Rückblick

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D

Dominik Klama

Gast
Geben wir es doch zu, wir sind sauer, dass wir es nicht waren, die wussten, dass die "Nachtwachen" des Bonaventura von einem Herrn Klingemann stammen. Oder dass Thorn Smith kein erfundener Autor ist. Hinter achras steckt wahrscheinlich sowieso jemand, der früher schon mal hier war oder unter andrem Namen noch mal und schon länger in der LL ist - wie auch in anderen Foren, sagt er ja selbst.

Ich bin dafür, dass per höchstkunstrichterlichem Beschluss sofort alle als spontane Assoziationen eingestellten Antwortern in vertiefte Auseinandersetzungen umgewidmet werden, damit die nicht eingeweihten Nichtmitglieder auch mal was zum Amüsieren bekommen. Man müsste eventuell auch noch das Genre verschieben.

Und wenn die von Walther beklagte Ich-der-Schriftsiegelbewahrer-Haltung des Autors tatsächlich so doppelbödig ist wie die handlungslosen und protagonistenabwesenden Monologe eines Thomas-Bernhard-Erzählers - beispielweise in "\Korrektur", nee "Korrektur" - dann muss so ein entschlossenes Ironiedurchhalten schon mit dem Titel "Werk der Woche" prämiert werden.
 

Walther

Mitglied
umpf. :D würg des monats. das paßte. wie die faust aufs hühnerauge. oder war das ein sti(e)lauge? egal, hauptsache blau.
 
O

orlando

Gast
Hallo an die Redaktionsrunde,
darf ich nachfragen, was zu dieser Nominierung geführt hat?
Ich empfinde diese als Abwertung gegenüber den Texten, die sich in der Vergangenheit tatsächlich durch besondere Qualität auszeichneten.
Oder verstehe ich etwas falsch? Oder einen offenkundigen Witz nicht?
Ratlose Grüße
orlando
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Die Antwort steht in meinem Post. Ich finde den Text als kleine Satire echt gut. Dass sie nicht so gemeint war – nun ja, im "wahren Leben" bekommt man die Texte auch "pur" und unerklärt ...
 
O

orlando

Gast
Aber, jon,
der Text entspricht weder den Kriterien von Kurzprosa noch denen einer Satire, mal abgesehen von seiner Fehlerhaftigkeit. Und dies nach euren eigenen Worten, bzw. dem jeweiligen Vorspann der Lupengattungen.
Ob derlei dem Forum wirklich nutzt? ;)
LG, orlando
 

Walther

Mitglied
moin jon,

wir hatten ja schon ein paar mal das vergnügen, wobei ich langsam zu verstehen beginne, warum das unabwendbar gewesen ist. dafür danke ich dir. insofern hat für mich jedenfalls diese nominierung etwas gebracht.

lg w.
 
D

Dominik Klama

Gast
@ Orlando:
Ich kenne dich gar nicht. Werde dann mal irgendwann nachlesen müssen, welche Werke der Textkunst dich zu "Fast-Bestseller-Autor"-Status geführt haben.

Drehen wir die Sache aber doch mal so:
Was für Texte darf man überhaupt nie schreiben?

Okay, jetzt kommen irgendwelche Leute an mit kriegsverherrlichend, menschenverachtend, Aufruf zum Selbst- oder Massenmord, kinderpornografisch etc. pp.
Aber der hier ursprünglich ganz oben stehende Text wäre wohl nicht drunter.
Man durfte ihn also schreiben.
Und wenn man ihn geschrieben hätte, durfte man ihn sogar in der LL veröffentlichen, obwohl ja zum Beispiel Forenredakteurin Jon ein ganz wachsames Auge darauf hat, ob die "Kriterien", welche von der LL-Redaktion im Vorspruch zu den jeweiligen Textsortenschubfächern fein säuberlich erklärt wurden, sämtlich eingehalten werden - und falls nicht, dies zumindest missbilligt in ihrer alsbald eintreffenden Textrezension.
Man durfte den Text also sowohl schreiben wie hier in der LL irgendwo einstellen.
Nur wo?
Ich meine, die Idee "Kurzprosa" liegt doch nahe, angesichts des knappen Textumfangs.
Du hättest ihn möglicherweise bei Diary eingestellt ("Früher mal hatte ich ja diesen einen Roman geschrieben, in dem ging etwa das und das vor, den habe ich dann aber wieder gelöscht und überhaupt sehe ich mich in der Nachbarschaft zu folgenden renommierten Autoren"), aber es muss nicht notwendigerweise sein, dass jedem von uns auf Anhieb derselbe stringente Gedanke gekommen wäre.

