VII Sachbücher
2 Heribert Prantl, Den Frieden gewinnen. Die Gewalt verlernen1)
Ich habe Prantls Buch mehr aus Solidarität gekauft, als weil ich mir von einem Traktat über die Notwendigkeit, den Frieden zu gewinnen, neue Erkenntnisse erhofft hätte.
Und wie ich feststelle, ist das mit den neuen Erkenntnissen immer so eine Sache – wer weiß schon alles? Es lohnt sich immer, jemandem einmal zuzuhören, der aus einer anderen Ecke kommt und eigene Verknüpfungen und Ableitungen herstellt. Wie die meisten wissen, ist Prantl Jurist und Journalist und war lange Jahre mit der Süddeutschen Zeitung verbunden. Ich war nicht unbedingt ein glühender Prantl-Anhänger, was ich von ihm las, war immer klug und durchdacht, aber manchmal doch zu ‚juristisch‘. Aber das nun unter anderem der Jurist aus ihm spricht, hat für mich nun nachvollziehbare Gründe. Man konnte schon an anderer Stelle von ihm lesen, dass das Friedensgebot unserer Verfassung ignoriert wird und seine Aushöhlung durch das Bundesverfassungsgericht unterstützt wurde und wird.
Das erste Kapitel ist aber mitnichten juristisch, sondern ‚apokalyptisch‘ und trägt den Untertitel „Lob der Apokalyptik: Sie enthüllt was passiert, wenn es einfach immer so weiter geht. Sie ist ein Augenöffner. Von der Falschheit des Begriffs Zeitenwende und von der Rückkehr der Politik ins Militärische‘ 2)
Zu Beginn zitiert er
Brechts Das Große Karthago von 1951. Nach dem Ersten Punischen Krieg sei es noch mächtig gewesen, nach dem Zweiten noch bewohnbar, nach dem Dritten nicht mehr auffindbar.3)
Und dabei kombiniert Prantl zwei Perspektiven – die des 15. Jahrhunderts auf den prognostizierten Weltuntergang und
Dürers Vier Apokalyptischen Reiter, die in Anlehnung an die Offenbarungen des Johannes unaufhaltsam jedem Tod und Verderben bringen – bis auf den Betrachter und so ist es keine Angstlust, die er erzeugen will, sondern eine Aufforderung, den Riss zu suchen. Dieser wiederum entspringt der zweiten Perspektive Prantls aus einem Lied von
Leonard Cohen mit der Textzeile: „There is a crack / A crack in everything / that’s how the light gets in / You can add up the parts / but you won’t have the sum. (…) Die Zukunft steht nicht fest. Sie ist nicht vorherbestimmt. Sie ist veränderbar. Der entscheidende Moment ist immer: jetzt. Und der Ort, etwas zu verändern, ist hier: hier wo der Riss ist.“4)
Obwohl – oder vielleicht weil – ich Atheistin, oder gar Schlimmeres – bin, gefällt mir die Ent-Banalisierung des christlichen Glaubens in der Auseinandersetzung mit biblischen Stellen, die für mich immer nur als geistesgeschichtliche Quellen taugten: was uns bewegte, wie wir sein wollten, wie wir uns als Menschen definierten, was uns Angst machte und was uns aufrichten konnte.5) Prantl schaut hin, was wir angesichts des Risses – zwischen Leben und Tod – heute für eine Sprache verwenden. Die sich übertrumpfenden Adjektive für den Ukraine-Krieg, dieses Einläuten einer Zeitenwende, die keine ist. Eine Zeitenwende wäre es, wenn die Menschheit geschafft hätte, ohne Kriege auszukommen. Was wir erleben, ist aber nur ein Politikwechsel, der zunehmend international bis in die Mitte der Gesellschaft hinein verstörend wirkt, Angst schürt und sogar auf den Kinderwunsch junger Menschen Einfluss nimmt.6) Wir erleben die Sprache der Vulgärapolyptiker, die mit der Angst einen Zweck verfolgen. Die Apokalypse selbst ist nach Prantls Auffassung und Erläuterung Aufklärung mit anderen Mitteln.7)
Und er macht den Hass als schlimmsten Gegner des Friedens aus, weil er den Gegner entmenschlicht, seine Vernichtung preist und eine Kette hassmotivierter Morde in Gang setzt und hält. Prantl spricht es hier nicht aus, aber dass die Diffamierungswut Andersdenkender und ihre Ausgrenzung eine Vorstufe zu diesem Hass ist, der sich im Zuge der Militarisierung noch institutionalisieren wird, ist offensichtlich. Aber noch findet sich Gegenrede. Noch sehen wir den Riss.
Und auch das spricht er nicht aus, dass die EU versagt, dass sie ihre historische Rolle der friedlichen Einigung vormals verfeindeter Mächte, die sie in eine prosperierende Phase des Friedens führte, vernachlässigt und nun den Taktgeber für Aufrüstung und kapitalistische Ausbeutung gibt. Aber er mahnt. Das unterscheidet den Aufklärer vom Moralisten.
