauerte. Erst in diesem Jahr brachte dtv das Werk in einer überzeugenden Übersetzung von Lorenz Stern heraus und ist nun sogar schon in der Zweitauflage im Handel.
Der Deutsche Taschenbuch Verlag gönnte dem Buch ein Auftauchen in der „premium“-Ausgabe, die mit leuchtendem Rot und mit einer kleinen Zeichnung Thornfields sehr gut aussieht und überhaupt nicht auf einen amüsanten Band Science Fiction schließen lässt. Aber es würde nicht verwundern wenn nun auch „Sturmhöhe“, Martin Chuzzlewit“ und natürlich „Jane Eyre“ neue Verkaufserfolge erzielten.
Zumindest bis Ende des Jahres Band 2 in den deutschen Läden liegt.
„Der Fall Jane Eyre“ ist ein großes Amüsements, ein Buch zum Immerwiederlesen und ein hochprozentiger Cocktail der zu einer ausgelassenen Mahlzeit anregt.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ronald M. Hahn: Dämon aus der Tiefe. Maddrax Hardcover 7.

Sepp Nüsli ist einer der ersten großen Stars im Maddrax-Universum. Sein Auftritt in Heft 8 „Der schlafende König“ wurde von vielen Lesern mit amüsiertem Interesse und zunehmender Begeisterung aufgenommen. Kein Wunder also, das es zu regelmäßigen Nachfragen bezüglich eines Comebacks kam. Da aber Matthew Drax, der Held der Bastei-Heftserie Maddrax und auch niemand der Nebenfiguren in die Nähe des beliebten Spions gelangten, versprach der leitende Redakteur Michael Schönenbröcher, in zukünftigen Hardcovern den Wünschen der Fans gerecht zu werden. Inzwischen taucht Sepp aber auch wieder in der Serie auf und beherrscht Band 121.
„Dämonen aus der Tiefe“ ist nun das lange erwartete Buch mit Sepp Nüsli. Als Autor kam natürlich wie bei den Nüssli-Heften nur Ronald M. Hahn in Frage. Da er als Stammschreiber der Heftserie bis zum Hals im Hintergrund steckt, enthält das Buch alles, was zu einem zünftigen Maddrax-Abenteuer gehört, außer natürlich den Hauptfiguren, die im zeitlich parallelen Heftgeschehen ganz andere Dinge zu tun haben.
Eigentlich ist es eine Liebesgeschichte geworden. Der leicht naive Jüngling Harri von Xanten zieht aus, die schöne Komtess Amelie zu freien und stürzt auf dem Weg zu ihr nicht nur in eine Thronräubergeschichte, sondern auch in die Hände der naturgemäß mausschlauen Jutah und so nehmen Herz und Bolzer (eine Art Pistole) ihren Weg, den natürlich Sepp Nüssli kreuzt um schnellentschlossen mitzumischen.
Ronald M. Hahn schöpft aus dem Vollen. Da wird das Schicksal der katholischen Kirche beleuchtet, deren Oberhaupt gerne mal in alten Jimmy Trash (!) Büchern schmökert, mit den Yulaki führt er eine neue Monsterart ein, es tauchen ungeahnte Mutantenkräfte bei Menschen auf und es wird ein großes Fenster zum halbfeudalen Leben im Tal der Wuppoh (bekannt durch die Reste einer Hochbahn) aufgetan. Die Geschichte ist schnell und pointiert erzählt, der Höhepunkt, eine hin und herwogende Befreiungsaktion, gleicht einer alten Stummfilmkomödie und man hat seine Freude am Herumstolpern der Figuren. Der beinharte Agent und Bote Sepp leistet dabei Unmögliches und wird damit jeden Fan begeistern.
Die Bösen sind gar nicht so richtig böse, um so lieber natürlich die Guten und es sterben auch die Richtigen.
Der Zaubermond Verlag bringt die Maddrax-Hardcover in einem einheitlichen Look heraus. Der Einband selbst ist kohlrabenschwarz, der braune Schutzumschlag wird durch ein zum Buch passendes Cover von Kovecs veredelt, das thematisch zum Inhalt des Romans stimmt, jedoch keinen Hinweis auf den humorigen Charakter des Werkes gibt.

