wir Wertschöpfungskettenglieder

2,30 Stern(e) 3 Bewertungen
G

Gelöschtes Mitglied 24962

Gast
Hi outy,

das Kurzgedicht finde ich überhaupt nicht so schwach, wie es einige hier bewerten.
“Ich und du // Müllers Kuh” könnte eine Darstellung der menschlichen Position innerhalb von Wertschöpfungsketten (Terminus aus der BWL) sein, wobei der Vergleich mit “Müllers Kuh” möglicherweise auf eine mechanische, utilitaristische Sichtweise auf Individuen anspielt.

Andererseits könnte es eine Kritik an der Reduktion des Individuums auf eine funktionale Rolle in der Wirtschaft sein.
Gerade Arbeiten wie diese zeigen ja, dass Wahrnehmungen nicht mehr wahrnehmen wollen. Der Leser ist enttäuscht und fühlt sich verappelt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man aus allen Dingen einen Kontext bauen kann. Je kürzer und je weniger Krumen, desto schwieriger.
Es gibt tatsächlich Leute, welche sieben Jahre studieren, um herauszufinden was ihre Fotosequenzen von Müllbeuteln bedeuten. In deinen Arbeiten gibt es immer einen Hinweis, der sich zwischen Veralberung, Kontextualisierung und Instrumentalisierung hin und her bewegt.
Es grenzt für mich schon fast ans Bloßstellen der Leserschaft und der letzte Punkt macht es für mich genial. Das kann nicht weg, es ist (eine) Kunst. ;)

lg EV
 

Johnson

Mitglied
Andererseits könnte es eine Kritik an der Reduktion des Individuums auf eine funktionale Rolle in der Wirtschaft sein.
Die Reduktion des Individuums auf eine funktionale Rolle in der Wirtschaft bezieht sich auf die Vorstellung, dass Menschen oft nur als Arbeitskräfte betrachtet werden, die bestimmte Aufgaben erfüllen sollen, um den wirtschaftlichen Erfolg zu fördern. Dieser Ansatz kann dazu führen, dass die individuellen Bedürfnisse und Potenziale der Menschen vernachlässigt werden. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Perspektive kontrovers diskutiert wird und verschiedene Meinungen dazu existieren.

Wo esnvhg liest du das in den Text?
 
G

Gelöschtes Mitglied 24962

Gast
Hey Johnson,

der Titel ist die Prämisse, und die zwei Zeilen die Schlussfolgerung. Die Kuh ist keine neutrale Konnotation. Sie wertet kritisch. Ich und Du spricht die Gesamtheit aller Dinge an, die durch das System laufen. Des Müllers Kuh eher die Dysfunktion respektive Malfunktion des Systems (Produktion), die ich hier als Kritik formuliert sehe. Die Kette funktioniert ja so, dass jede durchlaufene Stufe Wert zufügt. Vom Erz zum Ferrari. Eine Kontroverse, wie du es schreibst, ist es eher nicht. Vielleicht will das Werklein weniger die Ketten aufs Korn nehmen, viel mehr den Zyklus des Konsumentums, wie es sich unhinterfragt eingliedern lässt. Das hat zur Folge, dass Produktionen immer teurer werden.
Man sieht es bei großen Marken wie Apple. Alles ist schweineteuer, aber die Fans kaufen alles. Und so werden sie zur Müllers Kuh.

Für mich hat der Minimalismus eine gute Ikonografie…

Lg EV
 

Mimi

Mitglied
... Müllers Esel, der bist du ...:p

Ich finde Abzählverse haben ja immer etwas beschwingt Musikalisches ...
Schade eigentlich, eine neu gestaltete Outymier-Version der "müllerschen Kuh" , wäre da bestimmt interessanter gewesen, anstatt da einfach den ersten Vers 1:1 zu übernehmen.

Ne, ich mag hier wirklich nicht bewerten...
 

James Blond

Mitglied
Ich sehe diese Verse (trotz des Reimes) eher im "Experimentellen" angesiedelt, da sie unverändert einem Kindervers entnommen sind und durch den hinzugefügten Titel in einen anderen Bedeutungszusammenhang gebracht werden. Dabei liegt das Besondere in der Kürze.

Der Kabarettist Dieter Hildebrandt hat es einmal so formuliert: Aus: "Der Mensch ist Mittelpunkt!" wurde: "Der Mensch ist Mittel - Punkt!"
 

Bo-ehd

Mitglied
Mein Vorschlag wäre:
Müllers Schwein
lass es sein

Man kann mit Texten experimentieren; dann gehören sie in die Rubrik "Experimentelles".
 