Das mit den höchst bedeutsamen und kreativen Texten, die in der Vergangenheit aufs Schild gehoben worden sind und deren Andenken hiermit beschädigt wird, sollte wahrscheinlich ein Scherz sein. Ich schlage die Kategorie "Humor und Satire" vor, falls du das vertiefen möchtest.

Jetzt aber zur Frage, warum es sich um Literatur handeln könnte, wie Jon offenbar dachte.

Wegen, wie ich nun schon zum dritten Mal andeute, einer gewissen Nähe zu einem Thomas-Bernhard-Schreibansatz. Nehmen wir den Roman "Korrektur". Darin spricht das ganze Buch über ein namenloser Erzähler auf uns ein, über den wir nichts erfahren, sein Charakter und seine Person bleiben im Dunkel. Dieser Sprecher hat einen eigensinnigen Philosophen, Weltverbesserer und Architekten namens Roithammer gekannt, der sich kürzlich umgebracht hat, also nicht mehr da ist. Dieser Roithammer hat vornehmlich in einem Haus in einer Schlucht, einer einsamen Mühle oder Fabrik, gelebt, als Gast eines Mannes, bei dem sich nun auch unser Erzähler einquartiert, um das Zimmer Roithammers zu erforschen und dessen Papiere zu ordnen. Den Inhalt des Buches stellen Erzählungen über die Familie des Gastgebers dar sowie vor allem ein Nachsprechen von Roithammers Denken. Wobei der Inhalt der vorgefundenen Papiere aber nie (!) wiedergegeben wird. Roithammer war verzweifelt, weil er inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes ein ungewöhnliches Gebäude geplant und errichtet hatte, das die Form eines Kegels hatte. Diesen Kegel wollte er als Zeichen seiner übergroßen Liebe seiner eigenen Schwester darbringen. Doch hat die Begegnung mit dem Kegel bei der Schwester dazu geführt, dass sie sich umgebracht hat. Aktuell, auf der Erzählzeitebene des Romans, geschieht nichts, auch ganz am Schluss nicht. Auch in der langsam wiedererstehenden Vergangenheit der Vorgeschichte geschieht nahezu nichts, außer eben diesem Kegelbau und dem Tod der Schwester. Was die ganze Zeit dagegen abläuft, ist das Denken in Kreisbewegungen, welches aber nicht das Denken des Erzählers ist, sondern das, welches er dem Verblichenen unterstellt und referiert.

Echt, mit so einem Scheiß konnte man in den siebziger Jahren Romane füllen.

Da sich das wie ein Katarakt aus Sprache in ewig langen Sätzen mehrere Hundert Seiten lang über den Leser ergießt, gelangt man irgendwann zum Schluss, dass es wohl auch gar nicht so sehr um die möglicherweise Handlung und um diese wenig glaubhaften Figuren gehen könnte, sondern eher wohl um das endlose und höchst kunstvolle Verfertigen eines wahnhaften Sprachgebildes.

Vergleichbar hätte es hier und in diesem Fall sein können, dass der Autor seine eigene Kurzvorstellung in einem literarischen Internetforum dazu nutzt, einerseits möglichst gar nichts von sich zu offenbaren, andererseits seine Kunstfertigkeit gleich vorzuweisen, nämlich , indem er eine literarische Kunstfigur aus seiner eigenen Person erschafft, einen überspannten, hochmütigen, hypernervösen Möchtegern-Elite-Schriftsteller, der seit Jahren schon wie besessen das Verfertigen diffizilster Sprachkunstwerke betreibt, welche sich einerseits auf der Ebene "Alter Meister" bewegen, andererseits und gerade deswegen von so einem gemeinen Volk wie du niemals in ihrer ganzen Tragweite begriffen werden können und daher komplett erfolglos sind. Niemand weiß so genau, ob es die allergenialsten Sprachschöpfungen oder die Anzeichen geistiger und seelischer Verwirrtheit sind. Das ist immer die Konstellation in Thomas-Bernhard-Büchern. die andauernd von den Schriften hochgestochener Einzelgänger berichten, ohne uns jemals zu verraten, worin genau diese eigentlich bestehen.

