Dichter Erdling
Mitglied
Namenloser: Einen Namen hast du dir nicht verdient.
Ganz ehrlich, ich erinnere mich nicht. Keine Ahnung, wie deine Mutter dich rief, als du noch in Windeln lagst. Und wenn man mich polizeilich verhören oder foltern würde, ich wüsste deinen Namen nicht zu sagen. Er ist mir zwischenzeitlich entfallen, wenngleich du ihn mir damals, als wir uns kannten, sicherlich genannt hast.
Namenloser, du warst nicht mehr unerfahren, soviel steht fest. Du warst kein Baby mehr. Kein Richter würde dich noch wegen jugendlichem Leichtsinn freisprechen von irgendwas. Du wusstest, was du tatst, als du mir unten beim Fluss zwischen die Beine gegriffen und mir die Jeans aufgemacht hast. Du wolltest alles und alles war nur ein Spiel für dich.
Wir lagen am Ufer auf Steinen, welche die Strömung in jahrtausendealter Kleinarbeit glattgeschliffen hatte. Dort, wo der Fluss seicht war, gingen wir mit aufgekrempelten Hosenbeinen ins Wasser. Wo kaum Bewegung war, hatte etwas Grünes den Mut gefunden, sich auf dem Kiesbett auszuwachsen. Es war Sommer, es war heiß und wir rutschten barfuß auf dem glitschigen Gestein umher, bis wir ins Wasser fielen.
Von meinem aufgeschlagenen Knie hast du zärtlich das Blut abgeleckt und ich meine, du hättest gern höher geleckt, aber das ließ ich nicht zu. Nicht sofort, nicht so schnell.
Ich sah den Schalk in deinen Augen und wusste augenblicklich, dass du ein Spieler bist.
Wie ein Spielzeug betrachtest du die Welt, wie ein Spielzeug hast du auch mich angeschaut. Vielleicht schon morgen würdest du mich wegwerfen, so warst du nun mal. Sowas ist auch gar keine kindliche Art, keine Frage des Alters. Das ist eine Frage des Charakters – und dein Charakter, soviel wusste ich gleich, war der eines Spielers, dem man Einhalt gebieten muss.
Ich habe dich freundlich angelächelt, hab dich ein bisschen zurückgeküsst und hab mich dann aber in den Schatten der Weiden verkrümelt, um eine zu rauchen und in Ruhe über dich nachzudenken.
Deine Zunge in meinem Mund war mir ein wenig zu forsch. Wie ein Krieger auf Beutezug, ein Krieger im hochgemuten Größenwahn.
Natürlich bist du mir nachgekommen. Hast deine nackten Füße neben mir im Kies vergraben, darunter feuchtes Erdreich und kühler Sand, was sich beides sogleich unter deinen Zehennägeln festsetzte. Du könntest später nicht leugnen, hier gewesen zu sein, wenn sie dich forensisch untersuchen würden. Du, Namenloser, hättest einen Namen bekommen und ein Aktenzeichen und vermutlich eine fette Schlagzeile.
Du weißt, dass es anders gekommen ist. Niemand wird sich an dich erinnern.
Es war unbequem, wie du fordernd auf mir drauf hingst und unter mir die Steine, da hast du mich an der Hand genommen und bist mit mir die Böschung hinauf. Hinauf auf die weite Wiese, eingefasst von Büschen und Bäumen und rechts der Fluss. Dort hast du mich zwischen die Büsche ins Gras gelegt.
Der Sommer war fast schon zu Ende, die Erde war trocken und hart. Schon länger hatte es nicht geregnet. Es roch nach Heu und Staub und irgendwie nach Honig.
Meine Jeans, mein schwarzes Tanktop, beides noch leidlich klamm vom Flusswasser, malten sich im schmierigen Verbund mit dem Boden ein erdiges Batikmuster auf.
Ich spürte struppige Halme, die sich mir in den Hintern bohrten. Meinen Slip hattest du gekonnt zur Seite geschoben. Deine Finger, Namenloser, waren nicht minder forsch wie deine Zunge, nur zahlreicher. Meine eigene Hand wiederum hattest du dir mal so in die deine Hose gesteckt. Ich tat darin, was ich konnte, auch wenn ich gewiss nicht so erfahren war wie du.
Aber da war er wieder, der Schalk in deinen Augen und ich wusste, jetzt kann dich keiner mehr bändigen. Das Ding in deiner Hose war schon bemerkenswert übermütig.
