Rückblick

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Ofterdingen

Mitglied
Hallo,

Las hier den Namen Raymond Queneau. Vermute mal, er und sein Zeitgenosse Boris Vian hätten aus dem Thema sehr viel mehr herausgeholt als das, was ich hier sehe. Schade, dass immer die falschen Leute sterben!
 
D

Dominik Klama

Gast
Wo ist eigentlich die Schriftleitung in letzter Zeit abgeblieben? Hatte fest damit gerechnet, dass mein vorhergehender obiger Beitrag wg. Verstoß gegen die Net-iquette ausgeblendet wird. Marcel Reich-Ranicki habe ich, weil er seinen Gustibus in päpstlicher Unfehlbarkeit zu dem aller machen und somit dekretieren konnte, dass alles, was er nicht mag, keine wirkliche Literatur ist, für "bescheuert" erklärt, was wirklich meine Meinung ist, zugleich aber angedeutet, dann müsste ich jetzt auch Ralf Langer für bescheuert halten, weil er, finde wenigstens ich, dasselbe tut wie Reich-Ranicki. Und es wird nicht ausgeblendet, es ist noch innerhalb der Net-iquette. Wirklich?

Ofterdingen, du enttäuscht mich ja. Bisher hatte ich angenommen, dass du es bist, dieser achras, dass genau deine Nähe zu Leuten wie R. Queneau dich in etwa solche Texte schreiben ließe, die du dann ja unter mehreren Namen posten könntest. Und jetzt tauchst du hier auf und sagt, es sterben immer die falschen Leute. Was übrigens als Verstoß gegen die N... aber lassen wir das.

Bénabou, danke, Val Sidal. So faul war ich, dass ich nur bei Klingemann und Thorne nachgeschlagen habe, nicht bei ihm, dabei ist doch dieser Titel "All meine Bücher, die ich nie geschrieben habe" immer einer gewesen, weswegen ich irgendwann das Buch schon auch mal lesen wollte. hab's aber nie getan, leider. Die Frage ist natürlich, ob wir nun mit Bénabou seinen Großmeister gefunden haben oder ob es doch Arno Schmidt, Laurence Sterne oder weiß der Deibel, Thomas Bernhard halt doch, wegen dem "naturgemäß", ist.

Sagen lässt sich bereits, dass er diese Vorgaben des Vorbilds:
Der erste Satz kurz und ein Treffer. Dann ein langer Satz im Konjunktiv und in diesem Glanze immer weiter.
ja nicht erfüllt hat.

Und ich dachte dann noch: Es muss naturgemäß das Schwerste werden, nachdem man ein Buch, in dem man geschrieben hat, dass es unmöglich ist, das Buch, das man wirklich schreiben müsste, zu schreiben, noch ein zweites zu schreiben, indem noch mal was anderes drinnen steht.
Darum schweigt sich achras hier inzwischen auch aus.
 

Val Sidal

Mitglied
achras' credo:

Und in der Tat halte auch ich nicht das Ausdenken erzählenswürdiger Geschichten für die Hauptaufgabe literarisch schöpferischer Tätigkeit.
... lässt seine "antrittsrede" in einem veränderten licht erscheinen: er hatte die absicht, mist zu schreiben.

zu B.S. Johnson,
seinerseits ambitionierter Schriftsteller mit recht originellen Einfällen, der oftmals so semi-autobiographische Reflexionen à la nouveau roman zu Papier gebracht hat, prägte den wundervoll denkwürdigen Satz: "Telling stories is telling lies."(achras-kommentar)
sei nur gesagt:
Johnson litt darunter, dass seine Bücher keine kommerziellen Erfolge feiern konnten. An Depressionen leidend und von familiären Problemen belastet, nahm er sich im Alter von 40 Jahren das Leben. Zum Zeitpunkt seines Todes war er nahezu unbekannt, erst danach entwickelte sich ein Kult um seine Bücher. (Wikipedia)
… tja – meine zimmerpflanzen sind von meinen kochkünsten auch nicht begeistert. im gegensatz zu B.S. Johnson werde ich mir „im Alter von 40 Jahren das Leben“ nicht nehmen.

der folgende absatz ist ebenfalls mist. (ich verwende den begriff „mist“ bereits das dritte mal – daher sei bemerkt, dass ich ihn in dem sinne gebrauche, wie ich es in meinem LL-essay „Der Mist und die Kunst seiner Beobachtung“ mehr als ausführlich eingegerenzt hatte)
Die Sprache erscheint mir als das geeignete Mittel, vor allem Gedanken zu strukturieren, weswegen mein "opus magnum" (ebenfalls bis auf weiteres nicht in endgültiger Fassung vorliegend) als kulturhistorische Betrachtung des menschlichen Hangs zu figürlicher Darstellung und miniaturisierter Nachformung von Erfahrungswelt und Begreiflichmachung abstrakter Gedanken angelegt ist.
eigentlich habe ich keine zeit, um an diesem spielchen mitzumachen, weil ich mit dem erfinden und aufschreiben von geschichten ausgelastet bin. der postmoderne ansatz (bloß keine geschichten erzählen, wenn es richtige literatur werden soll!), dem sich achras, der Johnson-epigon, verpflichtet zu fühlen vorgibt/-gaukelt, scheint mir interessant genug zu sein, um dazu bei gelegenheit ein essay zu verfassen, in dem ich den nachweis zu führen vorhaben werde, dass der weg der destruktion der „story“ und die verlagerung des fokus’ der kreation/innovation auf semiotik, form, code, präsentation usw. ein konvergenter prozess ist, dessen endpunkt bereits vor mehr als fünfhundert jahren erreicht worden ist, und im internet als das "Voynich-Manuskript" bestaunt werden kann.

achras (bislang) letzten worte:
Aber ich werde eine Teilmenge des angesammelten Stapels meines "Rohmaterials" durchgehen, um zu schauen, ob ich einen Teilaspekt des Themenkomplexes in einigermaßen lesbarer Form ausformulieren kann.
diese drohung sollte man nicht als bare münze nehmen – das „rohmaterial“ wird hier und jetzt geschrieben.
 

