Flucht über die Nordsee 74. Ihr letzter Freier

ahorn

Mitglied
Zurück zum Klappentext
Zurück zu 73. Geboren aus Meeresschaum

Ihr letzter Freier
»Ich hol mir ein letztes Stück alten Gouda! Soll ich dir was mitbringen?«, Josephine leckte über ihre feuerroten Lippen. »In Holland schmeckt er mir am besten.«
Tanja knetete ihren Bauch. »Danke! Ich krieg nichts mehr rein.«
Josephine beugte sich vor, stütze ihre Ellenbogen auf den Frühstückstisch zugleich ihr Kinn auf ihre Hände ab. »Ein bisschen Stärkung …«, sie blinzelte, »könntest du immer haben.«
Klara verdrehte die Augen. »Ich lieb dich nicht. Wir hatten Sex. Damit basta!«
Den Kopf zur Seite gelegt, lehnte sich Josephine zurück. »Gefallen hat es dir! Mal wieder richtig genommen zu werden. Hast gequiekt wie eine Sau!«
Klara zerrte ihr Haargummi vom Zopf und kämmte mit den Fingern durch ihre Haare. »Manchmal glaube ich, an dir ist mit deinem Machogehabe ein Kerl verloren gegangen.«
Grinsend griff Josephine unter ihr schwefelgelbes mit Spitze besetztes Top und richtete ihren Busen. »Na ja, wenn dir Männer mit prallen Brüsten, an denn du lustvoll saugst, gefallen, bin ich gern dein Hengst«, wieherte sie und blies über ihre Lippen, welche wie bei einem Pferd vibrierten.
Klara verdeckte ihr Dekolleté. »Da sprichst du eher von dir.«

Die Lider geschlossen, band sich Klara erneut einen Pferdeschwanz. »Wir haben andere Probleme als unserer Sexualleben, außerdem war es das letzte Mal. Verstanden!«
Josephine blies zuerst eine Strähne von ihrer Stirn, dann verschränkte sie die Arme. »Ich weiß nicht, was du hast. Läuft alles nach Plan!«
Klara malte mit ihrem Messer Linien in die Marmeladenreste auf ihrem Teller. »Stephen ist das Problem. Er glaubt, Antonia wäre seine Tochter.«
Die Mundwinkel emporgezogen, bedeckte Josephine ihre vollen Lippen. »Antonia?«, gackerte sie. »Er kennt sie überhaupt nicht. Den Namen haben wir uns ausgedacht für meine Tochter.«
»Doch!«
»Wie doch?«
Klara senkte den Kopf, formte aus den Marmeladenlinien ein Herz.
Josephine schlug mit den rechten Handballen an ihre Stirn. »Sag nicht, du hast …«

»Ja«, knurrte Klara.
»Du bist doof! War erst für später geplant!«, blaffte Josephine sie an und winkte ab. »Nee!«, sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, der brauch ein paar Sitzungen zusätzlich.« Sie tippte an ihre Schläfe. »Der Typ ist der Annahme jedes Kind in seiner Nähe, welches um dreizehn Jahre ist und ein Rock trägt, wäre seine Tochter. Erst Alina …«, sie kloppte auf den Tisch, lachte, »jetzt – der spinnt.«
Josephine rieb über ihre Wange. »Egal! Reden wir ihm ein, es wäre ein Spaß«, sie pullte an ihrer Nase, »ein Test gewesen.«

Klara flechte die Zähne, kratzte ihr Genick. »Ich bin nicht der Meinung, inwiefern dieses ihn überzeugen wird.«
»Was verschweigst du mir?«
»Er weiß das ich Klara bin.«
Josephine verschränkte die Arme. »Hast du ihm auf die Nase gebunden. Wie?«
Klara zupfte am Saum ihres erikavioletten Etuikleides. »Ich habe mit ihm geschlafen«, murmelte sie.
Ihre Tischnachbarin lachte, pochte mit dem rechten Zeigefinger, wie ein Specht, gegen ihre Stirn. »Der kann gar nicht.« Sie verzerrte ihr Gesicht wie nach dem Genuss einer Pampelmuse, schüttelte sich. »Außerdem ist er schwul.«
Klara schürzte die Lippen. »Hast du etwas gegen homosexuelle Männer?«
»Widerlich!«, fauchte Josephine.
Den Kopf nickend, zeigte Klara ihr einen Vogel. »Aber du schläfst mit einer Frau?«
»Das ist was anderes«, grummelte Josephine und hob den rechten Zeigefinger. »Na klar, habe ich vergessen. Er hatte dich damals vergewaltig. Ich sag doch, Schwule sind abartig!«
»Hat er nicht!«