Zur Seite hast du mich gedreht, um mich in meiner schutzlosen Nacktheit von hinten zu betrachten. Ausgiebig, so wie man ein neues Spielgerät mustert, von dem man noch nicht weiß, wie man es benutzen soll. Hose und Slip hingen mir mittlerweile unter den Knien. Nur schlecht bekam ich die Beine auseinander, aber du hast es geschafft, von hinten in mich reinzukommen.
Erst habe ich dich noch spucken gehört und ich meine, du hast auf diese Weise deine Finger benetzt, um mich anzufeuchten und vorsichtshalber nochmal ein bisschen zu dehnen, aber du weißt ja, dass jedenfalls das mit dem Anfeuchten gar nicht nötig war. Du, Namenloser, weißt, dass ich an diesem Punkt nur allzu bereit war, dein Spiel mitzuspielen.
Namenloser, was soll ich sagen, du warst nicht mein Erster, aber du warst schon anders als das, was ich bislang gekannt hatte. Diese eine Sache hast du nicht schlecht gemacht, das muss man dir lassen. Du wusstest, was du tatst und hast es geschafft, dass mir das Blut in den Ohren rauschte. Mehrfach musstest du nachstoßen, bis du endlich voll in mir drin warst, so verharrtest du für eine Minute, mich pfählend, bis ich einigermaßen mit dir klarkam und du dich nochmal steigern konntest. Du warst gut. Von daher hättest du dir wohl einen Namen verdient; allein, er ist mir zwischenzeitlich wirklich entfallen, auch wenn ich alles andere noch weiß.
Damals auf der Wiese unten am Fluss hast du mich ausgiebig kommen lassen und hast mich sicherlich dabei beobachtet. War auch ein Spiel für dich, wie mir die Gesichtszüge entglitten, wie es mir egal wurde, ob uns jemand beobachtet und ob mich die Ameisen auffressen, nicht wahr?
Erst später wieder fühlte ich die Insektenfüße auf mir krabbeln. Noch Tage danach sollte ich rote, juckende Punkte auf meiner Haut haben, überall, am ganzen Körper, aber das war bei weitem nicht die schlimmste Konsequenz dieses Nachmittags.
Nachdem auch du fertig warst, und du warst erstaunlich ausdauernd, trotz meiner Enge, fast wäre es mir nochmal gekommen, fast wärst du mir zu viel geworden, haben wir uns die Hosen wieder hochgezogen und sind noch eine Weile sitzen geblieben.
Wir waren ganz unter uns. Sehr abgeschieden. Kein Spaziergänger, kein Gassigeher störte uns. Es war ein Dienstag.
Ich spürte, wie in meinem Slip die meinen und die deinen Säfte zusammenliefen und wie es in meinem Unten immer noch pulsierte. Ein wenig hatte ich Angst, du hättest mir innen drin etwas angetan, was nun blutete, du warst schon heftig, aber ich wagte es nicht, Nachschau zu halten.
Schweigend haben wir in die flirrende Stille geraucht.
Einfach so hast du dir eine Zigarette von mir gegriffen, ohne zu fragen. Mein Feuerzeug. Du weißt schon, das silberne mit der Perlmuttblume vorne drauf. Du, Namenloser, du, der Spieler, hast auch damit gespielt. Am Rädchen gedreht, kleine Flamme, große Flamme, sieh doch nur.
Ich war müde und mein lädiertes Knie fing jetzt doch an, weh zu tun.
Du dagegen schienst jetzt erst recht munter und voller Tatendrang. Du fingst an, dürre Grasbüschel auszureißen und anzuzünden, dabei hast du gelacht.
Sowie du meine Angst bemerkt hast, lachtest du lauter. Ein größeres Büschel hieltst du mir vor die Augen. Ein Zisch, ein Klick, ein Funke. Feuer. Lachend hast du die Flammen wieder ausgetreten. Und nochmal. Du ließest dich nicht bändigen. Du warst ein Spieler.
Plötzlich wollte ich nur noch weg, weg von dir. Ich hatte meinen Kram schon gepackt und war drauf und dran, nun wirklich zu gehen: „Gib mir mein Feuerzeug, bitte!“ Ernsthaft habe ich „bitte“ gesagt, aber du…
„Schau mal!“ hast du geantwortet, aber ich hab nicht mehr hingeschaut.
