(Lese-)Tagebuch

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zeitistsein

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Trost

Wo bist du unentbehrlich? -
fragt dich der Trost,
in deinen dunklen Stunden.

Auf dein Schweigen,
dein ratloses,
weiss der Trost
eine Antwort.

Und er zählt auf:
Auf dich
ist die Milchpackung
im Kühlschrank
angewiesen.
Dass du sie öffnest
und sie
so
dank dir
zur Quelle wird
die deinen Durst
stillt.

Der Staub
empfängt dich freudig
dass du ihn
entfernst,
wo er sich
durch Schwerkraft
niedergelegt hat
und aus
eigener Kraft
nicht
wieder wegkommt.

In deinen Händen
wollen
die Stoffe
die Wäschetrommel
verlassen
und sich sonnen
im leichten Wind,
der sie trocken
bläst.

Unentbehrlich
bist du
für alles,
was dich umgibt.
Alles lebt.
Und durch dich wird es
verwandelt.
 

zeitistsein

Mitglied
Waffen liefern

Um Arbeitsplätze zu schaffen,
um sich zu verteidigen,
um den Feind einzuschüchtern,
um statt Kochtöpfen
Gewehre herzustellen
und Bomben
statt Wohnblöcken.

Um den Hass zu schüren,
um Auge um Auge
zu vergelten,
um das Gesetz
selbst
in die Hand
zu nehmen,
als Messer,
Schwert
oder Stein.
Hauptsache Rache
für das Gesetz.

Denn wer gerecht ist,
ist gerächt.
 

zeitistsein

Mitglied
Du hast viel gegeben und es wurde nicht wertgeschätzt? Du wurdest sogar dafür heruntergemacht.
Ein Arzt,
der auf Haiti
freiwillig
Beine amputiert,
nach dem Erdbeben
- wird angepöbelt
wegen
versäumter
Arbeitsstunden,
die auf
Kollegen
abfallen.
Dein Einsatz ist nicht vergessen.
Er ist gut aufgehoben,
unter Dach und Fach
in der Scheune
des Gewesenen.
 

zeitistsein

Mitglied
Der freie Wille...
Gibt es ihn? Manchmal passieren Dinge, wo man sich fragt: Wie konnte es so weit kommen? Wer hat was verursacht? Was war der Auslöser? Und wie hängt der Ausgang dieser Situation mit einem mulmigen Gefühl schon zu ihrem Beginn zusammen? War das etwa schon eine Vorahnung, dass man auf dem falschen Dampfer ist, über die man sich hinweggesetzt hatte? Und jetzt darf man also die Quittung entgegennehmen dafür, dass man dem Offensichtlichen einfach jegliche Bedeutung abgesprochen hat.
Nun ja. Jetzt ist es, wie es ist. Es gibt kein Zurück. Der Vorhang ist gefallen und die schmerzliche Erkenntnis unausweichlich. Diese ist, um es mit Rilke zu formulieren, "schon im Blut". Die Präzision dieses Bilds erschüttert mich immer wieder. Als die Entscheidung fiel, überkam mich tatsächlich die Angst, eine Sepsis zu haben.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich selbst in diese Lage hineinmanövriert. Mangels Alternativen. Ich kann doch nicht für den Rest meines Lebens einfach zuhause rumsitzen und Kaffee trinken. Ohne Perspektiven, ohne eine Aufgabe. Das ist doch kein Leben, zumindest keins, was mir meine Eltern vorgelebt haben. Leben heisst leisten, und zwar möglichst viel.
Welche Optionen habe ich jetzt? So weitermachen wie bisher? Im gleichen Bereich? Oder mich umschulen lassen? Zu was? Zur Influencerin vielleicht? Gott behüt'!
Auf TikTok tummeln sich jede Menge Zeitgenoss:innen, denen man die Verzweiflung förmlich ansieht. Sie betteln geradezu um Geld, auch wenn sie behaupten, TikTok wäre für sie nur ein Zeitvertreib, in Wahrheit hätten sie ein ausgefülltes und erfülltes Leben.
Influencer sein ist eben doch kein richtiger Beruf, würde ich meinen. Man muss schon was können; einfach da sein und schön lächeln reicht nicht.
Also ist das nichts. Ich bin weder eine Partylöwin noch in irgendwas aussergewöhnlich begabt. Nicht mal im Faulenzen. Das kann ich auch nicht richtig.
Irgendwas schreiben. Aber was denn? Worüber? Schreiben kann ich schon. Aber wer will es lesen? Wem nützt es?
Ich habe keinen Bock, mich schon wieder irgendwo zu engagieren, wo ich geduldet, aber nicht wertgeschätzt werde. Irgendwann geht einem die Luft aus. Jetzt spüre ich es wieder. Habe keine Energie, um mich weiter zu bewerben und wieder von vorn anzufangen. Es scheint alles so schwer und so hoffnungslos.
 
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zeitistsein

Mitglied
Ich habe schon so lange keinen Sonnenuntergang gesehen.
War so lange schon nicht mehr spazieren,
in der Kühle des ausklingenden Tages.
Habe den Abschied verlernt.
Bewege mich im ewigen Mittag.
 



 
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