Val Sidal

Mitglied
@USch, Versuch einer Antwort auf die 1. Frage

worum geht´s denn nun eigentlich noch in diesem Thread?
aus Arthur Missa: Formenverfuger
[blue]Passiert nichts. Passiert rein gar nichts! Und wisst ihr auch warum? Weil man sich dran gewöhnt. Weil hier wieder mal nichts Neues passiert. Aber für mich ist das gut, da geht’s mir gleich besser. Seht mal: »Ungelöste Konflikte können auf Dauer ermüden.« Und das heißt: Man gewöhnt sich dran. Man kann sich eben an alles gewöhnen,
sogar an literarischen Nonsens. Irgendwann hört’s einfach auf, weh zu tun. Aber verwechselt mir das nicht mit dem Punkt, wo man’s nicht mehr ertragen kann, wo es einfach nicht mehr weitergeht. Weil, das ist der Anfang aller Revolutionen. Ihr aber seid genau am anderen Ende rausgekommen. Obwohl, nein, ihr seid da gar nicht rausgekommen, ihr wart von Anfang an da. Ihr seid dort rausgekommen, wo ihr schon immer wart. Weiter weg von irgendeiner Revolution geht’s gar nicht.[/blue]
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Moin Val,

welch eine herrliche Passage - das bisher Beste an diesem Thread, und der ist insgesamt nicht schlecht. Dass der Autor selbst untergetaucht ist, unterstreicht übrigens die Skurilität und Absurdität dieser ganzen Angelegenheit.

Manchmal macht die Leselupe richtig Spaß! ;)

Gruß Ciconia
 

Grauschimmel

Mitglied
Achras schweigt doch nicht … sagt mehr wortlos, anders als in der Vergangenheit geschehen:
„Ich nehme DIESEN PR(Sch)EIS(s) nicht an!“
Nur darauf wäre er vielleicht eine Antwort…
 
A

Architheutis

Gast
Die Entscheidung zum WdM ist immer eine subjektive, soweit besteht kein Problem.

Meist kann ich auch mit der Auswahl leben, aber

- wenn ein Werk bereits im ersten Monatsdrittel zum WdM (für den laufenden wohlgemerkt!) ernannt wird, ist das nahezu grotesk. Weiß die Jury, dass im Restmonat eh nur schlechter veröffentlicht wird? Wieso wird ein WdM nicht erst nach Ablauf des Monats ernannt?

Dem Problem wird man auch nicht dadurch gerecht, indem man ja jederzeit alte Schinken zum (akutellen!) Werk des Monats kürt. Sowas gehört in eine eigene Rubrik, und zwar in sowas wie einem Best of.

Ich schlage vor, das WdM kann nur für den Monat ernannt werden, in dem es veröffentlich wurde, und zwar erst nach Ablauf des jeweiligen Monats.

Alles andere empfinde ich als nicht nachvollziehbar. Der Willkür sind Tür und Tor geöffnet.

- wenn ein Erstling bereits zum WdM ernannt wird, ohne jeglichen Kommentar oder Bewertung der User, spricht das eine klare Sprache: Was die User vom Text halten, ist irrelevant.

Das kann man so machen, aber man muss sich dann nicht über die obigen Kommentare wundern. Frust und Unverständnis sind jedenfalls programmiert.

Es könnte auch nicht schaden, dem Forum mal eine Einleitung zu gönnen, aus der man zumindest erahnen kann, wie eine solche Bewertung abläuft. Es ist klar, dass jeder Redakteur seine eigenen "Regeln" hat, aber das verhindert ja nicht eine Stellungnahme. Man könnte ja zB wie folgt darlegen: "für jon ist wichtig, dass...; Bernd ist begeistert, wenn ein Text..." usw.; ich bevorzuge jedoch allgemeingültige Regeln. Sowas nennt man Fairness.

Ich unterstütze den Vorschlag, dass die Person der Entscheidung namentlich genannt wird, vor allem seine Entscheidung begründen sollte. Das ist leider nicht immer der Fall.

Mein Fazit: macht es für uns nachvollziehbarer und unterlasst solch lächerliche Entscheidungen wie diese hier. Geht diese Tendenz so weiter, hat dieses Forum keine Daseinsberechtigung. Dann stampft es besser ein. Es nimmt dann ja eh keiner mehr ernst.

Ein Gutes hat das WdM November 2013 jedoch: jeder Text kann WdM werden, obwohl er mittelmäßig ist, wegen vieler Mängel eigentlich in die Textklinik gehörte und von einem Autor stammt, der für Berichtigung und Entwicklung keinerlei Interesse zeigt.

Es besteht also noch Hoffnung für so Möchtegernschreiber wie mich! :)

In diesem Sinne, ich bin gespannt auf den Dezember. ;-)
Archi
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Architeuthis,

Bin sonst nicht unbedingt immer ein Fan von dir, aber wo du Recht hast, hast du Recht. Ich stimme dir völlig zu und würde deine Stellungnahme in allen Punkten unterschreiben.

Was anderes: Möchtest du den Rechtschreibfehler in deinem Nick nicht vielleicht mal korrigieren, also Architeuthis statt fälschlich Architheutis? Du schreibst ja auch nicht Anthitese statt Antithese, oder?


Hallo Dominik Klama,

"Ofterdingen, du enttäuscht mich ja. Bisher hatte ich angenommen, dass du es bist, dieser achras, dass genau deine Nähe zu Leuten wie R. Queneau dich in etwa solche Texte schreiben ließe"

Fühle mich ertappt. Ja, gebe es zu, ich sehe Queneau und Vian durchaus als Vorbilder an (wenn auch nicht als die einzigen, dafür lese ich zu viel). Mag auch sein, dass ich so manchen Schrott verfasse, doch bin ich weiß Gott nicht für alles verantwortlich, das mit Hinweis auf Queneau gepostet wird.

"die du dann ja unter mehreren Namen posten könntest"

Das habe ich nicht nötig. Ich schäme mich für nichts von dem, was ich schreibe, deswegen darf alles ruhig unter ein und demselben Nick erscheinen.
 
A

Architheutis

Gast
Möchtest du den Rechtschreibfehler in deinem Nick nicht vielleicht mal korrigieren, also Architeuthis statt fälschlich Architheutis?
Nein, möchte ich nicht. Der "Fehler" in meinem Eigennamen ist deshalb keiner, weil ich in meinem Eigennamen machen kann, was ich will. Und denk Dir: er hat sogar eine Bedeutung für mich. Die muss ich aber keinem erklären.

