Wieder nur intern:
Meine Schwester hatte gestern wieder einen Schub. Sie explodiert ja bei der kleinsten Kleinigkeit und dreht jedes Wort im Munde um. Sie sagt dann sie will gar nicht mehr leben, sie tauge nichts und sie bringe sich um. Sie ist schon in psychologischer Behandlung.
Ich wollte mit meiner Schwester besprechen, wie wir die Arbeit teilen können. Ich schlug dann vor, dass ich das "hintere" Zimmer aufräume, wo das Werkzeug ist, meine Frau die Küche und meine Schwester unsere Mutti besuchen solle, weil wir nicht alles gleichzeitig machen können. Statt Einwände oder Vorschläge zu machen, wurde sie zornig und rannte aus dem Zimmer. Immerin fuhr sie dann doch in die Reha-Klinik.
Gestern war das Problem, dass meine Frau bei meiner Mutter den Küchenschrank aufgeräumt hat und alles weggeworfen hat, wo Tierchen drin waren. Besonders bei Müesli und Haferflocken sind sie oft schon drin, wenn man es kauft. Sie hat einen ganzen Nachmittag dran intensiv gearbeitet. Meine Schwester war sehr aufgebracht und bezog es als Kritik auf sich, da sie ja seit einiger Zeit dort den Haushalt mit führt. So sah sie es nicht als Hilfe. Leider können wir aber aus pragmatischen Gründen das nicht so lassen, weil meine Mutter in zwei Wochen von der Reha heimkommt. Dann muss es fertig sein. Meine Schwester hat schon sehr viel für meine Mutter getan, erkennt aber keinerlei lob an. Sie dreht jedes Wort so um, dass sie es als Kritik interpretieren kann, und sei es Tage später. Dass sie in Wahrheit noch leben möchte, zeigt, dass sie vor einer Woche Hilfe annahm, als sie akute Atemnot und einen Erstickungsanfall hatte, wir riefen den Notarzt.
Es ist sehr schwierig, mit ihr zu reden. Nach ein paar Stunden hat sie sich immer beruhigt. Sie entschuldigt sich dann. Leider ist meine Frau dabei dann so genervt, dass sie es nicht freundlich zur Kenntnis nimmt. Meine Schwester und Meine Frau streiten sich schon, seit sie sich kennengelernt haben, mit Unterbrechungen. Es ist sehr verfahren.
Meine Frau wollte die Balkontür schließen, aber der Dreh-Kipp-Mechanismus hängte sich aus. Die Tür drohte, herauszufallen, wie die Fenster in Dresdner Schulen. Ich versuchte, erst mal herauszufinden, was sich ausgehängt hat. Das dauerte meiner Frau und meiner Schwester zu lange. Meine Schwester sagte, sie bringe es, was ich aber leider nicht hörte, weil ich mich auf die Tür konzentrierte. Ich fand dann einen Weg, es wieder einzuhängen. In der Zwischenzeit war meine Schwester schon wieder eingeschnappt verschwunden. Ich erzählte ihr, dass ich sie nicht gehört hätte, was sie aber nicht glaubte.
Jedenfalls hatte sie sich einigermaßen beruhigt. Sie wollte mit mir ausmachen, wer wann meine Mutter besucht. Sie sagte, sie könne nur am Sonntag und wir möchten bitte Sonnabend kommen. Meine Frau hatte sich auf den Flur zurückgezogen. Sie sagte, sie wolle am Sonntag. Am Sonnabend hätte sie Gartentag. Aber die beiden sprachen ja schon nicht mehr miteinander, sondern dickschten herum.
Als meine Schwester hörte, dass meine Frau auch am Sonntag gehen wollte, rastete sie wieder aus. Es scheint keine einfache Depression zu sein, sondern eine komplexere Sache. Meine Frau vermutet, Borderline. Ich bin total verunsichert, weil meine Schwester jedes Wort umdreht, und daher vorsichtig, was sie natürlich merkt, und schon stellt sie wieder Vermutungen an, was dahinter liegt.
Meine Frau ging dann los und ich hinterher, nachdem ich mich noch von meiner Schwester verabschiedet hatte. Es war schon gegen acht Uhr Abends, ich hatte seit Mittags nichts mehr gegessen und nur eine Tasse Kaffee getrunken. Als ich auf der Straße war, lief meine Frau, adrenalingefüllt mit strammen Schritt los. Ich hinterher, merkte aber, dass ich plötzlich keine Kraft mehr hatte und anfing, zu schwitzen. Ich ging etwas langsamer, meine Frau schien es so zu interpretieren, dass ich mit ihr meinerseits dickschte. Ich konnte ihr aber nicht hinterherrufen. Mir wurde immer flauer, das hatte ich nur bisher einmal erlebt, als meine Frau bei einer Wanderung das Mittagessen ausfallen ließ.
Wir sind nach Hause gefahren und unterwegs in eine Kaufhalle. Dort habe ich einen Apfelschorle getrunken, und fas sofort wurde es besser. Ich hatte auf dem Heimweg dann auch keine Probleme mehr. Ich vermute, dass ich bald an Altersdiabetes leiden werde und dass das die ersten Anzeichen sind.
Jedenfalls gibt es immer was zu erleben.
Wir sind dann aus der Wohnung recht schnell weggegangen, als alles fertig war.
Ich wollte mit meiner Frau beraten, wie ich mit meiner Schwester besser umgehen kann, aber sie wollte davon nichts hören.
Meine Mutter meint, es sei richtig und lieb, dass wir alles soweit auf Vordermann bringen.