letzter politischer Gedanke

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wiesner

Mitglied
Leider ist der Selbstanfang nicht auch schon das Ende dieses Frevels, es geht weiter, weiter ...

Danke, trivial, für dieses Aufgreifen!

Gruß
Béla
 

trivial

Mitglied
Lieber Béla,
danke für Deine Worte. Als ich mich vor einigen Wochen mit Deinen Gedichten "frieden kriegen" und "Steinargumente" beschäftigte schrieb ich dies. Nicht direkt darauf bezogen, aber indirekt hängt es damit zusammen.
Als ich jetzt "Mein Vater war kein Mörder" von Dichter Erdling las, kam es mir wieder in den Sinn.

Liebe Grüße
R
 

lietzensee

Mitglied
Hallo trivial,
der Text wäre für mich reizvoller, wenn er es sich selbst etwas schwerer machen würde. Wenn es keinen einzigen Grund gibt, warum morden Menschen dann?

Viele Grüße
lietzensee
 
Hat mir gleich gut gefallen – noch ehe ich den Querverweis auf meinen Text bemerkt hatte. Schöne Gedanken.

Es grüßt dich mit zustimmend nickendem Kopf:

Erdling
 

mondnein

Mitglied
Wer ihn dennoch findet
soll ihn auf
alle Menschen anwenden
und fange vielleicht bei
sich selbst an
Da der Vers, liebe trivial,

logisch konstruiert ist und die Begründung für einen zum Vorschlag abgeschwächten Imperativs geben will, darf der Leser gewiß mit einem ersten Blick und vielleicht dann auch mit einem zweiten, genaueren, hinschauen. Man will die thematische Prämisse und die logische Schlußfolgerung ja verstehen, um dem Befehl gehorsam Folge zu leisten.

Also angenommen, ich fände einen Grund, denjenigen, der mich töten will, selbst zu töten, oder ein Attentat auf den Feind unserer auswägend vermittelten Freiheit, der die Waage umkippen will, zu planen. - der sollte dann alle Menschen töten, als ob die alle ihn töten wollten? und seine Attentats-Planungen vergessen, da er die Opfer des Diktators durch weißderhimmerwasfür einen Kollateralschaden gleich mittötet?

Nein, das sehe ich in dieser Absolutheit und Kürze noch nicht. Schlüsse vom Einzelnen auf das Allgemeine benötigen noch eine Prämisse, die diese Allgemeinheit vermittelt. Du (bzw. Dein lyrisches Ich mit seinem Imperativ) müßtest aufzeigen, inwiefern ich dadurch, daß ich meinen Feind töte, gleich alle Menschen mittöte.

Ich denke, das ließe sich so erwägen: Der andere, den ich aus moralischen Gründen töten will oder situationsbedingt töten muß, ist gerade in der Intimität, mit der er sich selbst als "Ich" bezeichnet, mit mir im Grunde identisch, so wie auch ich selbst mit ihm, dem scheinbar absolut Fremden, absolut identisch bin, vgl. https://www.leselupe.de/beitrag/die-moebiusbandige-schlange-im-baum-der-erkenntnis-distichen-161414/
Sodaß ich gerade dann, wenn ich mich selbst entleibe, die ganze Menschheit, insbesondere die mir fremdesten, feindlichsten, disparatesten unverständlichsten Unmenschen, mit einem Schuß in den Hades schicke.

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

trivial

Mitglied
Lieber lietzensee,
vielleicht geht es darum, ob eine Tat ihre Rechtfertigung aus sich selbst ziehen kann oder ob es ein übergeordnetes Prinzip gibt, geben kann, geben muss. Auch wenn mir eine deterministische Sicht schlüssig scheint, scheint mir die Notwendigkeit eines als ob, als unumgänglich, um es nachträglich dort zu finden, wo es vorher nicht zu finden war...

Wie auch immer, ich verheddere mich schon wieder.

Liebe Dichter Erdling,
danke für Deine Worte und zustimmenden Gruß.

Liebe Grüße
R
 

trivial

Mitglied
Liebe Charlotte,
da ich es mehr im Affekt schrieb, ist es wohl mehr Intention, als dass es philosophisch Konsistent wäre. Dementsprechend habe ich darüber nicht nachgedacht, aber wenn ich es jetzt spontan mache, dann würde ich sagen, dass jede Tötung, bei der man sich hätte dagegen entscheiden können Ermordung ist.

