Spiritus Rector

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Gelöschtes Mitglied 21924

Gast
Mit Tränen in den Augen stelle ich ihn wieder zurück auf das Regal, direkt neben der Bibel, die ich vom Pfarrer aus meinem ersten Entziehungsheim bekommen habe.
Diesem Protagonisten, der mir so ausführlich sich selbst im Text als süchtig, kriminell, menschenverachtend in seinen Handlungen beschreibt und fast soziopathisch ohne jede Regung für seine Opfer ist, dem nehme ich die Tränchen am Schluss nicht als Reue ab, sondern als sich selbst bemitleidende Krokodilstränen: Och nö, kein BMW mehr! Fehlt nur noch seine schlechte Kindheit ...
@Franklyn Francis, da ich Deine Intention nicht kenne, einen Text über einen scheinbar skrupellosen, eiskalten, andere zu Straftaten "einsetzenden" Geist zu schreiben, halte ich mich erst einmal mit wertenden Kommentaren zurück. Meine Protas sind mir zwar auch nicht immer sympathisch - haben aber zumindest eine liebenswerte Eigenschaft - Du hast hier (bewusst?) drauf verzichtet, dadurch sind mir die handelnden Personen (für meinen Geschmack: zu) eindimensional gut/böse. Ist aber nur mein subjektiver Eindruck, geschrieben ist der Text durchaus glaubwürdig im Tonfall des Protas.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Isbahan,

da hast du mich erwischt.
Erstmal vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Das Ende habe ich irgendwann mal mit drangepappt, als ich die Idee hatte, daraus eine Art Serie über den Prota zu machen, wo er immer Erinnerungsstücke wir hier den Zeitungsartikel heraus kramt und dazu eine Geschichte, ein Erlebnis erzählt. Die allererste Version hörte vorher auf. Und ja, die Tränen sind eher aus Selbstmitleid geflossen. Gefallen tut mir das Ende so auch nicht so recht. Ich kann darauf verzichten.

Eindimensional, ja, hast recht. Der Text entstand nach mehreren Interviews mit dem Prota, hinzugefügt oder geändert wurde nichts, außer abschließend halt unabgesprochen das Ende. Ich weiß, dass muss ich gar nicht sagen, ch tue es aber mal einfach, dass es eine wahre Geschichte ist.
Schön, dass du es glaubwürdig findest und der Prota so rüberkommt wie in real.
Ich hatte einfach mal Lust, einen solchen Text zu schreiben, Stil Hard Boiled, ohne zu verschönern.
Geplant war auch, am Ende der Serie so etwas wie eine Veränderung beim Prota zu zeigen. Drei Texte gibt es insgesamt.
Und erst am Ende der Serie kommt Einsicht. Aber es ist schon zu spät für den Prota. Ein dramatisches Ende ….

Ja, mehr kann Ich dazu gar nicht sagen, mich nur freuen, dass das süchtig, kriminell und menschenverachtend rüber kam.
Ich bin offen für Kommentare, hänge da nicht emotional drin. Stilistisch usw. kann ich immer Tipps gebrauchen.

LG, Franklyn
 
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Gelöschtes Mitglied 21924

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Der Text entstand nach mehreren Interviews mit dem Prota, hinzugefügt oder geändert wurde nichts, außer abschließend halt unabgesprochen das Ende. Ich weiß, dass muss ich gar nicht sagen, ch tue es aber mal einfach, dass es eine wahre Geschichte ist.
Verstehe. Das erhellt mir einiges @Franklyn Francis - danke für Deine Offenheit, denn natürlich muss niemand erklären, warum er einen Text schreibt. Als Leserin habe ich mich nur gefragt: Warum sollte ich mir das antun, mich mit diesem Prota zu beschäftigen, der emotional so kalt rüberkommt, dass er mich, würde er mir abends in einer dunklen Gegend begegnen, ebenso kalt "abzocken" würde wie seine anderen Opfer.

Ich hatte einfach mal Lust, einen solchen Text zu schreiben, Stil Hard Boiled, ohne zu verschönern
Das ist Dir gelungen. Das Du da nicht emotional drinhängst, finde ich beruhigend. Stilistisch ist mir nur das Eindimensionale dieses Protas aufgefallen - und durch Deine Erklärung weiß ich nun, dass das kein stilistischer Fehler ist, sondern die Figur eindimensional IST, denkt, handelt - zumindest in diesem Teil.
Bin also gespannt, auf die anderen Teile ...
 
