zeitistsein
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Wie weiss man das Verfallsdatum von Ideen?
Zugegeben: Einfach herauszufinden ist das nicht.
Und doch gibt es Indikatoren.
Hat sich zum Beispiel der Computer eingebürgert, erübrigt sich doch das Schreiben mit Schreibmaschine. Oder?
Natürlich hat die Schreibmaschine einen ganz anderen Charme als der Compi. Man spürt das Vergehen der Zeit ganz anders, muss vielleicht mal mehrere Blätter von der Walze reissen und sie zerknüllt in den Papierkorb werfen. Die dabei vorhandene Sinnlichkeit ersetzt das virtuelle Schreiben bei Weitem nicht, so viel ist klar.
Aber das sollte ja nur ein Beispiel sein, mit dem ich heute meine Bekannte S. konfrontiert habe.
Sie wollte das nicht einsehen. Sie hält sich für hartnäckig und beharrlich, ich finde sie stur und kindisch. Loslassen gehört zum Erwachsensein dazu, wollte ich ihr beibringen. Aber sie meint nein, nein und nochmal nein. Wie ein verzogenes Kind eben.
Worum es geht: Um das ganz grosse Werk. Die lange erwartete Botschaft an die Welt, die S., wie sie meint, schon längst geschrieben hätte, wären da nicht die Störfaktoren gewesen, an denen natürlich die ganze Welt, Gott inklusive, Schuld ist.
Jetzt will sie es nochmal mit dem Buch versuchen. Und sie weiss auch wie. Da ist nämlich ein Verlag...bla, bla, bla.
Ich höre regungslos zu und trauere innerlich, wie ein Mensch sich da vergeblich an etwas längst Vergangenem abarbeitet. Wie eine Maus, die aus einem Wasserkübel herauszuklettern versucht - so kommt mir S. vor. Immer wieder gleitet sie hinab, ihre Bemühungen enden im Nichts.
Ich möchte ihr sagen, dass sie es doch sein lassen soll. Dass sie sich eine erneute Enttäuschung einhandeln wird. Dass ihr Buch nicht publiziert wird.
Aber wer bin ich, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen? Darf ich das überhaupt?
Insgeheim scheint sie am Erfolg ihres Vorhabens zu zweifeln, sonst würde sie mir nicht ständig davon erzählen, ohne es endlich in die Tat umzusetzen.
Wieso sollte man meine Sachen nicht publizieren?, fragte sie neulich.
Ja, wieso eigentlich?, habe ich daraufhin laut nachgedacht.
Die Gründe liegen eigentlich auf der Hand: Du bist raus aus dem Kuchen. Nicht mal ein Hans Saner, der von der Akademie ausgegrenzt wurde, hatte es leicht, sein Schrifttum an den Mann und die Frau zu bringen.
Es gab damals kein Selfpublishing -ja, geschenkt! -, aber mir geht's ums Prinzip.
Um in der akademischen Welt wahr-, geschweige denn ernstgenommen zu werden, muss man dazugehören. Das System zeichnet sich durch Endogamie aus.
Die Theorien und Methoden haben sich weiterentwickelt; die Gespräche sind weitergegangen, es ändern sich die ungeschriebenen Gesetze darüber, was sich gehört und was nicht. Wer aus dem Elfenbeinturm raus ist, kriegt von alledem nichts mit und tritt unweigerlich in Fettnäpfchen. Die ganze Liebesmüh, die für so eine Publikation draufgeht - alles verloren! Zurück bleibt ein gebrochenes Herz.
Aber S. will davon nichts wissen. Sie hält sich für das unerkannte Genie der Germanistik und ist fest entschlossen, einen neuen Anlauf zu starten.
Worüber willst du überhaupt schreiben?
Mir wird schon was einfallen, meinte sie und zeigte auf die Verlags-Webseite, wo an vorderster Front ein ganzer Rattenschwanz von Koryphäen aus dem Fach erscheint. Für S. sind sie ihr künftiges Publikum, dem sie zeigen will, was sie drauf hat, für mich erscheinen sie als Mauer, die Eindringlinge abwimmeln soll.
Ich wünsche S. Glück, das Glück des Loslassens und des rechtzeitigen Umkehrens, bevor sie, einmal mehr, gegen die Mauer prallt.