Das Buch ist eine vergnügliche und spannende Lektüre, auch für Maddrax-Unkundige leicht lesbar, alle Genrebegriffe werden erklärt, der Kontext zur Heftserie hat einen kleinen, aber angemessenen Platz und zu keiner Zeit behindert Technoblabbel das Verständnis.
 

lapismont

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Christa Wolf: Herr Wolf erwartet Gäste und bereitet für sie ein Essen vor

Folgt man den kulinarischen Betrachtungen des Herrn Wolf bekommt man ohne Zweifel einen Riesenappetit und das Gefühl, sich im Eheleben der Wolfs auszukennen. Die nur versteckt und stets indirekt eingestreuten Bemerkungen von Frau Wolf versehen die Autorin mit einer eigenartigen Schroffheit und es steht zu vermuten, dass sie hier durchaus nicht nur ihren Mann spitzbübisch beobachtet hat, so der Text tatsächlich von genau jenen Herrn und Frau Wolf erzählt.
Herr Wolf jedenfalls macht sich Gedanken um die angemessene Bewirtung seiner Gäste, die in nicht ganz so naher Zukunft zum Essen angemeldet sind. Es wird zu einem Zwiegespräch zwischen ihm und seinen Magen, nur hin und wieder in die trübe Realität von BSE und anderen Skandalen durch die bereits erwähnten Einschübe seiner Frau zurückgeholt. Dabei werden gerade diese Themen, sowie Verbindungen bis weit in die Vergangenheit des Paares, ordentlich angeschnitten und feingewürzt als Zutaten gereicht. Das Essen, mit all seinen Änderungen und Anpassungen an die Lebensumstände, wird von Herrn Wolf mit Genuss in Gedanken zubereitet, es ist eine unerschöpfliche Inspiration. Dabei sind die Gäste nur willkommener Anlass für ihn davon zu schwärmen und für sie über ihn zu schreiben. Denn eigentlich ist der kleine Text eine wunderschöne Liebeserklärung von Frau Wolf an ihren Mann.
Das großformatige Bändchen erschien bei Gerhard Wolf Janus press und enthält neben dem Coverbild sechs weitere Radierungen von Horst Hussel. Sie sind voller Details, wie die im Text beschriebenen Gerichte, und in einem flüchtigen, skizzenhaften Stil ausgeführt, deren zentrales Element eine sehr lebendig wirkende Gabel zu sein scheint.
Mit Herrn Wolf zu warten, ist ein Vergnügen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Essen endet und nicht zu vergessen: Liebe geht durch den Magen.
 

lapismont

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Marc-Alastor E.-E.: Adulator. De Joco Suae Moechae 2

