Bruchstücke

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llceres

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Ach, lieber Otto,

nein, nein, das Bild ist perfekt ..

wieder einmal wunderbar melancholisch,

herzlichst, Ceres
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Mann hatte das Stativ aufgebaut. Er fotografierte den Dorfplatz.
In Gedanken sah ich ihn einige Zeit später seine Bilder präsentieren.
Der Dorfplatz. Die Linde. Links davon der Brunnen. Dahinter die Kirche.
Unten rechts am Bildrand das Rad eines Rolators. Eine alte Dame hielt sich am Rolli fest,
mühsam, Meter für Meter, erkämpfte sie sich auf dem Kopfsteinpflaster ihren Weg. So steinig.
Oben links die Beine einer Bank und die eines alten Mannes, zwei sandalettenbekleidete Füße.
Der Rest eines Flügels. Die dazugehörige Taube flog gesättigt davon.
Der alte Mann blickte der alten Dame hinterher. Ob er sie kannte, gerne kennen würde?
Außerhalb des Bildes, an einem Tisch des Eissalons sitzend, ein verliebtes Pärchen.
Wie sie sich mit ihren Blicken liebten.
Unten links rollte im Moment der Aufnahme ein Ball ins Bild.
Ein Kind hechtete ihm hinterher, ins Bild hinein.
‚Können sie nicht auf ihr Kind aufpassen? Sehen sie nicht, dass ich fotografiere‘?

‚Ihr müsst entschuldigen. Ich kam noch nicht dazu, die Bilder zu bearbeiten.
Bank und Beine müssen noch raus. Und das Rad natürlich auch. Ball und Kind müssen bleiben.
Sonst verliert das Bild ja den halben Brunnen.
Ist schon Scheiße, dass Eltern nicht auf ihre Kinder achten können.
Na ja, vielleicht kann ich´s ja auch retuschieren.
Echt schade. Ist ja ansonsten ein wirklich gutes Bild.‘
 
Zuletzt bearbeitet:

Haremsdame

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Ach, ist das herrlich! Dass ausgerechnet das Leben herausretuschiert werden soll. Dein Bild gefällt mir sehr gut. Ich sehe es vor mir...
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Autos vor den Häusern erzählen von deren Besitzern.
Da biste neidisch, was?...rufen sie.
Tja…wer hat der hat, necken sie in ihrem Glanz.
Die Häuser selbst kleben an den Dünen.
Unsere Weitsicht, unser Horizont,
schreien sie über ihren Strand hinweg.
Die Besitzer von alledem tragen Sonnenbrillen.
Man bleibt unter sich, grüßt ausschließlich seinesgleichen.
Der auf 2cm gekürzte Rasen Marke ‚Auslegware Wimbledon 1a‘
grünt selbstverständlich.
Die Felder gegenüber den Häusern verbrannt.
Ein Fauxpas in den Augen der Häuserbesitzer,
der sich auf ihren glänzenden getönten Brillen,
auf ihren auf Hochglanz polierten Autos wiederspiegelt.
Und nun auch noch das.
Bauen sie doch tatsächlich einen Windpark ins Meer.
Direkt in ihre 25qm Terrassenmeeraussicht hinein.
Und der letzte Sturm entwurzelte das ‚Privat – Betreten verboten‘ Schild.
Nun laufen sie am Strand entlang und suchen nach Muscheln.
Das alles spiegelt sich auf ihren Brillen.
In ihren Brillenseelen.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
http://www.youtube.com/watch?v=_nCpuHLGS8w


Darf ich vorstellen:
Ich.
Mal mehr, mal weniger,
verwegen, verlegen,
überbordend, über Bord,
mal groß, mal klein.
Traurig, von Herzen,
voll Liebe und Wein,
mal mehr, mal weniger,
mal groß, mal klein.
Ich könnte vor lauter
Ich´s schreien, schreien:
Alles ich, alles mein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
dieses Gefühl,
es könnte jemand da sein,
drinnen,
im eigenen Traum,
sein,
umher wandeln,
im ich,
es durch sein da sein,
von einem selbst
entfremden;
diese Fremde im ich,
fast körperlich,
spüren,
lässt mich fliehen,
vor mir,
denn ich weiß,
dies alles bin ich.

Schweißgebadet wache ich auf.
Höre dein gleichmäßiges Atmen und denke an Mascha

Die Nacht,
in der das Fürchten wohnt,
hat auch die Sterne und den Mond.


http://www.ottis-forum.de/bilder/fehnland76.JPG
 

ENachtigall

Mitglied
hallo Otto,

witzig, neulich hatte ich einen ganz ähnlichen Gedanken. Wenn ich tatsächlich einmal einen verrückten Wunsch frei hätte, wäre es nämlich der, einmal - und sei es auch nur für den Bruchteil einer endlos erlebten Sekunde - zu Gast in einem fremden Traum zu sein. Ich bin davon überzeugt - und wirklich überzeugen kann man wohl nur sich selbst -, dass jeder auf seine unverwechselbar einzigartige Weise Traumlandschaften und -szenen erfindet, auch wenn wir Übereinstimmungen in bestimmten Fähigkeiten und Requisiten mit anderen Träumern haben. So fühlte sich das wahrscheinlich so fremd und unheimlich an, wie das ErLeben in einer anderen Person. Wie z.B. in dem Film "Beeing John Malkovich". Völlig verrückt eben.

