Willibald
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Etzatla begreifst Du es endlich: Der Schöler hat schlendernd de incerto ad (in)certum erkannt: Solche Martinis sind keine Paganinis, und ging dann raus und an die inspirierende Zeile mit dem "You´re talking to me" samt Film, mit der ihn sein spirituelles Bewusstsein ansprach.
Weil es so schön ist, hier noch eine Abiturgeschichte knapp vor unserer Zeit:
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Weil es so schön ist, hier noch eine Abiturgeschichte knapp vor unserer Zeit:
greetseIm Trakl-Ton (Herbst)
Die Pendel brauner Uhren nicken leise.
Der Abendmond verläßt sein bleiches Bett.
Ein Jäger einsam bei dem Hasel steht.
Die schwarzen Vögel ziehen leichte Kreise.
Gewaltig schlingt der Schlund der Nacht.
Die Häuser wehren sich mit spitzen Zähnen.
Verblaßte Hände, die den Schlaf ersehnen,
Vielleicht, daß in dem Rohr ein Windstoß lacht.
In engen Stuben blinde Kinder singen.
Im nahen Flusse treibt ein toter Hund.
Die Nebel steigen keusch aus feuchtem Grund
Und lassen ein verwehtes Weinen klingen.
Gernhardt, Robert (2006): Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006. Frankfurt: Fischer; S.11. FISCHER E-Books. Kindle-Version.
»Im Trakl-Ton (Herbst)« war so etwas wie ein veritabler Schülerstreich. Zum mündlichen Abitur hatte unser Deutschlehrer, der Oberstudienrat Adolf Kraus, uns, den Schülern der 13d, zur Aufgabe gemacht, ein Gedicht unserer Wahl auswendig zu lernen. Ich entschied mich für ein Gedicht des von mir sehr bewunderten Georg Trakl:
Im Winter Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.
Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten,
Und langsam steigt der graue Mond.
Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt am leeren Hain.
Mitten im Memorieren aber muß ich mich gefragt haben: Wer wird denn ein Gedicht auswendiglernen, wenn er selber eines zu dichten vermag? Daher beschloß ich, einen Trakl zu schreiben, mit allen Schikanen, dem trakl-typischen a-b-b-a ebenso wie mit einem ordentlichen Hauch von Verfall, und alles derart haarscharf an der Parodie entlangschrammend, daß der Schwindel nach menschlichem Ermessen nicht auffliegen konnte.
Was er denn auch nicht tat: Meinem Vortrag schloß sich nicht nur eine einfühlsame, vielstimmige Interpretation an, sondern auch ein eindringlicher Vergleich dieses Gedichts mit einem zuvor gehörten Werk von Weinheber – ein kritisches Abwägen zweier Kunstwerke, das ganz und gar zu »Trakls« Gunsten endete.
ebenda: S.1015-1016
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