NG 0/2025 – Plädoyer: Reform der Naturgesetze
Eintrag in der Universalbibliothek: T.B-∞.42.NG0
Aktenzeichen: NG 0/2025
Verhandlungstag: Erster Termin der Reihe
Kammer: 1. Senat für Natur- und Normenkonflikte
Vorsitz: Präsidentin Gravitas
Beisitzer: Richter Borealis, Richter Chromatin
Kläger: Homo Legislativus, vertreten durch sich selbst
Beklagte: Die Natur, vertreten durch keine bekannte Rechtsform
I. Plädoyer
Hohes Gericht, verehrte Damen und Herren,
Die Naturgesetze sind veraltet – sie passen nicht mehr zur modernen Rechtslage. Seit Jahrhunderten beanspruchen Gravitation, Querwind und Chromosomen eine unantastbare Geltung. Sie wirken ohne Rücksprache, ohne Verwaltungsakt, ohne demokratische Legitimation. Das ist nicht länger hinnehmbar.
1. Die Tyrannei der Physik
Die Schwerkraft zwingt uns zu Boden, selbst wenn wir im Ausweis als „Flieger“ eingetragen sind. Das ist ungerecht und widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht über das Gewicht.
Der Querwind destabilisiert Radfahrer, ohne vorher eine Genehmigung einzuholen. Das ist eine Straftat, meine Damen und Herren, denn der Radfahrer kommt unter die Räder, wenn er zu dicht überholt wird.
Und die Chromosomen? Sie bestehen auf ihrer Feststellbarkeit, obwohl das Bürgeramt längst anderes beschlossen hat. Dies ist Willkür – Willkür der Natur! Denn Männer und Frauen definieren sich nicht über Gameten, sondern über Unterschriften unter dem Geschlechtseintrag.
2. Die moderne Rechtslage
Das Recht hat längst bewiesen, dass es stärker ist als die Physik.
Im Radfahrerfall 1957 wurde der Querwind juristisch außer Kraft gesetzt. Im Selbstbestimmungsgesetz 2024 wurden Chromosomen rechtlich negiert.
Wenn das Recht die Natur ignorieren kann, dann muss es sie auch reformieren.
3. Reformvorschläge
- Schwerkraft: Nur mit amtlicher Genehmigung wirksam. Wer einen „Flugschein“ im Ausweis hat, darf schweben.
- Querwind: Wird durch Verwaltungsakt aufgehoben, wenn der Abstand korrekt eingetragen ist.
- Chromosomen: Gelten nur, wenn sie notariell beglaubigt sind. Sonst entscheidet die Selbstauskunft.
- Kausalität: Pflichtwidrigkeitszusammenhang ersetzt Ursache-Wirkung. Natur darf wirken, aber nur, wenn sie rechtlich relevant ist.
4. Schlusswort
Die Naturgesetze sind nicht mehr zeitgemäß. Sie sind Relikte einer vorjuristischen Epoche.
Wir fordern ihre Anpassung an die moderne Rechtslage – damit endlich wieder gilt: Nicht die Natur bestimmt den Menschen, sondern der Mensch bestimmt die Natur.
Ich danke Ihnen.
II. Urteilsbegründung
Es spricht Präsidentin Gravitas:
Das Gericht hat über die Beziehung zwischen Naturordnung und Rechtsordnung zu befinden gehabt. Die Naturgesetze handelten bisher autark, unbehelligt von Verwaltungsakt, demokratischer Rückbindung oder Schriftform. Dies kann nicht länger hingenommen werden.
Schwerkraft: Nur mit amtlicher Genehmigung wirksam; für Inhaber eines Flugscheins gilt:
Gravitas non obligat.
Querwind: Darf nur wehen, wenn der Abstand von 1,50 m eingehalten wird; digitales Melderegister ist zu führen.
Chromosomen: Rechtswirksam nur bei notarieller Beglaubigung; im Übrigen gilt Selbstauskunft.
Kausalität: Ursache-Wirkung wird ersetzt durch Pflichtwidrigkeitszusammenhang.
Die Natur ist kein rechtsfreier Raum. Wo der Mensch Subjekt des Rechts ist, tritt die Natur zurück.
Die Sitzung ist geschlossen.
III. Kommentar / kurzes satirisches Essay
Juristen haben es leichter als das Universum. Ein Stempel genügt, wo Sterne Milliarden Jahre brauchen. Das Recht ist biegsamer als jede Kraftlinie, spontaner als jede Elementarreaktion und weniger berechenbar als eine chaotische Bahnkurve.
Naturphänomene werden in Verwaltungsverfahren eingegliedert: Ein Antrag übertrumpft eine Weltformel, ein Eintrag korrigiert ein Genom.
Die Natur arbeitet weiter, ohne Fristen, Widerspruchsrecht oder Rücksicht auf Gesetzesänderungen. Vielleicht ist das ihr größter Fehler.
Die juristische Reform der Natur schreitet voran. Nur die Natur selbst hat bislang keinen Schriftsatz eingereicht.
IV. Bibliothekarische Einordnung / Universalbibliothek
Register: T.B-∞.42.NG0
Kategorie: Metajuristische Naturkunde / Satirische Rechtsprechung
Schlüsselbegriffe: Naturgesetze, Gravitation, Querwind, Chromosomen, Kausalität, Pflichtwidrigkeitszusammenhang, Verwaltungsakt, Selbstbestimmung, Humor, Satire, Meta-Recht
Verfügbarkeit: Digital und analog, in allen drei Sprachen des Zyklus abrufbar (Deutsch, NewestEnglish, Новая Порусский)
Bemerkung: Erste Fassung der Serie „NG – Naturrecht und Gesetzgebung“. Vorgesehen als Leittext für die nachfolgenden Fälle der Universalbibliothek.
Gerichtsschreiber: Delta Minus
Formatierung: CH Kritzler
Beglaubigt: Universum