Lieben Gruß,

Elke
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Erst dachte ich,
dann dachte ich,
denk nicht.
Das tat ich dann.
Nichts ging hinein,
hinaus.
Doch mitten drin,
im ungedachten Nichts,
da schwamm ein Fisch.
Ein Fisch!,
entdacht´ es mir,
inmitten meines Nichts!?
So leer mein All,
dacht´ er, der Fisch,
in meinen Kopf hinein.
Das tat mir leid.
Drum dacht´ ich ihm
ein Weltenall,
mit allem drum und dran,
in seine leere Welt hinein.
Jetzt schwimmt er dort.
Ist mal äonenweit,
dann wieder da,
ganz nah.
Dann denk ich:
Hi, mein Freund,
wie ist´s, in deinem All?
Und er, ganz Fisch,
sagt: Blubb,
und schwimmt davon,
in seine, meine, unsre Welt
hinein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du fragst mich wo ich mich finde, immer wieder finde.
Da ist kein Stern, der fällt, kein Trost, sagst du.
Wie zum Beweis malt dein Finger Fragezeichen an den Himmel,
und gerade als du wieder einen Punkt setzen willst, nehme ich deinen Finger
in meine Hand und male mit ihm Strahlen um den Punkt. Das ist ein Stern
im Fragezeichenuniversum, sage ich, und dieser Stern bist du.
Für mich bist du der Trost, wenn ich mich nicht finde.
Für mich bist du der Wunsch, der in Erfüllung geht.
Ich finde mich in dir.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ins Zeitlose hinein

Sterben.
Ein Traum,
der davon handelt,
wie die Zeit vergeht.

Wo jede Sekunde,
eine Ewigkeit gebiert,
man selbst,
geborgen in Sekunden,
der Zeit entgeht.
 
Ein Störenfried

zwischen diesen vielen so verschiedenartigen, kostbaren Bruchstücken zu sein, scheue ich mich schon lange. Und bin deshalb still geblieben, habe meine Resonanz, meine Kommentare mühsam hinuntergeschluckt. Oft resultierte daraus ein dicker Kloß im Hals. Aber jetzt kann ich mir nicht mehr das Maul verbieten, denn das Bruchstück von heute hat mich 1. aus den Schuhen gehauen und mir 2. nur temporär die Sprache verschlagen.

Unglaublich, Otto - du hast es geschafft, diese stille Sehnsucht nach Geborgenheit in einem Tabu in Worte zu fassen.

Danke.

Bakenfalter
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Also nicht dass du denkst!
Von wegen Hosenschisser oder so.
Nur weil du mich hier so zittern siehst.
Also…sehen könntest, wenn du mich sehen könntest.
Iss nicht so. Echt!
Ei die weil das mein Körper ist.
Nicht mein Kopf.
Ich schwör.
Mein Kopf ist so was von mutig, glaubste nicht.
Aber leider sitzt mein Kopf auf einem feigen Körper.
Gerade jetzt.
Guck nur.
Da zittert der Kerl schon wieder wie Espenlaub.
Und die Knie…Pudding festeste Substanz des Universums dagegen.
Magen?! Frag mich nur nicht nach dem Magen.
Na komm…frag.
Na gut.
Also der Magen ist ein Ozean der Angst.
In diesem säuranischen Meer hat sich die Angst zu Wellen aufgetürmt.
Darin schwappen die Mahlzeiten umher.
Und was weiß ich noch.
Und schwapp und schwapp.
Und allem ist so übel.
Der Säure, den Mahlzeiten und dem ‚was weiß ich noch‘.
Vor Angst.
So übel.
Und mir wird schlecht.
Ganz schlecht.
Nicht vor meiner Angst.
Nee…die Angst meines hasenfüßigen Körpers ist schuld.
Und ich, also mein Kopf, sagt sich:
Werd ruhig, ganz ruhig.
Und haste nicht gedacht, denkt mein Körper:
Dem kann geholfen werden.
Angststarre!
Ich kann mich nicht mehr bewegen.
Bringe meinen (Fremd)körper einfach nicht dazu sich zu bewegen.
Keinen Millimeter.
Und weißte was?!
Das alles nur wegen einer Stechmücke, die an meinem Ohr vorbeisummte.
Echt!
Eine winzige Stechmücke.
Und ich, gefangen in diesem zittrigem Leib, wehrlos.
Hosenschisser, par excellence.
He Körper.
Wie wär´s jetzt?!
Geht’s wieder?
Hallo!
Hallooooooooooo!!!
 

rogathe

Mitglied
stechmücke

puuuuh... schweiß tropf..na, is ja noch 'mal gut gegangen. :D
hast die spannung prima aufgebaut...

:) rogathe
 



 
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