Neulich, neben der Spur

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ENachtigall

Mitglied
Der Himmel geruht
Mir Engel zu schicken
Sie legen den Kopf auf
Meine Schultern die Arme
Um diesen viel zu langen
Hals und Bonbons in die
Hände singen mir Schlager
Von einem der im Urlaub
Farin heißt bunkern und
Tauschen Angst und Freude
Wie Fußballbilder nur dieses
Dumme Fleisch will nicht
Begreifen wie unsterblich
Wir sind manche
Nennen es Arbeit
Aber solange der Himmel
Geruht mir Engel
Zu schicken werde ich
Mich nicht von der Kette reißen
 

ENachtigall

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Fantôm

Auf dem Dachboden
knackt es bei den harten Nüssen

Die habe ich dort selbst
an den Nagel gehängt
und schwitze
das Pochen der Herzturmuhr
aus den Atemzügen der Wände
So nah so windschief sofern
das Geraschel der Lindenkrone
die teuflischen Sprünge des Eichhörnchens
still bleiben wird es im Gebälk
kein Beben geben kein Raunen
des Windes im Fenster zur Nacht
verrät wo
die Geste
treibenden Holzes aus der Eishaut stakt
Verlor der Fluss sein Kindgesicht

Ich kann mich nicht loseisen
flüstert die Freiheit die kleine
 

ENachtigall

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Weiß war das Wort …


… als in den Mundbrunnen
die Himmelskugel
fiel wachten Feinfühlohr
und Staunauge über dem weisen
greisen Haupt der königlich
gold gefleckten Kröte von Morgenröte
genährt die trank Sternengesang
spie Schaum von ungefilmten Bildern
bunt in den Äther heute
ist später ganz schwarz
mir vor Augen von Lärm
 

ENachtigall

Mitglied
Als im April

… die nach dem Mai benannten Käfer schlüpften als gäbe es kein Morgen, verneigten sich die standhaften Kirschen blütenschwer und vor dem Schwindel der sich verjüngenden Spirale der Zeit.
Wie viele Kinderträume lang hieltest du den Sattel bevor das Rad mit mir alleine fuhr? Wie viele Aeroplane flogen wir zu zweit? Wie viel Kilo für Blöd verkaufte Lüge wog unser Vertrauen auf? Wie hell leuchtet ein letztes Umarmen?
Sie lagen in Scharen am Boden ohne je ein Blatt benagt zu haben an jenem Sonntag flogst du allein bestimmt in den Süden denn in kaukasischer Kälte hattest du lange genug geweilt als die Kirschen dir Blüten streuten begann mein großes Frieren.
 

ENachtigall

Mitglied
Komme nicht zu spät

Wenn du ich bist
rief die liebe Stimme
komm in meine Arme
Und du rennst und rennst und rennst
gegen eine Mauer die bricht
und in ein Haus das brennt
und siehst die Vielen
die dich rufen
mit schwarzen Zungen
die dich springen heißen
in ein Tuch aus Papier
darauf steht
komme nicht zu spät

Es gibt die Sorte
Pech da brauch ich
nicht faul sein
die übergießt mich
wenn ich du wäre ich längst weg
die legt sich zäh
in jede Pore
um jedes Haar
an meine Wange
wenn ich ruhe
auf das Rotkehlchen
das singt auf meinem Knie
von dem der auszog
das Scheitern zu lernen
Und fortwährend warte ich
auf den erlösenden
Prall denn du
ich fliege noch immer auf
in meinem Kleid
aus raschelndem Papier
darauf steht
komme nicht zu spät



© Elke Nachtigall
April 2009
 

ENachtigall

Mitglied
Mondfluch


Ich bin des Nichts
nicht überdrüssig;
nicht, dass ich es nicht links
liegen lassen könnte,
es nichtet mich nicht fair.
Stehe mich nicht falsch!
Nächtens streift mich
der Fluch des Mondes,
das Flehen der Möbel,
verrückt zu werden,
um des schlichten
Schließens der Lücke
wegen, die im Wesentlichen
klafft. Nenne mich nicht mutlos!

Mit den Zähnen sehe
ich. Beiße mit den Augen.
Mich unsichtbar.
 

ENachtigall

Mitglied
Siehst du, mein Freund, und mir "gelingt" das manchmal sogar nüchtern. (Hier gehörte jetzt ein smily mit einem lachenden und einem weinenden Auge hin).
 
S

suzah

Gast
liebe e.nachtigall,
es ist interessant, was dir so alles einfällt, wirklich wunderbar deine fantasie.

"raumzeitwirbel"
hier habe ich das seltsame gefühl, den nachstehenden absatz schon irgendwie mal gelesen zu haben. ich will dir keinesfalls unterstellen, dass diese zeilen nicht von dir stammen, aber kannst du mir auf die sprünge helfen, wie ich darauf komme? ich meine nur diese landschaft in einer aufgeklappten schachtel?