Ich hörte nur das neuerliche Zischen, Klicken. Wuuuschschsch. Da entschied ich mich zu gehen, Feuerzeug hin oder her. Ich klopfte mir den Staub aus den Kleidern, die fast schon wieder trocken waren.
„Steppenbraaand!“ hast du daraufhin gerufen, und zwar in einer recht kindischen Tonlage und mit diesem lachhaft langgezogenen A, das hat mir endgültig gereicht.
Erst als du „Scheiße, scheiße, scheiße!“ geflucht hast, hab ich mich nochmal umgedreht. Ich war noch nicht weit, nur ein, zwei Schritte von dir weg.
Mein silbernes Feuerzeug lag in der Wiese und du, Namenloser, bist wie Rumpelstilzchen drumherum getanzt, gestampft. „Komm her, hilf mit!“ hast du geschrien und wolltest, dass auch ich diese Flammen austrete, die du verursacht hast.
Es waren bald schon zu viele Flammen für deine beiden Füße, die immer noch verzweifelt versuchten, den Schaden und das Feuer zu begrenzen. „Komm schon!“ hast du mich angebrüllt, mit einem Schimpfwort hintennach.
Bloß ich konnte nicht, selbst wenn ich gewollt hätte. Konnte mich nicht bewegen. Mit jeder Sekunde schien es mir undenkbarer, mich diesen Flammen zu nähern, die sich mit jeder Sekunde weiter ausbreiteten.
Dort, wo unsere Körper eben noch ineinander verkeilt gelegen hatten, war nun eine matratzengroße Feuersbrunst. Kingsize-Größe. Ein Doppelbett, Matratzenlager. Und weiter fraßen sich die Flammen vor, Richtung Bäume, Büsche. Es ging alles so rasend schnell. Ein einziges Glimmen, Glühen, Glosen, das sich nicht mehr aufhalten ließ.
„Okay: Lauf!“ belltest du mir schließlich zu, da bin ich gelaufen.
Du, Namenloser, hast dich um mich nicht mehr gekümmert. Du bist einfach losgerannt, diesmal ohne meine Hand zu nehmen und hast noch nicht mal geschaut, was mit mir ist.
Ich hetzte dir nach und wagte es meinerseits nicht, mich umzudrehen. Vergessen war mein angeschlagenes Knie. Ich rannte, als ob der Teufel hinter mir her wäre, dabei lief der doch vorneweg.
So liefen, liefen wir, bis wir die Lichtung, den Wald, den Fluss weit, weit hinter uns gelassen hatten.
Irgendwann hast du, Namenloser, gesagt, jetzt ist gut, und dass wir uns ab da möglichst unauffällig verhalten sollen. Wir haben uns dann auf eine Parkbank gesetzt und haben ganz schockiert getan, als in der Ferne diese Rauchsäule aufstieg. Feuerwehrsirenen hoben an, wir zuckten irritiert die Schultern. Ganz so, als wüssten wir von nichts, so taten wir.
„Was da wohl los ist?“ hast du die Passanten sogar direkt gefragt und abermals merkte ich: Du, Namenloser spieltest schon wieder. Du hast selbst noch dieses Spiel genossen.
Ich hatte begriffen. Spieler wie du würden, wenn sie es könnten, auch die ganze Welt anzünden und dann würden sie sich hinsetzen und den Guten mimen. Den Besorgten. Und sich dabei auch noch gut vorkommen.
Mir dagegen war übel und ich zitterte. Ich musste daran denken, was dort hinten unter der Rauchsäule nun vor sich ging. Dort, wo mein silbernes Feuerzeug immer noch lag. Was dort nun alles verbrannte, verglühte, verkohlte! Pflanzen, Natur, Tiere. Und wenn es nur Ameisen waren: Niemand hat den schrecklichen Feuertod verdient! Was, wenn Hasen, Rehe…? Was, wenn Menschen…?
Ich konnte es kaum in Worten denken, geschweige denn aussprechen.
Zu mir hast du, Namenloser, auch nicht mehr viel gesagt. Mit mir warst du fertig.
Nach einer Weile, die du für angemessen hieltst, hast du mich noch einmal zum Abschied geküsst.
Ich habe dir ins Gesicht geschaut und habe da schon gewusst: Das ist jetzt das letzte Mal.
