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petrasmiles

Mitglied
Der Himmel weint
und ich bin ein Ozean
Eines der stärksten Bilder, die ich seit langem las.

Es ist ein bewusst gewähltes Schicksal. Nur wenige gehen diesen Weg der Überzeugung.
Ich möchte seine Frau nicht sein. Ich möchte diesen Mut und diese Entschlossenheit nicht haben.
Ich möchte mich in meine Decke kuscheln - und traurig sein.
Für wen oder was?
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Aus Februarnebelpupillen

Meine Gedanken hegeln sich aus wittgenschen Steinen heraus
Sie ent- und verzehren das synaptische Gestrüpp
Was werden wir tun, was werden wir tun, schreit mein Hirn

Bilder wie Texturen überschatteten den Tag
Es begann mit dieser weißen Taube
Die sich am Fensterglas das Genick brach

Ihre toten Augen brachten meine Besinnung zur Besinnung
Und ich nahm das letzte Blatt
Vom allerletzten Baum
Legte meine Dunkelheit hinein
Bettete das Blatt zur Ruh
Und ging...

… in zerebraldualistischer Erwartung
Im aufgehenden Mond unter
 

petrasmiles

Mitglied
Solche Tage gibt es auch ... und wollen weggelebt werden.
Nur bei 'zerebraldualistisch' komm ich ins Straucheln, aber egal.
Der Nebel wird sich wieder lichten.

