Bruchstücke

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
und manchmal sprechen sie aus den gräbern
in einer toten sprache die nur die verstehen
für die die toten lebendig sind. nur sie
und der ewige wind verstehen die worte.
und der wind trägt sie mit sich fort
und der mensch hört sie in sich hinein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Er saß auf der Bank als wartete er darauf, dass die Zeit vergeht.

Könnten Blicke Löcher in den Raum brennen,
hätte sich vor seinen Augen ein Universum aufgetan.
Ein Universum, in das er hätte springen und untergehen können.
Doch da waren nur diese leeren Räume in ihm.
Ohne Fenster und Türen.
Sein Arzt sagte ihm gestern, er sei in einer sehr guten Kondition.
Er könne 100 werden.
Und so saß er auf der Bank und zählte die inneren Räume.
Für jeden Tag einen Raum.
So viele Räume bis 100.
Ohne Fenster und Türen.
Was weiß die Zeit schon von mir, dachte er.
Wüsste sie um mich, würde sie rennen.
Nur für mich.
Was weiß der Trost?
Wüsste er um mich, er würde sich erhängen.
Und Du, den sie da oben meinen,
was weißt du schon von mir?
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
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Im Unbestimmten

Gott existiert in den Verschränkungen
der Quanten – in ihnen liegt das all-
umfassende Bewusstsein des Univerums
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
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Fiebrige Gedanken

War es der Herbst, nein,
es war der Jänner!
Eben jenner,
der mein Herz zerbrach.
Es lag in Stücke,
schockgefroren,
bei Minus 15°.
Und schuld daran
war nicht der Juli, nein,
es war die Julia.
Eben jenne,
von der ich glaubte,
sie sei für ewig,
für alle Zeiten für mich da.
Doch gerade,
als sich dieser Glauben
in mir manifestierte,
in eben jenem Jänner,
sagte sie, dass sie nicht glaube,
dass ich noch länger der sei,
von dem sie glaube,
ich sei die Zukunft
von der sie glaube,
sie sei für immer da.
Und so liegt mein Herz,
in tausend Stücke nun zerbrochen,
schockgefroren,
auf eisigem Boden,
bei Minus 15°.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ist aber

Am irrsten und wirrsten ist der gedanke
man könne eine erkenntnis gewinnen
Bullshit
Wir irren und wirren stattdessen
immer tiefer – denn die einzige erkenntnis
die wir gewinnen – immer wieder
und wieder aufs neue gewinnen ist die
dass wir irren und wirren


http://bilder.ottis-forum.com/porto242.JPG
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
wie er da saß

als wüchse aus seinen grauen gedanken
ein herbstlicher baum, der sich in seine glieder streckt,
sich in ihm verwurzelt, in ihm treibt und entwurzelt.
wie er da saß, als erwarte er weder weiß noch grün,
fragte ich mich, wie das wohl ist…dieses warten.

dieses warten.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
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Am Fuß des Taurus

Bei uns nahen die Abende auf Zehenspitzen,
als wollten sie nicht stören. Hier hingegen
näheren sie sich mit mächtigen dunklen Schritten.
Kein Übergang.
Man gerät ins Grübeln, weil,
da ist etwas nicht, das da sein müsste.
Wacklige Gedankengebäude werden zusammen-
gezimmert, man wird ein seltsamer Baumeister.

Ich erinnere mich an die Zeiten des Flossenträgers.
Daran, dass mir Land fremd war.
Setze einen imaginären Stein auf den anderen,
erkenne, dass es mir immer noch fremd ist.
Ich suche nach passenden Worten für das Gefühl
in mir, das bei diesen Gedanken entsteht. Wände,
nichts als Wände.

Schneebedeckt das Gebirge. Weiß ist kein wirklicher Trost.
Ein weiterer Träger meines Gedankengebäudes zerbricht.
Ich denke weiter.
In einem alten Lied aus den Bergen heißt es,
wenn die Liebe an die Tür klopft, bleibt nur die Tür stehen.
Alles andere verschwindet.
Ich schaue dich an, öffne die Tür und trete ein.

Alles lichtet.

Philippe Claudel gewidmet
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
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Das Meer murmurmelt auf verschwörerische Weise.
Es erzählt von ungezähmten Kräften und Geheimnissen,
denen ich nie auf den Grund kommen werde.
Zum Horizont hin scheint die See anzusteigen,
gleich einer riesigen Wasserwand,
die nur auf den richtigen Augenblick wartet,
um sich auf mich zu stürzen.
Da draußen ist etwas. Es wartet auf mich.
Ich will es rufen, aber ich kenne seinen Namen nicht.
Manchmal sitze ich am Ufer und beobachte
die gestrandeten Wellen, wie sie nach Wasser lecken
um schließlich im Sand zu vergehen.
Ich starre auf die kleinen Wirbel, darauf hoffend,
dass sie mir im Vergehen den Namen des Namenlosen
in den Sand schreiben. Wenn ich doch nur in mir
verweilen könnte. Könnte ich es, ich wüsste um das Wesen
des Meeres, ich spräche seine Sprache,
wüsste um die Namen. Doch ich bin nichts.

http://sphotos-a.ak.fbcdn.net/hphotos-ak-prn1/532042_557749324245064_756293056_n.jpg
 