Im zweiten Kapitel geht es um unsere Verfassung und ihre Auslegung und Beugung. Auszüge daraus wurden in der Berliner Zeitung 8) veröffentlicht und so sei hier nur das Gerüst erwähnt: Die verfassungsmäßige Selbstverpflichtung zum Frieden; die erste Beugung durch die Hinzufügung der Erlaubnis der Wiederbewaffnung 1954/55. Schlimmer noch die Out-of-Area-Entscheidung 1994, wonach alles, was die Nato macht als Verteidigung gilt“ 9)
Es gab sie von Anfang an, die Tauben und die Falken. Der kalte Krieg und die unbedingte Ausrichtung der ersten Nachkriegsregierung nach Westen taten das Ihrige. Nicht selten war der Pazifismus der Gründerzeit nichts anderes als der Bellizismus heute – ein Nachreden, Anpassung an die vorherrschende Meinung, um in allen Zeiten verwertbar zu sein.
Dennoch sei das Grundgesetz eine Friedensverfassung geworden und die nachträglichen Änderungen würden im eigentlichen Sinn am Grundgedanken der Verfassung vorbeigehen und die aktuelle Wortwahl widerspräche ihm klar, wenn der deutsche Verteidigungsminister und der Generalinspekteur der Bundeswehr von ‚Krieg‘ sprechen und sich auf die Verfassung berufen. Ebenso widerspricht ihr die Auslegung der Unterstützung bei einem Angriffskrieg ohne flankierende Friedensbemühungen. 10) Und Prantl stellt klar: „Das Wort Krieg programmiert das Hirn anders als das Wort Verteidigung“. 11)
Im dritten Kapitel widmet sich Prantl den Dilemmata der Gewaltlosigkeit und ich begegne einem ‚alten Bekannten‘: Max Weber. Als studentische Hilfskraft hatte ich für einige Semester das Privileg, an der Max Weber Gesamtausgabe zwei versierte Wissenschaftler zu unterstützen. Seither weiß ich, wie ein wissenschaftlicher Apparat entsteht und wie mühselig Namen und Daten herbeigeschafft und verifiziert werden müssen. Max Weber war einer der Vordenker, wenn nicht gar Begründer der Sozialwissenschaften. Gelernter Jurist widmete er sich unter anderem der Nationalökonomie und führte die Sozialwissenschaft an die Geschichtswissenschaft heran. Seine gedankliche Durchdringung aller gesellschaftlichen Phänomene seiner Zeit (er starb 1920) schafften eine enorme Menge an Schriften. In Prantls Fokus steht Webers Schrift ‚Politik als Beruf‘ und hierbei insbesondere eine Unterscheidung des Pazifismus in Gesinnungsethik und Verantwortungsethik 12). Prantl argumentiert einleuchtend, wie diese Unterscheidung den aktuellen Geschehnissen folgte und eben keine wissenschaftliche Analyse war, oder überhaupt eine substanzielle Würdigung des Pazifismus an sich bedeutete. Im vorherigen Kapitel war Josef Strauß als Protagonist des ‚Formwandlers‘ erwähnt worden, der 1964 in einem Interview mit Günter Gaus seine frühen pazifistischen Äußerungen leugnen wollte und den Begriff der Verantwortungsethik bemühte. 13)
Grundsätzlich gehört dieses Kapitel dem Pazifismus, seiner begrifflichen Entstehung, den pazifistischen Bewegungen, Vordenkern und Ikonen von Kant 14) über Ghandi hin zu Martin Luther King jr. und er outet sich, selbst kein Pazifist zu sein, aber dass er sie bewundere und es ohne Friedensbewegung keinen Frieden geben würde. Und er arbeitet heraus, dass immer vor dem Hintergrund verheerender Kriege Friedensbewegungen erstarkten und mitnichten Traumtänzerei betrieben wurde, sondern verantwortliches und vorausschauendes Handeln ihre Akteure auszeichneten. Das ist nicht die einzige Korrektur, die Weber in seinem Denken erfahren muss, aber das ist ja aller Ehren wert und beste wissenschaftliche Tradition.
Leicht hat es der Pazifismus nie gehabt und seine Protagonisten wurden zu allen Zeiten und bis heute verspottet oder beschimpft und oft genug – gerade im politischen Diskurs – gehört der ‚politisch kindliche Gesinnungsethiker‘, wenn nicht zum Kampfbegriff, dann doch als Einstellung in die Beurteilung dieser ‚Exoten‘ dazu. Da sind sie wieder, die Schwarzweißdenker und insbesondere heute ersetzt Moralisieren moralisches Handeln und ein Austausch der Argumente, um Unmögliches möglich zu machen.
Am Ende ist es die große Frage, wie moralisch die Aufforderung zum Gewaltverzicht sein kann und er erinnert daran, dass Gandhis gewaltfreier Protest seine Anhänger der Gegengewalt wehrlos auslieferte und gewiss nicht für jede Unterdrückung und Schlimmeres ein probates Mittel sei.
Im Grunde erteilt Prantl dem Pazifismus im Sinne eines Gewaltverzichts eine Absage, aber er stellt auch klar, dass es keine ‚Verbrechen im Krieg‘ gäbe, sondern der Krieg selbst das Verbrechen sei.