Das sagte ich Dir aber bereits mehrfach. Möchtest Du nicht endlich Dein Gedächtnis trainieren, um mir nicht immer die gleichen Fragen stellen zu müssen?

Nichts für ungut, ich mag Dich trotzdem. Irgendwie.
Archi
 
D

Dominik Klama

Gast
Val Sidal sucht nach der Geschichte

@ Architheutis:
Werk des Monats, dass damit der herausragendste Text eines bestimmten Monats ausgezeichnet werden sollte, steht meines Wissens nirgendwo und ist eine Interpretation von dir.

Schau doch mal zurück, was alles schon WdM war, gehe bis in die Profile der Autoren rein, dann wirst du sehen, dass es tatsächlich nicht gerade selten vorkam, dass ein fünf Jahre altes Werk von einem Schreiber WdM wurde, der seinem Verzeichnis nach seit mindestens zwei Jahren an der LL nicht mehr teilnimmt. (Und einen weitere Tendenz, die sich finden lässt: Meist werden Werke ausgezeichnet, die vorher bereits viel Leserresonanz und dann durchweg positive erfahren haben, besonders bei Lyrik fällt dies auf. Das war dieses Mal nicht so und ich lobe das ausdrücklich, diesen Mut des Jurors, etwas zu kören, was nicht schon gut abgehangen und allseits abgenickt war.)
Ich meinerseits finde es sehr richtig, dass so verfahren wird. In der Zeit als ich meine eigene LL-Kritik-Rubrik "Klama liest..." betrieben habe, guckte ich meist extra nach "alten" Texten, nach Ausgrabungen, da das, was zufällig gerade gestern eingestellt wurde, doch nicht repräsentativ für die gesamte Leselupe sein kann, wenn ich mit der Zeit aber Texte aus zehn Jahren versammele, dann habe ich diese Repräsentativitat. Es ist auch nicht einsehbar, wenn ein Spitzentext auf Nobelpreisträgerniveau nur deswegen nicht gelesen wird, weil er zehn Jahre alt ist und der Autor seither nichts veröffentlicht hat - weil aber viele, viele Gartenzwerge gerade vor zwei Stunden ihre Gartenzwergtexte eingestellt haben.

Sobald man erkennt, das sowieso nie Texte aus dem laufenden Monat zu WdM gemacht werden (einzelne Ausnahmen mögen die Regel bestätigen), ist es doch unnötig, die Wahl ans Ende und die Bekanntgabe an den Beginn eines Monats zu legen. Was zutrifft, ist, dass auf der Startseite das jeweils neueste WdM schon anfangs des Monats angezeigt wird, während einen die Mailnachricht über dieses Werk, der Infodienst, den man abonnieren kann, erst gegen Ende des Monats aufmerksam macht, wenn schon viele vor einem es gelesen und womöglich gelobt oder verrissen haben. Als ich regelmäßig noch jedes WdM las und rezensierte, dachte ich eine Weile, nur ich würde so spät benachrichtigt, weil man darauf gekommen wäre, dass ich dann fast immer eine schlechte Kritik drunter schreibe. Dieses hier hatte ich zufällig schon lange vorher entdeckt, bevor die Nachricht kam. Ich gucke da hin und wieder in den Kasten auf der Startseite rein, was da gerade drin ist, damit ich, wenn es ein gereimtes Gedicht ist, die später ankommende Benachrichtigungsmail löschen kann, sie gar nicht mehr aufmachen muss.



@ Val Sidal:
quote:
"Und in der Tat halte auch ich nicht das Ausdenken erzählenswürdiger Geschichten für die Hauptaufgabe literarisch schöpferischer Tätigkeit."
... lässt seine "antrittsrede" in einem veränderten licht erscheinen: er hatte die absicht, mist zu schreiben.
Das ist nun kein Zufall, dass diese kritische Einordnung des kleinen (ersten) Archras-Textes gerade unter solchen Gesichtspunkten von dir gekommen war. Wir haben das auch in privaten Nachrichten schon mal gestreift: Wenn man deine eigenen Texte anguckt, merkt man, dass du so eine Art "Geschichtenerzähler" bist. Man kann sich das vorstellen als der einzige Schriftkundige, der am kalten Winterabend in der Steinzeithöhle ohne Fernsehen am Lagerfeuer bei den gut mit Mammutfleisch versorgten Jägern sitzt und anhebt: "Jetzt werdet ihr gleich was hören, das wird euch umhauen..." Und dann erzählt er ihnen, wie Prometheus von den Göttern die brennende Fackel stahl. Oder so was. Also eine packende Geschichte. Ein Film fürs sogenannte [blue]Kopfkino[/blue].

Dass dies eine sehr verbreitete und uns allen geläufige Art des Prosaschreibens ist, heißt nicht, dass sie die einzige wäre. Der Schluss "Wenn du dich weigerst, eine Geschichte zu erzählen, sobald du Prosa schreibst, erklärst du, dass du nur Mist schreiben willst" ist kein logischer und zwingender.