Zum Fluss hinunter bin ich auch lange Zeit nicht mehr gegangen.
Ganz ehrlich, ich erinnere mich nicht. Keine Ahnung, wie deine Mutter dich rief, als du noch in Windeln lagst. Und wenn man mich polizeilich verhören oder foltern würde, ich wüsste deinen Namen nicht zu sagen. Er ist mir zwischenzeitlich entfallen, wenngleich du ihn mir damals, als wir uns kannten, sicherlich genannt hast.
Namenloser, du warst nicht mehr unerfahren, soviel steht fest. Du warst kein Baby mehr. Kein Richter würde dich noch wegen jugendlichem Leichtsinn freisprechen von irgendwas. Du wusstest, was du tatst, als du mir unten beim Fluss zwischen die Beine gegriffen und mir die Jeans aufgemacht hast. Du wolltest alles und alles war nur ein Spiel für dich.
Wir lagen am Ufer auf Steinen, welche die Strömung in jahrtausendealter Kleinarbeit glattgeschliffen hatte. Dort, wo der Fluss seicht war, gingen wir mit aufgekrempelten Hosenbeinen ins Wasser. Wo kaum Bewegung war, hatte etwas Grünes den Mut gefunden, sich auf dem Kiesbett auszuwachsen. Es war Sommer, es war heiß und wir rutschten barfuß auf dem glitschigen Gestein umher, bis wir ins Wasser fielen.
Von meinem aufgeschlagenen Knie hast du zärtlich das Blut abgeleckt und ich meine, du hättest gern höher geleckt, aber das ließ ich nicht zu. Nicht sofort, nicht so schnell.
Ich sah den Schalk in deinen Augen und wusste augenblicklich, dass du ein Spieler bist.
Wie ein Spielzeug betrachtest du die Welt, wie ein Spielzeug hast du auch mich angeschaut. Vielleicht schon morgen würdest du mich wegwerfen, so warst du nun mal. Sowas ist auch gar keine kindliche Art, keine Frage des Alters. Das ist eine Frage des Charakters – und dein Charakter, soviel wusste ich gleich, war der eines Spielers, dem man Einhalt gebieten muss.
Ich habe dich freundlich angelächelt, hab dich ein bisschen zurückgeküsst und hab mich dann aber in den Schatten der Weiden verkrümelt, um eine zu rauchen und in Ruhe über dich nachzudenken.
Deine Zunge in meinem Mund war mir ein wenig zu forsch. Wie ein Krieger auf Beutezug, ein Krieger im hochgemuten Größenwahn.
Natürlich bist du mir nachgekommen. Hast deine nackten Füße neben mir im Kies vergraben, darunter feuchtes Erdreich und kühler Sand, was sich beides sogleich unter deinen Zehennägeln festsetzte. Du könntest später nicht leugnen, hier gewesen zu sein, wenn sie dich forensisch untersuchen würden. Du, Namenloser, hättest einen Namen bekommen und ein Aktenzeichen und vermutlich eine fette Schlagzeile.
Du weißt, dass es anders gekommen ist. Niemand wird sich an dich erinnern.
Es war unbequem, wie du fordernd auf mir drauf hingst und unter mir die Steine, da hast du mich an der Hand genommen und bist mit mir die Böschung hinauf. Hinauf auf die weite Wiese, eingefasst von Büschen und Bäumen und rechts der Fluss. Dort hast du mich zwischen die Büsche ins Gras gelegt.
Der Sommer war fast schon zu Ende, die Erde war trocken und hart. Schon länger hatte es nicht geregnet. Es roch nach Heu und Staub und irgendwie nach Honig.
Meine Jeans, mein schwarzes Tanktop, beides noch leidlich klamm vom Flusswasser, malten sich im schmierigen Verbund mit dem Boden ein erdiges Batikmuster auf.
Ich spürte struppige Halme, die sich mir in den Hintern bohrten. Meinen Slip hattest du gekonnt zur Seite geschoben. Deine Finger, Namenloser, waren nicht minder forsch wie deine Zunge, nur zahlreicher. Meine eigene Hand wiederum hattest du dir mal so in die deine Hose gesteckt. Ich tat darin, was ich konnte, auch wenn ich gewiss nicht so erfahren war wie du.
Aber da war er wieder, der Schalk in deinen Augen und ich wusste, jetzt kann dich keiner mehr bändigen. Das Ding in deiner Hose war schon bemerkenswert übermütig.