Es hätte sich auch um einen kleinen komischen Text handeln können, mit dem der Autor diese Haltung nur vorgibt, in Wahrheit aber amüsiert-distanziert betrachtet. Wie er sie bei anderen Autoren vielleicht schon mal sehen hat können.

Beides hätte ich irgendwie literarisch und als Preisträger zumindest diskutabel gefunden, wenn ich auch ganz einfach die Regel gehabt hätte, dass niemand "Werk des Monats" bekommt, der nicht mindestens fünf Arbeiten eingestellt hat.

Dies war aber nicht die Ansicht von Jon, die sowieso immer alles anders ansieht als ich, die Ansicht, warum sie das für ein ausgezeichnetes Kunstwerk hielt.

Ihre war, dass jemand sich über sich selbst amüsiert, wenn er in seine vergangenen Jahre zurückschaut. Dass dieser Jemand also eine größere, augenzwinkernde Distanz zu sich selbst hat. Gerade das mochte sie und fand sie preiswürdig. (Ich frage: Wieso? Wird man dafür ausgezeichnet, wie man so ist, oder dafür, wie man so schreibt?) Von Anfang an hielt ich dies für ein Missverständnis. Ein Bernhard-Erzähler ist nicht amüsiert von sich, dafür ist er viel zu beeindruckt von dem großen Leid, das für ihn Welt und Leben darstellen. Ähnlich sehe ich achras nicht amüsiert auf sich selber blicken, sondern glaube, der meint das ernst. Er liest nicht Stephen King oder Daniel Kehlmann, sondern er liest "Die Nachtwachen des Bonaventura", er will sich in seinen Texten auch nicht mit den Lesern von Stephen King und Daniel Kehlmann unterhalten, sondern mit denen von "Bonaventura". Das ist einfach so bei ihm, Walther, und keine Angabe, es ist ihm egal, ob wir das toll finden oder nicht. Er selbst findet es toll und das reicht ihm.

Somit war der Text genau als das gemeint, als was er da stand, nämlich als spontan getippte kurze Selbstvorstellung mit dem Bezug zu dem, was man in vergangenen Jahren so geschrieben hat. Dass man für ein "Hallo, ich bin der Volker und mache immer so Knetfiguren" mit einem Literaturpreis bedacht wird, dürfte den Autor ebenfalls leicht verwundert haben.

Aber mal so gefragt:
Wer von uns, würde er einen Literaturpreis bekommen oder eine Eloge in der Zeitung, würde bekannt geben: "Das habt ihr nicht verstanden. Das war ein Fehlurteil."?
 

Val Sidal

Mitglied
Ein seltsamer Attraktor, dieser achras. Sein "Rückblick" ist, als Werk betrachtet, in jedem Falle Mist -- da möchte ich Dominik Klama widersprechen.
Die Schlusspointe legt den ironischen Ansatz nahe:
Als es zum Ende des Textes aufhörte, zu regnen, schloss ich mit den Worten, dass der Leser das Buch schließen solle, um nach draußen zu gehen.
... sowas kann man gar nicht ernst meinen.
Aber auch als Satire ist der Text meiner Meinung nach als bestenfalls durchschnittlich zu bewerten.

Mir ist klar, dass achras jetzt ein Problem hat. Durch die ausufernde Diskussion seiner "Antrittsrede" und die Auszeichnung, -- unabhängig davon, welche Werke bis heute prämiert wurden -- die sowohl LL-intern, als auch extern eine Bedeutung hat, würde jeder neue Text, ob Werk oder Kommentar, mit dem hier gesetzten Vorzeichen gelesen werden. Er kann diesem Thread faktisch nicht mehr entkommen.

