Was ich lese und gelesen habe

5,00 Stern(e) 4 Bewertungen

wirena

Mitglied
achso, die Vorsätze! Ja man hat sie oder auch nicht und schließlich sind sie auch dazu da, dass man sie vor sich hinschiebt.
...und das sogar im Unruhestand!
…ich versuche nach der Devise „lebe jeden Tag so, als wäre es der Letzte“ und habe Projekte notiert, die in zu gegebener Jahreszeit machen möchte – Vorsätze aufschieben? Möchte ich nicht – mag mich gar nicht erinnern, dass ich je Vorsätze aufgeschoben habe – z.B. Rauchen – ich war Epochenraucherin. D.h. monatelang geraucht, dann hat es mich genervt, Geld, Gestank etc. und versorgte es einfach vertrauensvoll im Kopf, *ich möchte aufhören“ – und siehe da, entweder hatte ich kein Feuerzeug, wenn ich gestresst in der Stadt oder so rauchen wollte, oder ich hatte zu Hause keine Zigaretten – und so erledigte es sich, wie von selbst, vom Leben geleitet. Heute, wenn ich das Bedürfnis nach einer Zigarette habe, muss ich nur tief Durchatmen und mich erinnern, dass dies gar nicht notwendig ist.
 

petrasmiles

Mitglied
Ich höre das öfter, lieber John, dass diese Pläne irgendwie ins Stocken geraten können. Erst kommt die Phase des Sacken lassens, dann stellt man fest, irgendwie ist der Tag doch nicht länger geworden - was habe ich früher nicht alles geschafft?! - brauche ich jetzt etwa länger für alles - nehme ich mir mehr Zeit für Sachen, die nicht auf ToDoListen abgehakt werden können? Tja. Ich merke es schon bei dem 'Runterkommen' im Urlaub, dass man ganz oft einfach da sitzt und nichts macht - und das mit größtem Vergnügen. Dafür bleiben andere Sachen liegen - sie laufen ja nicht weg :D
Aber lesen! Lesen werde ich immer!

Liebe Grüße
Petra
 

wirena

Mitglied
tja, Petra - aber dann ist meiner Ansicht nach kein Vorsatz, sondern ein Wunsch, ein Vorhaben... doch das sind Wortklaubereien, die niemandem etwas bringen und persönlich, subjektiv "verortet" sind - denke ich - "verortet" habe ich neu gelernt und benütze dieses Wort hier nun zum ersten Mal - Première :)
 

petrasmiles

Mitglied
Stimmt. Vorsätze sind das nicht. Tatsächlich eher Wünsche - oder zeitlich unbestimmte Pläne. Ich tue immer meine Pflicht, aber nehme mir wenig vor :D
Gratulation zur Wortschatzerweiterung!

Liebe Grüße
Petra
 

petrasmiles

Mitglied
VI Bücher, die ich nicht gelesen habe
2. Angela Merkel, Freiheit. Erinnerungen 1954-2021, Kiepenheuer & Witsch, 2024

Man hat ja in den vergangen Jahren immer mal wieder versucht, Frau Merkel ins Gespräch zu bringen, meist ohne ihr Zutun.
Oft wurden auch Absagen an ‚Projekte‘ kolportiert.

Und nun das. Eine Autobiographie. Werde ich sie lesen? Sicher nicht.

Warum jetzt? War sie jetzt einfach fertig damit und der Verlag wollte ins Weihnachtsgeschäft damit kommen? Hat sehr gut geklappt, schon 200.000 Exemplare ausgeliefert. Oder lag es gar schon einige Zeit in der Schublade und sie wollte erst schauen, wie viele Köpfe der alten Garde rollen werden, bis die Luft für sie rein ist? Wollte sie ihre Art der auf Kompromiss ausgerichteten Politik in Erinnerung rufen? Will sie in den Wahlkampf ‚eingreifen‘ und die Bürger zu der Überlegung ermuntern, ob Merz oder Scholz der bessere Merkel wäre? Wer weiß es schon.

Aber da mich die Frau als Bundeskanzlerin schon nicht interessiert hat, fehlt mir der Impuls, sie nachträglich verstehen zu wollen. Sie hat als CDU-Spitzenpolitikerin ziemlich sozialdemokratische Politik gemacht, aber dieser Hang zum Kompromiss hat eben auch verhindert, Themen anzuvisieren, die spalten könnten, oder für die es keinen Mehrheit gab. Ob die guten Merkel-Jahre ihr Verdienst waren? Wer kann das schon objektiv beurteilen?
Angela Merkel ist eine Sphinx. Sie weiß und denkt viel mehr als sie nach außen erkennen lässt. Ich kann sie irgendwie nicht leiden, aber ich respektiere sie – das habe ich nicht oft. Ich halte sie für eine integre Person und eine Frau, die sich treu geblieben ist.

Ich habe ihr die Grenzöffnung 2015 nie zum Vorwurf gemacht. Es haben Politiker schon aus schlechteren Gründen Fehler begangen.
Da sind wir aber bei einem dieser vernachlässigten Themen: Schon zu ihrer Zeit hätte endlich ein Einwanderungsgesetz hergemusst, damit die unselige Verquickung von Asyl und Einwanderung in ordentliche Bahnen gelenkt worden sein könnte. Die Migranten selbst gerieten so zum Spielball der Innenpolitik, wo selbst woke Politiker sich nicht scheuen, integrierte Geduldete abzuschieben, damit sie mit Zahlen punkten können, wohingegen die Straffälligen, die es eigentlich treffen sollte, sich der Abschiebung entziehen. Ob sie in ihrem Buch darüber schreibt? Welche Relevanz hätte das?

