Zunge und Zeit. Kräuselungen

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Scal

Mitglied
Weil jetzt bald der Frühling kommt
und ich Kind gewesen.

Da lag ich einst im Gras
und über mir die Blume
und mehr noch dahinter.

Etwas.
Ohne Zerwürfnis.

Man wächst und wächst und wächst
und liest und liest.

Manchmal krabbelt was hinter meinem Ohr.
Ein Satz zum Beispiel. Der kitzelt vielleicht.
Vielleicht, weil er mir Gutes will.
Er will sich mir sagen.

Die Schönheit wird die Welt retten

Ein Vergissmeinnichtsatz.
So möchte ich ihn nennen.
Den hab ich mal gepflückt und mir hinters Ohr gesteckt.

Gibt Leute, die flüstern vielleicht: "Idiot".
Ja, sage ich dann, so heißt der Roman,
während ich suche nach dem Gras, der Blume.
Und dem Mehr dahinter.


 

petrasmiles

Mitglied
Dein Text weckt Sehnsucht nach Wiese und Selbstvergessenheit - 'und mehr noch dahinter'.
Vielleicht macht das den Zauber Deiner Texte aus - Du stehst noch auf 'Du und Du' mit dem Kind in Dir.
Bei diesem Text dringt jedes Wort gleich ins Herz.
Wunderbar.
LG Petra
 

Scal

Mitglied
Filmfragmente

Rasputin spielt Schach.
Sein Hofhund knurrt und beißt.

Die Geier über den Stoppelfeldern von Natoleyden kreischen auf.
Wildes Geflatter überm Land.

Ein Mönch schreibt einen Trauerbrief.
Das Tintenglas ist dunkelgroß.
 

petrasmiles

Mitglied
Gibt Leute, die flüstern vielleicht: "Idiot".
Ja, sage ich dann, so heißt der Roman,
während ich suche nach dem Gras, der Blume.
Und dem Mehr dahinter.
Beim ersten Lesen hat mich der Anfang entzückt, aber beim zweiten Mal zündete die letzte Strophe um so mehr!
Wenn man das immer so könnte, so elegant, vollkommen unbeeindruckt abperlen lassen ...
 

Scal

Mitglied
Zwölfter September zweitausendundeins

Ich kroch aus dem Steinwurfdunkel der Nacht.
Habe das Fenster geöffnet. Mann
im Pyjama, die Ärmel kippen
schlapp übern Rahmen.

Efeu rankt. Im Schuppen gespaltenes Holz.
Die Süße mit dem dreifarbigen Fell liegt auf dem Teerpappedach und träumt einen Kreis.

Die Wolken im Westen sind Fahnen, dumpfe Bäuche
im Wind.

Bei der Einfahrt schillert Wasser
auf dem Pflastergestein.

Giftige Pfützen.



Alte Notiz, modifiziert
Langschlag, NÖ, 12.9.01
 

petrasmiles

Mitglied
Doppeldeutig lesbar. Der Satz über die Schönheit findet sich in Dostojewski's Roman "Der Idiot".
Womit ich eine Wissenslücke offenbart habe - ich habe mich an die russischen Klassiker noch nicht herangewagt - ich hoffe, das hört jetzt keiner, ist mir auch peinlich. Ich dachte mir aber, dass dies ein Zitat sei. (Immerhin ...)
Die Wirkung Deiner Zeilen weckt also mehrere Erfahrungshorizonte ...
Liebe Grüße
Petra
 

Scal

Mitglied
... ,denn es (wie es dich zieht, wie es dich lockt, wie es dich drängt)

... ,denn es ist so (wie so)

ES ist

So ist es

Fühle die zarte Luft in deinen Nasenlöchern

Inzwischen geschieht alles

merk
würdig
 
Zuletzt bearbeitet:

Scal

Mitglied
Einzigartig

Habe zahlreiche Kontextpfeile
hier in meinem Köcher

Keiner, der dich trifft

Frage mich,
woher ich's weiß
 



 
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