Im zweiten Band der Geisterdrachen Serie zieht die Göttin Medoreigtulb bis in die kaiserliche Hauptstadt Gribathan. Nachdem sie die Rasse der Elfen fast vollständig ausgelöscht hat, sucht sie nun nach der Elfenkönigin Gvynlane Keridwen, die in Gribathan Asyl erhielt, um mit ihr finstere Pläne umzusetzen.
Der Elfendruide Frater ist im Auftrag seiner Königin nach Innocenz unterwegs, um Fürst Adulator, auch Kriecher genannt, um Hilfe zu bitten. Ein junger Scaintyst, Clacharc, der für die Unterbringung der Elfenkönigin verantwortlich ist, wird in Intrigen verstrickt und muss plötzlich um sein eigenes Leben kämpfen, während ein Pechstrenger in den Wunden seiner Vergangenheit bohrt und ein Elfengeneral nicht nur in der Liebe scheitert.
Die Hauptperson, Adulator, erhält stets nur soviel Handlungsraum, wie seine Geschichte Bestandteil des Wirkens der anderen Figuren ist. Erst am Ende des Romans werden die einzelnen Beziehungen klar und alles kondensiert auf der Person Kriechers und wird von dieser Figur absorbiert. Wie ein Gemälde werden Schicht um Schicht der verschiedensten Farbtöne auf das Bild Adulators aufgetragen und doch scheint das Werk immer noch nicht vollständig, sind weitere Pigmente notwendig. Adulator ist der mittlere Band der Kriechertrilogie. Kriecher wird wiedergeboren. Er lernt und erkennt. Sein Innen ist noch wund, noch unvollständig. Zwischen Schuld und Sühne muss er wählen, oder erkennen, wie wenig Bedeutungsvolles in seinem Handeln liegt. Im Zentrum der Selbsterkenntnis steht:
„Der Stern ist in der Wirklichkeit, nicht die Wirklichkeit in dem Stern.“ Auch eine dunkle Figur wie Kriecher braucht ein Konzept, einen Konsens mit seiner Realität.
Marc-Alastor E.-E. arbeitet mit den einzelnen Teilen seines Romans, als seien sie gleichberechtigte Puzzleteile. Das Lesen beginnt daher mit einer Verstörung, die bald einem fiebergleichen Zwang weicht, so faszinierend ist der Stil Marc-Alastors. Jedes Kapitel wird durch einleitende Zitate und einen Titel beschwert, die zu einer Interpretation des Gelesenen zwingen. „Denen man nicht die Herzen in ihre Leiber gelegt“ oder „Vom Dreck, Staube und dem Blut an des Reisigen Stiefels Nut“ sind die Kapitelkonzentrate, sie stehen auf jeder Seite und bündeln den Blick auf einen dunklen Fokus, halten den Leser fest in einer Stimmung ahnungsvollen Grauens, denn „Adulator“ ist Dark Fantasy vom Feinsten. Nicht sosehr mit Brutalität und Gewalt, sondern mit debilem Untergangsschauer und Melancholie.
Dabei unterstreicht die Verwendung altertümlicher Worte, etwa „Fährde“, „itzt“ oder „sintemal“ den legendenhaften Charakter des Romans ohne aber durch lange Verschachtelungen der Sätze unmodern zu wirken, eher im Gegenteil werden hier Worte wiederbelebt, man merkt wie notwendig dem Autor ein großer Wortschatz ist.
Die Geschichten um den Geisterdrachen M’Zaarox erschienen zuerst im Internet, wo sie auch heute noch in breiter Form erweitert und gepflegt werden (www.geisterdrache.de). Erst 2003 gelang es mit dem Blitz-Verlag, eine Buchausgabe als Serie zu veröffentlichen. Leider ist die vorliegende Ausgabe schlecht geschnitten. Zusammen mit dem durchschnittlichen Computercover wirkt das Buch daher wenig professionell. Das Cover ist mit 6 verschiedenen Schrifttypen überladen. Gerade das Serienlogo passt stilistisch überhaupt nicht dazu. Der Buchstabe „d“ in Adulator ist nicht als solcher zu erkennen, man ließt eher ein „o“. Die Innenillustration von Aran hingegen sind sehr gut und unterstreichen Stimmung und Text mit einer eigenen Interpretation.
Adulator ist keine leichte Kost, dafür aber um so nahrhafter. Dark Fantasy Fans sei der Roman unbedingt ans Herz gelegt, Marc-Alastor E.-E. führt das Genre gekonnt fort, seine Verwendung der deutschen Sprache erweitert es sogar und man kann gespannt sein, welche Wiederentdeckungen in den nächsten Texten enthalten sind.
 

lapismont

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Jules Verne: Ein Kapitän von 15 Jahren.