Der Ukrainekrieg, aber auch die Kämpfe in Gaza, sind natürlich Thema, aber wenn er z.B. inländische Forderungen nach Verzicht auf Waffenlieferungen entgegenhält, dass der Zivilgesellschaft, die sich gewaltfrei erheben sollte, wenig gedient sei, wird es sehr unkonkret, es werden keine Namen genannt und keine Belegstellen für Äußerungen der Art, dass irgendjemand der Gegner von Waffenlieferungen (weil sie unmoralisch seien) tatsächlich Kapitulation gefordert oder in Kauf genommen hätte, sondern dass die nicht vorhandenen Friedensbemühungen der involvierten Mächte im Fokus der Kritik standen – und stehen.15) Vielleicht versteht man diese Zuspitzung besser, wenn erinnert wird, dass Martin Buber, ein Verehrer Gandhis, von diesem im November 1938 einen Ratschlag, ja eigentlich sogar eine moralische Forderung erhielt, dass auch die Juden in Deutschland den Nazis gewaltfreien Widerstand leisten sollten. 16)
Das Kapitel endet mit Prantls Statement, dass für ihn Pazifismus sei, einen Krieg zu verhindern.17)
Im vierten Kapitel geht es um die Frage, wie man als Gesellschaft den Krieg verlernen kann. Zunächst geht es um das Aufeinandertreffen zwischen Mensch und Mensch im Krieg, die berühmte Friedensweihnacht im Schützengraben 1914, aber auch der Fall eines Montenegriners, der im jugoslawischen Partisanenkampf einen arglosen Türken erschoss, mit dem er zuvor eine Wegstrecke geteilt hatte, die sich menschlich näher gekommen waren 18) Dieser Frage widmet Prantl viele Seiten, psychologisch reflektiert, und zieht eine Linie von berühmten Mördern z.B. jenem Kindermörder Bartsch zu Putin. Sie seien das Böse 19), aber eine ‚Vermonsterung‘ käme einer Romantisierung gleich. Und mit Putin würden dann gleich die Russen an sich verteufelt. Entscheidender aber sei die Frage, was passiere, dass Menschen überhaupt in den Zustand kämen, töten zu können. Eine Emotionalisierung, die mit der Dämonisierung einhergehe, lenke von der wichtigen Debatte ab „ob und inwiefern eigene Fehleinschätzungen zur Eskalation beigetragen haben oder weiter beitragen.“ 20) Und die unbequeme Frage, der wir uns alle stellen müssten anhand auch ziviler Gräueltaten, was aus dem normalen Menschen einen Mörder macht. Die Konditionierung für das Töten im Krieg fängt aber schon früher an – vor allem mit der Militarisierung einer Gesellschaft und einer Ideologisierung von Gewalt, die damit einhergeht.
Dieses Kapitel enthält interessante Ausführungen zu Denkern des Freund-Feind-Schemas und ihre Wirksamkeit und wie die Angst vor den Barbaren den eigenen Untergang herbeiführen kann. Und er hält die Wagenburgmentalität in Europas Migrationspolitik für eine fahrlässige Unterstützung jeglicher Fremdenfeindlichkeit. Mauern und Stacheldraht, die politische Inszenierung einer rückwärtsgewandten Zukunftschimäre hat die fatale Wirkung nach innen von dem Gefühl einer akuten Bedrohung durch das Fremde – was die Demokratie von innen zerstört. 21) Das liest sich gut und richtig – und doch, wo ist der Ansatz zum Entfeinden?
Er verbindet die drei großen Konflikte Ukraine, Gaza und die Migration zu einer globalen Erfordernis: „Es geht um die Begrenzung des Grenzwahns, es geht um die Zähmung der Gewalt. Es geht um Entfeindung. Es geht um einen Waffenstillstand. Es geht um Befriedung. (…) Überall gilt: Sicherheit ist auch die Sicherheit der anderen. Sicherheit gibt es nicht vor Russland, nicht gegen Russland. Sicherheit gibt es nicht vor den Palästinensern. Sicherheit gibt es nicht vor den Flüchtlingen. Es gibt Sicherheit nur mit ihnen. (…) Es gibt Sicherheit nicht mit noch höheren Mauern (…) und Militärausgaben (…). Sie wird steigen, wenn sich die Gegner die Brille des anderen aufsetzen. So beginnt das Frieden-Lernen.“ 22)
Das Fünfte Kapitel ist demzufolge erwartbar wieder appellativ – die weißen Tauben sind müde, die alte Friedensbewegung ausgedünnt, die Grünen ein Hort der Falken, wir brauchen eine neue Friedensbewegung.
Wiederum interessant zu sehen, wie uralte Symbole und Mythen unsere gedanklichen Korridore bilden, die Taube, der Ölzweig, die Arche Noahs, der Zorn Gottes – ein großer stilprägender Friedensschluss.
