Klappern und seine Funktion

James Blond

Mitglied
Lieber hansz,

wir sollte hier besser nicht über asklepiadeische Strophen sprechen, denn das führt uns in eine vergangene Welt jenseits altgermanischer Betonungen. Ich denke zwar, dass auch der antike Humus zur Düngung (bzw. Auffrischung) unserer Sprachböden geeignet sein kann, möchte aber hier - Ode wem Ode gebührt - nicht den Kontakt zum Umgangssprachlichen ganz verlieren.

Doch was das "Leiern" anbelangt, so denke ich auch, dass es der metrischen Lyrik immanent ist, ungeachtet, welche Wörter man zu welchem Metrum zusammenfügt. Die etymologische Herkunft der "Leier" zur "Lyra" ist wohl unbestritten, doch erfolgte recht bald die Übertragung vom gezupften (also nicht leiernden) Saiteninstrument zum gedrehten: Die Leier wurde zur Kurbel und damit zum Sinnbild einer monotonen Singsangbegleitung.

Merkwürdigerweise wird ein ostinater Beat in der Populärmusik, sei es nun Rock, Pop, Metal, HipHop, etc. geschätzt - mehr noch: er ist geradezu stilbildend für viele Richtungen, wohingegen "nervöses" (weil triolisches) Jazzschlagzeug nur von sehr wenigen Liebhabern goutiert wird. Auch hier könnte man erwarten, dass derart stumpfsinniges Gestampfe auf die Dauer den Hörer und auch die Tänzer langweilt. Dem ist aber nicht so und so zeigen sich in Nordeuropa und Nordamerika die wenigsten den lateinamerikanischen Rhythmen gewachsen.

Es sind eben unsere Hörgewohnheiten, deren Missachtung einen Ausdruckstransport blockieren kann. Die Lyrik "erreicht" uns am ehesten, wenn ein vorhandenes Sprachgefühl angesprochen wird. Emotionen, Subjektivität, Individualität und Lebendigkeit sollten innerhalb unserer gewohnten Sprachwelt formuliert und vorgetragen werden. Sprachlich Befremdendes schafft eine Kluft, die nur ein geschulter Hörer zu überbrücken versteht.

Grüße
JB
 

mondnein

Mitglied
Ja, James,

Doch was das "Leiern" anbelangt, so denke ich auch, dass es der metrischen Lyrik immanent ist, ungeachtet, welche Wörter man zu welchem Metrum zusammenfügt.
das trifft genau ins Schwarze, in den Mittelpunkt der Zielscheibe, in die ich meine Pfeile geschossen habe. Ich wollte nur weg von dem Peiorativ des aller metrischen Lyrik vorzuwerfenden "Leierns" und "Klapperns".
Soweit genug, landet wohl in der Übereinstimmung aller hier Mitlesenden. (Was will man mehr?)

Sprachlich Befremdendes schafft eine Kluft, die nur ein geschulter Hörer zu überbrücken versteht.
Ja, lieber James, das trifft natürlich mich mit meinen Befremdungs-Spielen. Hast Du schon meinen "puruscha tausendmundig" gelesen? Ich vermute, Du wirst entsetzt sein.

grusz, hansz
 

sufnus

Mitglied
Wir brauchen einen gesonderten Klapper-und-Leier-Thread! (aufmerksames Lauschen, ob nun wohl ein vielstimmiges Aufstöhnen ertönt)
...
Hier trau ich mich jedenfalls nicht mehr so recht, das diskursive Imkreisdrehspiel noch weiter anzukurbeln (-leiern?). Man könnte sich dem Vorwurf der fortgesetzten Offtopiziosität ausgesetzt sehen. ;)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Jetzt trau ich mich wieder! :)
Ganz lieben Dank an James für die Weitverfolgung der Abtrennungsidee und Bernd für die minimalinvasive Thread-Spaltung. :)

Nach meiner Wahrnehmung haben wir jetzt unterschiedliche Bedeutungsangebote für die Bezeichung "Klappern" und/oder "Leiern".

Ich finde dabei Deinen Hinweis James, dass das "Leiern" ja etymologisch mit der Lyra zusammenhängt und somit dem Gedicht eigentlich qua Benamsung schon immer innewohnen müsste, wirklich verblüffend - das ist eine coole Beobachtung! :)

… ich sortiere den Wortstammbaum von der Lyra über die Leier zum Leiern für mich persönlich aber nichtsdestotrotz als (weitgehend ;) ) puren Zufall ein, weil die von mir präferierte Definition von "Leiern" tatsächlich rein pejorativ ist und sich auf einen monotonen oder ggf. auch mal übertrieben skandierenden Vortragsstil bezieht. Hingegen ist meine Lieblings-Definition von "Klappern" unabhängig vom Vortragsstil und bezieht sich nur auf den geschriebenen Text und da auf die Versfuß-Struktur.
Was ich wiederum weder mit Leiern noch mit Klappern bezeichne, das ist das Vorhandensein eines gleichmäßigen Metrums. Dieses kann durchaus gegeben sein, ohne dass es beim Vortrag leiert oder im geschriebenen Text klappert.

