Freitag, 3. Mai, Villa Franca de los Barros
Carmen
„Buenas días“, „Buenas días Caballero, ¿qué tal?'“
Sie ist noch jung genug, um älter aussehen zu wollen und mit einer piepsigen Mädchenstimme ausgestattet,
„Danke Carmencita, und ihnen?“
„muy bien, gracias“.
Sie lächelt zu mir herüber, ein noch unverbrauchtes Frühmorgenlächeln,
„¿desayuno?“.
Ich bin in der Hotelbar ihr erster und einziger ‚cliente‘. Exakt gereiht wie eine militärische Formation warten auf dem Tresen zwei Dutzend Kaffeetassen für den Morgenkaffee, auf den dazugehörigen Untertassen liegt jeweils ein Löffel.
“¿cafe?“
„¡Si!“, entgegne ich, „cafe con leche“.
Ich bin verliebt in die spanische Sprache, den feurigen Klang im Stakkato mit dem rollenden R. Manchmal möchte ich nur zuhören und dann kann ich mich leicht im Wasserfall meines Gegenübers verlieren. Die Mischung aus Corrida und Flamenco hat es mir angetan, dabei sind meine Kenntnisse des Spanischen eigentlich begrenzt.
„¿A la orden?“,
„¡Si!“,
„¿quieres comer algo?“
„¡Si, si!“
Sie setzt an zu einem Höhenflug, beugt sich über mich, während ich gerade noch gedanklich zwischen Mantequilla und Mermelada feststecke. Meine Augen verlieren sich in ihrer mit einem Monogramm bestickten, nur unzureichend geknöpften Bluse. Über ihren Kirschmund purzeln die Worte im Dreivierteltakt. Ich beiße mich an meinen Gedanken fest, alle Aufmerksamkeit auf ihre Fragen fährt in eine ferne Unendlichkeit.
„Si, si“stammelt es aus mir heraus „si mermelada“ und ertrinkt in ihrem Wortschwall zwischen melocotón und fresa.
„¿Tostado?“ Ob ich das getoastet haben möchte?
Wie jetzt? Meiner Verlegenheit höchst bewusst, lächelt der Schalk aus ihr. Sie schneidet ein Brötchen in zwei Hälften und zeigt mir die Gesichter.
„¡Si, eh,… mam…da!“
Ich bemerke den Flirtcharakter ihres Lächelns, mir wird heiß. Eine heimtückische Röte huscht über mein Gesicht, der Verrat meiner Phantasie. Lieber Gott nochmal, ich stehe zu meinem Jahrgang, wann zuletzt bin ich dermaßen angeflirtet worden?! Die Situation ist verwirrend, ich fühle mich in unruhigem Fahrwasser. Verlegen suche ich nach einer plausiblen Erklärung dessen, was hier aus einem harmlosen Frage- und Antwortspiel geschehen ist. Sie lacht laut und in einem fort und während ich noch reflektiere und nach Fassung suche, bricht es auch aus mir impulsiv und ungeschützt heraus. Sie prustet, eine Träne perlt über ihre Wange. Wann hat man in einer Bar ähnliches an einem ganz normalen Morgen schon einmal vernommen?!
Ein Taxista tritt ein, verdattert der Situation geschuldet, empfindet er in seiner Verlegenheit das Gelächter auf seine Person gerichtet. Es katapultiert die ganze Chose für uns in noch höhere Sphären der Heiterkeit. Ich schlage mir auf die Schenkel, die junge Frau versteckt sich hinter ihren Händen. Meine Augen kommen ins Schwimmen. Der Taxista dreht auf der Hacke, bekreuzigt sich und sucht das Heil in der Tür. Draußen vernimmt man ein Martinshorn. Nein, es war nicht diesem bizarren Unfall in der Bar geschuldet!
Was man so alles erlebt, auf einem ganz gewöhnlichen Jakobsweg! Das muss man sich einfach mal vorstellen!
Nie, hier bin ich mir sicher, ist ein Pilger mit einem so quietschvergnügten Frühstücksgefühl hinaus auf seinen Weg gegangen, wie der Autor an diesem Morgen in Villafranca de los Barros.
„¡Adíos, Carmencíta!" „¡Hasta luego, Señor!"