Aber mit so etwas waren keine Mehrheiten zu bekommen, vielleicht schien es auch nicht so wichtig. So unverzichtbar Pragmatismus ist, er kann auch für ein ‚weiter so‘ stehen, dass einen Konsens zu Tode reitet, indem bestehende Konflikte ausgesessen werden. Lohnt es sich, zu spekulieren, wie sie Deutschland im Ukraine-Krieg positioniert hätte? Nein! Bei Corona hat sie ja den Spahn machen lassen – und Frau von der Leyen. Alles keine Ruhmesblätter.
Man muss alle Politiker an ihren Taten messen – und da hat sie vielleicht einiges auf der Habenseite – aber auch an dem Liegengebliebenen.

Ich halte aber Abrechnungen für verfehlt, genauso wie romantische Verklärungen.

Bedenkenswert ihre Aussage zu Putin: „In der Münchener Rede [2007] präsentierte sich Putin so, wie ich ihn erlebte: als jemand der immer auf der Hut war, bloß nicht schlecht behandelt zu werden, und jederzeit bereit, auszuteilen. Machtspiele (…) inklusive. Das alles konnte man kindisch, verwerflich finden, man konnte den Kopf darüber schütteln. Aber damit verschwand Russland nicht von der Landkarte.“ *)

Vielleicht wäre Angela Merkel eine hervorragende erste weibliche Außenministerin geworden.

*) Tomasz Kurianowicz, Kompromiss als Kompass BLZ #276 26.11.2024, S. 3
 
Zuletzt bearbeitet:
Deinem (Nicht-)Vorhaben schließe ich mich an, Petra. Und hier finde ich dabei die größtmögliche Übereinstimmung in der Begründung:

Aber da mich die Frau als Bundeskanzlerin schon nicht interessiert hat, fehlt mir der Impuls, sie nachträglich verstehen zu wollen. Sie hat als CDU-Spitzenpolitikerin ziemlich sozialdemokratische Politik gemacht, aber dieser Hang zum Kompromiss hat eben auch verhindert, Themen anzuvisieren, die spalten könnten, oder für die es keinen Mehrheit gab. Ob die guten Merkel-Jahre ihr Verdienst waren? Wer kann das schon objektiv beurteilen?
Angela Merkel ist eine Sphinx. Sie weiß und denkt viel mehr als sie nach außen erkennen lässt. Ich kann sie irgendwie nicht leiden, aber ich respektiere sie – das habe ich nicht oft. Ich halte sie für eine integre Person und eine Frau, die sich treu geblieben ist.
Es mag aber sein, dass irgendwann später einmal einer eine so fulminant geschriebene Biographie abliefert, dass unsereins dann doch zugreift. Eine Sphinx ist an sich ja etwas Faszinierendes. Sie müsste nur in die richtige Beleuchtung gesetzt werden. Selbst wirft sie den Schatten.

Ich lese jetzt lieber in de Bruyns Jean-Paul-Biographie weiter.
Gute Nacht
Arno
 

petrasmiles

Mitglied
III Werke
7. Paul Buchner, Gast auf Ischia, Prestel München 1968

Ich bin ja manchmal so unvorsichtig und stöbere in Anmerkungen – was mir schon beglückende Leseerlebnisse beschert hat, aber auch den einen oder anderen ‚Exoten‘ einbrachte. Dieser hier stammt aus dem wunderbaren Strandbuch von Bettina Baltschev.

Nun ist Paul Buchner alles andere als ein Exot; als Biologe mit einigen Meriten in der Zoologie zog er sich 1944 (er ist Jahrgang 1886) nach Ischia zurück – als Privatgelehrter. Eigentlich, um dort über Endosymbiose zu forschen, aber er verbrachte ziemlich viel Zeit damit, Briefe und Memoiren nach Aufzeichnungen über die Erlebnisse von Besuchern auf der Insel Ischia zu durchforsten – er hat alles gefunden, was zu finden war und er beginnt mit den frühesten ‚Gästen‘ der Jahre 1550 bis 1750, widmet sich dann der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der politischen Wirren durch die Politik Napoleons (1799 bis 1825), und sortiert die Besucher dann nach ihren Professionen und Nationalitäten. Es endet mit dem großen verheerenden Erdbeben 1883, dem über zehn Jahre nur wenige Besucher gefolgt sein sollen, bis dann ein Boom einsetzte, der die Insel für immer veränderte. Paul Buchner starb dort 1978.