Und das ist bedauerlich, denn in seinen Kommentaren hat achras tiefe Kunde in der Bullenzucht und Apfelbaumbotanik, sowie präzise Kenntnis der historischen Stadtentwicklung Hamburgs dokumentiert.

Obwohl ich nicht mehr damit rechne, freue ich mich dennoch auf sein erstes Werk unter der Leselupe.
 

Walther

Mitglied
moin val,

das
Und das ist bedauerlich, denn in seinen Kommentaren hat achras tiefe Kunde in der Bullenzucht und Apfelbaumbotanik, sowie präzise Kenntnis der historischen Stadtentwicklung Hamburgs dokumentiert.
ist ja so wahr. und daher würden uns seine werke wirklich fehlen.

lg w.


lb. dominik,

deinem eintrag kann ich nur am rande folgen, aber das liegt daran, daß ich solch transzendierenden literatur- und stildebatten ziemlich lustlos gegenüber stehe. ich halte sie schlicht, was die einordnung eines texts in sachen qualität angeht, für mehr vernebelnd als klarsicht schaffend. mir kommt es dann immer so vor, als wüßte einer nicht, worum es geht, meint aber, er müsse etwas dazu sagen. und wirft daher mit wortungetümen und fachjargon um sich. damit nur ja nicht auffällt, daß nichts dahinter steckt. und genau das ist das problem des kritisierten textes selbst, nicht das nur deines eintrags.

am ende kommt es doch darauf an, was man unter ironie, selbstironie, humor, satire etc. "versteht". das ist das grundsätzliche. finde ich derartiges akademisches schmalbrustspreizen lustig. oder finde ich's langweilig. wie ich und die meisten hier kommentierenden ebenfalls.

das wirft allerdings einen interessanten blick auf den, der diesen text ausgewählt hat (der ist zwar eine sie, aber das sei der einfachheit halber einmal beiseitegelegt, da hier irrelevant). man fragt sich, wie jemand, der als oberlektor und kritikaster im prosabereich durch die gegend geistert, sich so täuschen konnte. wer selbst derartige mit wahnswitzigem applomb kritiken "erlitten" hat, faßt sich jetzt nur an den kopf.

und das vor allem, weil bisher meistens der beitrag, der als werk des monats präsentiert wurde, wirklich dieses ganz spezielle "hat-was" mit sich bringt. man versteht fast immer, warum der beitrag ausgewählt wurde. man muß ihn selbst dennoch nicht gut finden. ich selbst wähle seit 10 jahren gedichte für eine literaturzeitschrift aus, und ich habe durchaus nicht nur die durchgehen lassen, die mir gefielen. ich habe immer besonders darauf geachtet, daß sie hervorstachen, etwas eigenes, besonderes, orginelles hatten.

das dramatische ist, daß damit, durch diesen fauxpas eine gesamte rubrik, die gutes tut, entwertet wird. das ist das eigentliche problem dieser aktion.

für mich ist diese sache eine gute seite. ich habe jetzt verstanden, wie ich die person, die diese auswahl getroffen hat, einzuordnen habe (und damit ihre kritiken, auch die an meinen texten). für mich ist das eine erleichterung für das weitere schreiben von prosa. wie ich bereits sagte: irgendwie bin ich dankbar dafür, daß ich das erleben durfte. man möge mir meine genugtuung verzeihen.

lg w.
 
D

Dominik Klama

Gast
Wahrscheinlich steht das auch wieder irgendwo, wo ich mir die Mühe nachzugucken nie gemacht habe. Auch mir war oft recht unklar, wer eigentlich darüber entschied, was zum Werk des Monats erklärt wurde. Am besten hätte ich immer gefunden, wenn in dieser Liste aller bisher Ausgezeichneter in Klammern jeweils dahinter stünde, wer sie nominiert hat. Dann wüsste man immerhin, wenn man mal wieder mit der Auswahl ganz und gar nicht einverstanden ist, wem man das zuzuschreiben hat. Und wenn es dann immer wieder dieselbe Person wäre, wäre irgendwann wohl so ein Aha-Erlebnis gerechtfertigt, wie Walther jetzt von einem berichtet. "Ah ja, das hat wieder die NN ausgesucht, da hab ich mich sowieso schon über sieben Texte geärgert, die von der gewählt worden waren. Die Frau hat einfach keinen Geschmack."

