Sprachspiele mittels Kurzfassungen
Jedes Wort, jeder Begriff steht in einem konventionellen semantischen Umfeld - man sagt: er "konnotiert" für ein gemäß den allgemeinen Sprachgewohnheiten und den sprachkompetenten Sprechern der jeweiligen Sprache bekanntes Bedeutungen-Umfeld.
"Baum" konnotiert üblicher Weise zB für Komplexe wie {Wald, Obst, Holz, "öko...", Landwirtschaft, Potenzsymboliken, Leben, usw ...}, die ihrerseits weitere Summen von sub-Konnotationen enthalten = eine Kaskade also von Summen von Konnotationen, deren potentielle Anzahl und Reichweite von der Sprachkompetenz des jeweiligen Lesers/ Hörers abhängt.
also
Begriff/ Wort [X] konnotiert üblicher Weise für die Beutungensumme {a, b, c, ...}
Schreibt man in einer Sprache das Wort [X] an, dann laufen im Hirn der Leser die entsprechenden Autopoiesen ab und liefern als voraussehbare Ergebnisse die in der jeweiligen Sprache üblichen Konnotationen. ( = "Leser" als autopoietische Antworten-Automaten)
Ein guter Autor kann daher praktisch durch pure Aufzählung von sprachüblich zueinander passenden Worten/ Begriffen (und deren suggestive Verstärkung durch beigefügte Adjektive), sprachkompetente Leser vorausgesetzt, ein Feuerwerk solcher Konnotionen in den Hirnen seiner Leser auslösen und damit praktisch "Geschichten erzählen" - ohne sie real schriftlich-fixiert erzählen zu müssen.
Beispiel:
Autor:
"[Natur, alt, Baum, Eiche, sehr groß, Hausbaum, Erbhof, Tochter, Verliebtsein, Schicksal, Unglück]"
- den Rest, praktisch die gesamte Geschichte/ den = einen dazu passenden "Roman" = { ... die in der jeweiligen Sprache üblichen und möglichen Konnotationen ...} erfindet sich der (am scheinbaren Thema interessierte und denkfleißige) Leser autopoietisch selbst dazu
- mit dem "Vorteil" sogar noch, dass der so jeweils leserseitig selbst erfundene Roman auf den betreffenden jeweiligen Leser ganz besonders gut passt (natürlich deshalb, weil er ihn sich selbst ja erfunden hat)
- mit dem "Nachteil", dass das vermeintliche "Werk" des Autors natürlich "unscharf" wird, irrisierend, all-passend, omnipotent in vermeintlichem Gehalt und Aussage (Fachwort dafür = "hypersemiotisch/ hypersemantisch")
- Vorteil für den Autor: im Erleben seiner Leser hat er damit, gerade durch Unterlassen der genaueren textlichen Ausarbeitung seiner Anfangsbegriffe, ein vermeintlich sehr "bedeutungsvolles" Werk geschrieben, während er in Wahrheit nur leserspezifisch Bedeutungen-reiche Begriffe (einer bestimmten Abstraktionsstufe) geliefert hat.
Jeder von einem Autor tatsächlich ausgeschriebene "Roman" besteht daher im Grunde lediglich aus Ketten von sprachlich zusätzlichen Definitionen eines Satzes von autorischen Anfangsbegriffen/ Anfangsworten.
Ein ausgeschriebener "Roman" leitet die hirnlichen Autopoiesen seiner Leser mithilfe solcher Zusatzdefinitionen an, er ist eine Art Netzwerk aus Denkhilfen ( = Krücken) rund um den jeweiligen Satz autorischer Anfangsbegriffe, aus denen er elaboriert wird.
(Dies ist der Grund, warum "Romane" u.ä. Elaborate bezüglich ihres realen Signalegehaltes meist unerhört "redundant" sind, aber im Gegensatz dazu bzgl. ihres leserseitig-erlebten vermeintlichen Nachrichten-Gehaltes so reichhaltig erscheinen. - Der Spruch "Gib mir eine summary eines Romanes von zB "Utta Danella", und ich kenne alle ihre Romane" ist daher berechtigt.)
"Gute Autoren", wie zB ein G.Grass lange Jahre, definieren mithilfe ihrer "Romane" ihren Satz von Anfangsbegriffen in sprachunübliche Semantikenfelder hinein, sie bilden ihren Satz von anfänglichen Begriffen in sprach-unüblichen Konnotations-Summen ab, siehe Grass "Danziger Trilogie" die Mehlwürmer, "Das Treffen in Telgte", "Aus dem Tagebuch einer Schnecke".
