Du!
Bei meinem Experiment Leben kommt in den seltensten Fällen ein frankensteinsches Monster zu Tage.
Ich bemühe mich.
Selbst die Alpträume verbanne ich dorthin, wo sie geboren wurden.
Aber es gibt Momente, da biste ausgeliefert.
Wie die Tage.
Bist eigentlich schon auf ‚gute Nacht‘ eingestellt, doch plötzlich klingelt das Telefon.
Unsere Nachbarin.
Wir, Uschi und ich, sind ihr und ihrem Mann schon lange Freunde.
Unterstützen sie im täglichen Kampf, dort zu bleiben, wo sie hingehören.
Zu Hause.
Aber wie das Leben so spielt, hat es im hohen Alter so seine Kapriolen bereit.
Hier Zwicks, da Arztbesuch, hier…einfach nur da sein.
Tochter hilft, wo sie kann.
Aber der Beruf erwartet auch sein ‚DaSein‘.
Seit geraumer Zeit Pflegedienst und Rollator.
Klappt gut.
Bis zu diesem Anruf.
00:45Uhr.
Am Telefon die alte Dame.
Kannst du bitte schnell kommen, mit … stimmt was nicht.
War sofort klar, dass das nur ein Notfall sein kann.
Ich mir ihren Schlüssel geschnappt (wir haben seit geraumer Zeit einen von ihnen)
und rüber. Nur wenige Häuser von uns entfernt.
… liegt im Bad am Boden.
Die Augen blicken schon in eine Welt, weit weg von hier.
Alles voller Pisse und dem Gefühl, dass der Tod schon anwesend ist.
Notruf.
‚Ja, er atmet noch. Ganz flach…wie ein gestrandeter Fisch‘.
‚Weiter beobachten und jede Veränderung melden‘.
‚Seine Stirn, seine Ohren, verfärben sich. Sie werden blau.
Kaum noch Atmung‘.
‚Ok! Wir müssen jetzt mit der Herzdruckmassage beginnen. Ich gebe Anweisungen.
Beide Hände über das Brustbein legen und fest drücken. Meinem Kommando folgen.
1, 2, 3, 4. 1, 2, 3, 4. Immer weiter. Der Notarzt ist unterwegs. Immer weiter‘.
Vor ein paar Tage wurde festgestellt, dass ich Arthritis in beiden Daumengelenken habe.
OP wird demnächst folgen. Es schmerzt wie Sau. Aber weiter…1, 2, 3, 4.
Der Dienstleiter vom Notdienst spricht mir Mut zu.
‚Sie machen das gut. Immer weiter. Ich weiß, wie anstrengend das ist. Der Notarzt ist auf dem Weg.
1, 2, 3, 4‘.
Mir läuft die Brühe. Meine Hände schreien. Weiter…1, 2, 3, 4.
Minuten werden zu Stunden.
Ich kann nicht mehr, ich kann nicht, mehr…geht mir durch den Kopf.
Am Boden, nennen wir ihn Erich, kämpft Erich um jeden Atemzug.
Das ganze Gesicht verfärbt sich blau.
Ich schreie ins Telefon…‘wo bleibt der Arzt‘?
‚Gleich…gleich ist er da‘.
Weiter, immer weiter.
Endlich ist er da.
Ich heule, bin nicht mehr wirklich bei Sinnen.
Der Arzt schaut auf Erich und legt den Arm um meine Schulter.
‚Sie können jetzt aufhören‘, sagt er. ‚Sie haben das toll gemacht‘.
Ich weiß sofort, was sein Blick sagt.
Alles für die Kazz.
Seit Tagen geht es mir nun nicht mehr aus dem Kopf.
Endlich erscheint mein verstorbener Freund und Therapeut vor meinem geistigen Auge.
Damals, während meines Drogenentzugs, konnte ich in der Gruppentherapie nichts sagen.
Irgendwann bat er mich zu sich und reichte mir einen Block.
‚Wenn du nichts sagen kannst‘ meinte er, ‚schreib es auf‘.