Hallo Isbahan,

danke für deine Rückmeldung.

der emotional so kalt rüberkommt, dass er mich, würde er mir abends in einer dunklen Gegend begegnen, ebenso kalt "abzocken" würde wie seine anderen Opfer.
Das hört sich für mich so an, dass der Charakter so rüberkam, wie ich es mir vorgenommen hatte.

Bin also gespannt, auf die anderen Teile ...
Einen Teil muss ich noch ein wenig überarbeiten, der andere hat es bisher noch nicht durch meine harte Qualitätsprüfung geschafft. Da fehlen noch ein paar szenische Elemente. Ob Ich den überhaupt hier poste, muss ich mal sehen.
Emotional hänge ich da nicht drin, geht ja nicht um meine eigenen Erlebnisse, so wie ich es hier im Forum oft vorfinde. Ich bin für reine Textarbeit hier, ist ja keine Selbsthilfegruppe für irgendwelche persönlichen Probleme hier. Ich sag nur Trennung Autor und Prota.

Wünsche dir einen schönen Tag.
LG, Franklyn
 
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Gelöschtes Mitglied 21924

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Ich bin für reine Textarbeit hier, ist ja keine Selbsthilfegruppe für irgendwelche persönlichen Probleme hier. Ich sag nur Trennung Autor und Prota.
Nun ja, @Franklyn Francis: Auch unsere Fantasien und Fantasiegestalten haben etwas mit uns selbst zu tun. Irgendjemand hat sogar behauptet: Wir heiraten immer unsere Probleme.
Wir gestalten Probleme, wir fantasieren Probleme ... oder die Flucht heraus. Ob das unsere eigenen sind oder erfundene, von anderen "geborgte" ist unsere Sache. Das ist ja das Schöne am Schreiben/ am Schauspielern: So dürfen wir jede Rolle annehmen, die wir annehmen wollen. Ich kenne keine größere Freiheit, nichts Kreativeres, als mir Charaktere "anzuziehen" und in fremder Gestalt in fremden Gefilden eine Art "Zwischenexistenz" anzunehmen. Früher haben wir das "spielen" genannt ...;)
Aber da hat eben jeder Autor/In ganz eigene Intentionen. Dem einen geht es rein um sprachlichen Ausdruck, einer anderen um "Verarbeitung", dem dritten um reines Spiel mit Fantasien ... für mich ist das alles gleich wertig.
 
Hallo Isbahan,

interessantes Thema, das Spiel mit Fantasien, die Intentionen des Schreibens.

Auch unsere Fantasien und Fantasiegestalten haben etwas mit uns selbst zu tun. Irgendjemand hat sogar behauptet: Wir heiraten immer unsere Probleme
Ja, das habe ich auch gehört. Könnte Freud gesagt habe.

So dürfen wir jede Rolle annehmen, die wir annehmen wollen. Ich kenne keine größere Freiheit, nichts Kreativeres, als mir Charaktere "anzuziehen" und in fremder Gestalt in fremden Gefilden eine Art "Zwischenexistenz" anzunehmen.
Bei Kreativität und Freiheit stimme ich dir voll zu. Anziehen oder Ausleben kann ich mir aber nur bei Schauspielern vorstellen. Nicht bei Autoren und ihren Charakteren.

Aber da hat eben jeder Autor/In ganz eigene Intentionen.
Genau. Und das ist gut so.

Dem einen geht es rein um sprachlichen Ausdruck, einer anderen um "Verarbeitung", dem dritten um reines Spiel mit Fantasien ... für mich ist das alles gleich wertig.
Stimme dir zu, aber bei Verarbeitung sehe ich es anders.
Ich finde, eine Verarbeitung sollte nach dem Schreiben abgeschlossen sein. Es gibt ja extra Ratgeber, wie man sich Frust, Schmerz etc. vom Leib schreibt. Das ist m.E. aber nicht immer die Art an Geschichten, die für die Öffentlichkeit in Literaturforen wie hier bestimmt ist.

Man sollte sich davon lösen können, sonst ist man bei Kommentaren von Lesern voreingenommen, teilweise sogar gekränkt. Auch, was ich oft gesehen habe, völlig stur und beratungsresistent nach dem Motto „Nein, das ändere ich nicht, auch wenn es unrealistisch oder unlogisch ist, denn ich habe es genauso selbst erlebt“. Da ist es mit konstruktiver Kritik vorbei. Da sollte man am besten sofort Biografie dran schreiben und gut.

Also „alle drei gleichwertig“ in meinen Augen auch, aber in unterschiedlichen Art des Auslebens.