Prantl erinnert an die friedensbewegte Bundesrepublik der 80er Jahre, die – berechtigte - Furcht vor der atomaren Katastrophe und der Vernichtung Europas. Trotzdem – und in gutem Glauben – kam der Natodoppelbeschluss (1983), erst die Aufrüstung zum Gleichgewicht des Schreckens, dann Abrüstung (1987) – ein Vertrag, der dann 2019 von Trump gekündigt worden war. 23) Damals sei die Gefahr eines ‚Euroshimas‘ gebannt worden, aber wer würde sie heute bannen? 24)
Diese historischen und politischen Bezüge sind hochinteressant, weil es noch Akteure gibt, die in dieser Zeit sozialisiert wurden, weil man nachverfolgen kann, wie politische Inhalte über den erkämpften Konsens bis in die Merkelzeit hinein existierten, die in wenigen Jahren langsam verschwanden, totgeschwiegen wurden, bis dann eine Zeitenwende die Vorzeichen endgültig umkehrte. 25)
Im Folgenden macht das Prantl an der Abkehr der Grünen von ihren Wurzeln als Friedensbewegung fest, die ihren Anfang schon unter Joschka Fischer nahm. 26) Nicht ganz fair, auch wenn die Fakten nicht zu leugnen sind. Den sich anschließenden Vergleich mit der Bewegung der Burschenschaften im 19. Jahrhundert, so belegt und rational begründet er auch daherkommt, er kommt einem Stigma gleich, die Parallele der Transformation vom Paulus zum Saulus, vom Geläuterten zum Leugner, vom Sozialromantiker zum Staatstragenden. 27)
Als nächstes gerät Frank Walter Steinmeier ins Visier, dessen Rolle – leider zurecht – höchst problematisch ist angesichts seiner früheren politischen Aktionen; auch bei ihm wandelt der Paulus sich zurück zum Saulus und man kann Prantl an keiner Stelle seiner Abrechnung widersprechen. Zur Abrechnung gerät es deshalb, weil Steinmeier die Lieferung von Streubombenmunition der USA an die Ukraine nicht verurteilte, er könne und wolle den Amerikanern nicht in den Arm fallen - obwohl er es war, der damals für Deutschland das Abkommen zur Bannung von Streumunition unterschrieben hatte. (Russland, die Ukraine und die USA hatten das UN-Abkommen 2008 nicht unterschrieben.) Man könnte ihn für eine tragische Figur halten, wenn die Tragik nicht zuallererst bei den Opfern festzumachen wäre. Somit steht sein Handeln für einen geschichtsvergessenen und pflichtverletzenden Teil der SPD. 28) In diesem Zusammenhang wird Prantl sehr deutlich: „Die Entscheidung für den massenhaften Einsatz von Streubomben in der Ukraine diskreditierte die moralische Überlegenheit des Westens im Ukrainekrieg.“ 29) Und er führt weiter aus: „Das Nachdenken über eine Friedensordnung in Europa jenseits des Krieges ist unverzichtbar. Dieses Nachdenken beginnt mit dem Gedanken, dass Moskau zu Europa gehört.“ 30) Nun also, nachdem alle möglichen Vorreden über das Böse angebracht worden sind, das Töten durchdekliniert wurde, wie auch das Versagen. Nun steht es da. Was wir alle wissen, was manche verdrängen, was unter keinen Umständen eine Handlungsoption sein darf. Nun hat er seinen Hut in den Ring geworfen, sich eingereiht unter denen, die Frieden wollen. Jetzt. Und nun wäre die folgerichtige Frage die nach dem Akteur, und da stehen wir alle rum. Wir stehen und warten.
Für Prantl ist der nächste Schritt die Überleitung zu anderen Friedensschlüssen oder die Verhinderung von Kriegen: die Geheimdiplomatie Kennedys mit der Sowjetunion bei der Kubakrise, die Untersuchung des mühseligen Friedensschlusses eines verheerenden Krieges – des Dreißigjährigen Krieges. Ein Friedensschluss, der fünf Jahre verhandelt wurde, der auch an Fahrt aufnahm, als eine totale Erschöpfung der Ressourcen einkehrte. 31)
Von hier aus widmet sich Prantl Überlegungen der möglichen Varianten von Friedensschlüssen – und da ist er leider wieder, der Ausschluss des Gedankens, der Möglichkeit oder Gewissheit, dass dies ein Stellvertreterkrieg sein könnte, dass die Ukraine mitnichten souveräne Kriegspartei wäre, dass am anderen Ende des Ozeans ein Land die Fäden in der Hand halten könnte, die diese Verhandlungen ermöglichen oder verhindern kann – und dass durch diese Hand auch der unerklärlich erscheinende Wandel der deutschen Außenpolitik gesteuert worden sein könnte. 32)
Prantl stellt die Frage nach der Möglichkeit der Bestrafung der Schuldigen und konstatiert, die Ukraine bräuchte nicht unbedingt einen Friedensakt, sondern einen Prozess, der die Gewalt beendet und bringt Christopher Clarke ins Spiel, der Verhandlungen mit Russland nach Art des Wiener Kongresses vorschlug, noch eine gelungene Friedensaktion, wie schon der Westfälische Friede – und die EU. 33) Auch dieses Mal bleibt die Schelte aus. Es bleibt beim Appell, dass der Friedensauftrag der EU nicht erledigt sei, sondern kontinuierlich fortgesetzt werden müsste.
