Also ich sehe das so: Die erste Strophe beschreibt eine Annäherung zwischen zwei Personen, zaghaft doch empathisch . Die Hand wird zum nehmen (wahrnehmen?) gereicht. Ein Zeichen, ein Symbol für Aufmerksamkeit, Möglicherweise Trost, ohne Hintergedanken. Eine Hand (ein Freund) ist nicht nur zum Drücken da, oder Halten. Manchmal ist die Anwesenheit genug. Wichtig ist, dass das lyrische Ich sich nicht über das Drücken oder Halten beschwert, sondern seine Intention offenlegt. Vielleich ging alles einfach zu schnell und man war sich unsicher wie die Handreichung wahrgenommen werden würde.
Und in der zweiten Strophe wird klar, dass das lyrische Ich einfach nicht (noch nicht?) bereit war, so viel Verantwortung zu übernehmen. Eine Beziehung zu anderen ist immer ein Ringen um Grenzen, ein Tanzen; ein Willkommen heißen, ein Umpositionieren, ein Freiraumgeben, ein Freiraumnehmen. Ganz ohne Wertung.
Die andere Person hat das fehleingeschätzt und hat beide Hände genommen. Das kann passieren.
3. Strophe: Das lyrische Ich, was bei einer schon zaghaft war, ist bei zwei Händen überfordert und fühlt sich dadurch ausgenutzt, wie ein Werkzeug. Es ist aber kein Vorwurf. Jemand kann sich ausgenutzt fühlen, selbst wenn der andere das nicht bewusst macht. Manchmal überschreitet man unwissentlich die Grenzen des anderen.
Die vierte Strophe vertieft das Bild nochmals. Was für den einen ein Symbol für tiefe Freundschaft ist, kann für den anderen ein Symbol für Festsetzung sein. Zwei Hände zum halten, zwei Hände zum Würgen.
Und in der letzten Strophe führt der Tanz, das Ringen (Grenzen aufzeigen, kommunizieren, verstehen) zur Kompromisslösung. Und zwar wird nur eine Hand zurückgezogen, nicht beide. Und das "Ich" wechselt zum "man", was auf eine gemeinsame Entscheidung hindeutet. Der eine ist zaghaft mit der einen Hand und der andere möchte zwei. Der Kompromiss ist eine Hand zum Drücken und Halten. Manchmal ist wahre Nähe das Hinhören, das Finden von Kompromissen, das Nehmen und Geben von Freiraum, das Geben und Nehmen einer Hand und manchmal eben auch das Loslassen einer Hand.
Alles in allem sehr, sehr gelungen. Vor allem, wenn man schon auf beiden Seiten war. Der, der zwei Hände nimmt. Der, dem zwei Hände genommen werden. In beiden Fällen kann es zum Bruch kommen. Wenn man die Beziehung retten will, muss man entweder Grenzen ziehen oder aufgezeigt bekommen, um Kompromisse finden zu können
Das ist jedenfalls, was ich aus dem Gedicht mitnehme.
MfG Benjamin