tageweise

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rogathe

Mitglied
wer weiß?

wer machte den löwen zum könig der tiere?
wer machte pigmente zum wert eines menschen?
wer machte uns glauben wir bräuchten die götter?

wissen wir nicht (mehr)?
wollen wir’s wissen?
 

rogathe

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Winterfreude

Nüstern schnauben, Hufe stauben
Wolken aus dem Pulverschnee!
Frisch geschliffen sind die Kufen:
Schlittenfahrt zum Wintersee!

Kutscher, lass die Schellen schellen!
Fröhlich ist der Pferde Lauf
über hügelige Wellen,
Kälte nehm' ich gern in Kauf!

Wenn die Schneekristalle blitzen,
in dem weißen Sonnenlicht
und die Kufen Furchen ritzen,
lacht mir Winter ins Gesicht!
 

rogathe

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scheinfrühling

frau holle trickst den frühling aus
mit dicken schweren flocken
kein hund will jetzt zur tür hinaus
liebt’s kuschelig und trocken
der krokus zieht das köpfchen ein
das veilchen ebenso
und ich sitz still mit rätselheft
seit stunden auf dem so-
fa
 

rogathe

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am waldgrab

wimpern lassen tränen frei
wangen schimmern lippen zucken
hinter schwarzem tüll
weithin wehen weiße blüten
eine amsel singt
jauchzend
hascht das kleine mädchen
nach dem bunten schmetterling
uns ist als würde deine seele
fröhlich vor uns schaukeln
 

rogathe

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Dein Baum

Schon oft hast du als kleines Mädchen
dem Baum dein Herzchen anvertraut.
Hast ihn umarmt, an seinen Stamm gelehnt,
verträumt im kühlen weichen Moos gesessen,
dem Wispern reicher Blätter still gelauscht.
Und Sonnenlichter streichelten Dein Haar.

Nun hat der Baum zuletzt Dich treu umschlungen,
beschützt mit seinem Wurzelwerk Dein Grab.
Und jedes Frühjahr wird in seinem Laub
manch frohes Vogellied für Dich erklingen.
 

rogathe

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Das Gästebuch

in blutrotes Leder gebunden mit Goldschnittkanten
der erste Eintrag in Sütterlinschrift
mit Hinweisen auf das Exil
Geburtstagsglückwünsche in sektlaunigen Versen
Bedauern des Abschieds von freundlichen Nachbarn
beim Umzug in neue Gefilde
Skizzierte Gesichter mit lachenden Mienen
in Faschingskostümen: Helau und Alaaf!
Nikolausfeste mit staunenden Kindern
Silvester im Schneetreiben
fröhlich verschlafsackte Nicht-mehr-Heimkehrer

Dann fehlt einer der typischen Schriftzüge
und noch einer - und noch ein weiterer
zuletzt leere Blätter
 

rogathe

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kleingeblümmelt & kariert

herzchen hirsch und edelweiss
herrgottswinkel fromm gesticktes
hinterm haus die vierhornziegen

sonntags-trachten-blasmusik
traktor-veteranen-treffen
edel-automobilisten

geben sich ein stelldichein
schlürfen schampus bier und soda
schmatzen döner braten wurst

wir sind offen für die welt
wenn dir gefällt was uns gefällt
 

rogathe

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mondsichel

missbraucht zum niedermähen
was in freiheit gedeiht

missbraucht zum zerschlagen
was silbern erklingt

missbraucht zum köpfen
wer fremdartig denkt
 

rogathe

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purpurtage

im windhauch fällt das letzte blatt
mitsamt der kleinen spinne

ob ihr das schweben freude macht?
mir scheint, sie hält gern inne

ob sie der dünne sonnenstrahl
wie mich noch einmal kitzelt?

bald legst du dich zur winterruh
ich hätt dich gern bespitzelt

den herbst strick ich mir kuschelig
genieße röstmaroni

durchs haus zieht honigkerzenduft
und fröhlich plapperts: „omi!”



 

rogathe

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was wir euch vererben

brocken
einer warmherzigen solidargemeinschaft
brösel
einer eishäutigen solitärgesellschaft

macht eine knusper-panade daraus
eine die alles umhüllt
dann kriegt ihr die zukunft gebacken
 

rogathe

Mitglied
Glaubst du an Götter?
Warum sollte ich?
Wenn es welche gibt, brauchen sie meinen Glauben nicht.
Wenn es keine gibt, brauche ich es nicht.
Pflege deine Illusionen, wenn du willst.
 

rogathe

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Mein liebes Enkelkind,

noch bist du viel zu klein
für Latein,
doch geht das Wort für Krieg herum:

bellum

Belarus
Estland
Lettland
Litauen
Ukraine
Moldawien

grenzen an das Riesenbärenland,
geführt von gierig starker Hand.
Es sollen alle Bären hier
vereint sein in dem Großrevier.

Doch Viele sagen dazu: ”Nein!”
Bald fahren deshalb Panzer ein.
Soldaten schießen auf die Meute,
bestrafen renitente Leute.

Ich wünsche allen, dir und mir,
man ließ’ in Freiheit jeden hier
mit Freunden und Familien leben,
nach Harmonie und Wohlstand streben.
 
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