Sodann widmet er sich den martialischen Doktrinen der Bundesrepublik zu Zeiten der Wiederbewaffnung unter Adenauer und nennt eine Reihe von Namen, die Bespitzelung und Behinderung ausgesetzt waren wegen ihrer pazifistischen Äußerungen oder Handlungen – oder was dafür gehalten wurde. Immerhin so weit wagt sich Prantl über die Adenauerzeit hinaus: „So stand die Meinungsfreiheit unter der Kuratel der Bündnistreue zum Westen – oder was man dafür hielt“ 34) Und leitet zum aktuellen Fall Ulrike Guérot über, die wegen ihrer Kritik an der Corona- und Ukraine-Politik mit fadenscheinigen Gründen entlassen worden war. Die Verengung des Meinungskorridors während der Corona-Krise stellt auch er fest und fordert, dass dies im aktuellen Konflikt aufhören müsse, wie es angesichts des Manifests für den Frieden geschehen sei. 35) Und er kritisiert die Ausgabe der Parole der Alternativlosigkeit der Befürworter der Waffenlieferungen, weil dies nicht dem Geist der Demokratie entspräche und Meinungsfreiheit nicht die Meinung der Mehrheit meint. Das ist so richtig wie unkonkret und verliert sich im Appellativen. Der letzte Satz des Kapitels ist vielleicht aufschlussreicher als bewusst: „Es wäre gut, wenn dieser Wunsch [nach dem Aussterben des Kriegshandwerks] wieder eine parteipolitische Heimat hätte,“ 36) wodurch bei mir der Eindruck entsteht, dass er den Grünen genau das übel nimmt, dass sie diese Rolle nicht mehr einnehmen – als seien sie ihm und der Nation das schuldig.
Im sechsten Kapitel – schmal, aber sehr inspirierend – geht es um zwei starke Persönlichkeiten, Erich Maria Remarque und Stefan Troller, die dem Pazifismus unter Einsatz ihres Lebens starke Impulse gaben und deren Beispiel für Prantl pädagogisch genutzt werden sollte. Er führt den Begriff ‚negativen‘ Pazifismus ein, der dem Protokoll des Nobelpreiskomitees entstammte, das Remarque den Friedensnobelpreis nicht zuerkannte, weil negativer Pazifismus nicht genug sei. Er bedeutet nur, gegen den Krieg zu sein, wohingegen positiver Pazifismus ein Handeln für den Frieden meint. Prantl spaziert durch die Geschichte der Zwanziger und Dreißiger Jahre, wer durch was aufgefallen war. Das ist interessanter zu lesen als wesentlich für den Text. Nur gegen Ende gibt es den Bezug zur Gegenwart, als die Preisträgerin des Erich Maria Remarque Friedenspreises 2023, die achtzigjährige russische Schriftstellerin Ljudmila Ulizkaya sagt: „ … Mein Land krankt an aggressiver Unbildung, Nationalismus und imperialer Großmannssucht“, sie schäme sich für ihr Volk, das seine moralische Orientierung verloren habe. Ein ukrainischer Zeichner, der ebenfalls einen Preis bekam, weigerte sich, mit ihr auf einer Bühne zu stehen. Wenn Putin alles schuld ist, braucht sich der Ukrainer dazu nicht hinterfragen. 37)
Im letzten und siebten Kapitel wird es wieder biblisch. Der erste Mord, die Rechtfertigung für Krieg und Frieden, man findet in ihr Bestätigung für Friedensliebe und Aufforderung zu Gewalt und unabhängig vom Glauben hat sie die westliche Zivilisation geprägt. 38) Immer wieder wurden ihre Texte benutzt, um Kriege zu legitimieren, das Töten zu rechtfertigen und das Sterben für den gerechten oder gar heiligen Krieg zu verherrlichen. Wenn es eine Frage der Auslegung ist, käme es auf die Auslegung an.
Und wieder wird ein Sänger zitiert, John Lennon’s
Imagine: „Imagine there’s no heaven / It’s easy if you try / No hell below us / Above us only sky“ Aber dieses Mal erteilt er der Aussage eine Absage; Himmel und Hölle zu überwinden, sei keine bessere Option. Der Verzicht auf Religion sei keine Gewähr für ein besseres Menschsein. Eher schäbig der Scherz über den hässlichen Liverpooler Flughafen
John Lennon und seinen trübsinnigen Anblick, von dem aus ‚Urlaubsjets für Pauschaltouristen Kurs auf Trauminseln und Urlaubsparadiese nehmen mit ‚all inclusive‘ und ‚all you can eat‘ als Bild von dieser trüben, hoffnungslosen Welt. 39) Irre ich mich, oder hat Prantl mit diesem ‚Bonmot‘ eine britische Ikone und alle einfachen Leute herabgesetzt, die sich nur diese Art von Urlaub leisten können? Ich bin froh, dass ein Lektor diesen Lapsus nicht ausmerzte. Das gehört ins Bild.