Es wurde aber nie mitgeteilt, wer dahinter steckte und ich ging dann eben davon aus, dass genau ein Forumsredakteur pro Monat dafür verantwortlich ist, dass das halt so reihum geht unter denen allen, dass sie jemanden aussuchen dürfen bzw. müssen, muss ja nicht unbedingt angenehm sein, jemanden zu küren, man dürfte dafür ja noch mehrere andere gelesen haben müssen - und das könnte schmerzlich geworden sein.

Wenn ein gereimtes Gedicht WdM wurde, ging ich davon aus, dass der Forumsleiter von Gereimte Gedichte diesen Monat dran gewesen war. Ging bisher also davon aus, dass dies hier vom Forumsredakteur für Kurzprosa gewählt worden ist. Das ist nach Forumsinhaltsliste Franka, aber nachdem man gelesen hatte, wie Jon die Vorzüge des Textes analysierte, muss es doch wohl Jon gewesen sein.

Nun, Walther, und das müsste dir klar sein, wenn, sagen wir mal, zwanzig Leute andauernd irgendwelche Besten wählen, aber nicht alle zusammen, sondern alle der Reihe nach einzeln, kannst du einfach nicht immer mit dem einverstanden sein, was rauskommt. Das ist so, wie wenn bei einer Literaturzeitschrift ein Walther ganz allein die besten Gedichte aussucht. Und obwohl er nicht nur die aussucht, die er mag, kannst du dir vorstellen, dass es dennoch hin und wieder Leute gibt, die, was er bestimmt hat, für totalen Schrott halten?

Da ich, wie ich schon sagte, mehrfach die Erfahrung machen durfte, dass Jon und ich zu allem Möglichen, unter anderem zu Texten in der LL, ganz unterschiedliche Ansichten haben, ist das für mich nun wirklich nicht eine Jurorin, für die ich in jedem Fall die Hand ins Feuer legen wollte.

Aber, Val Sidal, wo ich gerade noch mal die Beiträge von achras in diesem Thread überflogen habe, um die Stellen über Apfelbäume und Hamburg zu finden (fand ich aber nicht, die müssen in anderen Threads stecken, die lese ich jetzt nicht nach) konnte ich seine, auch schon zitierten Schlusszeilen noch mal lesen:

Als es zum Ende des Textes aufhörte zu regnen, schloss ich mit den Worten, dass der Leser das Buch schließen solle, um nach draußen zu gehen.
Okay, klar, es ist auch schon mal gemacht worden. Es ist alles schon mal gemacht worden, der Roman, wo die Geschichte nie anfängt und der Held nie auftaucht, ist gemacht worden, das Wetter, das genau in dem Moment, wo der Leser den Satz liest, genau so und so ist, ist gemacht worden, aber:
Es hat doch definitiv was. Es ist doch witzig. Es ist doch nicht schlecht geschrieben.

Walther und Val tun so, als stünde zweifelsfrei fest, dass der Text schlicht Mist ist, nichts taugt, keine Literatur ist. Und das sehe ich nicht. Damit sind wir, mit Jon dabei, jetzt schon zwei, auch wenn wir nie zusammen in einem Boot sein wollten.

Dann stach mir auch das noch mal ins Auge:
...die dort praktizierte Kommunikationskultur ist - was mir gerade auch in literaturaffinen Nutzerkreisen bedenklich scheint - nicht gerade ein Ruhmesblatt für den gegenwärtigen Stand der Menschheit.
Der gegenwärtige Stand der Menschheit, ho ho, ha ha, he he, wenn das kein abgefeimtes, schlitzohrig komisches Role Play ist wollte ich sagen. Wie Val Sidal früher mal. Ich dagegen hatte ja gesagt: Er meint das eigentlich alles ernst, was er schreibt, bzw. er hört nicht auf damit, diese manische Künstlerfigur aus den Bernhardtexten aufzuschreiben, auch bei den Antworten nicht. Was eigentlich keine Komik ist, sondern einfach nur so: eine Leistung der Kunst, auch wenn Walther es nicht einsieht.