Liebe Grüße
Petra
 

Scal

Mitglied
*****
Februarnebelpupillentextur

zerebraldualistisch
Denken heißt ur-teilen, zwillingshaft sein - rational/intuitiv, analytisch/synthetisch
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Bei meinem Experiment Leben kommt in den seltensten Fällen ein frankensteinsches Monster zu Tage.
Ich bemühe mich.
Selbst die Alpträume verbanne ich dorthin, wo sie geboren wurden.
Aber es gibt Momente, da biste ausgeliefert.
Wie die Tage.
Bist eigentlich schon auf ‚gute Nacht‘ eingestellt, doch plötzlich klingelt das Telefon.
Unsere Nachbarin.
Wir, Uschi und ich, sind ihr und ihrem Mann schon lange Freunde.
Unterstützen sie im täglichen Kampf, dort zu bleiben, wo sie hingehören.
Zu Hause.
Aber wie das Leben so spielt, hat es im hohen Alter so seine Kapriolen bereit.
Hier Zwicks, da Arztbesuch, hier…einfach nur da sein.
Tochter hilft, wo sie kann.
Aber der Beruf erwartet auch sein ‚DaSein‘.
Seit geraumer Zeit Pflegedienst und Rollator.
Klappt gut.
Bis zu diesem Anruf.
00:45Uhr.
Am Telefon die alte Dame.
Kannst du bitte schnell kommen, mit … stimmt was nicht.
War sofort klar, dass das nur ein Notfall sein kann.
Ich mir ihren Schlüssel geschnappt (wir haben seit geraumer Zeit einen von ihnen)
und rüber. Nur wenige Häuser von uns entfernt.
… liegt im Bad am Boden.
Die Augen blicken schon in eine Welt, weit weg von hier.
Alles voller Pisse und dem Gefühl, dass der Tod schon anwesend ist.
Notruf.
‚Ja, er atmet noch. Ganz flach…wie ein gestrandeter Fisch‘.
‚Weiter beobachten und jede Veränderung melden‘.
‚Seine Stirn, seine Ohren, verfärben sich. Sie werden blau.
Kaum noch Atmung‘.
‚Ok! Wir müssen jetzt mit der Herzdruckmassage beginnen. Ich gebe Anweisungen.
Beide Hände über das Brustbein legen und fest drücken. Meinem Kommando folgen.
1, 2, 3, 4. 1, 2, 3, 4. Immer weiter. Der Notarzt ist unterwegs. Immer weiter‘.
Vor ein paar Tage wurde festgestellt, dass ich Arthritis in beiden Daumengelenken habe.
OP wird demnächst folgen. Es schmerzt wie Sau. Aber weiter…1, 2, 3, 4.
Der Dienstleiter vom Notdienst spricht mir Mut zu.
‚Sie machen das gut. Immer weiter. Ich weiß, wie anstrengend das ist. Der Notarzt ist auf dem Weg.
1, 2, 3, 4‘.
Mir läuft die Brühe. Meine Hände schreien. Weiter…1, 2, 3, 4.
Minuten werden zu Stunden.
Ich kann nicht mehr, ich kann nicht, mehr…geht mir durch den Kopf.
Am Boden, nennen wir ihn Erich, kämpft Erich um jeden Atemzug.
Das ganze Gesicht verfärbt sich blau.
Ich schreie ins Telefon…‘wo bleibt der Arzt‘?
‚Gleich…gleich ist er da‘.
Weiter, immer weiter.
Endlich ist er da.
Ich heule, bin nicht mehr wirklich bei Sinnen.
Der Arzt schaut auf Erich und legt den Arm um meine Schulter.
‚Sie können jetzt aufhören‘, sagt er. ‚Sie haben das toll gemacht‘.
Ich weiß sofort, was sein Blick sagt.
Alles für die Kazz.
Seit Tagen geht es mir nun nicht mehr aus dem Kopf.
Endlich erscheint mein verstorbener Freund und Therapeut vor meinem geistigen Auge.
Damals, während meines Drogenentzugs, konnte ich in der Gruppentherapie nichts sagen.
Irgendwann bat er mich zu sich und reichte mir einen Block.
‚Wenn du nichts sagen kannst‘ meinte er, ‚schreib es auf‘.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Letzte Nacht träumte ich.
Einen Mann.
Er saß auf einem Stuhl und blickte aus einem Fenster.
Na ja…eigentlich blickte er nicht, denn er hatte kein Gesicht.
An der Wand hinter ihm war eine Stange befestigt.
An ihr hingen Haken.
Und an diesen Haken hingen Gesichter.
Ein lachendes, ein weinendes, ein Wow- und ein trauriges Gesicht.
Plötzlich drehte sich der Mann zu den Gesichtern hin.
Er nahm ein Gesicht vom Haken und setzte es auf,
drehte sich Richtung Fenster und nahm das Fenster samt Rahmen in die Hände.
Danach drehte er sich langsam zu mir um und ich sah einen traurigen Mensch
der aus dem Fenster zu mir blickte.
Ich erschrak und wachte auf, ging ins Bad und blickte in den Spiegel.
Da war ich, der sich aus traurigen Augen anblickte.
Weit und breit keine Stange, kein anderes Gesicht.
 

John Wein

Mitglied
Lieber Freund,
Ich will hier wieder mal ein paar Worte fallen lassen und Dir sagen, dass mir Deine Träume und Gedanken immer sehr gefallen. Auch wenn nicht jedes Mal unter Deinen Texten ein Kommentar von mir steht, so lese ich sie doch regelmäßig.
Ich grüße, John
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Freund,
Ich will hier wieder mal ein paar Worte fallen lassen und Dir sagen, dass mir Deine Träume und Gedanken immer sehr gefallen. Auch wenn nicht jedes Mal unter Deinen Texten ein Kommentar von mir steht, so lese ich sie doch regelmäßig.
Ich grüße, John
Ich weiß um deine Nähe. Danke.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
hör mir nur uff.
ich hasse diese zwischenzeit.
diese kurz danach, kurz davor.
wo sich absolut nix tut.
alles auf irgendwas wartet.
auf so was total überirdisches.
von wegen dieser eine sonnenstrahl.
das allesentscheidende piepen.
dieser weckruf. in den wir uns dann
wortwörtlich fallen lassen.
bis dahin bleibt nix.
außer vielleicht was von ahnungen
schwadronieren. buchstäbliche
hellseherei betreiben.
mit ner nadel auf das leere blatt papier
einstechen, bis die ahnungen
daraus hervorbrechen.
wie die ersten zarten blüten,
von denen sie träumen...