Zur Seite hast du mich gedreht, um mich in meiner schutzlosen Nacktheit von hinten zu betrachten. Ausgiebig, so wie man ein neues Spielgerät mustert, von dem man noch nicht weiß, wie man es benutzen soll. Hose und Slip hingen mir mittlerweile unter den Knien. Nur schlecht bekam ich die Beine auseinander, aber du hast es geschafft, von hinten in mich reinzukommen.
Erst habe ich dich noch spucken gehört und ich meine, du hast auf diese Weise deine Finger benetzt, um mich anzufeuchten und vorsichtshalber nochmal ein bisschen zu dehnen, aber du weißt ja, dass jedenfalls das mit dem Anfeuchten gar nicht nötig war. Du, Namenloser, weißt, dass ich an diesem Punkt nur allzu bereit war, dein Spiel mitzuspielen.
Namenloser, was soll ich sagen, du warst nicht mein Erster, aber du warst schon anders als das, was ich bislang gekannt hatte. Diese eine Sache hast du nicht schlecht gemacht, das muss man dir lassen. Du wusstest, was du tatst und hast es geschafft, dass mir das Blut in den Ohren rauschte. Mehrfach musstest du nachstoßen, bis du endlich voll in mir drin warst, so verharrtest du für eine Minute, mich pfählend, bis ich einigermaßen mit dir klarkam und du dich nochmal steigern konntest. Du warst gut. Von daher hättest du dir wohl einen Namen verdient; allein, er ist mir zwischenzeitlich wirklich entfallen, auch wenn ich alles andere noch weiß.
Damals auf der Wiese unten am Fluss hast du mich ausgiebig kommen lassen und hast mich sicherlich dabei beobachtet. War auch ein Spiel für dich, wie mir die Gesichtszüge entglitten, wie es mir egal wurde, ob uns jemand beobachtet und ob mich die Ameisen auffressen, nicht wahr?
Erst später wieder fühlte ich die Insektenfüße auf mir krabbeln. Noch Tage danach sollte ich rote, juckende Punkte auf meiner Haut haben, überall, am ganzen Körper, aber das war bei weitem nicht die schlimmste Konsequenz dieses Nachmittags.
Nachdem auch du fertig warst, und du warst erstaunlich ausdauernd, trotz meiner Enge, fast wäre es mir nochmal gekommen, fast wärst du mir zu viel geworden, haben wir uns die Hosen wieder hochgezogen und sind noch eine Weile sitzen geblieben.
Wir waren ganz unter uns. Sehr abgeschieden. Kein Spaziergänger, kein Gassigeher störte uns. Es war ein Dienstag.
Ich spürte, wie in meinem Slip die meinen und die deinen Säfte zusammenliefen und wie es in meinem Unten immer noch pulsierte. Ein wenig hatte ich Angst, du hättest mir innen drin etwas angetan, was nun blutete, du warst schon heftig, aber ich wagte es nicht, Nachschau zu halten.
Schweigend haben wir in die flirrende Stille geraucht.
Einfach so hast du dir eine Zigarette von mir gegriffen, ohne zu fragen. Mein Feuerzeug. Du weißt schon, das silberne mit der Perlmuttblume vorne drauf. Du, Namenloser, du, der Spieler, hast auch damit gespielt. Am Rädchen gedreht, kleine Flamme, große Flamme, sieh doch nur.
Ich war müde und mein lädiertes Knie fing jetzt doch an, weh zu tun.
Du dagegen schienst jetzt erst recht munter und voller Tatendrang. Du fingst an, dürre Grasbüschel auszureißen und anzuzünden, dabei hast du gelacht.
Sowie du meine Angst bemerkt hast, lachtest du lauter. Ein größeres Büschel hieltst du mir vor die Augen. Ein Zisch, ein Klick, ein Funke. Feuer. Lachend hast du die Flammen wieder ausgetreten. Und nochmal. Du ließest dich nicht bändigen. Du warst ein Spieler.
Plötzlich wollte ich nur noch weg, weg von dir. Ich hatte meinen Kram schon gepackt und war drauf und dran, nun wirklich zu gehen: „Gib mir mein Feuerzeug, bitte!“ Ernsthaft habe ich „bitte“ gesagt, aber du…
„Schau mal!“ hast du geantwortet, aber ich hab nicht mehr hingeschaut.