Also, der "gegenwärtige Stand der Menschheit" auf irgendwas, das sich in deutschen Internettexterforen tut, bezogen, ist ein durchgeknallter Witz, das kann nicht ernst gemeint sein. Da wollte ich wieder sagen, das ist auf jeden Fall jemand, der hier sowieso schon ist, ein Forumsredakteurskollege von Jon, darum war sie bei dem auch nach einem einzigen Text schon so willig, weil sie wusste, wer er ist. Aber dann wieder die "Kommunikationskultur" und die "literaturaffinen Nutzerkreise", das klingt wieder ganz nach dem Bierernst, den ich anfangs festzustellen glaube. Also: Man weiß es einfach nicht so genau. Und da muss ich Jon noch mal Recht geben: Und ist es nicht gut gewollt, so ist es doch gut gemacht. Es ist so geheimnishaltig, warum sollte es da nicht auszeichnungswürdig sein?

[Kein Mensch glaubt, dass hier irgendwas Geheimnis ist? Okay, wer ist der große, verehrte Meister, vor dem er sich verneigt?]
 

Val Sidal

Mitglied
achras Plan
… denn dem, was zu Papier zu bringen wäre, scheint in heutiger Zeit nur der Umweg über Paratexte denkbar.
... funktioniert: achras, der Protagonist seines leider vernichteten Romans taucht am Bahnhof Leselupe auf, zeigt sich kurz im Profil:
Oje, wie soll ich mich in aller Kürze geeignet charakterisieren? Ich halte mich für einen kultivierten und kunstsinnigen Eigenbrötler, der gern schreibt…
… nach dem Motto, mein Gott, wo bin ich gelandet? Ein Literaturforum! Und ich habe nichts dabei:
So auf die Schnelle habe ich kein Werk zur Hand, das ich jetzt hier als Erstbeitrag anbieten könnte, aber im Frühjahr 1995 …
da bot sich doch ein Rückblick auf einstmals Geschriebenes an.
... die Idee:
... den Leser über\'s Nichteintreffen der Romanfigur zu vertrösten und im Laufe der Wartezeit jenen unbekannten fiktionalen Menschen, an dem so gar nichts darauf hindeutete, zum Romanhelden zu avancieren ...
… wir, die Kommentatoren, sind also zu „Romanhelden avanciert“, und wie
unser bedauernswerter Protagonist, der
metaphorisch
seinen Zug verpasst
hat, würden
sich die Zeit bis zum Eintreffen der erwarteten Romanfigur anderweitig vertreiben müssen… dies bot Gelegenheit zu allerlei Abschweifungen, einem Gespräch buchstäblich über Gott und die Welt,
... und damit den in der Antrittsrede skizzierten Roman tatkräftig umsetzen – obwohl manche sich dabei ärgern, andere sich darüber freuen mögen,
denn auch unser verhinderter Romanheld blickte an einer Stelle (auch wegen des schlechten Wetters) zornig zum Himmel hinauf.
… und mit diesem kleinen Kommentar, habe ich also einen kleinen Beitrag zum im „Paratext“ sich schreibenden Roman geleistet, in dem ich auf das Auftreten von achras nicht warte, sondern darauf, dass es
zum Ende des Textes aufhörte, zu regnen …
.
 