Otto Lenk

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Der alte Bratt

Der alte Mann lebte sein Leben lang in unserem Dorf. Die Dorfbewohner erzählten sich immer die wunderlichsten Dinge über den alten Bratt. Millionär sei er, aber zu geizig seine dritten Zähne ständig zu tragen.
„Die ziehe ich nur zu besonderen Anlässen an“, soll er gesagt haben.
„Seine Millionen hat er zu Hause unterm Bett liegen. Er vertraut keiner Bank“, munkelten die Dorfler, die nicht begreifen konnten, dass so ein reicher Mann sich nichts gönnte. Der alte Bratt ging am Stock. Gebeugt von den Jahren auf den Feldern. Im Laufe der Zeit konnte er ohne aufzublicken nicht mehr erkennen, wer ihm gegenüber stand. Seine Füße waren ihm Nadir und Zenit. Den Blickwinkel seiner Welt bildete das Fenster, an dem er stundenlang stand und aus dem er von innen nach außen sah. Ungenormt hatte er sich eine eigene Sicht der Dinge erworben und bewahrt.
Mit der Zeit kamen wir uns näher. Aus einem anfänglichem „Hallo“ entwickelten sich zuerst kurze, später längere Gespräche. Zeit war sein Lieblingsthema.
„Schau dir nur diese Ameisen an. Wie sie hetzen und hasten. Sie haben ihre Zeit verloren und versuchen ständig eine neue Zeit zu erfinden. In meiner Jugend war die Zeit gleichfließend. Heute versucht jeder Zeit zu gewinnen. So ein Unsinn. Zeit kann man nur leben oder verlieren. Und die heutige Zeit verliert sich in ihrer Schnelllebigkeit. Es gibt keine Momente mehr. Für nichts mehr. Eine nervöse, unzufriedene Herde von Hammeln. Zeitgeist nennen sie das. Dabei hat die Zeit schon längst ihren Geist aufgegeben. Zum Glück bin ich alt und in mir lebt noch die Langsamkeit der Zeit. Sag mir eins! Ist das Leben tatsächlich ein Fluß?“
„Ja! Kann man so sagen. Das Leben ist ein Fluss von der Quelle bis zur Mündung.“
„So ein Quatsch! Wahres Leben entspringt an der Mündung. Langsam, entgegen dem Zeitenfluss musst du schwimmen. Den Strömungen entgegen. Was bringt es, sich mit Ihnen treiben zu lassen? Treibholz! Ohne Tiefe. Immer schön an der Oberfläche. Nein! Langsam! Gegen den Strom. Bis zur Quelle. Dort angekommen hast du den Ursprung des Meeres gefunden. Und vielleicht noch viel mehr.
Am Ende seiner Zeitreisen setzte er immer sein schiefes Lächeln auf, und beim Anblick seiner Zähne (an denen schon lange der Zahn der Zeit nagte) dachte ich mir immer:
„Heute wäre ein guter Tag für die Dritten gewesen.“
Letzte Woche bist du gestorben. Mein Blick hängt an deinem Fenster. Daran wird sich wohl nichts ändern.
Zeitlos!
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
nachgedacht...

...und so bleiben wir meist nachtschattengewächse
heischend um ein paar sonnenstrahlen
deren solumen kaum über den tag reicht
geschweige denn die nacht
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich bin nicht hier
So sehr ich mich auch bemühe
Ich bin nicht hier

Und du
In deiner Unermüdlichkeit
Wie weit bist du bereit
Zu gehen

Auf mich zu
Auf das, was sich immer weiter
Entfernt

Von mir
Dir

Von diesem
Unbekannt

Wenn du eine Antwort weißt


Lass sie mich nicht wissen.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Auf den Äckern liegt die Traurigkeit des Februars.
Selbst die zwischen dem Grau hervor gepressten Sonnenstrahlen vermögen
nichts. Diese seltsame Kontrastlosigkeit zwischen Himmel und Erde.
Was soll sein, wenn man sich nach dem März sehnt?
Und dann auch noch das neue Album von Nick Cave.
Kein Licht in der Mördergrube. Kein Licht!
Keiner, der den verhangenen Himmel beiseite schieben könnte.
Keine Sterne. Keine Erlösung. Nichts.
Und diese Hoffnung auf den März.
Was für ein Witz. Was für ein schlechter Witz.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Manches bleibt

Und nähme am Ende eine mein Herz
zu brechen die Kraft des dunklen Steins
Was bliebe zurück an Bildern, Gedanken
zu rufen die Geister des Ruhelosen

Und nähme am Ende eine mein Herz
es blieben die Zweifel, Schatten, das Nein
Zu tief das Erlebte, der Gram und das Leid
zu vergessen die Geister des Ruhelosen

Und nähme trotz allem eine mein Herz
zerbrochen am Ende ihr Traum vom Glück
Gefangen ihr Leuchten im dunklen Stein
zu trösten die Geister des Ruhelosen

Und nähme am Ende eine mein Herz...
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gerade fing ich an ein Gedicht zu lesen.
Da kam von rechts, aus der Werbung, ein Hund.
Er setzte er sich mit seinem Arsch auf das Gedicht.
Nachdem er wieder in sein Zuständigkeitsgebiet gesprungen war,
setzte ich erneut mit dem Lesen an.
Las und erkannte: Der Hund war ein Lyrikritmatiner.
Und er hatte es tatsächlich richtig erkannt:
Das Gedicht war fürn Arsch.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich sah die Dunkelheit
In deinen Augen
Drum zündete ich die Sterne an

Jetzt stehst du da
Mit kindlichen Augen
Und denkst dir deine Welt

weit
 



 
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