...den Betroffenen ist die Differenzierung wohl eher egal... der Text dagegen unterscheidet wahrscheinlich schon, da er eine Absicht impliziert...

Würdest Du einen Unterschied sehen?

Liebe Grüße
R
 
Zuletzt bearbeitet:
naja, das klassische beispiel ist der tyrannenmord, der keiner ist. zumindest juristisch nicht. und ja, mir fallen beispiele ein.
was nicht heißt, dass ich es gut finde. es ist immer ultima ratio.
 

trivial

Mitglied
Komischerweise war es unter anderem dieser Tyrannenmord, an den ich dachte als ich es schrieb. Ich finde dies kann auch nicht die letzte Lösung sein, ...dann würde sich vielleicht auch, wie beim Fleischkonsum, die Frage stellen, ob man bereit wäre, die Tat selbst zu vollstrecken.
 

Ubertas

Mitglied
Hallo @trivial,
es ist gewiss kein einfaches Eisen, das da im Feuer liegt. Ich empfinde die zweite Strophe völlig anders:
Wer ihn dennoch findet
soll ihn auf
alle Menschen anwenden
und fange vielleicht bei
sich selbst an
Den Grund jemand zu ermorden. Sei es nur meiner Naivität geschuldet. Ich sehe in deiner Strophe mehr die Anklage vor sich selbst. Gemäß dem, der im Glashaus sitzt.
Nur für mich dahingedacht: es gibt tatsächlich keinen einzigen Grund dafür, ein Ermorden zu rechtfertigen. Das Töten wiederum, im Sinne einer Todesstrafe, wird immer noch umgesetzt. In Gesetzen anerkannt. Und sind wir so frei, Böses zu erkennen? Ein wünschen wir dem Bösen nicht den Tod? Es existiert. Wer eine Hinrichtung gesehen hat, dem wird daheim im Wohnzimmer schlecht. Wir stoßen immer wieder an die Grenzen unserer Moral. So groß sind wir nicht.
Ich habe das jetzt deswegen etwas ausgeführt, weil ich den Eindruck habe, dass das, was du als Überschrift gewählt hast, wieder auf den Kurs lenkt. Letzter politischer Gedanke.
So wie Béla eingangs schrieb, setzt sich der Frevel fort. Das Morden findet statt auf Befehl, aus innerem Zwang oder der Freude, dem anderen die Haut abzuziehen.
Gründe gibt es viele.
Ich finde es bemerkenswert, dieses Thema durch dein Gedicht angesprochen zu sehen.
Lieben Gruß ubertas
 
Zuletzt bearbeitet:

trivial

Mitglied
Ich esse kein Fleisch und wäre nicht zum Tyrannenmord bereit, dass war aber irgendwie nicht das, worauf ich hinaus wollte, eher auf die emotionale Distanz zwischen zwei Dingen.
Tut mir leid, falls es falsch rüber kam.

...und jetzt bin ein wenig desillusioniert, da meine imaginäre Charlotte niemals jemanden umgebracht hätte und jetzt hat die reale auch noch die imaginäre auf dem Gewissen... Ich sollte besser in meiner Fantasiewelt bleiben.
 

trivial

Mitglied
Danke ubertas für Deine Worte.
Ich war immer froh, in einem Land zu leben, in dem die Todesstrafe in keinster Weise zur Diskussion stand und hoffentlich auch nie steht.

Liebe Grüße
R
 

Ubertas

Mitglied
Das bin ich auch. Alles andere würde uns zurückversetzen und uns eine Macht verleihen, die uns nicht zusteht.
Eines möchte ich noch sagen, um Charlottes Worte aufzugreifen. Sie sind nur ehrlich. Ein wünschen wir dem Bösen nicht den Tod existiert. Den Tyrannen zu ermorden, ist ein nachvollziehbarer Gedanke. Ich glaube die sehr reale Charlotte wüßte sich an diesem Punkt sicher selbst zu verteidigen. Braucht sie aber nicht zwangsläufig.
Da ich mich ungern in Grundsatzdiskussionen verstrickt sehen will, schlage ich vor, wir gehen jetzt gemeinsam zu unserem imaginären Kühlschrank und schnappen uns ein herzhaftes Stück Käse. Ob vegan oder nicht.
Spielt keine Rolle.
Grüße in die Nacht :)
ubertas
 
wenn nur die tötung des mörders die ermordung unschuldiger verhindert, würdest du es auch nicht tun?
das ist eine ehrliche frage und kein spiel.
ich würde mich dann schuldig fühlen, wenn ich die ermordung nicht verhindere, wenn ich es könnte. das wäre dann, als hätte ich sie umgebracht.
ich glaube, es gibt situationen, wo du schuldig wirst - egal, was du tust. auch nichttun ist tat.
vielleicht sehe ich das falsch.
 