Eine Frau in einem kurzen schwarzen Kleid mit tiefen Ausschnitt und blütenweißer Schürze trippelte an den Tisch. »Darf ich abräumen?«
»Wenn es ihnen Freude macht!«, schnauzte sie Josephine an.
Die Kellnerin beugte Ihren Oberkörper vor, sodass ihr tiefschwarzer französischer Zopf über ihre Schulter fiel.
Klara blinzelte sie an. »Gerne«, schmachtete sie.
Die junge Frau strich mit der Linken über eine Narbe an ihrem Nacken, nahm mit der anderen Hand das Geschirr auf, daraufhin schwang sie die Hüften und tänzelte davon.
Josephine zog ihre winklig gezupften Augenbrauen zusammen, starrte auf ihr Gegenüber.
Ihre Pupillen nach oben rollend zuckte Klara mit den Achseln. »Ich habe nur gekuckt!«

Es gab Tage, um genau zu sein, 365 im Jahr, an denen Klara Josephine hasste. Ihr einnehmendes Wesen verabscheute. Sie waren Freundinnen, hatten manchmal Sex - Befriedung ihrer Gelüste. Das Gewissen plagte sie. Aishe hatte sie es jedes Mal gestanden, obwohl sie erst seit ihrer Hochzeit wieder ein Paar waren. Sie nahm es hin, kannte ihre Lust. Diesmal sollte es anders sein. Klara hatte sich vorgenommen, reinen Tisch zu machen. Ihr Vorhaben abzublasen. Wieder fühlte sie sich in ihrer Gegenwart wie das kleine Mädchen, das mit ihrer Freundin ein Spiel gespielt hatte, welches verboten war.

»Es war eine Bitte von Anton«, begann Klara ihr Geständnis.
Er hatte sie angerufen, erzählte sie, dass sein Sohn bei ihm gewesen wäre. Er schrie sie an, war aufgebracht. Sein Sprössling hatte ihm gestanden, er wäre unglücklich verliebt, und war bei ihm aufgeschlagen, um mit ihm zu sprechen. Er hatte ihr gesagt, vor Glück hätte er ihm auf die Schultern geschlagen – Stephen endlich ein ganzer Kerl. Bis er ihm verriet, dass er sein Herz an einen Mann verloren hatte. Weggejagt hatte er ihn. Sie war es ihm schuldig aus der Missgeburt einen Mann zu machen, gestand sie Josephine.
Sie verführte ihn. Harte Arbeit war es für sie gewesen, ihn zu erregen. Nicht ein Mal Kondom fluchte über sein schlaffes Glied. Irgendwie schaffte sie es, dass er in sie eindrang, sie nahm. Er verlor den Krampf, ihre Lust stieg.

»Er war richtig Gut für einen Anfänger«, raunte Klara. »Kurz vor einem Orgasmus ist er aufgesessen. Er hatte vor zu Tanja zu gehen, ihr zu beichten.«
»Das er mit dir geschlafen hat?«
»Nein!«. Klara verdrehte die Augen. »Das er schwul ist.«

Josephine nickte, tippte an ihre Schläfe. »Dann hat er sie vergewaltigt.«
»Quatsch. Hat sie Doc erzählt«. Klara schloss die Lider. »Mir hat sie gesagt, dass sie da weitergemacht hat, wo ich aufgehört habe.« Klara kreuzte die Arme hinter ihrem Genick. »Euphorisch war sie. Sie hatte einen Mann – wie naiv!«

»Wo ist dein Problem?« Josephine richtete ihr Top. »Er weiß, du bist Klara.« Sie strich ihren Minirock glatt. »Hätten wir ihm eh erzählt.«
Klara knabberte an ihren Fingernägeln. »Wir hätten Aishe als Dritte auswählen sollen«, murmelte sie.
»Ich kann die nicht ausstehen.«
»Du kennst Aishe nicht!«
»Egal!« Josephine ergriff Klaras Hände. »Ich habe genau die richtige Mannschaft«, sie blinzelte, »für die Tanja Rolle. Sie ist eingeweiht - soweit es darauf ankommt - Profi.« Sie blickte in ihre Augen. »Ich mach das alles für dich«, zischte sie und bohrte ihren Zeigefinger in Klaras Brust. »Du willst wieder Klara sein. Nicht ich!«