...und heute,
so mir nix dir nix,
in die zwischenzeit,
hinein,
kam ein kleiner bunter ling
geflog,
nahm mich bei seinen flügeln,
schwob mich in die helle zeit.
drum entbinde ich das leere blatt von seinem sein
tauche meine feder tief ins Blau hinein.
 

petrasmiles

Mitglied
Ich liebe das Wort 'schwob' :D

Bei Dir ist es die große Kunst, dass Du unermessliche Trauer, Erschöpfung und Qual in gleich großartige Worte fassen kannst wie Lebensfreude, Liebe und Erlösung.

Danke dafür.

Liebe Grüße
Petra
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Jetzt, also gestern, ich aufem Friedhof.
Da stand auf `nem Stein: Memento Mori
Gedenke, dass du sterblich bist.
Ich für mich so gedacht: Aber hallo.
Und gerade als ich mich schon schwer am bedauern war,
kam mein Kopp ins Spiel.
Zur Erklärung: Mein Kopp ist oft nicht meiner Meinung.
Von wegen: Ja, ja!
Genau dieses ‚ja,ja‘ posaunte es nun in einem weinerlichen Ton.
Motto: Bist schon ein armer Kerl.
Ich dem Hirn gleich mal `nen Gedanken hingerotzt:
Ist doch so…alles Scheiße!
Worauf mein Hirn: 'Wo bisten gerade'?
‚Ja hier, in Delgem'.
Du…da hat mein Hirn angefangen zu lachen. Frag nicht.
‚Ja wie, was gibts denn da zu lachen'?
‚Na ja…ich dachte schon, du seist in der Ukraine‘.
‚Willst du mir etwa meinen Anspruch auf Angst absprechen‘?
‚Nein, aber deine Überhöhung der Angst.
Tust grad so, als würden die Bomben auf dich fallen…
…grad so, als wärste schon tot. Mach die Augen auf‘!
Und du…das hab ich dann gemacht.
Die Sonne schien, die Vögel erzählten vom Frühling.
Es war warm und still.
Keine Detonationen, kein Weinen.
kein Gefühl der Ohnmacht, keine Hoffnungslosigkeit.
Einfach nur ein schöner sonniger Tag.
‚Vita vivet…hörte ich mein Hirn flüstern.
Vita vivet!
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich schrieb dieses Gedicht vor einigen Jahren. Gedanklich verloren, fand ich es in den Bildern der Metro in Kiew wieder.
In den Gesichtern der Menschen, im dumpfen Klang der Sirene, der durch die Metro geisterte.
Ich hatte es damals genau für diesen Augenblick geschrieben.


metro/kiew

ein dumpfer ton,
der nicht verklingt.
ein bild,
aus asche auferstehend,
sich immer wieder
selbstverbrennend.
ein hoffnungsschimmer,
der im traum beginnt
und stirbt.
eine träne,
die ihren weg nicht findet.
eine trauer,
die das leben bindet.
ein sterben,
das nie wirklich endet.
ein ich,
das leise ist.
dessen wesen
in all jenem mündet,
das ihn geformt
und still beweint.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Unser geliebter Kater Freddy hat sich `ne Wolkenbank ausgesucht, von der er auf uns schaut...


Womöglich lag es am vollen Mond
Am unverhüllten Blick auf dein Negligé
Deinem gleichmäßigen Atmen,
unterbrochen nur von leisem Lächeln
das deine Träume erfüllte.

Vielleicht lag es auch an unsrem Kater
der wie immer
in mondscheinüberfluteten Nächten
an meinem Ohr liegend,
mir brummend miauend seine Welt erklärte.

Wahrscheinlich lag es einfach nur daran,
dass ich dich
in dieser mondscheinenden Nacht
da liegen sah
und mich aufs Neue in dich verliebte.
 



 
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