U

USch

Gast
Ich hab´ da mal nur so ´ne Idee: Einfach mal nach vorn schauen - Rückblicke können auch Gehirne vernebeln :)
so long Usch
 

Artair

Mitglied
Hallo Val Sidal,
ich denke, wenn es Achras' Plan gewesen wäre, dass wir den Roman ohne Hauptfigur (Achras) selber schreiben (was wir ja irgendwie getan haben, da hast Du recht), wäre er schon viel eher aus der Diskussion ausgestiegen. Außerdem konnte er ja nicht wissen, dass sein Werk *Werk des Monats* wird, ohne diesen Umstand hätte es die vielen Beiträge gar nicht gegeben. Aber die Idee an sich ist richtig gut :), so ist es irgenwie passiert.
Liebe Grüße,
Artair
 
D

Dominik Klama

Gast
Oder er hat es doch vorausgesehen, dass es Werk des Monats wird...
Glaube ich zwar selber nicht, aber wäre doch genial, wäre echt Werk des Monats wert.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo miteinander,

ich verstehe "das" nicht.

ich verstehe diesen hype um dieses stück nicht.
es ist ein metatext über prosa, insofern ein interessanter ansatz.

ein erzähler spricht über eine erzählung in dem er nicht darüber spricht.

das war es auch schon.

mein eindruck: unbenotbar

dieser text ist nicht teil der prosaischen welt, die ich kenne, die mich berührt.

es ist ein nicht-prosa-text über zustände innerhalb der prosaischen gattung.

nahe einer satire in meinen augen.
wer´s mag

wittgenstein(beinahe):
worüber man nicht reden kann muß man schreiben

ende...

ralf
 

Val Sidal

Mitglied
der witz dabei ist, dass achras' plan auch dann funktioniert, wenn achras gar keinen plan hatte.

wenn man meiner idee folgt, liegt das heft des handelns bei den kommentatoren: sie können gewissermaßen in umkehrung der kausalen ordnung, dem nicht existenten achras-plan folgen und sich "über gott und die welt" auslassen -- also den roman sich entfalten lassen. zwar ist die idee nicht bahnbrechend neu, denn schon pirandello hatte eine ähnliche gehabt ("Sechs Personen suchen einen Autor") aber mit dem medium internet lässt sich natürlich sowas leichter und konsequenter bewerkstelligen.

die kommentatoren haben nun die wahl, sich als protagonisten zu betrachten und damit den roman wirklichkeit werden zu lassen, oder sie ziehen sich auf ihre "reale" avatar-rolle zurück und schreiben keinen kommentar mehr.

ob ein roman daraus wird oder nicht -- achras hat es nicht länger in der hand ...

es sei denn, er handelt wie damals, als er:
nach etlichen vergeblichen Versuchen und Absagen das Manuskript der Vernichtung zuführte.
 
U

USch

Gast
Hallo,
worum geht´s denn nun eigentlich noch in diesem Thread?
- um Metaprosa?
- geistige Onanie?
- wer ist der König der Verletzten?
- wer wird der Autor des Jahres?
- wer langweilt sich?
- Hauptsache das Werk des Monats wird gebührend in der Pole-Position gehalten?
- Warum wird der Text nicht ins Forum Lupanum verschoben?
Oder geht es etwa darum >Wer schreibt die besten Threads?<
so long USch
 
D

Dominik Klama

Gast
Zugegeben, auch ich finde mittlerweile, dass der kleine Text inzwischen mehr Wirbel verursacht hat, als er ursprünglich verdiente. Wenn auch die mit Val Sidal aufgekommene Idee, eine Art Wechselgesang-Roman aus den Kommentatorenstimmen zu gestalten, durchaus was hat.

Aber, Ralf Langer:
dieser text ist nicht teil der prosaischen welt, die ich kenne, die mich berührt.
Es sind immer wieder im Lauf von Jahren Äußerungen dieser Art gewesen, die mich von der Bescheuertheit von Marcel Reich-Ranicki voll und ganz überzeugt haben.

"Das ist kein Text von der Sorte, wie sie mich ansprechen. Folglich ist es kein Text, der als Literatur besprochen werden müsste."
 