Klara drehte sich eine Locke. »Ja! Tanja muss verschwinden.«
»Entführt werden!«
»Trotzdem hättest du mir vorher sagen müssen, dass die Frau auf deiner Fete ein Mann ist.«
»Konnte ich wissen, dass du ihn kennst. Ihr Körperflüssigkeiten ausgetauscht habt.« Josephine grinste. Ihre Stirn schlug Falten. »Heißt dies, dein und Tanjas Kind haben denselben Vater?«

»Hatten! Meine Tochter ist tot, verbrannt«, zischte Klara.
Wieder war sie in ihren alten Trott geraten, Lügen und Verschleiern. Diesmal hatte sie das Gefühl, ein Verlangen, ihrer Freundin ein Teil weiter zu verheimlich.

»Nein! Dachte ich. Von der Zeit kam es nicht hin. Rechnen kann ich.« Klara ballte eine Faust und bis auf ihren rechten Zeigefinger. »Dann erzählte mir Stephen, er hätte nur einen Samenerguss gehabt – in Tanja!« Sie hob ihre Ellenbogen. »Es kommt nur einer infrage. Ein Geschäftspartner von Anton, denn ich in Durban beglückt habe.« Sie strich über ihre Unterlippe. »Dabei hatte ich immer mit Pariser und Maske gearbeitet.«
Josephine wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht, grinste. »Maske!«
Klara spreizte Zeige- sowie Ringfinger beider Hände ab und fuhr mit diesem vom Nasenbein bis zu den Schläfen an ihren Augen entlang. »Ja! Die Eleganten, wie bei einem Ball« Sie zog eine Augenbraue empor. »Das Kondom muss gerissen sein. Na ja ging wild her.« Sie atmete tief ein. »Zumindest war er mein letzter Freier - Stephen zähl ich nicht mit.«


Die zierliche Kellnerin, die mit der ansprechenden Oberweite, stöckelte an den Tisch. Sie beugte sich vor, stellte einen untertassengroßen Teller vor Klaras Nase und leckte über ihre Oberlippe. »Krentebroodje! Zoet en smakelijk!«, hauchte sie, strich mit der Linken über den auf ihrem Busen ruhenden Zopf und platzierte einen visitenkartengroßen Zettel neben die Rosinensüßspeise. Beim Abgang zwinkerte sie Klara zu und stöckelte hüftschwingen davon.

Josephine verdrehte die Augen, schwankte mit dem Schopf. »Wie machst du das?«
Klara legte ihren Kopf zur Seite. »Charisma! Etikette!«, hauchte sie, sodann verwahrte sie den Zettel in ihrer Handtasche. Den Blick durch den Saal schweifend, drehte sie ihre zierliche goldene Armbanduhr um ihr Handgelenk. »Wo bleibt dein perfektes Double.«
»Weiß nicht! Sie war bis jetzt immer pünktlich!«, wetterte Josephine, drückte ihren rechten Zeigefinger gegen ihre Wange. »Wie hatte Stephen darauf reagiert, als er erfuhrt, wer du bist.«


Klara zupfte an ihrer Unterlippe. »Na ja! Als du uns einander vorgestellt hattest, wirkte er nervös, dann, nachdem wir gegangen, uns in der Kneipe unterhielten, eher erleichtert.«
»Wie erleichtert?«
»Wie ein Kind, welches etwas Verbotenes getan hat. Die Strafe des Vaters bewusst, von der Mutter zum Vater geschickt wird, der ihm zu seiner eins in Mathe gratuliert.«
Josephine verdeckte ihren Mund, erstarrte, nahm zögerlich die Hand von ihren Lippen. »Erinnerst du dich an den Jungen«, sprach sie langsam und ruhig, »der uns verfolgt hat.«
»Wo?«
»Auf dem Reiterhof! In dem Sommer als es passiert ist.«
Klara stützte sich auf der Armlehne ab, schob das Gesäß zurück, strich ihr Kleid zurecht. »Nein! Hatte damals bereits eher ein Faible für Frauen.« Sie blinzelte ihrer Tischnachbarin zu.