Zugegeben: Einfach herauszufinden ist das nicht.
Und doch gibt es Indikatoren.
Hat sich zum Beispiel der Computer eingebürgert, erübrigt sich doch das Schreiben mit Schreibmaschine. Oder?
Natürlich hat die Schreibmaschine einen ganz anderen Charme als der Compi. Man spürt das Vergehen der Zeit ganz anders, muss vielleicht mal mehrere Blätter von der Walze reissen und sie zerknüllt in den Papierkorb werfen. Die dabei vorhandene Sinnlichkeit ersetzt das virtuelle Schreiben bei Weitem nicht, so viel ist klar.
Aber das sollte ja nur ein Beispiel sein, mit dem ich heute meine Bekannte S. konfrontiert habe.
Sie wollte das nicht einsehen. Sie hält sich für hartnäckig und beharrlich, ich finde sie stur und kindisch. Loslassen gehört zum Erwachsensein dazu, wollte ich ihr beibringen. Aber sie meint nein, nein und nochmal nein. Wie ein verzogenes Kind eben.
Worum es geht: Um das ganz grosse Werk. Die lange erwartete Botschaft an die Welt, die S., wie sie meint, schon längst geschrieben hätte, wären da nicht die Störfaktoren gewesen, an denen natürlich die ganze Welt, Gott inklusive, Schuld ist.
Jetzt will sie es nochmal mit dem Buch versuchen. Und sie weiss auch wie. Da ist nämlich ein Verlag...bla, bla, bla.
Ich höre regungslos zu und trauere innerlich, wie ein Mensch sich da vergeblich an etwas längst Vergangenem abarbeitet. Wie eine Maus, die aus einem Wasserkübel herauszuklettern versucht - so kommt mir S. vor. Immer wieder gleitet sie hinab, ihre Bemühungen enden im Nichts.
Ich möchte ihr sagen, dass sie es doch sein lassen soll. Dass sie sich eine erneute Enttäuschung einhandeln wird. Dass ihr Buch nicht publiziert wird.
Aber wer bin ich, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen? Darf ich das überhaupt?
Insgeheim scheint sie am Erfolg ihres Vorhabens zu zweifeln, sonst würde sie mir nicht ständig davon erzählen, ohne es endlich in die Tat umzusetzen.
Wieso sollte man meine Sachen nicht publizieren?, fragte sie neulich.
Ja, wieso eigentlich?, habe ich daraufhin laut nachgedacht.
Die Gründe liegen eigentlich auf der Hand: Du bist raus aus dem Kuchen. Nicht mal ein Hans Saner, der von der Akademie ausgegrenzt wurde, hatte es leicht, sein Schrifttum an den Mann und die Frau zu bringen.
Es gab damals kein Selfpublishing -ja, geschenkt! -, aber mir geht's ums Prinzip.
Um in der akademischen Welt wahr-, geschweige denn ernstgenommen zu werden, muss man dazugehören. Das System zeichnet sich durch Endogamie aus.
Die Theorien und Methoden haben sich weiterentwickelt; die Gespräche sind weitergegangen, es ändern sich die ungeschriebenen Gesetze darüber, was sich gehört und was nicht. Wer aus dem Elfenbeinturm raus ist, kriegt von alledem nichts mit und tritt unweigerlich in Fettnäpfchen. Die ganze Liebesmüh, die für so eine Publikation draufgeht - alles verloren! Zurück bleibt ein gebrochenes Herz.
Aber S. will davon nichts wissen. Sie hält sich für das unerkannte Genie der Germanistik und ist fest entschlossen, einen neuen Anlauf zu starten.
Worüber willst du überhaupt schreiben?
Mir wird schon was einfallen, meinte sie und zeigte auf die Verlags-Webseite, wo an vorderster Front ein ganzer Rattenschwanz von Koryphäen aus dem Fach erscheint. Für S. sind sie ihr künftiges Publikum, dem sie zeigen will, was sie drauf hat, für mich erscheinen sie als Mauer, die Eindringlinge abwimmeln soll.
Ich wünsche S. Glück, das Glück des Loslassens und des rechtzeitigen Umkehrens, bevor sie, einmal mehr, gegen die Mauer prallt.
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