Hallo Fliederstein,
ich will - allerdings nicht als offizieller Vertreter der "Abteilung Erzählung" - hier mal versuchen, meine Leseeindrücke wiederzugeben.
Erstmal: Chapeau zum Umfang des Textes; wobei ich damit auch deine Fantasie hinsichtlich der Plotentwicklung erwähnen möchte. Ich weiß, sowas macht erstmal viel Arbeit - genau so, wie du es in deinen vorangestellten Zeilen erwähnt hast -, und allein deshalb, weil du diese Arbeit auf dich nimmst, während man in den Unterforen immer mehr Texte findet, denen anzusehen ist, dass sie kaum länger als eine Tasse Kaffee und zwei Zigaretten in Anspruch genommen haben, allein deshalb ist es der Text wert, gelesen zu werden; und wenn man ihn dann schon gelesen hat, kann man ja auch einen Leseeindrück hier lassen.
Den Spur, der Text tauge zur Satire, hast du meines Erachtens selbst gelegt. Auch wenn es sicher nicht deine Intention war hier in Richtung Satire zu gehen, hinterlässt allein die Figurenzeichnung des Museumsmitarbeiters dicke, fette Abdrücke im Erzählsand, die allesamt in Richtung Satire führen. Sein etwas penetrant flötendes "Gnädige Frau" und "mein lieber Herr Adam" klingen wie eine Persiflage auf einen irgendeinen alten Theo-Lingen-Film und damit doch arg aus der Zeit gefallen.
Apropo aus-der-Zeit-gefallen: Die Dialogsituationen - auch das wurde hier schon erwähnt - klingen doch recht gestelzt. Ständig spricht man sich gegenseitig mit dem Namen an. Ich meine, wenn du das in einem persönlichen Gespräch tust, dann hebt dein Gesprächspartner spätestens beim dritten Mal abwehrend die Hände und sagt dir, er wisse schon selbst, wie er heiße und man brauche diese hier nun auch nicht immer wieder zu erwähnen.
Die Dialogzeilen sind teilweise zu lang, manchmal wird in ihnen Information transportiert, die dort gar nicht reingehört, und es fehlt ihnen an einer dramatischen Struktur, bzw. die Struktur wird durch das "Plappern" verwässert.
Problematisch finde ich an dieser Stelle auch die hier vorliegende Formatierung und die Absatzaufteilung. Das ist nun erstmal ein rein formelles Problem und hat sicher auch etwas mit Lesevorlieben zu tun, aber allein in den Dialogen empfinde ich diese Luftigkeit in deinem Text als extrem störend und leseunfreundlich. Durch die vielen Leerzeilen geht bei mir da der gesamte Lesefluss den Bach runter; da lobe ich mir doch den kompakten Blocksatz, der eher mal auf einen Absatz verzichtet, als einen zu viel bringt. Ein Absatz macht bei mir ohnehin nur Sinn, wenn die Szene wechselt, wenn ein zeitlicher oder räumlicher Sprung den Erzählfluss unterbricht.
Anders verhält es sich da beim Zeilensprung. Es ist dem Lesefluss zuträglich, wenn sich beim Wechsel der Reflektorfigur auch in einem neuen Zeilenanfang kenntlich macht. Sicher, der auktoriale Erzähler kann zu jeder Zeit seinen Fokus wechseln und unmittelbar von der Totalen in den Kopf seiner Figuren springen, und nicht nur das, er kann mit dem nächsten Halbsatz dann auch schon wieder aus dem Bewusstsein des Nächsten berichten; die Frage ist nur: Muss er, nur weil er es kann, es denn dann auch tun?
Ich denke, nein. Gerade bei kürzeren Texten wie Kurzgeschichten und Erzählungen die einem Handlungsstrang folgen, ist der Erzähler gut beraten, ein bisschen abzurüsten und nicht gleich wild mit allen Pfeilen aus seinem Köcher zu hantieren. Da ist es Für das Aufrechterhalten des Spannungsbogen manchmal sinnvoller, den Sprung von einer zur nächsten Refektorfigur erst beim Wechsel einer Szene zu machen. Ausgenommen Erzählpassagen zeitleicher Gleichheit, wie zum Beispiel "Frank brüht den Kaffee, während Kerstin den Bienenstich aufschneidet"; aber so ein Satz ist ohnehin nur narratives Beiwerk und birgt für den Spannungsbogen kaum einen nennenswerten Mehrwert.
Nun muss ich sagen: Ich habe die Geschichte gestern Nachmittag gelesen und mir gesagt: Wenn Du hier was dazu schreibst, dann bringst Du hier und da ein Zitat, damit deutlich wird, auf welche Textpassage sich das alles bezieht. Heute Vormittag ist es mir ohne längeren Zeitaufwand kaum möglich, diese Stellen nun im Text ausfindig zu machen, weswegen ich nun gar nicht mehr den Versuch unternehmen werde, diese Stellen im Text zu finden.
Zwei kleine sprachliche Dinge noch; und dafür möchte ich meinen kurzen Beispielsatz von weiter oben nochmals strapazieren.
"Frank brüht Kaffee, während Kerstin den Bienenstich aufschneidet", wobei ich hier aufs "Brühen" und den "Bienenstich" hinaus will, also auf die Wahl der Verben und das Umschiffen von Oberbegriffen.
Ich habe irgendwo im Text gelesen "Frank guckte" und habe diese Verb an dieser Stelle als extrem störend empfunden. Das Verb stimmt dort nicht, und ich denke, das weißt du auch. Ich weiß selbst, dass es manchmal sehr schwierig ist, immer das richtige Verb zu finden, aber gerade das macht ja den Charme beim Schreiben aus. Wenn einer langsam geht, dann schleicht er, schlendert oder flaniert, und redet er leise, dann flüstert er oder raunt etwas; was uns zeigt: Es gibt für jede Situation das passende Verb. Dieses "gucken" war dort halt nicht Das-gerade-passende-Verb.
Den Bienenstich habe ich hier am Start, weil er da mal so als Beispielhappen für ein oft gelesenes Problem steht. Man hätte auch einfach "Kuchen" schreiben können und gut wär's gewesen, aber das Problem des Kuchens ist, dass ich das zwar lese und im Gehirn aufnehme, sich da aber außer "Ja, kenn' ich" nichts weiter regt. Bei "Bienenstich" merke ich da ja fast schon Speichelfluss, also scheinen beim konkreten Benennen der Dinge noch ganz andere Hirnregionen involviert zu sein. Da werden Verknüpfungen aktiviert, die den Text am Ende fast schon schmeckbar werden lassen.
Ich bringe das an, weil mir im Text doch viele Oberberiffe aufgefallen sind. "Kleidung" möchte ich nur mal als Beispiel nennen.
Ich denke, alle Wörter wie Pflanzen, Vegetation, Einrichtung, Nutztiere, Wildtiere, Nahrung, etc. pp. haben in prosaischen Texten nichts zu suchen. Man will ja die Sinne ansprechen, aber dies tun diese Wörter nun mal nicht. Das sind Worte für Ämter und Bürokraten, nicht für Literaten.
Hier ist es für Geschichtenerzähler allemal besser, die Dinge beim Namen zu nennen; aber dann als Ersatz für "Geschirr" nicht die gesamte Kücheneinrichtung auszählen, sonder es bei zwei, drei Dingen belassen, so als Pars-pro-Toto, und damit eine greifbare Dinglichkeit herstellen.
So, das soll's erstmal gewesen sein, Vagant.