Wir hatten das neulich bei einem anderen Thread, wo ich ein wenig herumgestammelt hatte um anzudeuten, was mir beim Verfassen eines Textes vorgeschwebt war: "neben der Bedeutung der Wörter schreiben, gar nicht das erzählen wollen, was man erzählt, sondern geistige Reaktionen des Lesers anstoßen, Reaktionen auf das, was er da zu lesen bekommt". (Also schreiben nicht für das, was im Text zu sehen ist, sondern für das, was der Text beim Leser anregt.) Sofort hast du protestiert: Man könne nicht etwas anderes erzählen, als das, was man erzählen wolle, es sei absurd. Und man kann es ja auch nicht - in der Tradition des Höhlenerzählers: "Der Blitz schlug in die Eiche auf dem Gipfel ein und sie brannte lichterloh", das heißt, dass man tatsächlich will, dass die Zuhörer oder Leser eine Eiche auf einem Berg vor ihrem geistigen Auge haben und so weiter. Sie sollen es irgendwo "glauben" (können), was sie lesen. Auch heute noch. John Irving schreibt: "Die Eingeborenen bohrten ihm ein dünnes Rohr in den Penis" und die Leser: "Oh Gott, da wird ein Penis durchbohrt!" Hingegen der Klama-Erzähler: "Die Eingeborenen der Insel bohrten dem an die Trage gefesselten Marcel Reich-Ranicki..." und so weiter. Sofort wissen die cleveren LL-Mitglieder, das war natürlich niemals so und er meint es noch nicht mal, sondern, na ja, wenn wir uns anschauen, was er sonst so schreibt, will er wohl, dass wir jetzt an obskure homosexuelle Praktiken denken, und Marcel Reich-Ranicki mag er nicht, weil er weiß, dass der seine Texte niemals ernst genommen und darum fürs Gegenteil von Literatur erklärt hätte, darum foltert er ihn hier virtuell. Und gucke: Jetzt interpretieren die Leser das nicht nur so, sondern ich hab das überhaupt nur geschrieben, damit die Leser anfangen so was zu denken. Das habe ich gemeint mit Neben-den-Worten-Erzählen.


Ich komme (schon wieder) auf meinen Thomas Bernhard zurück, was eben daran liegt, dass dieser Mensch mal für zwei Jahrzehnte mein persönlicher Bravo-Starschnitt-Star gewesen ist, ich infolgedessen einiges von ihm weiß. Es könnte sein, dass all diese Gedanken viel passgenauer an Benabou oder Smith aufgehängt werden könnten, nur nicht von mir, denn die habe ich nie gelesen.

Also, Bernhard behauptete: "Ich bin ja der typische Geschichten-Zertrümmerer. Immer, wenn bei mir beim Schreiben eine Geschichte sich über den Horizont des Textes zu schieben beginnt, nehme ich den Hammer und zertrümmere sie."

Wie oft schon nachgewiesen wurde, stimmt das gar nicht. Es lassen sich viele Geschichten in seinem Werk finden. Aber darum geht es hier nicht, sondern es geht um die Idee, dass Geschichtenzertrümmern eine dankbare Aufgabe für einen Schreibenden bilden könnte.

Du wirst mir zustimmen, dass ein Gemälde von Papst Innozenz uns zwar genau diese Person zeigt, Papst Innozenz, aber in gar nichts dieser Papst [blue]ist[/blue], sondern es tut nur so. In Wahrheit besteht es aus einer Ansammlung von Zeichen. Nämlich bunten Pinselstrichen. Der Maler hat diese Pinselstriche so lange organisiert, bis der Papst gesagt hat: "Gut, genau so sehe ich aus. Das haben Sie gut gemacht." Dieser Gedanke erscheint uns heute als höchst trivial und jedes Kind kennt ihn unter dem René-Magritte-Diktum "Das ist keine Pfeife". Mitte des 19. Jahrhunderts kam eine neue Technologie auf, die nannte sich Photographie. Du wirst mir vermutlich zustimmen, dass es nicht mehr notwendig ist, große Ölgemälde vom jeweiligen deutschen Herrscher zu malen, seitdem es die Photographie gibt. Man kann sie einfach fotografieren, tut dies ja auch.

Ab diesem Zeitpunkt konnte man in der Bildenden Kunst ganz andere Dinge tun, als Geschichten zu erzählen. Man konnte eine quadratische schwarze auf eine rechteckige weiße Fläche setzen und das für ein Werk erklären. Man konnte irgendwelche Tarnnetze durch große Räume spannen und darunter ganz verschieden farbige Tütenlampen aus den fünfziger Jahren anknipsen. Und immer glaubten irgendwelche Leute, dass es Kunst wäre.

Gehen wir nun in die Literatur. Da hat es irgendwann einen Zeitpunkt gegeben, wo einerseits alle Gechichten wenigstens einmal schon erzählt waren. Also nicht ganz exakt bis in jedes Detail hinein. Aber, es hatte schon mal jemand eine Geschichte erzählt, wo Eingeborenen einen Penis durchbohren um einem abgestürzten Kriegsteilnehmer bei seiner tropischen Krankheit Linderung zu verschaffen. Es hatte vielleicht bloß noch keiner diese Geschichte mit Reich-Ranicki darin erzählt, war aber egal. Andererseits war etwas aufgekommen, das hieß Film und absolut jeder Mensch im Weltall hörte und sah sich so was gelegentlich an. Auch dort wurden Geschichten erzählt. Und die schreibenden Leute konnten nicht mehr so tun, als seien bloß die Geschichten den Leuten erzählt worden, die in Büchern stehen, sondern den Leuten waren auch die Geschichten erzählt, die sie im Kino und Fernsehen angesehen hatten.

Ab diesem Zeitpunkt konnte man eine Literatur machen, die keine Dienerin fürs Geschichtenerzählen mehr war, sondern die Zeichen (beim Maler die bunten Pinselstriche, beim Schreiber die Wörter und Sätze) als Selbstzweck irgendwie absichtsvoll sortierte und anordnete. Bei welchem Vorgang man darauf zählen kann, dass der Lesende ein Geistorgan hat, das von sich aus sofort damit anfängt Zeichen zu Gebilden zusammenzuschrauben, sobald mehrere nebeneinander auftauchen.

Man schüttelt also einige Wörter aufs Papier oder ins Internet hinaus:

Pfennig - Hochdruck - transzendieren - jedoch - arschlings

und es ist Quatsch, wie jeder sofort sieht. Oder auch nicht. Die Leute erwägen diese Möglichkeit immerhin. Weil nicht mehr jedes Wort für sich steht, sondern es anfängt, irgendwie zu flimmern zwischen allen zusammen. Die Wörterliste ist mehr als die Summe ihrer Teile.

Und so kann man anfangen zu basteln. Man kann dann aber auch alle drei Zeilen die sich abzeichnende Bedeutung wieder zertrümmern, weil man dem Leser vielleicht zeigen will, dass Sprache ihn denken lässt und dass sie das hier mal nicht tun soll. Oder irgendwas.