Ich hörte nur das neuerliche Zischen, Klicken. Wuuuschschsch. Da entschied ich mich zu gehen, Feuerzeug hin oder her. Ich klopfte mir den Staub aus den Kleidern, die fast schon wieder trocken waren.
„Steppenbraaand!“ hast du daraufhin gerufen, und zwar in einer recht kindischen Tonlage und mit diesem lachhaft langgezogenen A, das hat mir endgültig gereicht.
Erst als du „Scheiße, scheiße, scheiße!“ geflucht hast, hab ich mich nochmal umgedreht. Ich war noch nicht weit, nur ein, zwei Schritte von dir weg.
Mein silbernes Feuerzeug lag in der Wiese und du, Namenloser, bist wie Rumpelstilzchen drumherum getanzt, gestampft. „Komm her, hilf mit!“ hast du geschrien und wolltest, dass auch ich diese Flammen austrete, die du verursacht hast.
Es waren bald schon zu viele Flammen für deine beiden Füße, die immer noch verzweifelt versuchten, den Schaden und das Feuer zu begrenzen. „Komm schon!“ hast du mich angebrüllt, mit einem Schimpfwort hintennach.
Bloß ich konnte nicht, selbst wenn ich gewollt hätte. Konnte mich nicht bewegen. Mit jeder Sekunde schien es mir undenkbarer, mich diesen Flammen zu nähern, die sich mit jeder Sekunde weiter ausbreiteten.
Dort, wo unsere Körper eben noch ineinander verkeilt gelegen hatten, war nun eine matratzengroße Feuersbrunst. Kingsize-Größe. Ein Doppelbett, Matratzenlager. Und weiter fraßen sich die Flammen vor, Richtung Bäume, Büsche. Es ging alles so rasend schnell. Ein einziges Glimmen, Glühen, Glosen, das sich nicht mehr aufhalten ließ.
„Okay: Lauf!“ belltest du mir schließlich zu, da bin ich gelaufen.
Du, Namenloser, hast dich um mich nicht mehr gekümmert. Du bist einfach losgerannt, diesmal ohne meine Hand zu nehmen und hast noch nicht mal geschaut, was mit mir ist.
Ich hetzte dir nach und wagte es meinerseits nicht, mich umzudrehen. Vergessen war mein angeschlagenes Knie. Ich rannte, als ob der Teufel hinter mir her wäre, dabei lief der doch vorneweg.
So liefen, liefen wir, bis wir die Lichtung, den Wald, den Fluss weit, weit hinter uns gelassen hatten.
Irgendwann hast du, Namenloser, gesagt, jetzt ist gut, und dass wir uns ab da möglichst unauffällig verhalten sollen. Wir haben uns dann auf eine Parkbank gesetzt und haben ganz schockiert getan, als in der Ferne diese Rauchsäule aufstieg. Feuerwehrsirenen hoben an, wir zuckten irritiert die Schultern. Ganz so, als wüssten wir von nichts, so taten wir.
„Was da wohl los ist?“ hast du die Passanten sogar direkt gefragt und abermals merkte ich: Du, Namenloser spieltest schon wieder. Du hast selbst noch dieses Spiel genossen.
Ich hatte begriffen. Spieler wie du würden, wenn sie es könnten, auch die ganze Welt anzünden und dann würden sie sich hinsetzen und den Guten mimen. Den Besorgten. Und sich dabei auch noch gut vorkommen.
Mir dagegen war übel und ich zitterte. Ich musste daran denken, was dort hinten unter der Rauchsäule nun vor sich ging. Dort, wo mein silbernes Feuerzeug immer noch lag. Was dort nun alles verbrannte, verglühte, verkohlte! Pflanzen, Natur, Tiere. Und wenn es nur Ameisen waren: Niemand hat den schrecklichen Feuertod verdient! Was, wenn Hasen, Rehe…? Was, wenn Menschen…?
Ich konnte es kaum in Worten denken, geschweige denn aussprechen.
Zu mir hast du, Namenloser, auch nicht mehr viel gesagt. Mit mir warst du fertig.
Nach einer Weile, die du für angemessen hieltst, hast du mich noch einmal zum Abschied geküsst.
Ich habe dir ins Gesicht geschaut und habe da schon gewusst: Das ist jetzt das letzte Mal.
Zum Fluss hinunter bin ich auch lange Zeit nicht mehr gegangen.
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