Eigentlich ist die Geschichte ähnlich der in „Die Kinder des Kapitän Grant“. Es gibt einen bösen Verräter, einen Verschollenen, eine getrennte Familie und den heldenhaften Jungen. Dieser Dick Sand, ein Fünfzehnjähriger wird zum Kapitän ohne Patent, als die restliche Besatzung seines Walfängers stirbt. Da die Frau und der Sohn des Eigners, nebst Kinderfrau und zerstreutem Insektenforscher sicher nach Hause zu bringen sind, übernimmt er die Verantwortung und stellt sich der Aufgabe. Verrat, Schiffbruch und Sklaverei würzen eine Reisebeschreibung durch den Dschungel Angolas und über die Weite des Ozeans. Ein typischer Jules Verne mit einigen interessanten Einblicken in die ethischen Anschauungen des Autors.
Dick Sand wird nicht als Kind, sondern als junger Mann dargestellt, was zum Teil auf das tatsächliche Verständnis für das Ende der Kindheit im 19. Jahrhundert zurückzuführen ist.
Die Alterskategorie der Jugend selbst ist ein Begriff der Aufklärung, es ist die Zeit der Ausbildung, die im 19. Jahrhundert eine neue Ausrichtung erfährt, so weist das Vernsche Anliegen im Kapitän von 15 Jahren auf die Bildungstheorien Wilhelm von Humboldts hin.
„Drei Jahre später, als der kleine Jack acht Jahre alt war, wiederholte Dick Sand mit ihm die Lektionen als gestrenger und eifriger Lehrer. <..>
>> Ja gewiß <<, wiederholte er häufig, >>hätte ich an Bord der >Pilgrim< alles das gewußt, was ein Seemann wissen muß, wieviel Unglück wäre uns erspart geblieben! <<“ (1)
Damit erhält Jack (der Sohn des Eigners) Wissen, deren Nutzen für ihn über die Bedeutung einer Allgemeinbildung erklärt wird.
„ Während Vetter Benedict so auf seine Weise arbeitete ließ Mrs. Weldon den kleinen Jack auch keineswegs ohne Beschäftigung: Sie lehrte ihn lesen und schreiben. Von der Rechenkunst brachte ihm Dick Sand die ersten Anfangsgründe bei.“ (2)
Eine Schule im heutigen Sinne gab es ja noch nicht, aber diese Sitzungen an Bord der „Pilgrim“ sind eine Vision der allgemein bildenden Schule.
Auch der Begriff der Pubertät ist fernab jeder sexuellen Aufklärung als Kennzeichnung einer wichtigen Phase der Kindheit unbekannt. Insofern war es nicht wichtig, geschlechtsreif, sondern vielmehr im heiratsfähigen Alter zu sein. Später im wehrpflichtigen. Als Grande Nation brachte die Wehrpflicht dem bevölkerungsreichen Frankreich das größte stehende Heer Europas. Dick Sand muss hier also sämtliche Fähigkeiten und Talente offenbaren, die einem männlichen Staatsbürger zur Tugend gereichen. Ungeschliffen, aber bereits vom Kern her ein Juwel.
Eine weitere interessante Beobachtung in diesem Roman betrifft die Rolle der Frau. Mrs. Weldon ist in erster Linie Mutter und sorgt sich beständig um ihren Sohn Jack, später richten sich ihre Gedanken auf mögliche Gefahren, die ihrem Mann bei der Lösegeldübergabe widerfahren können. Über ihr eigenes Schicksal macht sie sich keine Gedanken. Selbstredend, dass sie auch von den brutalsten Verbrechern zuvorkommend behandelt wird. Sie entspricht damit dem Ideal einer bürgerlichen Frau. Das Verne tatsächlich nur diesen Frauen Unverletzlichkeit und Majestät zubilligt zeigt sich am deutlichsten in einer kleinen Episode mitten im Dschungel:
„Es ging sogar so weit, daß sie zuweilen haltzumachen gezwungen waren, da auch Mrs Weldon fast bis zum Knie im Schlamm versank. Herkules, Bat und Austin wollten ihr alle weiteren Unannehmlichkeiten und Mühsale des Weges durch diese sumpfige Ebene ersparen, und fertigten eine Trage aus Bambusrohr, auf der sie Platz nehmen mußte.“(3)
Die drei kommen überhaupt nicht auf den Gedanken, für die alte Kinderfrau Nan, eine Schwarze, ebenfalls eine Trage zu bauen! Jules Verne ist sich seiner Ressentiments gegenüber den Schwarzen vielleicht nicht recht bewusst, immerhin ist der Roman eine Anklage der Sklaverei, jedoch schreibt er von den fünf schwarzen Schiffsbrüchigen die Dick Sand unterstützen, stets als Neger, obwohl es doch Amerikaner wie Dick Sand oder Mrs. Weldon sind.
In der Namensgebung wird das noch unterstützt. Sowenig wie Mrs Weldon einen Vornamen besitzt, haben die Schwarzen Nachnamen. Für die Beschreibung des Waisen Dick ist es dem Autor aber wichtig zu schreiben:
„Den Zunamen Sand erhielt er zur Erinnerung an die Stelle, auf der er gefunden wurde, nämlich an der Spitze von Sandy- Hook,...“ (4)
Die Geschichte spielt 1873, also zu einer Zeit, da jeder frei geborene Amerikaner über Vor- und Zunamen verfügte, Jules Verne macht hier also kleine, aber feine Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß.
Meine Ausgabe des „Ein Kapitän von 15 Jahren“ verfügt über wunderbare Illustrationen von Werner Ruhner. Sie sind in Grün- und Grautönen koloriert und bebildern die Handlung mit düsteren und sehr detaillierten Szenen.
Keines der berühmten Meilensteine der phantastischen Literatur ist „Ein Kapitän von 15 Jahren“ aber ein interessanter und lesenswerter Roman aus der Hand eines großen Routiniers.
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(1) Jules Verne: Ein Kapitän von 15 Jahren, Neues Leben Berlin, 5. Aufl. 1983, S. 294f
(2) a.a.O. S. 40
(3) a.a.O. S 183
(4) a.a.O. S.15
 
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