Noch geschicktere Autoren, und da wirds dann wirklich interessant, weil die sprachüblichen konventionellen Autopoiesen der Leser dabei systematisch irregeführt werden, nutzen bereits einen Anfangs-Satz von kontradiktischen Begriffen, die dann zusätzlich noch in kontradiktische semantische Umfelder abgebildet werden, siehe G.G.Marquez "Mit den Augen eines blauen Hundes", "Liebe in Zeiten der Cholera".
Die heute hierzulande beliebten "Historischen Romane" - intellektuelle Primitivitäten sondergleichen (sowas wie "Der Medicus" oder "Die Äbtissin") nehmen hingegen einen Anfangssatz von Begriffen, deren Historiker-fachspezifische Gehalte den meisten Lesern diffus bis unbekannt sind ("Mittelalter", "Äbtissin", "Medicus", usw.), und ziehen an diesen Begriffen dann ein Netzwerk aus freien Erfindungen hoch, dessen Aufhängepunkte aus konventionellen und daher von den Autoren voraussehbaren Leser-Vorurteilen bestehen.
Bei diesen Produkten ist die tatsächliche textliche Ausführung durch den Autor notwendig ( = Fleißarbeit), weil sie ohne das völlig substanzlos bleiben würden, da den Lesern aus den für sie mangels Wissen diffusen Anfangsbegriffen heraus kaum eigene Autopoiesen gelingen können.
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Kurzfassungen-Sprachspiele für Hobby-Autoren wären nach oben Geschildertem ganz einfach (acht grundsätzliche Möglichkeiten:
- Ich gebe dir einen Satz von konventionell zueinander passenden Begriffen vor, und du erzeugst dazu konventionelle semantische Umfelder:
[Baum, Strauch, Wiese] => {zu erzeugende Konnotationen, zB "ländliche Idylle"}
- Ich gebe dir einen Satz von konventionell zueinander nicht-passenden Begriffen vor, und du erzeugst dazu konventionelle/ nicht-konventionelle semantische Umfelder:
[Baum, Generator, Wiese] => {zu erzeugende Konnotationen, zB "Müll in freier Natur" und "Erzeugung nachhaltiger Energie"}
- Ich gebe dir einen Satz von konventionell zueinander nicht-passenden Begriffen vor, und du erzeugst dazu konventionelle/ nicht-konventionelle semantische Umfelder:
[Baum, Generator, Wiese] => {zu erzeugende Konnotationen, zB "Müll in freier Natur" und "Erzeugung nachhaltiger Energie"}
usw.
Also (acht unterscheidbare einfache Möglichkeiten):
- zueinander konventionell passende Anfangsbegriffe [...] => Leser-zu-erfindende konventionelle Konnotionen {...}
- zueinander konventionell passende Anfangsbegriffe [...] => Leser-zu-erfindende nicht-konventionelle Konnotionen {...}
- zueinander konventionell nicht-passende Anfangsbegriffe [...] => Leser-zu-erfindende konventionelle Konnotionen {...}
- zueinander konventionell nicht-passende Anfangsbegriffe [...] => Leser-zu-erfindende nicht-konventionelle Konnotionen {...}
und:
- zueinander konventionell passende Anfangsbegriffe [...] => der Autor gibt dem Leser dazu auch mindestens eine konventionelle Konnotionen vor {. a .}
- zueinander konventionell passende Anfangsbegriffe [...] => der Autor gibt dem Leser dazu auch mindestens eine nicht-konventionelle Konnotionen vor {. a' .}
- zueinander konventionell nicht-passende Anfangsbegriffe [...] => der Autor gibt dem Leser dazu auch mindestens eine konventionelle Konnotionen vor {. a .}
- zueinander konventionell nicht-passende Anfangsbegriffe [...] => der Autor gibt dem Leser dazu auch mindestens eine nicht-konventionelle Konnotionen vor {. a' .}
Dazu gibts dann noch Erweiterungen und Variationen, indem ein Autor dem potentiellen Leser zB mehrere Konnotionen mit vorgeben kann, oder ein Konstrukt aus vorgeformten Konnotationsketten usw. - dies ist aber dann schon fast der Beginn des Romanschreibens)
Meine persönliche heutige Kurzfassung:
[Silberlöffel, Ginsterreiserbesen, Autounfall, Schmitz], und als die autorisch vorgegebene von den ansonsten Leser-zu-erfindenden Konnotationen = Bedeutungen-Umfeld hier jetzt {Chefarzt-Selbstmord} - daraus wäre nun leserseitig autopoietisch ein "Roman" zusammen zu denken ...
Das [ ... ] soll also -und zwar konventionell-plausibel- im Bedeutungen-Umfeld = {Chefarztselbstmord} stattfinden.