Das Buch ist ein Phänomen. Liebevoll gestaltet, in graublauen Farben der Schutzumschlag, graugrünes Leinen der Einband, mit zahlreichen Abbildungen, sogar eingeklebte Reproduktionen von Gemälden, aber irgendwie alles grau in grau. Nicht eine gefällige Abbildung. (Immerhin hat meine antiquarisch erworbene Ausgabe eine Autographe des Künstlers mit dem Datum 5.9.72)

Aber ich möchte mich nicht (nur) lustig machen. Da schreibt ein methodisch gebildeter Mensch über die frühen Besucher, eigentlich auch zwischen den Zeilen über seine Suche, wie er belegen kann, dass dieser oder jener mit diesem dort war, aber dann doch nicht selbst Zeugnis ablegte, oder wie enttäuscht er ist, wenn ‚seine‘ Insel nicht gewürdigt wird und wie es ihn zu fuchsen scheint, wenn er die Unterbringung des Gastes nicht verifizieren kann. Natürlich widmet er sich auch der Topographie (mit wenig Geschick) und Flora und Fauna – und den Heilquellen, aber interessant sind die historischen Einordnungen.

Stellenweise ermüdend, wie er so jeden Besucher versucht, dingfest zu machen – und was man als (Geistes-) Wissenschaftler eigentlich gar nicht machen sollte, die vielen Vergeblichkeiten dokumentieren. Man bekommt den Eindruck, da hat er soviel zusammengetragen, und breitet nun alles vor uns aus, ob etwas Interessantes dabei herumkommt oder nicht. Da setzt der Zoologe einfach andere Maßstäbe an.
Über weite Strecken wirkt es wie das Aberzählen eines Adelskalenders, denn wer konnte sich schon Wochen, Monate, Jahre ‚im Süden‘ aufhalten. Wen interessiert es, wer mit Sänften getragen wurde, für wen die Esel waren? Interessanter schon die Bewirtungsmöglichkeiten – sehr eingeschränkt – und der merkwürdige Ton über die ‚Ureinwohner‘ seitens der Besucher. So hätten sie über Bantus in Afrika sprechen können, und vielleicht ist das, was wir für eine koloniale Attitüde halten, im Grunde die Hochfahrt des Hochwohlgeborenen – aus Ignoranz. Man blieb unter sich, die Sprache des Adels war Französisch, dieses europäische 'Naturvolk' auf Ischia hätte genauso gut Suaheli sprechen können. Es ist einfach der Blick auf die kleinen Leute, egal welcher Nationalität.

Nein, ich habe es vor allem als Zeitzeugnis gelesen – und bereue es nicht, denn es gibt nichts Besseres als ein langweiliges, aber immer wieder ein bisschen überraschendes Buch für die letzten Minuten vor dem Einschlafen. ‚Ich muss jetzt noch ein bisschen nach Ischia‘, sagte ich meinem Mann, wenn ich vor ihm zu Bett ging.
 

John Wein

Mitglied
Werte Petra,

Mein Kommentar bezieht sich auf die Memories der Angela M.

„Die Freiheit“, was für ein Anspruch einer Person, die stets die Alternativlosigkeit als Mantra ihrer Entscheidungen vorangestellt hat! So gesehen ist dieser Titel wirklich ein Witz, noch dazu ein schlechter. Das Land, das sie hinterlassen hat, ist nach ihrer Kanzlerschaft ein Land im wirtschaftlichen Abschwung und mit einer tief gespalteten Gesellschaft. Sie hat nie vermocht Flügel einzubinden oder zu versöhnen, sondern mit ihrem Beschwichtigungs- und Kuschelkurs (Mutti) die Menschen eigelullt und hypnotisiert. Auch die Macht war ihr ein alternativloser Anspruch seit den Tagen, als sie Kohl, ihren Mentor, mit Chuzpe abserviert und kaltgestellt, und später all jene, die ihr in diesem Anspruch gefährlich werden konnten, abserviert hat.

Ihre Memoiren lohnen des Lesens überhaupt nicht und schon gar nicht für die horrende Summe für die 12 Mio € derer sie K&W in Anspruch nimmt. Was ist auf 700 Seiten an Reflexionen von der Frau zu erwarten, die stets unfähig zu einer Selbstkritik oder Selbstkorrektur alternativlos ihr „wir schaffen das“ (und damit meinte sie eigentlich uns) voranstellte. Es gibt es immer Alternativen und wenn sie besser und gerechter sind, muss man sie nur erkennen und wenn nötig ergreifen.

Ich bin hier bewusst nicht auf die Liste ihrer Fehlleistungen und deren verheerenden Konsequenzen für das Land eingegangen, Du hast das alles schön aufgelistet, sondern ich reflektiere den Titel „Freiheit“ im Zusammenhang mit ihrem Anspruch auf historische Größe. Ja, der Größenwahn der Angela Merkel ist schon beträchtlich, wenn man ihr Wirken richtig einzuordnen versteht.

Die Zürcher NZZ (die letzte mir verbliebene Tageszeitung) schreibt in ihrer Rezension: „Einer zunehmend kritischen Sicht auf ihre Regierungszeit stellt Merkel ihre Geschichte entgegen, wie man sie kennt, authentisch, ohne Selbstkritik, und die persönliche Mitte bleibt eigentümlich leer. Ist hinter der Fassade etwas, das sie auch hier verbirgt? Zumindest gilt das wohl für die politische Person Angela Merkel: Dahinter ist nichts.

Fazit: lesen, wenn ihr es denn nicht beruflich müsst, lohnt nicht kaufen erst recht nicht und zur Zierde ins Regalstellen ist obszön.

