Willibald
Mitglied
Deutsch-Lehrer Georg E. und der Bamberger Reiter
Anekdote
Anekdote
Der Deutschlehrer Georg E. hatte im abgedunkelten Zimmer der zehnten Klasse zum Abschluss der Stunde den Beamer eingeschaltet - der niedrige Wert von 300 Lumen pro Quadratmeter erforderte Dämmerlicht - und ein Bild des Bamberger Reiters erschien.
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Ich saß damals in der zweiten Reihe rechts und fühlte mich dort nicht recht wohl. Nun ging auch noch die Tür auf und der Direktor der Schule erschien zu einem unangekündigten Unterrichtsbesuch, setzte sich vorne links ans Fenster, wo er die Klasse und den Kollegen E. recht gut überblicken konnte.
Thematisch ging es in dieser Stunde bei uns Sechzehnjährigen, die erstmals vom Lehrer gesiezt wurden, um das Menschen- und Herrscherbild des Mittelalters. Herr E. forcierte seine Stimme: „Ein Mysterium wird diese Reiterstatue manchmal genannt, der Reiter sitzt auf einem Pferd hoch oben, hält die Zügel in der Hand, ganz entspannt. Selbst auf uns Heutige macht diese Gestalt Eindruck. Schauen sie sich das Bild genauer an. Was sagt es uns, was vermittelt es uns für einen Eindruck?“
In die entstehende Stille hinein lächelte der Lehrer ermutigend. Ich zog die Schultern hoch und den Kopf leicht ein. Unbehaglichkeit vorne im Klassenzimmer, hinten und in der Mitte. „Jetzt denken Sie sich halt in die Figur hinein. Das ist doch möglich. Und haben Sie den Mut zu sagen, was Sie dabei empfinden.“ Der Direktor hatte den Kopf gesenkt und schien zu meditieren.
„Sagen Sie es, auch wenn es Ihnen vielleicht etwas komisch vorkommt.“ Stille. Dann hörte man aus der letzten Reihe eine gemurmelte Antwort, langsam und in Frageintonation, welche die Stunde schmiss: „Er wartet … auf Grün?“
Dem gleichen Deutschlehrer ging es einmal darum, dass man in einer Novelle Gottfried Kellers und bei deren Hauptfigur - ein Schneider namens Wenzel Strapinsky - den Gegensatz von „Schein und Sein“ erkennen könne, er sagte „festmachen“ könne. Als wir partout nicht draufkamen, worauf er hinauswollte, rief er: „Nun, es geht doch um Schein und ….?“
Als wir immer noch nicht wussten, was zum Teufel er da wollte, rief er in seiner Verzweiflung: „Es reimt sich auf Schwein.“
Wirkung und Erinnerungswert dieser Gottfried-Keller-Stunde waren der Stunde mit dem Bamberger Reiter voll adäquat.