G

Gelöschtes Mitglied 16600

Gast
Der Bezug vom Titel zum Vers mag ja interessant sein, doch den Bezug zur Lyrik erkenne ich nicht.
 

wirena

Mitglied
Zitat:

"wir Wertschöpfungskettenglieder
ich und du
Müllers Kuh"



m.E. ist keine Lyrik, kein Haiku und auch nicht Prosa – möglicherweise aber vielleicht ein Aphorismus. Vorschlag:

wir wertschöpflungskettenglieder:-ich-du-Müllers Kuh-

…ob die Kette mit dem Gedankenstrich weiter gehen soll oder nicht wäre noch zu klären – nun, für mein Empfinden wird auch das, dem doch sehr schönen und zum Nachdenken anregenden Titel, nicht gerecht – und der Vorschlag von Bo-ehd «lass es sein» wäre m.E. die schönste und beste Variante.



LG wirena
 

James Blond

Mitglied
Wenn ich lese, was in diesem Forum (mehr oder weniger) als Lyrik vertrieben wird, habe ich keine Probleme, den hier vorliegenden Text als solche zu bezeichnen. Erinnern wir uns, dass es sich dabei um den Anfang eines Abzählreims handelt, somit eine Kinderstube der Lyrik.
 

wirena

Mitglied
...
Wenn ich lese, was in diesem Forum (mehr oder weniger) als Lyrik vertrieben wird, habe ich keine Probleme, den hier vorliegenden Text als solche zu bezeichnen. Erinnern wir uns, dass es sich dabei um den Anfang eines Abzählreims handelt, somit eine Kinderstube der Lyrik.
danke James Blond für die Erinnerung. Der Abzählreim ist mir aus dem Hirn gerutscht - in dem Sinne - einverstanden - eher Lyrik als Aphorismus

LG wirena
 

Bo-ehd

Mitglied
Wieso eigentlich "Kette" in der Überschrift. Eine Kette besteht aus mindestens drei Gliedern; hier haben wir nur zwei, Ich und du als Einheit und die Kuh. Stellt man auf das Wort Mitglieder ab, stellt sich das Ganze hier selbst auf den Kopf, denn es gibt nur eines. Ich und du sind die Empfänger, die mit der Lieferkette eigentlich nichts zu tun haben.
Was hier versucht wird: Aus einen schlichten, höchst einfachen Reim eine weltphilosophische Deutung abzuleiten. Ich halte das für etwas schräg.
Gruß Bo-ehd
 
G

Gelöschtes Mitglied 24962

Gast
Wieso eigentlich "Kette" in der Überschrift.
Es ist ein Begriff aus der BWL.
Einfach ausgedrückt beschreibt die „Kette“ den Produktionsweg beginnend mit dem Rohstoff hin zum fertigen Produkt und dessen Vertrieb und Vermarktung. Unternehmen analysieren diese Prozesse, um interne und externe Betriebswege zu optimieren, Kosten zu senken, und Wettbewerbsvorteile zu schinden. Der Begriff geht in die 80er Jahre zurück. Dort wurde er von Michael Porter, ein Wirtschaftstheoretiker, formuliert.
Lg M
 

lietzensee

Mitglied
Da hast du mal wieder alle aus ihrer Komfortzone geholt, Outymier :-D

.. Müllers Esel, der bist du ...
Nach dem Hinweis gefällt mir der Text deutlich besser.

Wenn man den Esel mitdenkt, wird klarer, was über die Wertschöpfungskette gesagt werden soll. Der abgebrochene Reim zeigt mit dem Finger auf den Esel. Aber das sture Tier versteckt sich im White Space. Was nicht gesagt wird, ist manchmal das Spannendste.

Viele Grüße
lietzensee
 

Arcos

Mitglied
Das ist etwas dünn.
Ein Liter Wasser mit einem tropfen Zitrone.
Die Definition der Homöopathie.

Hier eine ungereimte Version:

ich und du
das ist mehr als die summe
mehr als müllers kuh
mehr als ich und du denken können
und doch vereinen wir uns
verschmelzen miteinander
ich kippe milch
auf deinen nackten körper
schmecke jede stelle deiner haut
sauge und nehme dich
in meine seele auf
dann erklimme ich
mit rhythmischen bewegungen
langsam den höhepunkt
das melken beginnt
und auf unserem akt
die gierigen blicke
vom müller


LG
Arcos
 

petrasmiles

Mitglied
Da hast du mal wieder alle aus ihrer Komfortzone geholt, Outymier :-D


Nach dem Hinweis gefällt mir der Text deutlich besser.

Wenn man den Esel mitdenkt, wird klarer, was über die Wertschöpfungskette gesagt werden soll. Der abgebrochene Reim zeigt mit dem Finger auf den Esel. Aber das sture Tier versteckt sich im White Space. Was nicht gesagt wird, ist manchmal das Spannendste.

Viele Grüße
lietzensee
Das finde ich sehr treffend! :D

LG Petra
 



 
Oben Unten