Dagegen empfehle ich allen: jene „FREIHEIT“, Bestseller von Jonathan Franzen, einem amerikanischen Autor. Ein Klasse Roman über eine amerikanische Familie, in wunderbar in Sprache und Form erzählt und gerade in der tristen Jahreszeit gut am Kamin mit einem guten Tropfen zu genießen und zu lesen.

Gruß, John
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Lieber John,

ich habe es mir zur Maxime gemacht, keine Politikerbiographien (mehr) zu lesen - Ausnahmen waren Egon Bahr und Richard von Weizsäcker. Ich hatte zwei von amerikanischen Politikern rumzuliegen, die mir quasi in die Hände gefallen waren - und sie sind längst entsorgt (i.S.v weggegeben). Bei Willy Brandt zögere ich noch, denn man weiß ja, dass sie eigentlich jemand anderer geschrieben hat. Das wäre aber so die Größenordnung.
Wer überhaupt und warum Politikerbiographien lesen will, erschließt sich mir nicht - und Du hast Recht - die 42€ sind eine Frechheit - 12 Mio hat sie dafür bekommen?
Nein, da lohnt sich nichts zu wissen.

Deinen Literaturtipp habe ich mir hinter die Ohren geschrieben - da liegt ja noch ein Franzen bei mir auf dem Stapel, es wird Zeit!

Noch viel Freude am Kamin.

Liebe Grüße
Petra
 

petrasmiles

Mitglied
Ich habe hier noch einen Nachtrag zu unsrem China-Thema (ab # 72)

In einer älteren Berliner Zeitung stieß ich auf ein Interview mit der Botschafterin Sambias in Deutschland, Winnie Natala Chibesakunda, die ab 1982 in Ostberlin Ökonomie studiert hatte. Später war sie im sambischen Außenministerium als stellvertretende Leiterin der Abteilung Internationale Organisationen beschäftigt; und ab 2015 Botschafterin in China - "einer der wichtigsten Botschafterposten ihres Landes". Sambisa hat viele Bodenschätze und enge Beziehungen mit China. "Doch nicht nur im Bergbau sind die umtriebigen Chinesen unterwegs. 'Sie haben viel für die Infrastruktur getan, Krankenhäuser, Schulen, Eisenbahnlinien und Straßen gebaut', berichtet die Botschafterin. Was machen die Chinesen anders als westliche Partner? 'Sie fragen uns, was wir brauchen. Wir entcheiden selbst, was gemacht werden soll. Die Chinesen nehmen Rücksicht auf unsere Kultur und behandeln uns mit Respekt. Sie machen uns keine Vorschriften und belehren uns nicht darüber, was richtig und falsch ist.' Das sei eine echte Win-win-Situation".*)

Das hört man hierzulande selten bis gar nicht.

*) Die Systemreisende, Frank Schüttig, BLZ#152 03.07.2024
 
Gut, wenn solche Detailinformationen Weiterverbreitung finden, Petra. Sie können in der Summe allmählich ein antiquiertes, wie betoniertes Bild von der Welt erschüttern, das immer noch in breiten Schichten der Bevölkerung vorzuherrschen scheint. Es braucht eben Zeit und Geduld, damit allmählich realisiert wird, dass wir uns gegenwärtig in einer mindestens so umwälzenden Periode der Geschichte befinden wie um 1990. Die Welt wird nicht wieder so sein wie um 2000 oder 2010 - ich fand sie damals gemütlicher und praktischer - und das wird immer mehr für jeden spürbar werden. Mit dem ideologischen Ballast aus der Vergangenheit wird es auch nicht erträglicher.
 

petrasmiles

Mitglied
III Werke
9. Annie Ernaux, Erinnerung eines Mädchens*)

Nicht erst seit dem Nobelpreis (2022) überschlagen sich die Lobpreisungen, so die ZEIT: ‚Die Königin der autobiographischen Literatur.‘

Was sagt das über uns aus, wenn wir die schonungslosen Bekenntnisse einer Mittsiebzigerin über das junge Mädchen, das sie einmal war, feiern, als hätte sie der Qualität der Zeit eine neue Dimension hinzugefügt?

Sie war jung und dumm, war mehr bei sich als den politischen Ereignissen ihrer Zeit. Bei wem war das mit 18 anders? Über diejenigen wäre es interessant, etwas zu lesen!

Wofür also der Nobelpreis? War jetzt einmal Frankreich dran, und es sollte unbedingt eine Frau sein?

Wer Joyce Carol Oates – oder Jenny Erpenbeck! – gelesen hat, bekommt mehr als Zweifel an der literarischen Relevanz dieser Autorin, die von sich selbst schreibt, sie sei eine Ethnologin ihrer selbst. Warum sollte das interessieren? Sie setzt das eigene Erleben noch nicht einmal in einen Zusammenhang zu ihrer Zeitgenossenschaft, sie steht für nichts anderes als für sich selbst. Gerade mal reflektiert sie über die Scham – die sie erst nachträglich empfand, als sie Philosophieklassen belegte – und eine nicht gerade überraschende Erkenntnis hat sie, als sie feststellt, dass 1968 und die feministische Einforderung des eigenen Körpers an dieser ihrer Prägung – und ihrer Scham – nichts geändert hatte. Muss man sehr jung sein, um dies als Offenbarung zu lesen?