Wenn man aber für diese beiden Begriffe des Leierns oder Klapperns eine ganz andere Definition benutzt, dann gilt oben von mir Gesagtes nicht unbedingt.
Ich kenn allerdings keine Expert*innen im Feld der Lyrik, die Klappern oder Leiern als neutrale Begriffe benutzen; ich kenne es immer nur als etwas Negatives.

Irgendwo (ich müsste jetzt ganz schön suchen, um eine Quelle herbeizuzitieren) hatte ich mal etwas gelesen, wonach die Verwendung eines nicht völlig regelmäßigen Metrums dabei helfen könnte, einen "klappernden Rhythmus" zu vermeiden. Das wäre so ein Angebot für eine alternative Benutzung des Wortes "Klappern" (allerdings immer noch in einem abwertenden Sinn), die mit meinen bisherigen Ausführungen kollidieren würde. Allerdings würde eine solche Definition zumindest in Verbindung mit einem negativen Einfärbung des Wortes "Klappern" bedeuten, dass alle metrisch regelmäßigen Gedichte immer auch "klapprig" sind. Und ich finde, eine solche Abwertung metrisch gleichmäßiger Dichtung schon ein starkes Stück. Davon würde ich mich wirklich stark distanzieren wollen. Ich mag (auch) metrisch gleichmäßig gestaltete Gedichte sehr und zwar nicht nur im Bereich der komischen Lyrik sondern auch bei ernsten Themen. :)

LG!

S.
 

seefeldmaren

Mitglied
ich würde ja gerne was dazu schreiben, aber ich muss mir eingestehen, dass ich keine ahnung habe, wenn ich so in die runde blicke.
so viel bildung und ich stehe da wie eine nacktschnecke.

mit klappern verbinde ich eine kleine metallkugel in einer holzspielzeugdose, durch diese wasser fließt und das wasser schmeckt nach nacht.
geld in einer dose ist zu grell.
aber was war die ausgangsfrage? achja, poetische kategorie. ich hab da mal eben gegoogelt und da kommen begriffe wie konsonanz und ideophon

wenn die frage sich danach richtet die lyrische qualität eines wortes einzuordnen, so gibt es sicherlich bessere worte als klappern selbst - wobei der kunstauftrag dahinter
ja noch entscheidend ist, ein

"klappern" gedicht klap
per re palk a pplapper
pp
per
klapp
klaer
klapp"

funktioniert aus sprachartistischer sicht wohl besser als das wort "klappern" selbst.
in der poesie verprügelt man niemanden mit umgedrehten bratpfannen "pp".
 

James Blond

Mitglied
Hingegen ist meine Lieblings-Definition von "Klappern" unabhängig vom Vortragsstil und bezieht sich nur auf den geschriebenen Text und da auf die Versfuß-Struktur.
Tja, lieber sufnus,

ich fürchte beinah, du stehst mit deiner lyrischen Klapperschlange nun ziemlich allein und auch heineverlassen auf poetischer Flur. ;)

Da allen übrigen Beteiligten zu "Klappern" nur phonetische Bezüge (eines Vortrags) einfallen (incl. @seefedmaren, die sich nun dankenswerter Weise beteiligt), du aber die geschriebene Versfuß-Struktur im Blick hast, auf die sich Wortkoinzidenzen negativ auswirken, würde ich zunächst vorschlagen, den offensichtlich irreführenden (weil übertragenen) Begriff gegen einen treffenderen auszutauschen.

Mir fällt zudem auf, dass du mit ausschließenden Aussagen, was Klappern alles nicht bedeutet oder was alles nicht klappert, recht schnell bei der Hand bist, wohingegen du eine eingehendere Beschreibung, worin sich das Störende (bzw. das Negative) einer solchen Wort-Metrums-Koinzidenz bereits beim Lesen äußert, bisher schuldig bleibst. Lass uns doch bitte teilhaben an deinem ästhetischen Empfinden. :)

Auch gehst du nicht auf die genannten Argumente ein, welche diese Koinzidenztheorie ins Klappern, sorry: ins Wackeln bringen:
  • metrische Willkür: Auftaktige Silben am Versbeginn konkurrieren mit unbetont ansetzenden Versfüßen und setzen dadurch Wortkoinzidenzen in/außer Kraft
  • orthografische Regeln: fügen Worte zusammen oder trennen sie auf und setzen dadurch Wortkoinzidenzen in/außer Kraft
  • Verse aus einsilbigen Worte wären danach grundsätzlich zu vermeiden

Ich hab hier mal ein Wort,
das klappt wie ich beim Sport:
zusammen!

Das Mahl war stets mein Ziel
Zu viel von dem Zuviel.


Grüße
JB
 

sufnus

Mitglied
Hey James!
Ich geh ja noch ein! Keine Sorge!
Aber ich muss noch ein bisschen Anlauf nehmen - in meinen Telegramm-artig kurzen Bisherbeiträgen konnt ich die Klappertheorie natürlich noch nicht in der nötigen Breite entfalten.
Scherz.
Mir fehlte vorhin etwas die Zeit und der Zugriff auf mein Bücherregal. Kommt also noch! :)
LG!
S.
 



 
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