Jules Verne: Zwei Jahre Ferien
Dieser Abenteuerroman bündelt wohl am deutlichsten die Theorien der Aufklärung. Fast meinte man Rousseaus „Emile“ neu zu lesen. Verne bedient sich hier der in den einzelnen Büchern beschriebenen Phasen der Erziehung. Er lässt die fünfzehn gestrandeten Kinder Erfahrungen aus Beobachtungen sammeln, Wissen anwenden und weitergeben, durch Arbeitsteilung Erfolg haben, Streit und Arroganz zum Misserfolg führen.
Interessanter Weise greift Verne englische Erziehungsmethoden auf(1), immerhin stammen die Jungen ja aus einem britischen Pensionat Neuseelands, das damals noch britische Kronkolonie war. Das englische Bürgertum hatte mit John Locke (1632 - 1704) einen Erziehungstheoretiker, dessen Lehren zwar zunächst nicht angewandt wurden, die aber sehr wohl zu den Voraussetzungen von Rousseau und Leibnitz gehörten und so schlussendlich doch Einzug im britischen Empire hielten, da Locke deutlich englische Befindlichkeiten, besonders in religiöser Richtung, in seine Schulordnung einfließen ließ, besonders die Wissenserarbeitung durch empirische Forschung geht auf ihn zurück. Ein weiterer wichtiger Brite für den ethischen Hintergrund des Romans dürfte der Philosoph Herbert Spencer (1820 - 1903) sein, der nicht nur den Begriff Survival of the fittest (Überleben des Angepasstesten) prägte sondern auch dem Freiheitsbegriff jegliche Grenzen nahm aus diese, das nicht in die Freiheit eines anderen Menschen eingegriffen werden dürfe.
Insofern versucht Verne mit der Insel Chairham nicht nur eine Gesellschaft im Kleinen zu replizieren, er formt auch ein Stück Utopie, mit der bereits dargestellten Einschränkung, daß der der schwarze Schiffsjunge, eigentlich als einzig übriggebliebenes Besatzungsmitglied zum Aufseher seiner Passagiere prädestiniert, aufgrund seiner Hautfarbe und obwohl ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft ist, von den Kindern rechtlich diskriminiert wird.
So wird die Wahl zum Oberhaupt der kleinen Gemeinschaft Schiffbrüchiger kommentiert mit:
„Wer die meisten Stimmen hatte, war gewählt. Da die Kolonie aus vierzehn Mitgliedern bestand – Moko als Neger wurde kein Stimmrecht zugestanden -, war gewählt, wer mehr als sieben Stimmen auf sich zu vereinigen vermochte.“(2) Außerdem ist er der einzige, der in der Speisekammer und somit allein schläft.
Moko ist ausschließlich Koch, mehr billigt der Autor ihm nicht zu. Vielleicht entsprach er hier auch nur den gesellschaftlichen Erwartungen seiner Leser, ein Freiheitskämpfer war Jules Verne sicherlich nicht, aber er befasste sich durchaus kritisch mit dem Aufbau der Welt.
Dazu gibt Verne Vertreter dreier großer Staaten in den sozialen Schmelztiegel. Gordon, der pragmatische und vermittelnde Amerikaner, die Franzosenbrüder Jacques und Briant, der eine Schuld am Unglück und der andere temperamentvoll und mit ständigem Führungsanspruch und natürlich jede Menge Briten, geführt von einem sich aristokratisch gebenden Jungen Namens Doniphan. Die große Weltpolitik auf wenigen Hektar Land mitten im Stillen Ozean.
Und natürlich ist „Zwei Jahre Ferien“ eine urtypische Robinsonade.
So, wie Rousseaus Emile den Robinson Crusoe von Daniel Defoe (1660 – 1731) liest, ist er, bzw. sein reales Vorbild Alexander Selkirk, den Kindern bei Verne bekannt:
„Verfolgte man nun den Weg von Auckland bis zur Westküste Amerikas, so lag nördlich dieser Linie und jenseits der Pomotuinseln nichts als die Osterinsel und die Insel Juan Fernandez, auf der Selkirk – Defeos Robinson – einen Teil seines Lebens zugebracht hatte.“(3)
Zu den späten Werken Jules Vernes gehörend, ist „Zwei Jahre Ferien“ ein tiefgründiger Jugendroman, der seine Spannung nicht allein aus dem Robinson-Szenario zieht, sondern auch einige Denkanstöße bereithält, in wie weit man selbst in der Lage ist, einer Gemeinschaft das zurückzugeben, das man von ihr erhält.