Sie lotet keine Abgründe aus, noch nicht einmal bei sich selbst; sie schreibt einfach davon, was ihr Tagebuch hergibt. Wie sie sich einen Plan macht, was sie erreichen will: Intellektuell und äußerlich, um im nächsten Sommer diesen Mann, der ihr nach zwei gemeinsamen Nächten – ohne vollständige Penetration - die kalte Schulter zeigte, für sich zu gewinnen. Googelt jenen Mann, der so entscheidend wie uninteressiert war an dem Dreh, den er ihr mitgab. Sie spricht sogar davon, ihn anrufen zu wollen - nach vielen Jahrzehnten ohne Kontakt – und lässt nur deshalb davon ab, weil sie zu der Erkenntnis kommt, dass sie ihn wahrscheinlich gar nicht erkennen würde, und es nichts bringt. Wenn sie so gedacht hat – schlimm genug, wenn sie das aufschreiben und mir als Leser mitteilen muss – unverzeihlich.

Die stumme Unterwerfung unter das Ziel, als Schwan in den nächsten Sommer zu fliegen, bringt ihr Bulimie ein, sie menstruiert auch nicht mehr und am Ende zerbröselt jedes Selbstvertrauen und lässt sie in die ebenso stumme Unterwerfung in die Begrenztheit ihrer sozialen Schicht zurückfallen. Keine Universität mehr, etwas Praktisches, nicht mehr abhängig sein von den Eltern. Beugen in die Scham.

Danach endet ihr Traum für den Sommer durch eine Absage; sie wird nicht dorthin gehen, und ihn doch noch bezwingen können. Sie liest dann Simone de Beauvoir (Das andere Geschlecht) – und referiert darüber, was dieses Mädchen von dann 19 Jahren wohl gedacht haben mag – und nimmt aus diesem Buch die Antwort auf ihre Frage mit, was wohl fast jede Frau dieser Zeit daraus mitnehmen würde: „wie man sich richtig verhält. Als freies Subjekt.“ **) Soll das jetzt die Reflexion über die Zeitgenossenschaft sein? Bekommt man den Eindruck, dass sie zu dieser oder irgendeiner anderen Zeit diese Parole auf ihr Leben anzuwenden in der Lage war? Was ist überhaupt ein freies Subjekt? Kann dieser Anspruch überhaupt einen Bezug zu irgendjemandes Leben haben, oder füllt er nur Bücher?

Sie wird den anderen Entschluss beibehalten, den bescheideneren, und Grundschullehrerin werden, wie ‚die Blonde‘, die seinerzeit ihren Platz in seinem Bett eingenommen hatte – und über den Sommer behielt. Als sie die Zusage für diese Fachschule bekam, war sie euphorisch, wie sie erinnert und weiß doch heute, dass es der Anfang des Irrtums war – und das Internat ein goldener Käfig, oder gar tödlicher Kokon, die rein weibliche Kolonie – lässt sie später „das sowjetische System verstehen lassen, und noch später die Sehnsucht der Russen nach der guten alten Zeit“ ***) Das ist das differenzierte Niveau einer Frau von 76 Jahren?

In ihr reift die Erkenntnis, dass sie für den Grundschuldienst nicht geeignet ist, in der praktischen Prüfung versagt sie. Sie bricht die Ausbildung ab und geht erst einmal als Au-Pair nach London. Statt Englisch zu lernen, taucht sie in französische Prosa ein und begeht einen ‚Sonntag des Lebens‘, unbekümmertes Herumstreunen mit einer französischen Freundin, exzessive Ladendiebstähle als Abenteuer. Da sie den Makel der sexuellen Erfahrung mit dieser Freundin nicht teilen kann, gelingt ihr das Verdrängen und der nicht blutende Körper mit anhaltenden Essstörungen wurde wieder zur Jungfrau. Dann schreibt sie sich an der Universität ein und stürzt sich ins Literatur-Studium und fängt an zu schreiben. Bei einem Urlaub mit einer Freundin macht sie Halt an jenem Ort ihrer Obsession; angezogen wie damals ‚die Blonde‘ mit der vermuteten Absicht, diesem Mädchen von damals zu zeigen, dass sie nichts mehr mit ihr gemein hat. Wenig später begegnet sie Herrn Ernaux, dem sie den Beweis ihrer Jungfräulichkeit geben kann.

Das war’s. Und mir zu wenig.
Wenn ich mir vorstelle, dass Joyce Carol Oates in persönliche Geschichten die einer ganzen Gesllschaft einflechten kann, und Jenny Erpenbeck in der Geschichte einer Liebe eine Kaskade von Umbrüchen auferstehen lassen kann, erscheint dieses Buch wie eine künstliche Dramatisierung einer alltäglichen Irrfahrt.

Welchen anderen Schluss soll man ziehen, als dass sich das junge dumme Mädchen nicht entscheidend verändert hat und immer noch mit Vorliebe um sich selbst kreist? Um einer möglichen Kritik vorzukommen - Dummheit ist keine Schande, gerade, wenn man jung ist, und ich war noch mit 40, na ja, lassen wir das ...

