schwerelos

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Lastro

Mitglied
schwerelos


träumend atmet der Raum fließenden Wind in die Weite

regend das Meer zu Wogen, die Wellen der See bewegt

prall füllend helles Tuch, straffend die Segel setzt

richtend sie gegen den Himmel, stellend ins weite Blau



sehnsüchtige Woge, aufwallende Flut

wanderndes Suchen, schwellendes Rauschen

gestreckter Rumpf, drängend voran

verlangendes Wollen, durchdringendes Streben

schwingend ins Nass, die Welle, die Fülle



berstende Höhe, sprühende Gischt

löschend des Zieles Sicht in unzähligen Strahlen

grenzenlos sprühenden Tropfenlichts, einhüllend dich frisch

hell durchdringender Augenblick, sterbender Wille

fließend, rinnend, perlend hinab



wendend nun senkt sich der Bug, gleitet der Rumpf ins Tal

schmiegend entlang der Woge, anliegend hinab und hinan

richtend aus seiner Form, spurend die gleitende Fahrt

bestimmend durch die Gestalt, gewinnend aus seiner Art

raumgreifend voran, auf und ab ohne Schwere



zufassend die Hand, spürend wieder das Steuer

einend strömende Kräfte im dich umrauschenden Sein

vertrauend das Schiff, folgend nah deinem Sinnen,

neigend im streichenden Wind,

wiegend dich in sanften Schwüngen dahin​
 
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Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Dies ist ein Überfall. Ein Überfall des Partizips auf den Leser, Vers für Vers. Ich versuche erst mal, mich darüber klarzuwerden, worum es hier eigentlich geht. Also ein Schiff auf dem Meer, anfangs in größter Ruhe (träumend atmet der Raum fließenden Wind in die Weite), dann in den Sturm geraten, der sich am Gedichtende wieder legt. Der wird nun ausführlich beschrieben, natürlich alles im Partizip-Stil. Ein Versuch, mit bedächtig fließenden Versen einen Sturm zu beschreiben, das kann nicht gut gehen. Jedenfalls war ich nach dem Lesen vom Sturm nicht halb so aufgewühlt wie der Autor sicher nach vollbrachtem Werk.

Ich spreche dem Text nicht den Versuch der lyrischen Sprache ab. Jedoch durch den übermäßigen Gebrauch des Partizips statt des aktiven Verbs ist dieses Gedicht für mich leider eine halbe Sache geworden.

blackout

P.S.: Technik! Auch hier erscheint das Gedicht dreizeilig. Es muss also etwas im neuen Blog noch nicht ganz da sein, wo es stimmt.
 
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Lastro

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Danke, blackout, für deinen Kommentar! In dem Gedicht beschreibe ich die Begegnung eines Bootes mit einer hohen Welle. Das passiert manchmal, auch ohne Sturm. Ein Sturm ist nicht das Thema. Ansonsten ging es mir um den Klang der Sprache. Gern denke ich über Alternativen nach!
Lastro
 

Lastro

Mitglied
Ich glaube, die Verwendung des Partizips in diesem Gedicht erzeugt für mich eine besondere Art des Klanges, der sich mit der Sinnlichkeit der Inhalte und Vorgänge verbindet.
 
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Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Gut, Lastro, also kein Sturm, eine große Welle. Wie kann ich dir erklären, dass das Partizip I nur sehr sparsam in der Lyrik verwendet werden sollte? Sieh mal, du beschreibst einen aktiven Vorgang, eine überraschend große Welle gegen das Boot, die es zum Kentern bringen könnte - eine gefährliche Situation, eine Aktion. Der lyrische Klang wird immer überschätzt, und wegen des lyrischen Klanges ist schon viel Unsinn geschrieben worden. Das Partizip (Mittelwort) steht zwischen Verb (Tätigkeitswort) und Adjektiv (Eigenschaftswort), das Verb verliert dadurch an Kraft. Ich will dir das mal an einem Beispiel zeigen:

"zufassend die Hand, spürend wieder das Steuer" - dies ist lediglich Beschreibung, nicht aber Aktion. Der Vorgang in deinem Gedicht ist aber eine Aktion!

Wenn ich diesen Satz als eine aktive Handlung beschreiben würde, lautete er so:

"Die Hand fasst zu, spürt wieder das Steuer" - hier kann der Leser mitgehen, vielleicht atmet er sogar auf, weil das Boot der Katastrophe entgangen ist.

Es ist ein Irrtum zu glauben, du würdest durch den geballten Einsatz des Partizips I einen höheren Sprachklang erreichen. Das Gegenteil ist der Fall, besonders aber auch, weil es einfach zu viele Partizipien sind. Das ist besonders bei deiner Thematik unangebracht, denn du schilderst einen gefährlichen Vorgang, und wenn du beim Leser ein Mitgehen erreichen willst, musst du ihm richtig Angst machen, so dass der Schluss wirklich positiv endet und auch so vom Leser empfunden wird.

Ich würde dir vorschlagen, schreib mal das ganze Gedicht um als aktive Handlung, nur für dich. Du wirst bemerken, da bin ich sicher, dass plötzlich dein Gedicht Leben bekommt, du kriegst Spannung ins Gedicht - dein Thema ist ja ein spannender Vorgang.

blackout
 
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Lastro

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Vielen Dank, blackout, für deine ausführliche und sachlich aufklärende Antwort.
Langsam kommen wir der „Sache“ vielleicht näher.

Ich hätte das Gedicht besser unter der Rubrik Liebe einstellen sollen, denn den Ausschnitt eines solchen Aktes soll es metaphorisch beschreiben. Diesen Hintergrund könnte man beim Lesen merken oder spüren. Aber das Thema ist wohl zu gut verpackt, und das hat in die falsche Richtung geführt. Ich bitte um Entschuldigung.

Es geht also gar nicht um eine Situation auf See, schon gar nicht um eine gefährliche, sondern um eine Begegnung zweier geladener Polaritäten, Rumpf und Welle, Mann und Frau, an anderem Ort. Es geht um das erotisch/sexuell geladene Sein, die Begegnung, den zeitweisen Verlust der Kontrolle und des Zeitgefühls, und die Entspannung danach.

Deswegen auch der Titel „schwerelos“, der ja auch einen psychischen Zustand der Liebe beschreibt, und vielleicht auch deshalb intuitiv die Wahl des Partizips als oszillierendes Mittel der Beschreibung eines Zustandes zwischen kontrollierter Tätigkeit und gegebener Eigenschaft als dem reinen Sein, die vorübergehende Auflösung des Gefühls von zeitgebundener Tat in der Begegnung im Akt der Liebe, la petite mort.

Vermutlich kann man das auch anders und besser lösen. Ich bin gern hier, um zu lernen. Wie?
Ich persönlich mag dieses Gedicht. Es mündet in eine liebevolle Entspannung. Der, das Zeitgefühl auflösende, Weg dahin prall, sinnlich, körperlich.

Meer, Wellen, Boot, Segel und Wind spielen zum Schluss aber keine Rolle mehr.

P.S. Ich wohne in Australien. Deswegen gibt es ggf. Zeitsprünge in der Kommunikation.
Lastro
 



 
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