trivial

Mitglied
Ich kann Dir leider nicht genau begründen warum, aber meine Antwort wäre ein ganz eindeutiges Nein. Wo wäre die Grenze und wer würde sie festlegen. Darf ein Mensch getötet werden, um zehn zu retten, um zwei zu retten, um einen zu retten der jünger ist, der für die Gesellschaft wertvoller ist, dürfen die Guten die Bösen töten. Zehn Böse für einen Guten, ein Guter für 100 Böse.... Das scheint mir alles so willkürlich und stände mein Verständnis von Würde entgegen.

Entschuldige falls es naiv ist oder realitätsfern klingt, vielleicht kann ich mir dieses Urteil nur erlauben, da es mich nur theoretisch betrifft, vielleicht würde ich diese Ideal sofort aufgeben, wenn jemand mir liebe Menschen bedroht, aber bewusst jemand aus einer Überlegung heraus zum Tode verurteilen könnte ich nicht, da würde ich lieber mein Leben geben, als eins zu nehmen.
 
die frage ist, ob ich einen menschen töte, der dabei ist zehn andere menschen zu töten. wenn ich es nicht tue - bin ich dann mitschuldig am tod der zehn? ich glaube nicht, dass es hier nur eine richtige antwort gibt. es ist ein dilemma.
 

mondnein

Mitglied
ich sehe nicht, daß Du, trivial,

in irgendeiner Weise auf meine ausführlichen Analysen oben eingegangen bist. Wenn schon eine schlichtere Frage einer Antwort wert ist, dann ist es eine derartige Analyse, die Verse aus Deinem Werk zitiert und mit logischen Begründungen auf Basis der Argumente Deines Lyris argumentiert, erst recht. Und wenn Du damit nicht übereinstimmst, dann äußere Dich entsprechend, so daß auch die anderen Leser und Kommentatoren Dich verstehen.

Also noch einmal:


trivial schrieb:
Wer ihn dennoch findet
soll ihn auf
alle Menschen anwenden
und fange vielleicht bei
sich selbst an
Da dieser Vers, trivial,

logisch konstruiert ist und die Begründung für einen zum Vorschlag abgeschwächten Imperativ geben will, darf der Leser gewiß mit einem ersten Blick und vielleicht dann auch mit einem zweiten, genaueren, hinschauen. Man will die thematische Prämisse und die logische Schlußfolgerung ja verstehen, um dem Befehl gehorsam Folge zu leisten.

Also angenommen, ich fände einen Grund, denjenigen, der mich töten will, selbst zu töten, oder ein Attentat auf den Feind unserer auswägend vermittelten Freiheit, der die Waage umkippen will, zu planen. - der sollte dann alle Menschen töten, als ob die alle ihn töten wollten? und seine Attentats-Planungen vergessen, da er die Opfer des Diktators durch weißderhimmerwasfür einen Kollateralschaden gleich mittötet?

Nein, das sehe ich in dieser Absolutheit und Kürze noch nicht. Schlüsse vom Einzelnen auf das Allgemeine benötigen noch eine Prämisse, die diese Allgemeinheit vermittelt. Du (bzw. Dein lyrisches Ich mit seinem Imperativ) müßtest aufzeigen, inwiefern ich dadurch, daß ich meinen Feind töte, gleich alle Menschen mittöte.

Ich denke, das ließe sich so erwägen: Der andere, den ich aus moralischen Gründen töten will oder situationsbedingt töten muß, ist gerade in der Intimität, mit der er sich selbst als "Ich" bezeichnet, mit mir im Grunde identisch, so wie auch ich selbst mit ihm, dem scheinbar absolut Fremden, absolut identisch bin, vgl. https://www.leselupe.de/beitrag/die-moebiusbandige-schlange-im-baum-der-erkenntnis-distichen-161414/
Sodaß ich gerade dann, wenn ich mich selbst entleibe, die ganze Menschheit, insbesondere die mir fremdesten, feindlichsten, disparatesten unverständlichsten Unmenschen, mit einem Schuß in den Hades schicke.

grusz, hansz
 



 
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