Sie gilt als eine der bedeutendsten französischen Autorinnen der Gegenwart; wofür, habe ich in den ‚Erinnerungen eines Mädchens‘ nicht feststellen können. Ich habe noch ‚Die Jahre‘ im Fundus - vielleicht werde ich ja noch erleuchtet.

Für alle Leser*innen, die die Autorin oder dieses Buch schätzen, darf man meine Ablehnung darauf zurückführen, dass meine Liebe zur französischen Literatur bei Balzac stehen geblieben ist.


*) Suhrkamp, Berlin 2018, 3. Aufl. 2019, 164 S.; frz. Original Gallimard Paris 2016
**) Suhrkamp, S. 119
***) Ebd. S.127
 
Zuletzt bearbeitet:
Für alle Leser*innen, die die Autorin oder dieses Buch schätzen, darf man meine Ablehnung darauf zurückführen, dass meine Liebe zur französischen Literatur bei Balzac stehen geblieben ist.
Wie schade, Petra! Keine andere Nationalliteratur hat mich so sehr beeindruckt und beeinflusst wie die französische, wahrscheinlich nicht einmal die deutsche. Von Saint-Simon (d.i. Louis de Rouvroy) über Balzac, Flaubert, Maupassant, Zola, Gide bis zu Proust - welche Schätze! So viele Stoffe und so hohe ästhetische Qualität! Am meisten liebe ich Flauberts "Éducation" und Gides "Falschmünzer".

Zu der von dir hier besprochenen Autorin kann ich gar nichts beitragen. Von Ausnahmen abgesehen lese ich nur schon dahingegangene Schriftsteller und um Nobelpreisträger mache ich meistens einen großen Bogen.

Liebe Grüße
Arno
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Arno,

danke für Deinen Kommentar!
Natürlich inclusive Balzac, den ich intensiv las! Und ein bischen Flaubert war auch dabei.
Aber Du hast absolut Recht - die nächste Lücke, die sich bei mir auftut, oh weh.

Nicht immer sind Nobelpreisträger*innen dem Tagesmotto geschuldet - Alice Munro hatte ihn verdient wie Margret Atwood - viele andere habe ich nicht wahrgenommen - es muss also kein KO Kriterium sein ...

Liebe Grüße
Petra
 

petrasmiles

Mitglied
V. Reiseliteratur
5. Thomas Steinfeld, Italien. Porträt eines fremden Landes *)

Das ist wieder so ein Buch, das man am liebsten sofort wieder von vorne lesen würde, weil es so gut gefallen hat. Und in diesem Fall mache ich das sogar, weil ich die Bilder sehen will von den Orten. Und auch, weil bei der Lektüre solche Erkenntnisse entstehen, die man kaum greifen kann, weil schon wieder neue sich ins Hirn schrauben.

Was man vor sich hat, ist eine Annäherung an ein Land, dass der Autor kreuz und quer bereist hat, in dem er auch gelebt hat, der einem das Typische en passant aufzeigt und das Besondere heraushebt.

Man möchte das Goethe-Zitat ‚Das Land der Griechen mit der Seele suchend‘ abwandeln in ‚das mit der Seele gefundene Italien‘. In Deutschland ist man seit der Klassik verliebt in dieses Land, verklärt es, als Ort der durch antike Kultur geronnen bessere Mensch, benutzt es auch für die individuellen Sonnensehnsüchte und der Gier nach Pittoreskem. Aber will man wirklich wissen, was der Schatten bei all dem Licht verbirgt – sieht man von den allgegenwärtigen ‚Schlagzeilen‘ einmal ab? Was die Eigenarten sind und was sie bedeuten? Und woher die Schatten kommen und wie alles zusammenhängt? Auch historisch! Wie wirkt es sich aus, wenn die nationale Einigung mithilfe fremder Mächte Mitte des 19. Jhdts. vom Nordwesten aus über das ganzen Land übergestülpt wird und einer Inbesitznahme gleicht? Wenn eine schon bürgerliche Gesellschaftsform eine bäuerliche Gesellschaft übernimmt und ihren Regeln unterwirft? Ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass Geschichte nicht vergeht, sondern bestimmte Ereignisse nicht aufhören wirksam zu sein: Die Verachtung des Nordens für den rückständigen Süden, die Abwehr des Südens gegen den bevormundenden zentralistischen Norden. Die Geschichte der Gewalt in Italien sei Kennzeichen der anhaltenden Legitimationskrise des republikanischen Staates.**)

Steinfeld ist ein Zeitungsmann und hat ganz sicher keinen Reiseführer geschrieben. Nur wenige Abbildungen in Schwarzweiß auf normalen Buchseiten stehen den achtzehn Kapiteln voran, geben quasi eine Idee vom Thema, ohne dass es sich gleich anhand des Bildes erschließen muss, sind eher beiläufiger Schmuck als Konkretisierungen. Dagegen sind die Überschriften sehr sprechend, poetisch, einleitend, z.B. das siebte Kapitel über Rom: Die Hauptstadt der Welt, gefügt aus Ruinen, oder der zweite Teil zu Rom: Das Vergehen und das Umbauen, das Glauben und das Teilen.