Als Aussage wirkt das Kapitel wie angestrickt, da ist nichts, was nicht auch in den vorherigen Kapiteln hätte thematisiert werden können, waren ihm sieben Kapitel sympathischer? Wollte er auch seine religiöse Verortung zeigen? – nur der Bogen im letzten Satz zurück zu Leonard Cohen, das Ganze ist mehr als die Summe der Teile, der würde nicht passen.
Fazit
Ich habe mich schon länger nicht mehr so intensiv mit einem Text befasst und das ist schon ein Gütezeichen. Dennoch. Ich habe den Eindruck bekommen, dass Prantl nicht wirklich den Meinungskorridor verlassen hat – der derzeit Diskurse verhindert – wie er das zur Coronapolitik durchaus getan hatte. Er arbeitet sich im fünften Kapitel an den Grünen ab und kritisiert Steinmeier überdeutlich, verschont die FDP und die CDU, erwähnt sie nicht einmal, als wären im Zentrum des Geschehens deren Stimmen und Haltungen marginal - ich sehe nicht, wie man darin keine Parteinahme sehen sollte – bei einem Journalisten. Inhaltlich ist das alles nicht zu beanstanden und anfangs war ich geneigt, hier auf der Sachebene zu bleiben, dass man persönliches Versagen auch nicht verschleiern darf, aber im Zusammenspiel mit Aussparungen über interessegeleitete Politik auch und gerade im Ukrainekrieg lässt sich diese Annahme nicht aufrechterhalten.
Aus seinen vielen richtigen Schlussfolgerungen müssten sich Dogmatiker herauspicken, was ihnen jetzt in den Ohren klingeln sollte – was nicht die hervorstechendste Eigenschaft eines Dogmatikers ist. Ich habe aber den Eindruck, dass ohne den Überfall der Hamas am 7. Oktober letzten Jahres vielleicht ein anderes Buch entstanden wäre. Dass dieses Massaker an Unschuldigen für ihn die Notwendigkeit des Herausstellens des Bösen, die Eindeutigkeit seiner Benennung erforderlich gemacht hat – und dass das Ausblenden einer Vorgeschichte zum Ukrainekrieg unterblieb, weil er dann auch die Vorgeschichte zum Gazakrieg hätte mitdenken müssen. Eine moralische Entscheidung? Keine intellektuelle.
Ebenso mutet die Ausblendung der geopolitischen Zusammenhänge, die unter viel Eloquenz und Klugheit verborgen bleibt, mich sehr befremdlich an. Besonders schwach der Abschnitt über die Möglichkeiten des Friedens für die Ukraine, siehe dort meine Anmerkung 32. Ich weiß nicht, wie man seinen dort zitierten Satz anders interpretieren könnte als ich es tat.
Trotzdem hat er mich im Zusammenhang mit dem Gazakrieg zum Nachdenken gebracht. Wie er in seinem Vorwort 39) mutmaßt, hätte auch eine liberale Regierung in Israel dieses Massaker mit einem kriegerischen Akt beantworten müssen. Und mir wird klar, dass eigentlich jede Parteinahme potenziell unterkomplex ist – und eine Identifizierung mit jedweden Opfern in eine emotionale Spirale geraten lassen kann, die einen Prozess in Gang setzt, der über Gewalt in Worten und Ausgrenzung Andersdenkender, in eine Militarisierung der Gesellschaft und letztendlich Krieg mündet – gemeint sind hier unbeteiligte, aber anteilnehmende Menschen, und nicht Aussparung von Empathie.
Mir haben die christlich-geistesgeschichtlichen Zuordnungen gefallen – weil sie präsent sind, weil sie vorwegnahmen, was den (europäischstämmigen) Menschen schon immer beschäftigt hat. Das ist keine Frage des Glaubens, sondern des Wissens. Die Alternative dazu ist Nicht-Wissen. Ein Luxus, den sich insbesondere das akademische Milieu zunehmend sich leisten zu können wähnt, weil ja alles neu gedacht werden kann – nicht ahnend, dass wir uns freiwillig auf die Stufe begeben, in der der Steinzeitmensch jedes Kraut selbst ausprobieren muss, um zu sehen, ob er es überlebt.
Meines Erachtens wird diesem gesellschaftlichen Wandel zu wenig Rechnung getragen. Warum gibt es bei den Grünen keinen offenen Diskurs mehr? Warum ist Einigkeit ein größeres Gut geworden als die Erörterung von möglichst vielen Aspekten zur Entscheidungsfindung. Warum sucht ein Steinmeier mit staatsmännischen Meriten die Flucht nach vorn ins Getümmel und lässt sich lieber von einem ukrainischen Diplomaten beleidigen und tritt die Erfolge von Jahrzehnten von Entspannungspolitik in die Tonne, als sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen – zu ihr zu stehen, um dann einen Gegenpol zum Getümmel bilden zu können? Warum haben wir ein politisches System, in dem niemand Sachkenntnis vorweisen muss, um ein Amt zu bekleiden? Und vor allem: Warum dürfen sie im Namen der Verteidigung von Werten vorhandene Werte und Tugenden verleugnen und ins Gegenteil verkehren? Aber das wäre höchstwahrscheinlich ein anderes Buch – und würde von jemand anderem geschrieben werden müssen.