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(1) Jules Verne: Zwei Jahre Ferien, Neues Leben Berlin, 1. Auflage 1979, S. 99
(2) Verne - Ferien a.a.O., S. 150
(3) Verne - Ferien a.a.O., S. 43
Dieser Abenteuerroman bündelt wohl am deutlichsten die Theorien der Aufklärung. Fast meinte man Rousseaus „Emile“ neu zu lesen. Verne bedient sich hier der in den einzelnen Büchern beschriebenen Phasen der Erziehung. Er lässt die fünfzehn gestrandeten Kinder Erfahrungen aus Beobachtungen sammeln, Wissen anwenden und weitergeben, durch Arbeitsteilung Erfolg haben, Streit und Arroganz zum Misserfolg führen.
Interessanter Weise greift Verne englische Erziehungsmethoden auf(1), immerhin stammen die Jungen ja aus einem britischen Pensionat Neuseelands, das damals noch britische Kronkolonie war. Das englische Bürgertum hatte mit John Locke (1632 - 1704) einen Erziehungstheoretiker, dessen Lehren zwar zunächst nicht angewandt wurden, die aber sehr wohl zu den Voraussetzungen von Rousseau und Leibnitz gehörten und so schlussendlich doch Einzug im britischen Empire hielten, da Locke deutlich englische Befindlichkeiten, besonders in religiöser Richtung, in seine Schulordnung einfließen ließ, besonders die Wissenserarbeitung durch empirische Forschung geht auf ihn zurück. Ein weiterer wichtiger Brite für den ethischen Hintergrund des Romans dürfte der Philosoph Herbert Spencer (1820 - 1903) sein, der nicht nur den Begriff Survival of the fittest (Überleben des Angepasstesten) prägte sondern auch dem Freiheitsbegriff jegliche Grenzen nahm aus diese, das nicht in die Freiheit eines anderen Menschen eingegriffen werden dürfe.
Insofern versucht Verne mit der Insel Chairham nicht nur eine Gesellschaft im Kleinen zu replizieren, er formt auch ein Stück Utopie, mit der bereits dargestellten Einschränkung, daß der der schwarze Schiffsjunge, eigentlich als einzig übriggebliebenes Besatzungsmitglied zum Aufseher seiner Passagiere prädestiniert, aufgrund seiner Hautfarbe und obwohl ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft ist, von den Kindern rechtlich diskriminiert wird.
So wird die Wahl zum Oberhaupt der kleinen Gemeinschaft Schiffbrüchiger kommentiert mit:
„Wer die meisten Stimmen hatte, war gewählt. Da die Kolonie aus vierzehn Mitgliedern bestand – Moko als Neger wurde kein Stimmrecht zugestanden -, war gewählt, wer mehr als sieben Stimmen auf sich zu vereinigen vermochte.“(2) Außerdem ist er der einzige, der in der Speisekammer und somit allein schläft.
Moko ist ausschließlich Koch, mehr billigt der Autor ihm nicht zu. Vielleicht entsprach er hier auch nur den gesellschaftlichen Erwartungen seiner Leser, ein Freiheitskämpfer war Jules Verne sicherlich nicht, aber er befasste sich durchaus kritisch mit dem Aufbau der Welt.
Dazu gibt Verne Vertreter dreier großer Staaten in den sozialen Schmelztiegel. Gordon, der pragmatische und vermittelnde Amerikaner, die Franzosenbrüder Jacques und Briant, der eine Schuld am Unglück und der andere temperamentvoll und mit ständigem Führungsanspruch und natürlich jede Menge Briten, geführt von einem sich aristokratisch gebenden Jungen Namens Doniphan. Die große Weltpolitik auf wenigen Hektar Land mitten im Stillen Ozean.
Und natürlich ist „Zwei Jahre Ferien“ eine urtypische Robinsonade.
So, wie Rousseaus Emile den Robinson Crusoe von Daniel Defoe (1660 – 1731) liest, ist er, bzw. sein reales Vorbild Alexander Selkirk, den Kindern bei Verne bekannt:
„Verfolgte man nun den Weg von Auckland bis zur Westküste Amerikas, so lag nördlich dieser Linie und jenseits der Pomotuinseln nichts als die Osterinsel und die Insel Juan Fernandez, auf der Selkirk – Defeos Robinson – einen Teil seines Lebens zugebracht hatte.“(3)
Zu den späten Werken Jules Vernes gehörend, ist „Zwei Jahre Ferien“ ein tiefgründiger Jugendroman, der seine Spannung nicht allein aus dem Robinson-Szenario zieht, sondern auch einige Denkanstöße bereithält, in wie weit man selbst in der Lage ist, einer Gemeinschaft das zurückzugeben, das man von ihr erhält.
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(1) Jules Verne: Zwei Jahre Ferien, Neues Leben Berlin, 1. Auflage 1979, S. 99
(2) Verne - Ferien a.a.O., S. 150
(3) Verne - Ferien a.a.O., S. 43