Das sind alles keine durchgängigen Erzählungen, eher Impressionen, dem auf den Zahn fühlen, was man gerade sieht, dabei mit herausragender Kenntnis der Kultur und Kulturschaffenden und der Kunstwerke. Jede Beobachtung ist gleichsam als Frage formuliert – wofür steht das, wie ist es entstanden und was hat es bewirkt?

Und er redet auch über Politik, aber nicht aus der Perspektive der Politik, sondern der der Menschen, die mit ihr konfrontiert sind.

Und so ‚wandert‘ er mit uns über die Alpen bis in den Süden und nach Sizilien, und wer in sich die geheime Sehnsucht spürt, auch er möchte das Land mit seiner Seele finden, hat hier einen hervorragenden ‚Cicerone‘.

Aber dies soll kein Werbetext werden, dessen Zweck der Kaufanreiz ist. ***) Wer hat sich schon einmal vor die Karte Italiens gesetzt und bemerkt, dass die Alpen das Land wie einen Riegel vor dem Norden verschließen – wobei die Alpen schon lange besiedelt sind mit guten Wegen und deshalb ein geringeres Hindernis darstellen, als der Apennin, der sich über 1.500km bis in den Süden zieht und einer vertikalen Trennung des Landes gleichkommt – und den Verkehr bis heute von Küste zu Küste erschwert. Durch diese Topographie ergäbe sich auch eine Dreiteilung des Landes – in den Ebenen und Städten wird gearbeitet und dort wohnen die nicht so Wohlhabenden, die wohnen an den Hängen der vielen Hügel – und in den Bergen die Armen und Gesetzlosen.

Die Zentralmacht habe sich an die Stelle der bisherigen Regionen und ihrer Zentren gesetzt, die auch heute noch eine gewisse Bedeutung haben – vor allem aber finden sich deshalb die schönsten Piazze nicht in den großen Städten, sondern dieser regionalen Zentren.

Was man in Deutschland meist in den Zentren der kleineren Städte findet ist wie selbstverständlich eine Kirche; im Süden der USA ist es das County Courthouse, nicht ganz dasselbe wie ein Rathaus, und in Italien ist dieser zentrale Ort die Piazza.

Die Piazza ist aber mitnichten ein Ort der Begegnung zum Austausch auf Augenhöhe wie man ihn findet, wo Migranten sich treffen – auch in Deutschland, wo z.B. in Torgau auf dem zentralen Platz das entspannte und lustige Treiben von Nordafrikanern von den Einheimischen argwöhnisch beäugt wird, oder wie früher im Rheinland und im Pott die ‚Gastarbeiter‘ sich auf dem Bahnhofsvorplatz trafen, als wäre einer der nächsten Züge der ihre, der sie nach Hause bringen wird.

Nein, die Piazza ist ein Ort der Distinktion, es ist die Bühne, auf der man ‚bella figura‘ abgeben möchte, wo man ebenso oft kurze Grüße austauscht oder wenige Worte wechselt, wie Begegnungen gezielt vermeidet – auf dem Weg von A nach B, nicht schlendernd, vielleicht rasch einen Espresso zu sich nimmt und einen Eindruck von der eigenen Bedeutsamkeit hinterlässt. In der Hinsicht – so will mir scheinen – ist das Italienische durchaus in die deutsche DNA gesickert, ist ihnen zumindest weitaus näher, als das mehr oder weniger fröhliche Beisammensein unter freiem Himmel.

Man erfährt viele wichtige Dinge, z.B., was es mit Pinocchio auf sich hat und was das mit dem Italiener an sich zu tun hat – und was die wahre Bedeutung der Göttlichen Komödie ist – und das alles schon im ersten Kapitel.

Nicht erst seit Goethe gibt es italienische Reisen, immer wieder werden sie gemacht und niedergeschrieben, von Ausländern für Ausländer, aber auch von Italienern als eine Art Bestandsaufnahme – in schöner Regelmäßigkeit; so 1959 Pier Paolo Pasolini im Auftrag einer Illustrierten, „Es ist, als wäre Italien ein Geheimnis, das sich nur in der Bewegung erschließt, nur dadurch, das man von einem Ort zum anderen zieht …“ ****)

Und dabei werden uns Dinge auffallen – wie brutal die Industrialisierung in die Landschaft gesetzt wurde, wie ihre Gerippe im Zuge der Deindustrialisierung noch immer ihre Ansicht darbieten; wie die Zentralregierung ihre strukturellen Projekte in die Landschaft setzt, um sie dann sich selbst zu überlassen; die vielen unfertigen Bauten, das Angefangene und Unvollendete, nicht unähnlich dem vollendeten Verfallenen.

Das Buch führt uns durch den Piemont, Ligurien und über die Toskana, Umbrien und das Latium nach Rom, weiter nach Neapel und Sizilien. Und überall erfahren wir Wesentliches, bekommen eine Ahnung, fühlen uns wie bevorzugte Mitreisende.

Wir erfahren, wie die Hoffnung auf die ordnende Hand eines Staates auf die EU übertragen wurde, nur um so mehr enttäuscht zu werden. Was die Camorra mit dem tradierten Klientelismus der italienischen Gesellschaft zu tun hat – und wie sie sich heute im Süden mit weniger begnügen muss, weil die Menschen ärmer geworden sind – und sie in den Städten gegen das organisierte Verbrechen in der Hand von Nigerianern nichts mehr entgegen setzen kann.