Val Sidal

Mitglied
„Warum ich keines meiner Bücher geschrieben habe“

Natürlich bot der Text allerlei eingeflochtene Zitate - aus den \"Nachtwachen\" August Klingemanns, den Humoresken Thorne Smiths, Seitenblick auf Raymond Queneau und Marcel Bénabou u.v.a.
wer zum teufel ist dieser Marcel Bénabo, hatte ich mich gefragt.

aus der Zeit-Online:
Das ist das Ende
Marcel Benabou und Michael Krüger: Zwei Versuche, ein Buch nicht zu schreiben von Iris Radisch
5. Oktober 1990 07:00 Uhr
Von Iris Radisch

Warum so viele? Warum nicht nur das eine, das einzige, das richtige? Das Buch fürs Leben. Ein Buch, in dem alles steht. Einfürallemalalles. Und nie wieder ein anderes.
Das Buch gibt es. Doch leider kann man es nicht lesen, nicht verlegen und nicht kaufen. Man kann es weder im „Quartett“ besprechen noch seinen Autor mit offenem Hemd und Mannesblick im Urwald portraitieren. Kein Kritiker kann nette Rezensionen schreiben und zur Belohnung vom Verleger auf den Kritikerempfang gebeten werden. Es winken keine Preise.
Was für ein Buch! Ein Buch ohne schwitzende Helden, ohne traurige Liebesgeschichten und scheue Kindheitsbekenntnisse. Ein federleichtes, ein unmögliches Buch. Ein Traumbuch, ohne Anfang, ohne Ende, ganz in sich selbst verschrieben. Und doch ein finales Werk: endgültig, vollständig, einzigartig. Wer kann so was schreiben?
Zwei haben es versucht: Der französische Autor Marcel Benabou und der deutsche Verleger Michael Krüger. Der Erzähler in Marcel Benabous erstem Roman „Warum ich keines meiner Bücher geschrieben habe“ weiß genau, wie so ein Buch beginnen müßte. Der erste Satz kurz und ein Treffer. Dann ein langer Satz im Konjunktiv und in diesem Glanze immer weiter. Das Schwarz der Lettern müßte sich mit Bedacht und Zurückhaltung über das Weiß der Seiten legen, das durch derartige Rücksichten erst richtig zur Geltung käme. Festigkeit des Satzbaus, Präzision des Ausdrucks, vollständige Übereinstimmung zwischen dem äußeren Lauf der Worte und ihrem inneren Sein. Ein Zauber aus Schweigen und Worten, schwebend und wie von weit her.
Aber was dann? Nur keine hautnahe Geschichte, keine handfesten Konflikte, keine zu Herze gehenden Figuren. Das kann doch jeder. Das könnte auch Marcel Benabou. Er macht dem Leser Vorschläge. Das Buch könnte von dem letzten melancholischen Sproß einer alten, vornehmen Familie handeln oder von einem Buchliebhaber, dem das Leben plötzlich wie ein Traum erscheint, oder von einem Schriftsteller oder von einem verschrobenen Selbstquäler. Wie beredt man diese Geschichten erzählen könnte. Ganze Wortschwärme könnte der Autor auf seine Leser jagen. Erlesene Worte aus der Zoologie, der Heraldik und der Segelschiffahrt könnte er zusammensuchen und seine Leser durch ein paar graue Elendstage trösten. Reich und berühmt könnte er werden. Allein, die Liebe hält ihn zurück. Die unbedingte Wahrheitsliebe.
Das Buch darf nicht nach Schreibtisch riechen. Es muß ein schlichtes, ein wahres Buch sein, in dem die Dinge so offen zu Papier treten wie noch nie. Am besten, denkt der Dichter, sollte man nur von einfachen Dingen reden. Dem Schatten auf einem Bergsee, zwei jungen Menschen in einem Nachen, dem roten Schimmer einer Laterne auf einer Holzbrücke. Doch selbst die einfachsten Bilder werden auf dem Papier sofort zu Metaphern und Symbolen. Wohin man schreibt, entsteht Bedeutung. Wundersam wuchern die Worte, vergiften die edle Einfalt ...
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo dominik,
de gustibus non disputantur ( oder so ähnlich)

ich bin kein kritiker, war keiner und werde auch keiner werden.

ich habe sehr konkrete persönliche vorstellung von literatur.

ich habe meine meinung kundgetan.

dieser text spricht micht auf prosaische weise zu mir, auf eine intellektuelle schon...

hm, holodeck ende

ralf
 



 
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