Von dem kurzen Achras-Text wäre prinzipiell vorstellbar, dass Thomas Bernhard ihn zu einem 280 Seiten langen, so genannten Roman verarbeitet hätte. In diesem Roman tritt ein Erzähler auf, der nichts über sich selber sagt, vielmehr, sagt er, werde er alles berichten, was er von den inneren Vorgängen eines Herrn Achras weiß, welcher aber unbekannt verreist, von der Erdoberfläche wie verschunden sei. Dieser Achras habe diese und jene und diese Schriftsteller immer wieder und wieder gelesen und aus diesen und jenen und diesen Gründen hoch geschätzt, dann unter deren Einfluss selbst die Feder ergriffen, um sein eigenes Hauptwerk zu verfassen, dieses aber wieder und wieder verworfen, vernichtet, nie beendet. Aus diesen und jenen Gründen, vor allem, weil es ein Wahn sei, so zu schreiben wie diese genannten Vorbilder, die ja alle vollkommen wahnsinnig gewesen wären. Und so weiter. Immer so fort in einer Tour. Bis die 280 Seiten geschafft sind. Dann sagt er, eigentlich solle man sich eher im Gehen an der fischen Luft üben, da kämen einem frische Gedanken und nach all diesen Seiten wäre das jetzt dringend nötig.


Das ist Text, was da entstanden ist. Ein gewaltiges Stück Literatur, das mit seinen Sprachpartikeln irgendwas tut beim Leser, wenn auch vielleicht nicht das, was dieser erwartet hatte, und nicht das, was es in der Einleitung zu tun angekündigt hatte, nämlich die Lebensgeschichte dieses verschollenen Autors Achras zu erzählen.

Es wird immer die einen Leute geben, die sagen: "Das ist von Anfang an Mist gewesen. Dass man ihn auf 280 Seiten streckte, hat am Mistcharakter nichts geändert. Wie es andererseits auch Leute geben wird, die meinen: "Das ist herausragend. Das muss sofort den Büchnerpreis bekommen!"
Diese beiden Lesergruppen werden sich vermutlich auch im Fortgang einer längeren Diskussion nicht mehr einig werden.
 
A

Architheutis

Gast
Werk des Monats, dass damit der herausragendste Text eines bestimmten Monats ausgezeichnet werden sollte, steht meines Wissens nirgendwo und ist eine Interpretation von dir.
Ne, Dominik, das ist eine Interpretation von Dir. Ich sagte nichts dergleichen. Ich möchte Nachvollziehbarkeit. Das ist was anderes. Das gute, gar bessere Texte mal auf der Strecke bleiben, muss man hinnehmen. Darin liegt kein Problem.

Und die "alten Schinken" sollen gelesen werden, vor allem die besten. Aber ein "Werk des Monats" verorte ich begrifflich in der Aktualität. Für die alten Schinken fordere ich ein Best of. Es würden dann sogar mehr dieser Perlen wieder und wieder gelesen, davon bin ich überzeugt.

Dass ich nun zu dieser Entscheidung gratulieren kann, nur weil sie von dem Schinken Hochholen ausbricht...nein, das alleine kann nicht Rechtfertigung für diesen Text sein.

Ein Forum für das aktuelle WdM, ein Best of-Forum für die LL-Perlen. Was wäre daran so schlimm?
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo in die Runde,

eigentlich wollte ich mich hier gar nicht einmischen, da die Diskussion wunderbar läuft. Deshalb auch nur ein paar kurze Hinweise:

Ein Forum für das "Werk des Monats" existiert:
http://www.leselupe.de/lw/titel-Werk-des-Monats-105592.htm

Der Hintergrund für die Implementierung dieses features ist das Angebot an alle Redakteure, einmal pro Jahr einen Text ihrer Wahl zum Werk des Monats zu küren - und zwar ganz unabhängig von dem Forum, das sie betreuen und ganz unabhängig davon, ob der Text gut oder gar nicht bewertet wurde. Nur der persönliche Geschmack des jeweiligen Redakteurs zählt.

Und wenn eine Textauswahl zu solch einer Diskussion führt, finde ich persönlich sie per se schon gelungen.

Grüße von Zeder
 

Val Sidal

Mitglied
@Dominik Klama

Lass uns übers Lesen sprechen.

Meine erste Irritation bei achras’ Antrittsrede und die erste flüchtige Analyse führte zu folgender Interpretation: hier will einer spielen, es wird aber nicht funktionieren. Warum? Folgende Dinge lagen mir schnell vor:

1.
achras steht laut Wikipedia(engl.) für:
Der Breiapfelbaum (Manilkara zapota), auch Sapote, Kaugummibaum oder Sapotillbaum genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Sapotengewächse (Sapotaceae). Diese Art ist wirtschaftlich von Bedeutung, da ihr Milchsaft für die Gewinnung von Naturgummi genutzt wird. Der Chicle genannte Rohstoff wird unter anderem zur Herstellung von Kaugummi verwendet. Auch die Sapodilla genannten Früchte sind von Bedeutung, sie werden als Obst gegessen.

2. Sein Wink mit dem Zaunpfahl (Marcel Bénabou <„Warum ich keines meiner Bücher geschrieben habe“>, B. S. Johnson führt zu Arthur Missa)

3. Als ich bei LL anfing, wollte ich eine Idee testen, nämlich, dass zwei junge Verbrecher einen Kode (keine Zeichenverschlüsselung, sondern ganze Story-Fragmente (in meiner Kurzgeschichte „Compañeros“ spiele ich damit ein wenig) vereinbaren, und nutzen ein Literaturforum für die Kommunikation in Form von Werken und den Kommentaren dazu. Keine Polizei und kein Geheimdienst käme ihnen auf die Schliche, nahm ich an. Also auch ein Spielchen mit dem Medium LL. Ich hatte schon zwei für diesen Zweck geschriebene Kurzgeschichten gepostet und wollte einen zweiten User einrichten, als ich las, dass dies verboten sei.
Als ich achras’ "Antrittsrede" las, war ich gewissermaßen für einen Para(llel)-Umgang mit dem Medium sensibilisiert. Aufgrund der spärlichen und wenig brauchbaren Kommentare zu den geposteten Texten kam ich zu dem Schluss, dass es nicht funktionieren würde. Es sei den ich hätte Komplizen in der Redaktion. Das Ganze wurde mir dann zu blöd, löschte die Kurzgeschichten und begann mein normales LL-Dasein zu genießen. Bis …

… die zweite Irritation eintrat: Auszeichnung zum Werk des Monats! Ein Nonsens! Nun war ich mir sicher, dass achras das spiel spielt und Komplizen hat. Mein Kommentar dazu war wenigsilbig: „Obama hat auch …“

Der Grund also, die "Antrittsrede" als Mist zu beobachten, liegt nur darin, dass der Text zwar ein Spiel eröffnet, was man ja machen kann, aber, mit der Auszeichnung als WdM, bereits gleich wieder zerstört. Bis …

… mir klar wurde, dass das Ausweichen/Zerstören des vertrauten Geschichten-Paradigmas die Zerstörung der eignen „Geschichte“ freilich ebenfalls beinhalten kann: die Geschichte ist tot – es lebe die Geschichte!