Italien, das ist in der Tat eine Geschichte, die immer wieder neu erzählt werden muss – und doch sich immer mehr ähneln wird als irgendein anderes Land – weil es vielleicht immer werden will, und doch immer schon ist.


*) Rowohlt, erweitere Neuausgabe Berlin 2022, Erstauflage Mai 2020; englische Broschur, 480 Seiten mit zwei Karten und nach Kapiteln geordneten, ausformulierten Literaturhinweisen
**) Ebd. S. 26
***) Wobei der Kauf sich durchaus lohnen würde – ich habe es im Modernen Antiquariat kürzlich für € 9.99 erwerben können
****) Ebd., S. 41
 
Es freut mich sehr, liebe Petra, dass du dich so tiefgründig mit Italien beschäftigst. Neben Frankreich erscheint es mir als das Land, das die meisten bedeutenderen Beiträge zur europäischen Kultur geliefert hat, in seinem Fall vor allem via Kunst, Sprache, Recht. (Großzügig beziehe ich hier den römischen Einfluss zuvor mit ein.) Es gibt wohl auch nirgendwo sonst auf dem Kontinent eine so lange Kontinuität. Die Alpen haben zwar häufige und zum Teil auch lange Phasen von Fremdherrschaft nicht verhindern können, aber doch einen in sich abgeschlossenen Raum bedingt, in dem sich eine Nationalkultur ohne Zäsuren immer weiter entwickeln konnte. (Den Apennin dagegen habe ich nicht als so große Barriere empfunden.) So wie die Alpen eine große natürliche Grenze darstellten, so gibt es auch ein ganz Italien umschlingendes einigendes Band: die Küste des Mittelmeers, die nie viele Hunderte Kilometer weit entfernt ist.

Liebe Grüße
Arno
 

John Wein

Mitglied
Liebe Petra,
Das war wieder mal ein bisschen mehr als ein Klappentext! Aber wo soll man sich bei einem so gottgefälligen Land sich auch einschränken können! Die Landschaft, die Kultur, die Menschen und nicht zuletzt das Licht, du hast es so schön beschrieben. Mir kommen dabei viele Erinnerungen von meinen Reisen in den Kopf. Aber alles kulmuliert für mich in der Ewigen Stadt, die ich mehrmals bereiste. Ich hatte immer ein kleines Hotel in der Via dei Polacchi, ein ehem. polnisches Hospiz ganz in der Nähe des Capitols und im jüdischen Viertel, um die Ecke Piazza Mattei mit dem Schildkröten Brunnen von u.a. Bernini.
Hier im Westen, das ist schon viele Jahre her, berichtete über 20 Jahre Franca Magnani aus Rom und prägte als die Stimme Italiens unser Italienbild. Mit ihrer sanften, melodischen Stimme in leicht italienischer Klangfarbe, berichtete sie regelmäßig in der ARD. Das ZDF gab es, glaube ich, noch nicht, so lange ist das her.
Dein Beitrag hart mich bewogen, das kleine Büchlein von KW nochmal aus dem Bücherschrank zu nehmen und zu blättern. "Zwischen Chaos und Wunder" auf 200 Seiten, herausgegeben von ihren Kindern.
Franca Magnani, 1925 in Rom geboren, aufgewachsen im französischen und schweizer Asyl (daher rührt auch der alemannisch eingefärbte Klang ihrer Stimme im TV), 1945 zurück in Rom und ab 1964 als Auslandskorrespondentin der ARD im wöchentlichen Rhythmus auf der Mattscheibe in Schwarzweiß.
Schöne Erinnerung.
Ich grüße, John

-Alles in Fluss-
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
aber doch einen in sich abgeschlossenen Raum bedingt, in dem sich eine Nationalkultur ohne Zäsuren immer weiter entwickeln konnte
Lieber Arno,

das ist ein ganz wesentlicher Aspekt - vor allem auch die Dauer. Das wollte ich mit dem 'schon sein' zum Ausdruck bringen.

Das ist ein wirklich ganz wunderbares Buch - gerade las ich den Abschnitt über die Poebene - und wie der Filmregisseur Antonioni erst die Landschaft fand und dann den Film daraus machte über die armen Menschen, die in der fruchtbaren Ebene arbeiten, die er für seine Kurzfilme 1943-47 porträtierte. Besonders bewegt hat mich, wie Steinfeld die Armut als Spiegel des Schönen und Leichtlebigen hochhebt. Heute wären das Inder, aber wenn deren Kinder Dank ihrer Ausbildung in andere Berufe übergehen werden, wird wohl eine neue Ethnie diese Knochenarbeit der hochindustrialisierten Landwirtschaft übernehmen.

Dieser Autor hat ein wunderbares Auge - und kennt Italien gut.
Wie er auch die kleinen Kontinuitäten findet, den Kommunismus und Katholizismus, wie sie z.B. bei Don Camillo und Peppone zum Auruck kommen, aber nicht nur 'lustig' sind, sondern eine Kontinuität der Zweigeteiltheit bezeugen, die sich im Laufe der Jahre nicht mehr im politischen Spektrum wiederfinden, aber bei den Menschen. Ich schwelge schon wieder ...

Liebe Grüße
Petra
 



 
Oben Unten