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1) Heyne, München 2024
2) Ebd. S. 7
3) Ebd. S. 19
4) Ebd. S. 17
5) Ein Kommentar unter einer Onlinebesprechung bemängelte eben dies; die Bereitschaft, auch alte und uralte Gedanken als bedenkenswert anzunehmen, lässt nach. Heute genügt der Hinweis auf die dunkle Seite der Kirchen, um alles in Bausch und Bogen abzutun. Dass man mit woker Kunst niemals etwas erschaffen kann, was auch nur annähernd eine Art von Gültigkeit hat und behalten wird – außer ihrer Kastration des Denkens und Empfindens – bleibt unbemerkt.
6) Siehe Anm. 3, S. 233 und S. 31
7) Ebd. S. 31
8)
https://www.berliner-zeitung.de/ope...eden-gewinnen-die-gewalt-verlernen-li.2205362
9) Ebd., S. 38f.
10) Ebd. S. 53-55
11) Ebd., S. 55
12) Die Schrift war das Manuskript zu einer Rede, gehalten 1919, S. 72. Diese und andere Wortschöpfungen haben die Herausgeber vor nicht geringe Probleme gestellt. Prantl nennt Weber einen ‚intellektuellen Überflieger‘.
13) Ebd., Anm. 6, S. 233. Nach Webers Ansicht waren neun von zehn Gesinnungsethikern substanzlose Windbeutel im Sinne von romantischen Spinnern; Webers Äußerung wird zitiert nach wikisource, hier Anm. 20, S. 234
14) Nach Prantl hat Kant erstmals den Pazifismus aus seinen religiösen Bezügen in das Recht überführt. Ebd., S. 65 ‚Frieden, das bekräftigt Kant, fällt nicht vom Himmel, er liegt nicht in der Natur des Menschen, sondern er muss mit festem Willen, unbeirrbarer Vernunft und politischem Handeln gestiftet und bewahrt werden.“ Ebd. S. 66
15) Ebd. S. 92 Was hier nicht berücksichtigt wird, ist die Zeitschiene und der Aspekt der Dynamik. Auch, wer anfangs das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine nicht in Abrede stellte und Unterstützung auch mit Waffen für gerechtfertigt hielt, mag im Laufe der Jahre (!) zu der Einsicht gelangt sein, dass noch mehr Waffen nur noch mehr Tote bedeuten und die Unterstützer nur die Weiterführung des Krieges im Fokus haben, aber nicht seine Beendigung.
16) Ebd. S. 85-88, s. auch Anm. 25
17) Ebd. S. 95
18) Prantl zitiert hier aus dem Werk des Psychoanalytikers Arno Gruen ‚Der Fremde in uns‘, Stuttgart 2000, der sich damit beschäftigt, was aus einem Menschen einen Menschen macht, der tötet.
19) der Ansicht seien viele Menschen im Westen, „Putin ist, nach dem von ihm diktierten Überfall seiner Armee auf die Ukraine, die Personifizierung der Verbrechen gegen Völker- und Menschenrecht; er hat Millionen Menschen heimatlos gemacht, er hat den Tod so vieler Menschen auf dem Gewissen – und den Bruch der europäischen Friedensordnung“, ebd. S. 107f., s. auch S. 111. Auch hier wird es leider unterkomplex, denn bei dem Stichwort ‚europäische Friedensordnung‘ kann man den Aspekt der fahrlässigen oder willkürlichen oder bewussten Nichteinbeziehung Russlands in diese Friedensordnung nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges nicht ausklammern. Immerhin konstatiert Prantl im ersten Kapitel, dass Moskau ebenso zu Europa gehört wie Mariupol oder Marseille, ebd. S. 34
20) Ebd. S. 109 Das ist bisher das erste Eingeständnis einer möglichweisen vorhandenen Vorgeschichte. Dem Juristen glaube ich die Klarheit, dass der Täter der Täter ist und Schluss, dem Journalisten nicht.
21) Ebd. S. 140
22) Ebd. S. 142; er hat Recht, aber da wird der Aufklärer zum Mahner in der Wüste – mit der Brille wäre es nie so weit gekommen, also wo – und von wem – soll diese Bereitschaft ausgehen? Hier zeigt sich die Schwäche der Argumentation des Aufklärers, der es sich mit niemandem verderben will – und schon gar nicht den Vorwurf des Anti-Amerikanismus riskiert, was manchmal einen regelrechten Eiertanz verursacht – siehe im Folgenden zu Steinmeier, Anm. 28.