So, jetzt bin ich ganz schön ins Offtopic rausgerutscht, weg vom Text selbst

LG, Franklyn
 
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Gelöschtes Mitglied 21924

Gast
Man sollte sich davon lösen können, sonst ist man bei Kommentaren von Lesern voreingenommen, teilweise sogar gekränkt. Auch, was ich oft gesehen habe, völlig stur und beratungsresistent nach dem Motto „Nein, das ändere ich nicht, auch wenn es unrealistisch oder unlogisch ist, denn ich habe es genauso selbst erlebt“
Vielleicht sind das Stufen, die man betritt? Bei mir war es jedenfalls anfangs so, dass ich öffentlich (zu viel) biografisches "bearbeitet" habe und mich ebenso vehement wie Du es beschreibst, schützend über meinen Text geworfen habe. Inzwischen habe ich gelernt, über persönliches zu schreiben, jedoch nicht mehr über privates. Auch aus diesem Grund schreibe ich öffentlich überwiegend nur noch Heiteres oder Satiren.
So. Zum Text, zum Text ... ähm:

Zwei Jahre später kam es zur Verhandlung. Ich hatte Glück im Unglück. Da wir vier vor Gericht einen recht reuigen Eindruck machten, alles gestanden und betonten, wie sehr uns das alles leid tat, kamen wir recht glimpflich davon.
Ich bekam ein Jahr und zehn Monate auf drei Jahre Bewährung. Die Glatzen noch weniger. Schadensersatz für die Prügel musste ich aber auch zahlen.
An dieser Stelle sagt der Prota ganz klar: Alles nur Show, um die drohende Strafe abzumildern. Kein Bedauern, keine echte Reue.

[/QUOTE] Heute halte ich die beiden Zeitungsausschnitte in der Hand. „27-jähriger Geschäftsmann als Spiritus Rector berief sich auf Drogensucht zum Tatzeitpunkt“, steht in großen Buchstaben in der BILD.
Ich rieche an dem Papier. Es riecht muffig, nach Vergangenem.
Spiritus Rector, den führenden Geist haben sie mich genannt.
Ich bin nicht stolz darauf, weiß bis heute nicht, warum ich den ganzen Scheiß überhaupt ausgeschnitten und behalten habe.[/QUOTE]

Doch, er scheint sogar mächtig stolz darauf zu sein. Daher hier mein Vorschlag: "... irgendwie bin ich stolz darauf. Wenigstens war ich mal in der Zeitung. Kann schließlich nicht jeder von sich sagen ..."
Ich stecke die Papierschnipsel zurück in die Hülle und hefte sie im Order ab. Mit Tränen in den Augen stelle ich ihn wieder zurück auf das Regal, direkt neben der Bibel, die ich vom Pfarrer aus meinem ersten Entziehungsheim bekommen habe.

So hätten die Tränen in den Augen einen Sinn: Selbstmitleid. Nun sitzt er drei Jahre im Knast, hat kein dickes Auto, keine Kohle, keine Drogen mehr ...

Vielleicht kannst Du damit was anfangen. Lieben gruß
Isbahan
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Franklyn,

mir gefällt der Text im Großen und Ganzen, flott geschrieben, lebensnah, Bilder entstehen und glaubwürdig ist er auch.

Mein Lieblingssatz:

René kannten wir vom Bahnhof. Ein doofer, muskelbepackter Skin, der als Schläger bekannt war und uns ab und an Shit besorgte. Ein ganz netter Kerl.
Genau, so sehen nette Kerle aus! :)

Aber ich hätte den Text bei "Gar kein schlechter Stundenlohn" enden lassen.

So wäre alles offen geblieben.

Ansonsten - nur weiter so!

:)

Gruß DS
 
Hallo Isbahan,

Bei mir war es jedenfalls anfangs so, dass ich öffentlich (zu viel) biografisches "bearbeitet" habe und mich ebenso vehement wie Du es beschreibst, schützend über meinen Text geworfen habe. Inzwischen habe ich gelernt, über persönliches zu schreiben, jedoch nicht mehr über privates. Auch aus diesem Grund schreibe ich öffentlich überwiegend nur noch Heiteres oder Satiren.
Ein Lernprozess, ist doch toll. Wenn ich über Privates schreibe (Was eigentlich gar nicht vorkommt oder nur etwas Harmloses ist), ändere ich es so ab, dass ich es selbst nicht mehr wiedererkenne und bei Kommentaren ganz kühl mit umgehen kann
Aber Ich schreibe ja eigentlich sowieso nur Fiktion. Dieser Text hier ist eine Ausnahme. Manchmal ist ein Zeitungsartikel der Auslöser.