Daher begann ich achras zu kommentieren.

Summa summarum: achras’ "Antrittsrede" ist Mist, weil ich sie im Kontext meiner Betrachtungen und mit minimaler gemeinsamer Exformation(auf den Begriff komme ich weiter unten genauer) mit achras [nur begründet durch die (Un)kenntnis der von ihm aufgeführten Autoren], als Mist ansehe. Ob die Geschichte, die er damit in Gang gesetzt hat auch Mist ist, wird sich noch zeigen.

Du hast mich als Schreiber früh in eine Schublade gesteckt: „der Geschichtenerfinder“. Die Art wie du einige meiner Texte gelesen hast (aus meiner Sicht konsumentenhaft und nicht wie ein interessierter Autor, nach dem Motto: Mal sehen, was macht der hier eigentlich mit diesem Text?), belegen dies nachdrücklich. Seit dem versuchst du wiederholt (und in deinem letzten Kommentar reichlich genervt) einen Unterschied zwischen dem steinzeitlichen "Geschichtenerzähler" Val Sidal und dem Innovator Dominik Klama zu markieren.
In meinem Kommentar zu deinem Text „Mein kleines Buch“ habe ich gezeigt, dass ich durchaus in der Lage bin, auf deine Erwartung an den Leser einzugehen, und somit deiner Erzählerintention zu folgen.

Du schreibst:
<Wir hatten das neulich bei einem anderen Thread, wo ich ein wenig herumgestammelt hatte um anzudeuten, was mir beim Verfassen eines Textes vorgeschwebt war: "neben der Bedeutung der Wörter schreiben, gar nicht das erzählen wollen, was man erzählt, sondern geistige Reaktionen des Lesers anstoßen, Reaktionen auf das, was er da zu lesen bekommt". (Also schreiben nicht für das, was im Text zu sehen ist, sondern für das, was der Text beim Leser anregt.) Sofort hast du protestiert: Man könne nicht etwas anderes erzählen, als das, was man erzählen wolle, es sei absurd.>

Die Intention des Schreibers und die Perzeption des Lesers zur Identität zu bringen ist prinzipiell nicht möglich – die Kommunikationssituation bleibt kontingent. Insofern, ja, du kannst nur erzählen was du erzählen willst, oder schweigen.
Was der Leser, gereizt durch Zeichen, Wörter, Form(at)en usw. deines Textes sich selbst lesend erzählt ist eine andere Sache. Der Grad der Deckung hängt davon ab, was Schreiber und Leser an Wissen, Erfahrungen, Erwartungen und Erlebnissen usw. verifizierterweise miteinander teilen, und zwar in der Art, dass es nicht erwähnt werden muss. Also: welche Exformation (siehe Tor Nørretranders in seinem Buch Spüre die Welt. Die Wissenschaft des Bewusstseins) sie miteinander teilen. Die Semiotik hat unterschiedlichste Ansätze (strukturalistisch, wie Algirdas Julien Greimas, der über die Analyse der verschiedenen bedeutungstragenden, hierarchisch organisierten Ebenen eines Textes eine semantische Tiefenstruktur eindeutig rekonstruieren will, oder laut Wikipedia: „Roland Barthes, der eine poststrukturalistische Position vertritt, von der aus er die Vieldeutigkeit eines Werkes betont, während Umberto Eco Barthes’ Vorstellung einer grenzenlosen Offenheit der Bedeutung literarischer Werke kritisiert und die Rezeption literarischer Texte als Wechselspiel von Freiheit und Determiniertheit darstellt. Einerseits müsse der Text eine Struktur aufweisen, sonst „gäbe es keine Kommunikation, sondern nur eine rein zufällige Stimulierung von aleatorischen Reaktionen“ (Eco). Andererseits entscheidet der Leser, welche Codes und welchen semantischen Rahmen er auf den Text anwenden soll, wodurch er im Verlauf seines Lektüreprozesses die weitere Aktualisierung von Bedeutungen maßgeblich beeinflusst."

Wenn man Lesen als einen Prozess begreift, in dem der Leser seinen permanenten inneren Monolog an den vom Text angebotenen Anschlussstellen mit dem „narrativ“ des Textes verknüpft, wird er die „Geschichte in den Text hineinlesen“, die in dem Moment geht – ob er will oder nicht. Noch mal, was aus dem Text beim Leser geworden ist, hängt nicht von der Intention des Autors ab – es sei denn, die Konditionierungen und Exformationen sind sehr weitreichend gleich.

Was du auf meine Schreibe münzt, finde ich – wie ich es dir bereits öfters gesagt habe – einigermaßen amüsant.

Das ist nun kein Zufall, dass diese kritische Einordnung des kleinen (ersten) Archras-Textes gerade unter solchen Gesichtspunkten von dir gekommen war. Wir haben das auch in privaten Nachrichten schon mal gestreift: Wenn man deine eigenen Texte anguckt, merkt man, dass du so eine Art "Geschichtenerzähler" bist. Man kann sich das vorstellen als der einzige Schriftkundige, der am kalten Winterabend in der Steinzeithöhle ohne Fernsehen am Lagerfeuer bei den gut mit Mammutfleisch versorgten Jägern sitzt und anhebt: "Jetzt werdet ihr gleich was hören, das wird euch umhauen..." Und dann erzählt er ihnen, wie Prometheus von den Göttern die brennende Fackel stahl. Oder so was. Also eine packende Geschichte. Ein Film fürs sogenannte Kopfkino.
Du pflegst von mir das Bild von einem Idioten, der nicht merkt, wie er altbekannte, abgedroschene Fragmente aus Filmen, Texten usw. nachplappert. Das sei dir unbenommen. Ich sehe mich und meine Texte nicht so.

