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John Wein

Mitglied
Sex, Drugs, and Rockn Roll! Uschi Obermaier!
Hier hast du mal wieder Vergangenheit ausgegraben! Mensch, ich war ja damals als junger Rekrut in Hamburg und haben das WE und den Sold im Starclub auf der Reeperbahn gelassen. Dort spielten die Pilzköpfe. Später wurden die Weltberühm als Beatles.
Yeah, yeah!
und LG John
 

petrasmiles

Mitglied
So, habe mir mal 'Waisenhaus' bestellt (antiquarisch), das ist das Älteste, und wenn es mir gefällt, mache ich weiter.

Liebe Grüße
Petra
 
Danke für die weiteren Meldungen, ihr beiden. Johns leuchtende Augen werden geradezu sichtbar. So leicht kann man ältere Herren glücklich machen ...

Freut mich, Petra, dass du "Das Waisenhaus" bestellt hast. Dann wirst du auch Bekanntschaft mit Dora Fichte machen. Ich kenne im deutschen Sprachraum keine zweite Autorenmutter, die im 20. Jahrhundert so intensiv literarisch eingesetzt wurde. Darf ich später mal um deinen Eindruck vom Buch bitten?

Schöne Abendgrüße
Arno
 
Zuletzt bearbeitet:
(21) 23. Juni 1991

Gestern bei endlich sommerlichem Wetter in Ludwigslust. Kleine Kreisstadt in einer scheinbar endlosen, ganz flachen Ebene. Nur Wälder und Grünland, darin die barocke Residenz, ziemlich verloren wirkend. Es sieht viel weniger nach DDR aus als nach einer weit zurückliegenden Vergangenheit. An breiten Straßen kleine rote Backsteinhäuser im Schatten hoher grüner Bäume. Nur Schloss und Kirche sind aus dem grünen Einerlei der Tiefebene wirklich herausgehoben, beide schöne Baukörper, leider in starkem Verfall. Die Führung durch vier zugängliche Räume des Schlosses war sehr erfrischend. Mit Informationen wurde nicht gespart: wie alles so heruntergekommen ist, wie schlecht die Stadtverwaltung arbeite usw. Der Führer schien mir der Vorsteher des Schlossmuseums zu sein (das übrigens nur Zweigstelle des Schweriner ist). Er war überaus sarkastisch. Die Kommunen jammerten nur über Geldmangel, dabei liege das Geld auf der Straße, man müsse sich nur bücken, aber dazu seien manche zu bequem …

Der Schlossgarten zeigt deutlich die Spuren jahrzehntelanger Vernachlässigung, Gartenkunst, die zum größten Teil bereits in den reinen Naturzustand zurückgesunken ist. Die hintere Grenze des Parks war für mich nicht zu erkennen, so ging ich immer weiter in einem großen Bogen zurück nach Ludwigslust. Die Luft, auch die in der Stadt, tat mir sehr gut. Es roch nur nach Pflanzen, nach Laub, Gräsern, vielleicht noch ein wenig nach dem Wasser der Kanäle, durch die das Wasser dahinströmt.

Ich aß im Schweizerhaus im Park, später war ich einziger Gast in einem Eiscafé in der Schlossstraße. Zum Schluss ein Imbiss am Mitropa-Kiosk. Im Ganzen hat es mir sehr zugesagt. Ich könnte mir sogar vorstellen, mich später einmal in eines der kleinen Häuschen zurückzuziehen. Die Stadt liegt sehr günstig.

Mitte der Woche habe ich mir einen Hotelführer für Ostdeutschland gekauft und am Donnerstag zwei Häuser in Thüringen angeschrieben und um ein Angebot für September gebeten.
 

petrasmiles

Mitglied
Es sieht viel weniger nach DDR aus als nach einer weit zurückliegenden Vergangenheit.
Zu dieser Zeit (bzw. etwas später) hatte ich genau den gleichen Eindruck von Dresden über das Blaue Wunder durch die an der Elbe bzw. den Auen sich säumenden 'Dörfer' Richtung Pillnitz.
Wie es heute wohl aussehen mag - warst Du seither wieder einmal in Ludwigslust?
Ich mag den Ton Deiner Beschreibung sehr. Er atmet Reiselust und die Freude an Entdeckungen.

Liebe Grüße
Petra
 

petrasmiles

Mitglied
Freut mich, Petra, dass du "Das Waisenhaus" bestellt hast.
Lieber Arno,

'Das Waisenhaus' gehört leider zu den 'Löschopfern'. Aufgequollen und verbogen liegt es auf dem feuchten Boden.
Ich hatte schon damit angefangen. Es erzeugte eine gewisse Atemlosigkeit bei mir; man kann es eigentlich nicht aus der Hand legen, aber man kann es auch nicht pausenlos lesen. Die Beschreibungen sind so realistisch und sollten eigentlich die Rationalität ansprechen, aber es schlägt voll durch ins Emotionale - bei mir zumindest: Ich fragte mich immer, wie fühlt er sich damit?