Deinen Vorschlag für das geänderte Ende finde ich gut. Habe ich übernommen.

LG, Franklyn
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Franklyn,
der Text gefällt mir richtig gut. Die Charakter sind alle wandelnde Klischees, aber sie sind zumindest in sich stimmig. Vor allem hat der Text eine dichte Atmosphäre. Wenn die düsteren Ecken von Sachsen-Anhalt ausgeleuchtet werden, bin ich gerne dabei :)

Zu den Tränen am Ende hatte Isbahan ja schon etwas geschrieben. Eine andere Stelle wo ich noch etwas nachpolieren würde, wäre der Spiritus Rector. Es bleibt vage, warum der Prot so genannt wurde. Für die Bild dürfte das doch ein eher ungewöhnlicher Begriff sein. Wenn sowohl die MZ als auch die Bild ihn so nennen, scheint der Name auf etwas Konkretem zu beruhen. Es liegt nahe, die Begebenheit direkt zu schildern. Wahrscheinlich hat einer ihrer Opfer ihm den Spitznamen verpasst. Vielleicht treten sie statt des Soldaten irgend einen Intelektuellen zusammen, der dann diesen Namen prägt.


Ein paar Kleinigkeiten:

Anfang warst du für meinen Geschmack etwas zu freigiebig mit Adjektiven:
das bedrohliche Eisen
hektische Getümmel
Kalter Angstschweiß

wie ein ängstlicher Idiot in die Hose zu pissen
Das passt nicht so zu seinem Charakter, oder? Später wirkt er doch recht abgebrüht.


Drei Straßen weiter in unserer Garage lagerten unzählige Kartons, fünftausend Mark,
Das verstehe ich nicht. Das Geld lag in den Kartons?


Viele Grüße
lietzensee
 
Hallo DocSchneider,

Danke für deinen tollen Kommentar.

mir gefällt der Text im Großen und Ganzen, flott geschrieben, lebensnah, Bilder entstehen und glaubwürdig ist er auch.
Das freut mich sehr.

Genau, so sehen nette Kerle aus! :)
Hehe

Aber ich hätte den Text bei "Gar kein schlechter Stundenlohn" enden lassen.
Ups, dann wäre ja ein großer Teil weg

Am Ende arbeite ich sowieso noch, damit das mit dem nächsten Teil der kleinen Serie besser passt.

Ansonsten - nur weiter so!
Vielen Dank noch mal.

Wünsche dir einen schönen Start ins Wochenende.
LG, Franklyn
 
Hallo lietzensee,

danke dir für deine Zeit und deinen Kommentar, der mir sehr weitergeholfen hat.
Nun bin ich wieder zurück aus dem Urlaub und habe noch mal die beiden Zeitungsartikel herausgeholt ...

der Text gefällt mir richtig gut.
Danke dafür!

Die Charakter sind alle wandelnde Klischees, aber sie sind zumindest in sich stimmig. Vor allem hat der Text eine dichte Atmosphäre. Wenn die düsteren Ecken von Sachsen-Anhalt ausgeleuchtet werden, bin ich gerne dabei :)
Prima!

Es bleibt vage, warum der Prot so genannt wurde. Für die Bild dürfte das doch ein eher ungewöhnlicher Begriff sein. Wenn sowohl die MZ als auch die Bild ihn so nennen, scheint der Name auf etwas Konkretem zu beruhen. Es liegt nahe, die Begebenheit direkt zu schildern. Wahrscheinlich hat einer ihrer Opfer ihm den Spitznamen verpasst. Vielleicht treten sie statt des Soldaten irgend einen Intelektuellen zusammen, der dann diesen Namen prägt.
Ich habe das nach der Durchsicht der Zeitungsartikel nochmal angepasst, detaillierter gemacht. Tatsächlich stand das nicht in der BILD, sondern die MZ hat diesen ungewöhnlichen Begriff "Spiritus Rector" geprägt. Allerdings ohne nähere Erläuterung. Dies wurde nun in der Geschichte übernommen.

Anfang warst du für meinen Geschmack etwas zu freigiebig mit Adjektiven:
Ich habe einige gestrichen.

Das passt nicht so zu seinem Charakter, oder? Später wirkt er doch recht abgebrüht.
Hast recht. Habe das geändert.

Das verstehe ich nicht. Das Geld lag in den Kartons?
Ist nun genauer beschrieben.

Vielen Dank nochmals und einen tollen Samstag.
LG, Franklyn
 



 
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