Das, was du mit deinen experimentellen Texten (z.B. in "Mein kleines Buch") versuchst, habe ich in den Siebzigern mit Begeisterung betrieben. Mein akademisches Umfeld war ein dankbares Leser-Milieu dafür. Durch die Veränderungen meiner Lebensbedingungen, nämlich durch den intensiven Umgang mit Menschen, die so gut wie keinen Zugang zu Literatur haben (Geschäftsleute, Top-Manager und Prekariat), sah ich mich in den letzten zehn Jahren veranlasst, nach anderen, adäquaten Formen und Wegen zu suchen.

Was sagt achras in seiner Antrittsrede?
... ein experimentelles Stückchen Prosa, changierend zwischen Essay, Roman, Zitatencollage und einer opulenten Fußnotensammlung ...
… na, so was halt …
 
D

Dominik Klama

Gast
@ Zeder:
Ich habe nicht verstanden, was du uns damit sagen wolltest. Okay, dass sich der Thread und die Auszeichnung des Textes bereits gelohnt habe, wenn er so eine Diskussion hervorgerufen hat, das schon. Aber ich bin dem Link gefolgt und da war doch gar nichts, außer einer Ankündigung, dass es WdM gibt und wie man es findet. Es stand da nichts drin, was wir nicht alle sowieso schon wissen dürften. Es stand zum Beispiel nicht drin, wer WdM auswählt und wann die Nachricht rausgeht. Vor allem wollte ich aber mal kurz den Blick über die zwanzig Seiten verpasster "Sinn von WdM"-Diskussion streifen lassen. Da war aber keine. Möglicherweise war das ja deine Absicht, uns zu sagen, wenn ihr euch über Sinn und Unsinn der WdM-Moadlitäten austauschen wollt, könnt ihr es in diesem genannten Thread machen.


@ Val Sidal:
Mindestens 80 Prozent von deinem Beitrag verstehe ich nicht, sehe momentan aber auch keine Notwendigkeit, mir die Mühe zu machen, es zu verstehen. Ich fing an, den Namen Arthur Missa zu googlen, merkte dann aber, dass ich überhaupt keine Lust habe, die unter diesem Namen im Internet kursierenden Texte zu lesen. Also habe ich auch keine Lust zu erfahren, wer Arthur Missa ist. ich halte es auch nicht für wichtig zu wissen, wer Kaugummi Achras ist. Die Frage ist doch nur, ob der Text als Text einigermaßen gelungen war, was ich einigermaßen bejahe, du verneinst. Es interessiert mich nicht, welches Spiel man mit Geheimdiensten unter dem Deckmantel von Literaturveröffentlichungen im Internet spielen kann. Ist aber doch eine klasse Unterhaltungsromanidee, schreib ihn doch, ich werde ihn nicht lesen, weil er mich nicht interessiert. Was aber im Reich-Ranicki'schen oder Langer'schen Sinn nicht heißt, dass solche Sachen irrelevant oder schlecht sind. Es heißt nur, dass sie mich nicht interessieren. Und das heißt, ich stecke meine Lebenszeit nicht in sie, sondern in anderes.

Was ich unter dem Thread "Mein kleines Buch" kommentiert habe, gibt einfach bloß wieder, was ich beim Schreiben des Textes im Kopf hatte. Ob das stimmt, was ich im Kopf hatte, ob das eine uralte Theorie ist, die von den und den Leuten stammt und längst falsifiziert ist, darum ging es mir auch nicht. Es ging nur darum zu erzählen, woran ich dachte, als ich das schrieb.

Ich finde, wir sollten das hier in dem jetzt von dir aufgebrachten Stil auf keinen Fall weiter diskutieren, denn es gehört nicht an diese Stelle. Es ist eine Diskussion darüber, wer von uns beiden in seinem Schreiben mit seiner Theorie mehr im Recht ist. Und das ist hier von null Interesse. Hier geht es darum, ob der ursprüngliche Achras-Text ein literarisches Werk war und wenn ja, ob ein gutes. Natürlich war der Text ein Spiel, da nämlich alle Texte Spiele sind. Es kommt meines Erachtens auch nicht darauf an zu wissen, was sich der Autor bei seinem Spiel gedacht hat, sondern es kommt darauf an zu wissen, was man selbst beim Lesen gedacht hat.

" mit --- habe ich gezeigt", diese Worte kamen mir allerdings merkwürdig vertraut vor. Erinnerten mich an jemanden, mit dem ich kein einziges Wort mehr wechseln will.
 

Val Sidal

Mitglied
@Dominik Klama

Hier geht es darum, ob der ursprüngliche Achras-Text ein literarisches Werk war und wenn ja, ob ein gutes. Natürlich war der Text ein Spiel, da nämlich alle Texte Spiele sind. Es kommt meines Erachtens auch nicht darauf an zu wissen, was sich der Autor bei seinem Spiel gedacht hat, sondern es kommt darauf an zu wissen, was man selbst beim Lesen gedacht hat.
Ich nahm/nehme eine einfache Position ein:

[ 4]Wenn ich in einen Konzertsaal(Forum Kurzprosa) gehe und für ein angekündigtes Konzert(Werk) Lebenszeit zahle,
[ 8]- auf der Bühne einen Haufen Instrumente(Text) und im Saal Publikum(Klicks & Kommentare) vorfinde,
[ 8]- von einem Gaukler(achras) die Nachricht vorgesungen bekomme, dass der Komponist (achras-Alter Ego) mal eine geniale Idee für ein Musikstück hatte, welches man mit den vorliegenden Instrumenten hätte vortragen können,
[ 8]- was aber nicht stattfinden konnte, weil ihm damals der Zugang zum Saal(Verlag) verwehrt wurde,
[ 8]- den Lobgesang(WdM) des Dirigenten(Foren-Redakteur) auf den Vortrag des Gauklers(achras) ertragen muss,
[ 4]dann sage ich: „Das ist kein Konzert(Werk) – das ist Mist!“

Und das selbst dann, wenn der Gaukler(achras) eine nette Stimme hat und sein Gesang an Luciano Pavarotti(Thomas Bernhard) erinnert.