»Du hast mir gestern Abend berichtet, dass die Villa der van Düwen auf dem Weg vom Reiterhof zu den Bunkern ist. Somit in der Nähe!«, kombinierte Josephine.
»Was willst du damit sagen?«
»Wer wohnte bei den van Düwen!«
Klara tippte an ihre Schläfe. »Stephen war schwul!«
Josephine zog ihre linke Augenbraue herauf. »Vielleicht nicht immer« Sie sah zur Seite. »Wer ist Psychologin? Schuldkomplex! Hat die Gunst der Stunde genutzt, nachdem der Entführer uns verbracht hatte. Allein mit seinem Opfer in der Scheune - sie hilflos, bewusstlos.«
Die Augen geschlossen, die Lippen gepresst, nickte Klara. »Dann verbringt sie mit ihm eine Woche bei Doc.«
»Opfer Täter Austausch!«, zischelte Josephine. »Das Opfer identifiziert sich mit dem Täter. Er bereut, gesteht ihr seine Homosexualität. Mutterkomplex!«
»Das hätte sie mir erzählt. Sie hasste, wie ich, dieses Schwein«, grummelte Klara.

Eine gewisse Logik hatte ihre Analyse, überlegte Klara. Sie ging ebenfalls davon aus, dass sie damals mindestens zu zweit waren. Wie hätte sonst der Peiniger die Mädchen verbringen und gleichzeitig Tanja … Dass sie ihr nicht erzählt hatte, wer ihr das angetan, verzieh sie ihr nicht. Denn er war ein Schlüssel zu der Entführung, ein Beobachter. Der letzte Zeuge, den sie nicht kannt. Davon ging sie aus. Stephen? Er war lange nicht an seinem Ziel, seiner Bestimmung mehr Raupe als Falter. Aber dass Josephine ihn in Betracht zog, obwohl sie selbst zugegen gewesen war abwegig für Klara. Falle! Ihr Mitteilungsbedürfnis beim Sex hatte ihr wichtige Informationen eingebracht. Stephen? Er spielte nur die Rolle einen Statisten in ihren Berichten. Planänderung! Ihre Gedanken verschwieg sie vor Josephine, denn sie wusste mehr, dies hatte Tanja ihr erzählt und dafür hasste Klara die ihr Gegenübersitzende.

»Du bist nicht ganz unschuldig«, zischelte Josephine.
»Bitte!«
»Du schläfst mit ihm, seine innersten Triebe erwachen und …«
»Sie lässt ihn gewähren«, vervollständigte Klara den Satz.
»Legalisierung«, schnaufte Josephine, dabei lehnte sie sich zurück. »Welches Verhältnis hattest du zu Tanja?«
Klara atmete tief ein. »Ja! Wir hatten etwas miteinander!«


Einen Brechreiz empfing sie. Mit der eigenen Schwester stöhnte Klara, ohne ein Wort über ihre Lippen zu lassen. Hätte sie es damals gewusst, geahnt, wie hätte ihr Leben sich entwickelt. Geschichte. Fehler waren nicht rückgängig zu machen, nach vorne schauen, war der einzige Weg.

»Eine gemeinsame Zukunft wollten wir haben.« – »Sie ihr Abi machen und ich wollte studieren.« – »Eine Familie gründen.«
Josephine klatschte. »Das ist es.«
Tanja stockte der Atem. »Was?«
»Wusste Tanja, dass du schwanger warst?«
»Nein! An dem Tag hatte ich keine Ahnung.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Was hat das mit …«
»Geopfert! Ein zweites Mal für dich aufgeopfert hat sie sich. Oder wie sollen zwei Lesben Kinder kriegen?«

Es war genug. Am liebsten hätte sie Josephine alles was sie wusste entgegen geschrien. Ihr ihre Katzenaugen ausgekratzt, ein Messer genommen auf sie eingestochen. Glücklicherweise war der Tisch abgeräumt.

Klara erhob sich. »Ich muss los.«
»Wir sehen uns dann am Mittwoch.« Josephine klopfte auf den Tisch. »Selbes Hotel!«
Klara schnappte ihre Handtasche, hing sie über ihre Armbeuge. »Sorg du dafür, dass dieses Tanja Double erscheint«, befahl sie und stöckelte los.
»Wer ist wohl die Fälschung«, zischte Josephine kaum hörbar und spitze den Mund. »Hast du nicht was vergessen?«
Das Haar auf die Schulter werfend, drehte Klara auf ihrem nadelspitzen Absatz um, beugte sich herab und drückte Josephine einen Kuss, wie Judas dem Messias, auf die blutroten Lippen, einzig mit dem Unterschied, dass die Rollen vertauscht waren.

weiter zum nächsten Teil 75. Chaos in Lesotho
 



 
Oben Unten