„Sie lupft den Deckel der Hutschachtel. Verschwörerisch zwinkernd gestattet sie mir einen flüchtigen Blick. Innen schmiegt sich ein Bergmassiv aus schwarzem Filz in das samtene Moosgrün einer quasikaukasischen Landschaft. Deren Hänge: von üppigen Stickereien berankt."

liebe grüße suzah
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe suzah,

das finde ich total irre! Das muss ein typisches Déja-Vue sein. Ich kann mich nicht erinnern, das je in einem Film oder auf einem Bild gesehen noch in einem Buch gelesen zu haben. Ich bin fasziniert von Hutschachteln und habe selbst einige davon; allerdings nur ganz schlichte. Wenn aber ein Hut drinnen ist, hat er ja - je nach Gestalt - ein entfernt gebirgiges Etwas. Vielleicht ist es das, was das Bild vertraut macht: so was wie eine unbewußte kollektive Assoziaition.

Vielen Dank für deinen sehr anregenden Kommentar! Liebe Grüße von Elke.
 
S

suzah

Gast
hallo e.nachtigall,
ja, das ist sehr komisch, ich kann es mir jedenfalls nicht erklären, deshalb fragte ich dich ja.
danke, und liebe grüße suzah
 

ENachtigall

Mitglied
Pferde


Stehlen gehen wir zusammen
Klappen scheu die Herztore auf
Ziehen neue Rüstungen an
Und aus in den Kampf
Gegeneinander
Daraus ist kein Zurück
Als allein
Auf einem dreibeinigen Pferd
 

revilo

Mitglied
Hallo, mein schöner Vogel! Zuerst dachte ich, was ist das denn für ein Sch......... Aber dann kam das dreibeinige Pferd! Das ist genial und aufregend ! LG von revilo - derzeit im lyrischen Winterschlaf weilend -
 

ENachtigall

Mitglied
Sonnenblind


Es werden Wohlgefallene sein
die den Himmel bestellen

Mit Licht von verlöschenden Sternen
bleiben wir unter den Bäumen
sonnenblind für den Moment der Routine

Die Zähne gefletscht vor dem
unvermeidlichen Biss ins Fleisch
der Frucht der Erkenntnis

Spucken wir etwas Verbitterung
mit den Schalen in die Wolken
und wünschen uns Frieden
im entkernten Gehäuse
der geweihten Nacht
 
Da steht einer
vor dem Spiegel
der Straße
und versucht
mit riesiger Schere
[strike]in der Hand[/strike]
seinen verwilderten Bart
zu überqueren

Hallo, "in der Hand" halte ich für überflüssig..denn womit sollte er sie sonst halten?

Gruß
A.D.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo, "in der Hand" halte ich für überflüssig..denn womit sollte er sie sonst halten?
Hallo A.D.,

könnte doch sein, er versuchte - wie auf Stelzen - darauf zu laufen ... Finde ich als Bild auch sehr schön skurril; entbehrt aber leider den für mich entscheidenden Funken Realitätsbezug, der ein Gedicht veredelt.

Danke für den Lesebesuch! Gruß,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Humpty Dumpty


[ 4][ 4][ 4]Humpty Dumpty sat on a wall,
[ 4][ 4][ 4]Humpty Dumpty had a great fall,
[ 4][ 4][ 4]All the King's horses and all the King's men,
[ 4][ 4][ 4]Couldn't put Humpty together again.

[ 4][ 4][ 4]Traditioneller Kinderreim aus England




Die Seele des Luftballons
liegt in der Schwebe
prall von Schweigen
leichter als Luft

Meine wohnt zwischen
dem stampfenden Fuß
den hochgeworfenen Händen
gespannt in den Bändern der Stimme

Der Häute bedarf sie viele.
Mitunter wird sie laut.
Das mit dem Schweben üben wir noch.
 

knychen

Mitglied
hallo,
beim stöbern danach, was für menschen meine texte lesen, fand ich das schon etwas ältere "neulich, neben der spur".
ich hatte die vision eines freaks in der wüste, deine erläuterung dazu besagt fast das gegenteil. wirklich?
nein, egentlich nicht.
einmal beim pilzesuchen im triefend nassen wald - fernab jeden dorfes - trafen wir auf einen sehr jungen mann: wirre locken, flaum am kinn, eine zerfranste jeans an, der er längst entwachsen war, ledermantel mit aufgeplatzten schulternähten, barfuß. es war november, die ersten fröste im anmarsch.
aus der distanz machte er ein zeichen. er schnipste mit dem zeigefinger mehrmals auf die stelle zwischen kehlkopf und kinn.
wir schüttelten die köpfe - nein, wir hatten keinen schnaps dabei.
er verschwand im unterholz
manchmal reden wir noch heute über ihn.
war er real oder haben wir ihn nur gesehen?
wieviele freaks leben um uns herum?
hellweg oder tiefer märkischer kiefernwald - egal.
gruß von unterwegs.
knychen
 



 
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