23) Ebd. S. 147 – Trump als Akteur zu nennen, ist kein Anti-Amerikanismus
24) Ebd., S. 148
25) Ebd., S. 149-50
26) Ebd., S. 151-54; auch hierin hat er recht – man bedenke Fischers Aussagen zum Ukrainekrieg. 1999: Sind die Grünen nicht nur ein Gleichnis für das, was sich gesamtgesellschaftlich wandelte und gewandelt hatte nach sechzehn Jahren Kohl, der Hybris des Westens nach Ende des Kalten Krieges, des Neoliberalismus, der sich nach der Wiedervereinigung austoben durfte, des Schürens von Nationalismus mit der ‚Freude‘, wieder wer zu sein? Und wissen wir nicht, dass Macht korrumpiert?
27) Ebd., S. 155-57 Bis zu dieser Stelle hätte ich ihm keine parteipolitische Spitze unterstellen wollen, obwohl einleuchtenderweise die SPD und die Grünen im Zentrum der aktuellen Politik stehen. Aber was ist mit der FDP oder der CDU? Alles Lämmer? Im Grunde wirft er den Grünen hier vor, dass sie nicht mehr sind, was sie einmal waren und wir eine etablierte Friedensbewegung verloren haben. Kann man in diesem Kontext von einem Journalisten nur den Fakten folgend unterstellen, oder ist es (negative) Parteinahme?
28) Ebd., S. 160-66 Pistorius kommt hier vergleichsweise gut weg, wird nur einmal bei den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien vom November 2023 erwähnt. Die Rolle Steinmeiers steht auf einem ganz anderen Blatt und ich bin versucht, Prantl zuzugestehen, dass man diese Fakten rund um sein Handeln benennen muss, um die Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu verdeutlichen. Wer vielleicht wirklich eine tragische Figur abgibt, ist der Bundeskanzler, er bleibt ohne Erwähnung, tritt nicht als Akteur in Erscheinung, wird nicht getadelt, nicht gelobt, seine Politik nicht kommentiert. Ist das ein Zugeständnis? Ist es die Manifestation der Ansicht, dass er eben nicht genug handelt, oder dass ihm die Hände gebunden sind?
29) Ebd., S. 162f.
30) Ebd., S. 165
31) Ebd., S. 169
32) Ebd., S. 170f. Für meine Begriffe nahezu geschmacklos, warum in der Ukraine in einem Verhandlungsfrieden nicht einfach nach den brachialen Putin’schen Rechtsbrüchen zur Tagesordnung übergegangen werden könne: „Das liegt am Wandel des Kriegs hin zu einem Volkskrieg, damit verbunden einer mentalen Mobilisierung der beteiligten Bevölkerungen, die nicht einfach zum Zwecke eines Friedensschlusses, wieder abgeschaltet werden kann.“ S. 171 Was soll das heißen? Die Kriegsinfizierten müssen sich jetzt abarbeiten? Man muss sie den Siegfrieden anstreben lassen, damit sie selbst merken, dass er nicht zu erringen ist? All die klugen Worte zum Menschen, der zum Mörder wird, der Soldat, der das Töten erst lernen muss - für die Katz! Es ist mir peinlich, solch einen Satz lesen zu müssen, der ein einziges Feigenblatt für interessengesteuerte Geopolitik ist.
33) Ebd., S. 172f – was nach einem eingefrorenen Konflikt klingt, kein Friedensvertrag, keine ‚Bestrafung des Schuldigen‘, keine guten Aussichten für eine europäische Friedensordnung!
34) Ebd., S. 173-75
35) Ebd., S. 176-77. Er kritisiert allerdings, dass im Manifest die Frage der Waffenlieferung an die Ukraine ausgeklammert worden sei, Wagenknecht aber „mit einem kategorischen Nein zu militärischer Unterstützung der Ukraine durchs Land fuhr“ und dabei „einem Teil der Unterstützer des Manifests in den Rücken gefallen“ sei.
36) Ebd., S. 180
37) Ebd., S. 193 Prantl schreibt, Putin sei eine Emmanation dieser Krankheit; auf die Reaktion des Ukrainers: „Krieg tötet, Krieg vergiftet – er vergiftet auch Bühnen und Konzerthallen“. Und darum tragen die anderen Handelnden keine Verantwortung? Das Auslassen dieser Situation als Beispiel dafür, wo jeder dazu beitragen kann, die verhärteten Fronten aufzuweichen, es verpufft. Das alleinige Opfer darf eine alte Frau brüskieren, weil sie Russin ist. Das leuchtet mir nicht ein, es tut mir weh, auch wenn ich davon ausgehe, dass die Mehrheit der Meinung sein wird, es sei einem Ukrainer nicht zuzumuten, mit einer Russin auf einer Bühne zu stehen. Ist es nicht? Da fällt mir eine der früh befreiten israelischen Geiseln ein, die die Hand eines Hamaskämpfers nahm und ‚Frieden‘ rief. Der Geist des Friedens, den Prantl zu beschwören versucht, er wird nicht fruchten, wenn die Ukrainer auf neutralem Boden nicht dazu bereit sind.
38) Ebd., S. 207. Interessant die zitierten Ausführungen Jan Assmanns über das kollektive Gedächtnis, das sich in kommunikatives und kulturelles Gedächtnis teilt, siehe auch Anm. 111, S. 240.
39) Ebd., S. 11