Es wird eine ganze Weile dauern, bis ich mich wieder literarischen Themen zuwenden kann. Ob dieser Autor dann wieder dabei ist, kann ich nicht sagen.

Liebe Grüße
Petra
 
Wie es heute wohl aussehen mag - warst Du seither wieder einmal in Ludwigslust?
Nein, liebe Petra, damals gab es so sehr viele andere Orte, die mich noch anzogen. In jenem Jahrzehnt war ich im Inland vor allem in Thüringen, Sachsen und Rheinland-Pfalz viel unterwegs. Ludwigslust habe ich trotzdem oft erblickt, aus dem Zugfenster, wenn ich nach Berlin, Dresden usw. fuhr.

Danke für deine freundliche Wortmeldung nach längerer Pause. Gut, dass du wieder hier bist.

Schöne Abendgrüße
Arno
 
'Das Waisenhaus' gehört leider zu den 'Löschopfern'. Aufgequollen und verbogen liegt es auf dem feuchten Boden.
Ich hatte schon damit angefangen. Es erzeugte eine gewisse Atemlosigkeit bei mir; man kann es eigentlich nicht aus der Hand legen, aber man kann es auch nicht pausenlos lesen. Die Beschreibungen sind so realistisch und sollten eigentlich die Rationalität ansprechen, aber es schlägt voll durch ins Emotionale - bei mir zumindest: Ich fragte mich immer, wie fühlt er sich damit?
Schade um das Buch, doch es gibt größere Verluste, die man manchmal hinnehmen muss. Immerhin hattest du schon einen recht guten (zutreffenden) Eindruck vom Werk. Diese Lektüre, dieser Stil, sie können so auf Leser wirken, wie du es formulierst. Fichtes Einstellung dazu, während er es schrieb? Es war vielleicht das Endergebnis einer jahrzehntelangen Verarbeitung und zugleich eine Chance, damit ins literarische Rampenlicht zu kommen. Fichte war sehr ehrgeizig.

Noch einmal einen schönen Restabend
Arno
 
(22) 25. Juni 2011

Seit einigen Stunden aus Kassel zurück. Im Wesentlichen konnte ich in den zehn Tagen durchführen, was mir vorgeschwebt hatte. Das sehr wechselhafte Wetter bedeutete viel Stress, dennoch bin ich Tag für Tag gewandert. Am meisten beeindruckte mich die fast alpin wirkende Nordwestecke des Habichtswaldes (Dörnberg und Umgebung). Überhaupt fand ich die mehr isolierten Bergzüge westlich von Kassel malerischer und fürs Auge interessanter als Kaufunger und Söhre im Osten. Allerdings hat mich überrascht, wie hübsch gerade deren Ausläufer ins Becken hinein sind. Mit der kleinen Wohnung zu Füßen des Weinbergs war ich rundum zufrieden; sehr praktisch und geschmackvoll im Souterrain eines alten Hauses, vermutlich 1870er Jahre, zum Garten hin. Beim Weggehen nahm ich gewöhnlich den Ausgang durch die Gartenpforte.

Kassel war mir in Teilen durchaus sympathisch, besonders das auf fast schon beschauliche Weise großstädtische Zentrum mochte ich sehr. Dagegen sind die meisten Arme-Leute-Viertel einfach nur langweilig-hässlich, durchweg mickerig. Das Bürgertum liebt Eigenheime und Hunde, bevorzugt weiträumige grüne Vororte ohne wirklich urbanen Charakter. Im Ganzen würde es mich nicht reizen, in Kassel zu wohnen. Die Stadt hat bei weitem nicht die kulturelle oder zivilisatorische Ausstrahlung wie Berlin – keine Überraschung.

Es erwies sich, dass ich auch in den festen älteren Wanderschuhen, die ich noch einmal ausprobierte, im arthrotischen Zehengelenk Beschwerden hatte. Offenbar sollte ich von nun an generell die neuen Spezialschuhe benutzen, d.h. Wanderungen überwiegend auf norddeutschen Sandböden und in überwiegend flachem Gelände unternehmen. Ausnahmsweise kann und will ich auch hin und wieder – vielleicht einmal im Jahr – Mittelgebirge besuchen, um den Anschluss an diese Art von Eindrücken nicht ganz zu verlieren. Aber der Schwerpunkt hat sich verlagert, das muss ich akzeptieren.

