Sage und schreibe

4,50 Stern(e) 6 Bewertungen

petrasmiles

Mitglied
Lieber Arno,

ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich auf theoretischer Ebene den Gedanken dieser Sinnhaftigkeit noch einmal aufgreifen möchte.

Mir scheint nämlich, diese Vorstellung, dass die Sinnhaftigkeit durch nachfolgende oder auch parallele Ereignisse zunichte gemacht werden könnte, der Knackpunkt der unterschiedlichen Auffassung zu sein. Das hat ganz unreligiös mit dem Luther-Apfelbäumchen zu tun, aber auch mit dem Gedanken, dass man mit dem Tun die Sinnhaftigkeit erfüllt und sie dann loslassen muss.
Ich habe da ein sehr persönliches Beispiel, wo es um etwas anderes geht, aber doch diese Sinnhaftigkeit auf praktischer Ebene eine Rolle spielt. Im Januar 1983 liess sich meine Mutter ihre Zähne machen, damals noch nicht so teuer wie heute, aber dennoch eine Quälerei. Im Februar d.J. war sie tot. Nun könnte man sagen, das ist ja etwas ganz anderes, aber ich glaube eben nicht. Wir wollen gerne, dass die Sinnhaftigkeit über uns hinausgeht, aber den Gefallen kann sie uns nicht tun. Ich sehe schon die ganz anders gelagerte Tätigkeit bei Dir, die ausgeübt wird wegen der Wirkdauer der Sinnhaftigkeit, und gerade das scheint mir die Vanitas zu sein. (Das wollte ich nur loswerden, müssen wir nicht vertiefen)

Liebe Grüße
Petra
 
Man kann durchaus beim Thema Sinnhaftigkeit mit dem Begriff Vanitas operieren, liebe Petra. Nur bleibe ich dabei, dass es da sehr verschiedene Grade und Zusammenhänge gibt. Es führt nicht weit, wenn wir insoweit private Schicksale und die allgemeine Historie aus der gleichen Perspektive betrachten. Ich habe oben nicht zufällig zwei Einträge aus 1997 und 2023 kombiniert. Was 1997 naheliegend erschien, war nicht von vornherein eitel, sondern es wurde möglicherweise eitel durch eine politische Entwicklung, die weder vorherzusehen war noch gesetzmäßig so eintreten musste.

Zur Erläuterung dieser Problematik zwei Fallbeispiele: 1. Mein Vater heiratete Anfang 1944 im Fronturlaub und machte sogleich sein notarielles Testament, um meine Mutter materiell abzusichern. Das Testament blieb gültig bis zu deren Tod 2019 und entfaltete dann die beabsichtigte Wirkung. Beide hatten ihren Wohnsitz permanent nahe der deutschen Westgrenze. - 2. Wer zwölf Monate später nahe der damaligen Ostgrenze angesichts des Vormarschs der Roten Armee statt an die Flucht nach Westen vor allem an einen Notartermin in Königsberg oder Danzig gedacht hätte, dem hätte man schon damals mit Vanitas kommen können.

Wir können es damit bewenden lassen. Ich bin halt etwas empfindlich gegen einen Gebrauch des Begriffs, wenn er mir eine Tendenz zum Apolitischen und Ahistorischen aufzuweisen scheint.

Liebe Grüße
Arno
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Arno,

jetzt bin ich erschrocken - ich meinte nicht den Aspekt der Eitelkeit mit Vanitas, sondern den der Vergeblichkeit.
Aber ja, ich argumentiere ahistorisch und apolitisch, weil aus dieser Perspektive eine Klarsicht möglich ist, die die reine Faktenbasis oft nicht geben kann.
We agree to disagree.

Schönen Abend noch und liebe Grüße
Petra
 
ich meinte nicht den Aspekt der Eitelkeit mit Vanitas, sondern den der Vergeblichkeit.
Und ich, liebe Petra, benutzte vorhin den Begriff Eitelkeit nur als Synonym für Vergeblichkeit, entsprechend diesem Wikipedia-Zitat:

Eitelkeit hat auch die abweichende, ursprüngliche, aber heute veraltete Bedeutung: Vergänglichkeit, Nichtigkeit, Leere und Vergeblichkeit (vgl. engl. idle oder dt. etwas vereiteln). Insbesondere im Barock war das Lebensgefühl der Vergänglichkeit (siehe z. B. das Barocksonett Es ist alles eitel) jedes irdischen Strebens eines der zentralen Motive der Literatur.

Bei Klarsicht und ihren Voraussetzungen könnte man ein neues Fass aufmachen - lieber nicht.

Gute Nacht nun
Arno
 



 
Oben Unten