Wenn mein vorheriger Beitrag vom Thema und Stil her unpassend war, dann -- Pardon.
 
D

Dominik Klama

Gast
Für das Jahr 1971 hatte Thomas Bernhard seinem Verleger ein kleineres Prosawerk für die edition suhrkamp unter dem Titel „Atzbach. Vorschriften“ versprochen. Dieses Werk ist später nie erschienen, jedoch, als der Verleger vom Autor einen Text für eine Verlagsvorschau wollte, schrieb Bernhard:

Nach und nach und mit seiner lebens- und Sterbegeschwindigkeit intensiver beweist sich der in das Arbeitshaus „Atzbach“ neueingewiesene Handlanger und Gewohnheitsverbrecher Schmöll an Hand aller Vorkommnisse mit der größten Genauigkeit, dass die Welt und in jedem Falle immer die unmittelbare Umwelt des einzelnen, nicht allein aus Natur- und Begriffsmaterie, sondern in jedem Denkenden, sich folgerichtig zu Denken Getrauenden am Ende doch nur aus Vorschriften, aus einer beschämenden und erschütternden Unendlichkeit menschlicher und also unmenschlicher und also menschenunwürdiger Vorschriften und aus solchen menschenunwürdigen Vorschriften von Vorschriften besteht. Für Schmöll ist die Welt eine Vorschriftenwelt und die Menschen sind Vorschriftenmenschen, alles in ihr und alles in ihnen ist Vorschrift. Schmöll sagt nicht (weil er sich das Sagen abgewöhnt hat), denkt aber: alles ist Vorschrift und denkt damit: alles ist unerträglich.
Man stelle sich die Ablehnung vor, wlcher dieser Text als „Werk des Monats“ hervorgerufen hätte: „Ich bleibe dabei, ein Buchprospekttext, keine Literatur.“
 

Val Sidal

Mitglied
Atzbach. Vorschriften

Nach und nach und mit seiner lebens- und Sterbegeschwindigkeit intensiver beweist sich der in das Arbeitshaus „Atzbach“ neueingewiesene Handlanger und Gewohnheitsverbrecher Schmöll an Hand aller Vorkommnisse mit der größten Genauigkeit, dass die Welt und in jedem Falle immer die unmittelbare Umwelt des einzelnen, nicht allein aus Natur- und Begriffsmaterie, sondern in jedem Denkenden, sich folgerichtig zu Denken Getrauenden am Ende doch nur aus Vorschriften, aus einer beschämenden und erschütternden Unendlichkeit menschlicher und also unmenschlicher und also menschenunwürdiger Vorschriften und aus solchen menschenunwürdigen Vorschriften von Vorschriften besteht. Für Schmöll ist die Welt eine Vorschriftenwelt und die Menschen sind Vorschriftenmenschen, alles in ihr und alles in ihnen ist Vorschrift. Schmöll sagt nicht (weil er sich das Sagen abgewöhnt hat), denkt aber: alles ist Vorschrift und denkt damit: alles ist unerträglich.

Würde ich den Text so, ohne Vorwissen – und mich interessiert nur der Text und nicht die Vorgeschichte – als Werk eines Users z.B. b-krass, den ich nicht kenne, in der Rubrik "Kurzprosa" vorgestellt bekommen, dann hätte ich Lust ihn zu besprechen, nur, um, nach bewusster und gewollter Investition von Lebenszeit, einige irritierende Sprachbilder, die mich herausgefordert haben, ganze Passagen, zu denen ich wieder und wieder zurückkehren musste, zu durchdringen, weil sie mich beunruhigten und ich mir auf sie auf die Schnelle keinen befriedigenden Reim machen konnte, obwohl -- vordergründig -- an der Logik des Textes ganz offensichtlich nichts auszusetzen ist, und ich mir eingestehen musste, dass die Quelle meiner Ver-Stimmung wohl eher tiefer, vielleicht sogar in mir selbst, oder in dem, was ich von mir zu kennen glaubte, liegen könnte -- ja, nur, um am Ende, mit der Einsicht und in dem Bewusstsein ruhig schlafen gehen zu können: es ist Glück und Gnade, nicht wie Schmöll zu sein, nicht die Last der höheren Moralität zu tragen, die ihm die Freiheit gab, die ganze Welt auf das eine Wort zu pressen (was ich mir freilich nicht erlauben kann – ich muss, um zu überleben, differenzieren, nicht schwarz-weiß sondern grau-in-grau handhaben), es wie eine ewige Weisheit in den grauen, weichen Stein seiner Seele zu meißeln, ein Wort, das in seinem Absolutheitsanspruch freilich kein Begriff mehr sein kann, sondern zu Schmölls Umwelt – die Welt selbst – gereift ist, und freiwillig nicht zu sagen: die enge, erdrückend lebenslangsame und sterbensintensive Welt der Gefangenschaft hat mich vielleicht nicht zu einem besseren Menschen gemacht, aber ich bin frei zu denken: es ist unerträglich.

Würde ich das Werk als WdM auszeichnen? Wahrscheinlich nicht. Wüstenroses Kurzprosa „Wo ich herkomme“ gefällt mir besser.
 

achras

Mitglied
Bei dieser Art von "Willkommenheißung" erübrigt sich jedenfalls die weitere Beteiligung an diesem Forum. Schade, dass die Option "Profil bearbeiten" nicht die Option zum Ausstieg bietet.
 
D

Dominik Klama

Gast
Na, es verschwinden doch immer wieder mal Autoren komplett aus der LL. Profil weg, sämtliche Werke weg, Antworten zu den verschwundenen Werken weg. Frag doch mal jemanden von der Redaktion. Wahrscheinlich geht die Totalabmeldung, wenn man die vorher frägt. Aber Warnung: Es sind sowieso viele Leute in mehreren Foren zugleich unter verschiedenen Namen. Vielleicht haben dich hier diejenigen gemobbt, die dich woanders schon vertrieben haben (Umgangsformen im Internet, gegenwärtiger Stand der Menschheit). Da hieße es irgendwann dann wohl mal Stand halten.
 



 
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