Beinahe hätte ich die Reise nicht antreten können. Am Tag vorher fiel mir der Hauptteil des Nachtschränkchens im Gästezimmer auf den rechten Mittelfuß. Seit eine der Rollen defekt ist, trage ich das Möbelstück beim Saubermachen von einem Platz zum anderen. Jetzt zeigte sich, dass die Decke, an der ich anhob, nur verleimt-gesteckt war – alles brach auseinander; zum Glück keine Fraktur, doch starke Prellung mit großer Platzwunde. Ich desinfizierte tagelang und verwendete bis vorgestern Pflaster. Es verheilt langsam.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Arno,

da kommt Kassel aber überraschend gut bei Dir weg.
Als mein Mann beruflich nach Witzenhausen ging, hatten wir noch überlegt, ob wir in Kassel oder Göttingen unsere Zelte aufschlagen würden - Witzenhausen selbst kam nach einem Probewochenende nicht mehr in Frage für uns zwei Großstadt-Pflanzen.
Wir wollten eigentlich zuerst Kassel anschauen, aber an dem Wochenende war dort der sogenannte 'Hessentag' und im Verkehrsfunk wurde davon abgeraten, in die Stadt zu fahren. Also fuhren wir kurzentschlossen nach Göttingen und die Stadt hat uns so gut gefallen, dass es dabei blieb. Spätere Besuche Kassels haben uns gezeigt, dass dies die bessere Wahl war.
Gerade dieses 'auf beschauliche Weise großstädtisch' war uns ein Graus.
Mittlerweile waren wir mehrmals in Wilhelmshöhe und das ist auch das Nächste, das ich Kassel kommen möchte. Ich war noch nicht einmal zur documenta da - was eigentlich ein Vergehen ist für einen kunstinteressierten Menschen wie mich. Aber nach den letzten Jahren kann man sagen: Kunst ist auch nicht mehr, was es einmal war ...

Liebe Grüße
Petra
 
Danke, liebe Petra, für diese Anmerkungen. Ich kannte Kassel schon von einem früheren Wochenendbesuch her und fuhr 2011 noch einmal hin, um zu prüfen, ob es als Alterswohnsitz evtl. eine Alternative zu Berlin sein könnte. Was mich fernhielt, war die krasse soziale Schichtung der Wohnviertel. Es hat mich ziemlich befremdet, dass eine Stadt mit jahrzehntelanger absoluter SPD-Mehrheit dermaßen lieblose Massenquartiere wie Nord-Holland und die Mattenberg-Siedlung aufweisen konnte. Letztere gehört zum Stadtteil Oberzwehren (da sind auch gutbürgerliche Viertel enthalten) und die Entwicklung der Wahlergebnisse dort im Lauf der Zeit zeigt sehr deutlich, was passiert ist: Abkehr des Proletariats von der Sozialdemokratie. Die SPD ist in gut zwanzig Jahren von 40 auf 20% geschrumpft, die AfD von 0 auf 30% gekommen. Irgendwie lag das 2011 dort schon in der Luft.

Übrigens hat Kassel neben dem Bergpark Wilhelmshöhe auch herrliche Anlagen im Fuldatal (Karlsaue).

Liebe Grüße
Arno

P.S. Impressionen von Kassel damals auch hier: https://www.leselupe.de/beitrag/leute-in-kassel-127622/
 

John Wein

Mitglied
Die Stadt hat bei weitem nicht die kulturelle oder zivilisatorische Ausstrahlung wie Berlin – keine Überraschung.
Werter Arno,
Da hege ich heute große Zweifel, was die zivilisatorische Ausstrahlung anbelangt!

Beim Kaiser, wenn ein Beamter oder Subalterner ausgedient oder in Ungnade gefallen war, hieß es:
"Ab nach Kassel", was ja schon damals alles über den Charme dieser hessische Stadt aussagte.
Heute ist Kassel so quasi der Mittelpunkt des Landes. Es hat auch im Zusammenhang mit dem "Sonnenumlauf" die Ehre, als Bezugspunkt für Tag- und Nachtzeit für Deutschland insgesamt zu gelten.
Die Dokumenta, einst das avangardistische Highlight, ist heute leider zur Politklamotte verkommen.
Mir würde der Reinhartswald ganz in der Nähe gefallen, aber den bepflastert man neuerdings auch mit
Windmühlen.
LG; John
 
Danke, John, auch für die Aufklärung über "Ab nach Kassel!" Ich Unwissender hatte das bislang für enthusiastischen Ausruf von Leuten gehalten, die sich dorthin begeben dürfen.

Den Reinhardswald hatte ich schon früher besucht, auch von Hann. Münden aus, und erinnere mich gern an ihn.

Schöne Abendgrüße
Arno
 



 
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